«Oft gelobte Kinder sind egoistischer»
Das Buch ist zwar schon mehr als zehn Jahre alt. Trotzdem wirkt «Unconditional Parenting» (Deutsch: «Liebe und Eigenständigkeit») noch immer revolutionär. Darin erklärt der US-amerikanische Autor Alfie Kohn, warum viele der Erziehungstechniken, mit denen wir selber gross geworden sind, höchstens kurzfristig Gehorsam produzieren – und längerfristig sogar schaden. Mit seinen Ansichten provoziert Alfie Kohn damals wie heute, weil er für viele das Fundament ihrer eigenen Erziehung infrage stellt. Ein Gespräch über Belohnungen, Strafen und die Problematik von Lob.
Alfie Kohn, heute habe ich meinem vierjährigen Sohn damit gedroht, dass wir sofort vom Spielplatz heimgehen, wenn er nicht aufhört, seinen Bruder zu schikanieren. Spätestens seitdem ich Ihr Buch gelesen habe, weiss ich, dass das nicht gut ist. Doch wie kann ich eine solche Impulsreaktion verhindern?
Ich bezweifle, dass ich eine universelle Anleitung liefern kann, wie ein Elternteil einen solch verführerischen Impuls überwinden kann, der aus der eigenen Sozialisierung stammt. Ein entscheidender erster Schritt wäre, den Nutzen dieses altmodischen Erziehungsansatzes zu hinterfragen. Ich kann niemandem helfen, vom Ansatz «ich bestimme über mein Kind» hin zu einem «ich arbeite mit meinem Kind zusammen» zu kommen. Ich kann lediglich belegen, wie wertvoll der zweite Ansatz ist und wie schädlich der erste. Und ich kann gewisse Leitlinien für diese Reise mitgeben.
Warum schädlich?
Wir machen Kinder mit Strafen absichtlich unglücklich, weil uns nicht gefällt, was sie getan haben. Das verschafft uns nur vorübergehend Gehorsam. Und der Preis dafür ist enorm hoch.
Welchen Preis haben Strafen denn?
Strafen untergraben die Beziehung zu unseren Kindern, sodass sie weniger geneigt sind, uns zu vertrauen. Sie fangen an, uns eher als Sittenwächter denn als fürsorgliche Verbündete zu sehen. Mit dem Resultat, dass sie uns weniger gern um Hilfe bitten oder davor zurückschrecken, uns etwas zu gestehen, worauf sie nicht stolz sind. Strafen erfüllen Kinder auch mit Wut und Trotz sowie mit dem Wunsch, uns etwas heimzuzahlen. Strafen lehren sie den Wert von Macht – das ist ja nicht, was wir ihnen eigentlich mitgeben wollten. Das Hauptproblem von Strafen ist aber, dass dabei die Folgen für das Kind selber im Zentrum stehen, und die Folgen des kindlichen Verhaltens für die anderen in den Hintergrund rücken.

Mit «Unconditional Parenting» landete Alfie Kohn 2005 einen Bestseller. Darin erklärt der Amerikaner nachvollziehbar, warum Strafen und Belohnungen mehr schaden als nützen. Auf alfiekohn.org findet man zahlreiche Artikel, Audio- und Videobeiträge zu seiner Arbeit.
Wie kommt es, dass Strafen so verbreitet sind, wenn sie so viele negative Auswirkungen haben?
Strafen sind nicht nur allgemein akzeptiert, sie werden auch von den Menschen in unserem Umfeld erwartet. Viele von uns wurden mit Bestrafungsstrategien erzogen. Wie wir erziehen, lernen wir in der eigenen Kinderstube. Unser Umfeld bestärkt uns darin. Es braucht Mut, diese Haltung infrage zu stellen. Ausserdem ist Strafen beliebt, weil es einfach von der Hand geht.
Strafen geht einfach von der Hand? Was meinen Sie damit?
Um mit dem Kind zusammenzuarbeiten und Lösungen zu finden, die authentisch, respektvoll und letztendlich auch viel wirksamer sind, braucht es Zeit. Es erfordert auch Anstrengung, Talent und Mut. Keine dieser Qualitäten ist nötig, wenn wir ein Kind leiden lassen, weil es etwas getan hat, was es nicht tun sollte. Manchmal hat Strafen eine kurzfristige Wirkung: Wenn die Drohung schwerwiegend genug ist, wird das Kind manchmal vorübergehend tatsächlich aufhören zu tun, was wir ihm austreiben wollten. Wir ziehen dann die Schlussfolgerung, dass Strafen funktionieren.
Trifft das auf jede Art von Strafe zu?
Ja. Jede Art von Bestrafung hat dieselbe schädliche Wirkung. Einschliesslich des erzwungenen Isolierens von Kindern – gerade wenn sie uns am meisten brauchen. Das wird dann oft verniedlichend als «time out» bezeichnet.
Mir scheint, dass mehr und mehr Eltern verstehen, dass körperliche Bestrafungen grossen Schaden anrichten. Belohnungen, Kleberli-Systeme, Süssigkeiten und Lob scheinen als Anreizsysteme hingegen immer noch weit verbreitet und akzeptiert zu sein. In Ihrem Buch behaupten Sie, dass beide Strategien Kindern schaden.
Belohnungen und Bestrafungen sind keine Gegensätze. Sie sind zwei Seiten der gleichen Medaille. Sowohl beim Strafen als auch beim Belohnen konzentrieren wir uns nur auf das Verhalten an der Oberfläche und gehen nicht auf die Motivation, die Beweggründe und die Bedürfnisse des Kindes ein. Das bedeutet, dass wir dem Kind nicht helfen, über die Auswirkungen seines Verhaltens auf andere nachzudenken. Wenn ich dem Kind mit etwas drohe, dann ist klar, dass ich versuche, es zu kontrollieren. Eine Belohnung oder ein verbales Hundeleckerli («Bravo! Das hast du gut gemacht!») in Aussicht zu stellen, ist genauso manipulativ. Es ist auch nur Kontrolle, aber mit Zuckerguss.
Ich höre von Freunden, dass das Kleber-System bei ihren Kindern funktioniert.
Forschungsergebnisse zeigen ganz klar, dass Belohnungen, genauso wie Bestrafungen, nur eines bewirken: temporären Gehorsam zu einem enorm hohen Preis. Studien zeigen durchs Band weg: Kinder, die oft belohnt oder gelobt werden, sind egoistischer als Kinder, die nicht belohnt werden. Die Auswirkungen sind am stärksten, wenn sie belohnt oder gelobt werden, weil sie grosszügig waren oder geholfen haben. Die Botschaft, die beim Kind ankommt, lautet: Wenn die Person an der Macht mitbekommt, dass ich grosszügig oder hilfsbereit war, dann springt etwas für mich raus. Dieses Kind ist nun womöglich weniger bereit als zuvor, anderen zu helfen, wenn keine Erwachsenen dabei sind, die eine Belohnung anbieten.
Gibt es denn keine Grauzone? Ich finde es sehr schwierig, keine Freude zu zeigen, wenn mein Sohn etwas Tolles schafft.
Seien wir ehrlich: Es ist unser eigenes Bedürfnis, Lob auszusprechen, nicht das Bedürfnis des Kindes, Lob zu hören. Das sollte uns in Bezug auf die möglichen Folgen skeptisch machen. Es stimmt allerdings, dass nicht jede Form von Lob die gleiche Wirkung hat. Hier gibt es Abstufungen. Die destruktivste Art von Lob ist diejenige, mit der wir das Kind explizit manipulieren. Wenn wir sagen: «Gut gemacht!», damit das Kind dasselbe auch wieder tut. Dann ist es wirklich nur Kontrolle, die wir ausüben. Wenn wir etwas Positives über die Handlung des Kindes sagen, lediglich weil wir uns freuen, haben wir sozusagen die erste Hürde überwunden. Aber nur weil wir authentisch sind, heisst das noch lange nicht, dass wir keinen Schaden anrichten.
Wieso nicht?
Relevant ist, wie das Kind unsere Bemerkungen erlebt. Wenn das Kind Lob oder Schulterklopfen als einen extrinsischen Anreiz wahrnimmt, dann wird das Kind vermutlich trotz unserer guten Absichten in Zukunft weniger intrinsisch motiviert sein. Gleichzeitig wird sich das Kind fremdgesteuert und weniger autonom fühlen, wenn es für eine Bewertung zu Mama und Papa schauen muss, anstatt an den eigenen Leistungen Freude zu haben.
All das umzusetzen, erscheint mir ziemlich schwierig. Fiel es Ihnen leicht mit Ihren Kindern?
Ich musste es auch lernen und habe nicht immer alles richtig gemacht. Ich hatte nicht immer die Geduld, die ich hätte haben sollen, als meine Kinder klein waren. Wir befinden uns alle auf dem Weg. Aber ich habe sicher nie auf Belohnungen oder Bestrafungen zurückgegriffen, und das war ganz klar die richtige Entscheidung.
Dieses Interview erschien in ungekürzter Form auf www.kleinstadt.ch, und zwar in zwei Teilen: «Belohnungen sind Kontrolle mit Zuckerguss» und «Lob schadet doppelt»
Weitere interessante Postings:
80 Kommentare zu ««Oft gelobte Kinder sind egoistischer»»
Zur Abwechslung wieder einmal ein richtig guter und nützlicher Beitrag im Mamablog statt des ewigen Genöles der verhältnismässig privilegierten Mamas bezüglich Gleichstellung, Hausarbeit, Vereinbarkeit von Beruf und Familie, Mutter-Nicht-Mutter-Diskussionen, Daheim-Mami/Papi vs. Arbeits-Mami/Papi, und der übliche Brunz, wo es eigentlich hauptsächlich um Mamabefindlichkeiten und herzlich wenig um Kinder, Familie oder Erziehung geht.
Nützlich? Inwiefern? Weder wird konkret auf die Erziehung eingegangen noch wird irgendwelche Evidenz erbracht, dass seine Erziehungsmethode etwas bringt. Schlussendlich geht es um die Vermarktung eines Erziehungsratgebers.
„Ewiges Genöle“? Dass es in einem Mama-Blog um Themen geht die Mütter beschäftigen stört Sie? Witzig…
Sehr realitätsnah.
In der Schule wird der Lehrer sicher auch zuerst lange und geduldig mit Hans-Joachim diskutieren und die wahren Hintergründe herausfinden, warum er denn nie die Mathe-Aufgaben macht – ohne zu kritisieren, und ganz sicher ohne Strafaufgaben zu verteilen.
Und später im Job wird der Chef den Hans-Joachim zu einem Fyrabebier einladen, um in aller Freundschaft und Respekt mit ihm zu erörtern, warum er denn schon wieder die verbindlichen internen Weisungen überschritten hat. Aber das macht der Chef gerne, schliesslich ist der Hans-Joachim einzig von seiner instrinsischen Motivation bestimmt, und will auch keinen Bonus oder Lohnerhöhung für fortlaufend gute Arbeit.
Interessant, diese Gedanken auch auf die Arbeitswelt anzuwenden. In der Tat funktionieren sie auch dort, nicht nur bei Kindern. Ein Chef der authentisch ist und klar mitteilt, dass eine Leistung unter den Erwartungen liegt ist leichter zu verdauen als einer, der unfreundlich kritisiert. Letzterer wird Mitarbeiter heran ziehen, die einen Groll mit sich tragen und auf Vergeltung aus sind. Kein gutes Arbeitsklima.
Du meine Güte, was für eine Simplifizierung von Lob und Tadel! Und was für ein schlecht geführtes Interview: keine Nachfrage, keine Konkretisierungen. Alles wird unwidersprochen oder kaum widersprochen stehen gelassen. Der Mann behauptet irgend etwas (jede Art Strafe ist schädlich) und führt keinen einzigen nachvollziehbaren Grund an, warum das so sei sollte. – Und damit ist er bloss ein Heilsverkünder. Er hat sein Geschäftsfeld gefunden und seine Jünger auch.
Nachtrag:
http://blogs.britannica.com/2009/02/alfie-kohn-is-bad-for-you-and-dangerous-for-your-children/
In diesem Artikel wird detailliert die Methode Kohns beschrieben: Er generalisiert, pickt sich Dinge aus der Erziehung und benutzt sie für seine Darstellungen. Im Artikel wird mit Quellen belegt, dass die Aussagen von Kohn widersprüchlich und in ihrer Einfachheit oft falsch sind.
„Kohn consistently makes factual errors, oversimplifies the literature that he seeks to explain, and commits logical fallacies.“
„Praise can be controlling and exact a psychological cost, but its effect on the recipient depends on how it’s construed“.
Bevor man solche Interviews führt, sollte man sich eingehend mit den Positionen und den Widersprüchen befassen.
da steht aber auch:
„Let me admit at the outset that I don’t really believe reading what he has to say is bad for you.“
oder:
„He will lead you to something interesting and useful, but if you want to use it, you will have to do the work yourself.“
ist es nicht mit (fast) Allem so: Man muss die Arbeit machen um etwas zu lernen.
Es gibt keine einfachen, allgemein gültigen Erziehungsmethoden, dazu müsste es zuerst mal ein allgemein gültiges Erziehungsziel geben. Selbstentfaltung oder funktionieren in der Gesellschaft? Gehorsam oder Disziplin? Anpassung an die Umwelt oder Versuch, diese zu gestalten? Möglichst erfolgreiche Karriere?
Erziehung ist keine exakte Wissenschaft!
Lange bevor ich Vater wurde, habe ich mal gesagt, ich würde versuchen, mein Kind zu selbstständigem Denken zu erziehen. Ob ich ihm damit einen Gefallen mache, wisse ich nicht.
Sehe das noch immer so.
Ja, das steht auch im Beitrag: Hoenyguide.
Ich gebe zu, ich habe den Bericht und das Interview nicht komplett gelesen, weil es mich müde machte.
Mein Kind wurde von mir bestraft, wenn es Grenzen überschritten hat und gelobt und ermutigt, wenn es etwas gut gemacht hat.
Ich finde, ein Kind braucht ein Feedback, was gut ist und was nicht gut ist. Da geht es darum verantwortungsvolle Mitglieder der Gesellschaft zu erziehen. Sie sollen wissen, wie man sich, hier, in der Schweiz (resp. allgemein), in der Oeffentlichkeit benimmt. Was die ungeschriebenen Regeln sind. Und das geht halt nur durch Lob und Tadel, finde ich. Ich habe kein Kind erlebt, dass nur durch Nachahmung und Instinkt gelernt hat. Sieht man, wenn man aus dem Zug aussteigen will und (meist junge) Menschen reinlaufen, bevor man draussen ist.
Ach ja: meine Tochter, heute 26 Jahre alt, hat mal gesagt, sie hätte es gehasst, dass ich so streng war. Spätestens in der Lehre, im Vergleich mit anderen Lernenden und Kunden, hätte sie gemerkt, wie es ist, wenn andere die Regeln nicht kennen würden.
Ich habe vieles falsch gemacht in der Erziehung (man kann ja vorher nicht trainieren, sondern muss sofort den Ernstfall durchlaufen. Egal wie viele Kinder man hat), aber dass mit Loben und eben auch Erziehen, da finde ich, ist das Ergebnis gut geworden. Liegt evtl auch am Kind 😉
Strafen um des Strafens willen, um den Willen gegen das Kind durchzusetzen, ist sicher nicht gut. Strafen wenn man selbst wütend ist, ist meistens auch keine so gute Idee. Hingegen Konsequenzen aufzuzeigen für Handeln, das entweder für das Kind selbst oder für andere negativ ist, und die in direktem Kontext dazu stehen, zeigen dem Kind hingegen Grenzen auf und ermöglichen dem Kind, zu lernen. Und jedes Kind braucht Grenzen, um sich sicher und geborgen zu fühlen. Die Grenzen, die man setzt, sollten Sinn machen und nicht willkürlich sein. Auch ist es m.E. wichtig, dass man bei kleineren / unwichtigeren Dingen auch mal nachgibt, dafür aber bei den wirklich wichtigen Dingen (was das ist muss jede Familie selbst definieren) konsequent ist.
ich bin völlig Ihrer Meinung.
Ich habe mal (war das bei Jesper Juul) gelesen, dass man die Kids möglichst die Folgen ihrer handlungen merken lassen sollte. Das beste seien „natürliche Konsequenzen“, z.b. dass es kalte Hände hat, wenn es ohne Handschuhe rausgeht. Da das nicht immer funktioniert (z.B. bei dem Artikelbeispiel des schikanierenden grossen Bruders, oder im Strassenverkehr), solle man selbst Konsequenzen einführen – aber , wie Sie schreiben, ohne Zorn und nicht um sich selbst zu beweisen.
Verdammt, wie konnte dann aus unseren Töchtern nur was werden ? Wir haben sie mit Strafen und Belobigungen grossgezogen. Strafen untergraben das Vertrauen, sie vertrauen mir weniger ? Unsinn. Die Kinder können drauf vertrauen, das eine angedrohte Strafe bei weiterem Überschreiten auch zu 100% eintrifft. Und Loben tue ich nur meintewegen, nicht weil die Kinder es wünschen oder wollen ? Das zeigt mir eher auf, das der Autor dieser Aussage wohl noch nie selber den Effekt gesehen hat was passiert, wenn ein Kind gelobt wird.
Will der Autor ein Summerhill 2.0 schaffen ? Oder versucht er, aus etwas relativ einfachen etwas kompliziertes zu machen, um sich dann an Beratung und eigenen Büchern eine goldene Nase zu verdienen. Mein Tip: letzteres !
Maike: voll aus meinem Herzen geschrieben.
Kinder brauchen Hilfe um in der Gesellschaft zurecht zu kommen und es ist an uns Eltern sie zu unterstützen. Und gerade weil sie wissen, dass es nicht nur Strafe und nicht nur Lob gibt, sondern alle beide immer als Konsequenz aus ihrem Handeln, haben die Kinder sehr grosses Vertrauen in die Eltern. Habe ich beobachtet.
Pädagogisch ist diese neue Ansicht nicht wirklich begründet. Grenzen aufzeigen – und nie erschüttern – sowie präventiv was verhindern (Zwieback geben im Einkaufswagen; nein zu Süssigkeiten) ist wohl eine gute Mischung. Begründen, wieso was nicht und präventiv wirken/Zeit verbringen. Das geht in den Bereich ,operante Konditionierung’/Verhaltensformung. Spiele, Zeit, „präventive Beschäftigungen“/Liebe ist damit ein sekundärer Verstärker: Kinder brauchen Grenzen. Weil man aber mit ihnen was macht und manchmal präventiv handelt, akzeptieren sie das auch.
Diese verkrampfte Suche nach der idealen Erziehung schadet meines Erachtens jeder zwischenmenschlichen Beziehung. Gibt es denn ein universal ideales Haus, ideale Ferien, den idealen Wanderweg, das ideale Mittagsmenü etc.? Beim Instrument sind es die mitschwingenden Imperfektionen, die den Klang z.B. einer Klarinette vom elektrisch und steril erzeugten Ton unterscheiden. Wer möchte denn eine elektrisch perfekte, jedoch sterile Symphonie hören?
Will ein Kind wirklich die perfekte Erziehung? Wie soll es dann später im Leben zurechtkommen, wenn es sich mit fehlverhaltenden Erwachsenen rumschlagen muss? Ein Erziehungansatz muss nicht perfekt sein und darf auch mal Fehler beinhalten. Dies bereitet ein Kind auf die Ungereimtheiten des anstehenden Lebens vor. Kopflastigkeit bleib fern von mir!!!
Mich würde interessieren, ob seine Kinder noch mit ihm reden. Er kommt sehr unsympathisch und besserwisserisch herüber. Als guten Vater kann man ihn sich beim besten Willen nicht vorstellen.
Die Kinder der indigenen Prairie-Völker (Sioux, Ute, usw.) wurden weitgehend antiauthoritär erzogen. Sie haben als Erwachsene trotzdem andere Stämme überfallen, ausgeraubt und ermordet.
Seit Freud hat der Westen das Gefühl, alles Schlechte käme aus der Kindheit. Doch das ist viel zu einfach gestrickt. Loben und Strafen sind völlig normale Dinge im Leben jedes Menschen. Wenn wir unseren Kindern dieses Prinzip abgewöhnen, dann werden daraus keine fertigen Menschen, die sich im Leben behaupten können.
Gott-sei-Dank sind Kinder ja nicht 24/7 von ihren Eltern bestimmt und kontrolliert. Sie holen sich ihre Freiheiten und damit Lob und Strafen selbstständig in ihren eigenen Gruppen (Klasse, Sportteam, Pfadi) ab und lernen so, egal, wie verkorkst ihre Eltern sind!
Leider immer die extreme ! Manches Kind leidete wegen Mangel an Ermunterung, mangel an positiver Kritik. Aber andere werden viel zu häufig gelobt und dass macht sie dann zu stolz.
Mich würde doch auch interessieren, in welchen Studien wie genau festgestellt wurde, dass Kinder, die viel gelobt wurden, egoistischer werden.
Das in einer empirischen Studie sauber herauszuarbeiten… ist relativ schwierig. So schwierig, dass ich es auch ganz vielen Akademikern nicht zutraue.
Schon nur die Erfassung von „viel gelobt“… wie unterscheidet man viel loben von wurde sehr stark gelobt.
Oder war das so ein lustiger Fragebogen mit „Wurden sie als Kind viel gelobt 1-5“?
Mag ja sein, dass das so ist, aber…
Aber man hört sie doch manchmal, diese Eltern deren jeder zweite Satz auf dem Spielplatz ein Lob an ihre Kinder enthält. Die sind so positiv, es ist ganz toll wie ihr Kind einen ganzen Eimer mit Sand umstülpt, zum gefühlt fünfundachtzigsten Mal hintereinander. Lob halte ich nicht für grundsätzlich falsch (im Unterschied zu Strafe), aber sollte aussergewöhnlichen Leistungen oder Anlässen vorbehalten bleiben. Sonst wird es so billig und leer, dass dies selbst ein kleines Kind erkennt.
Hallo Patrick.
Es gibt mehrere wissenschaftliche Studien. Eine davon z.B. zeigt, dass Kinder, die oft gelobt werden, nicht mehr Selbstvertrauen haben, aber narzisstischeres Verhalten zeigen. https://www.pnas.org/content/early/2015/03/05/1420870112
Diese beruht tatsächlich auf Befragungen über einen längeren Zeitraum hinweg, so wurden die Kinder z.B. gefragt, ob sie gewissen Aussagen zustimmen: „“Kids like me deserve something extra.” Auch die Eltern wurden befragt.
Viele Grüsse, Sarah
In der Studie ( n = 1, ca 500 Kinder, in Ihrem Link nur der Abstract verfügbar) wurde gezeigt, dass Überbewertung (overvaluation) zu narzisstischem Verhalten bei Kinder führt.
Erstens besteht ein fundamentaler Unterschied in Loben und Überberten.
Zweitens wurde nicht gezeigt, dass diese Kinder auch als Erwachsene Narzissten sind. Es könnte sich auch um ein temporäres Phänomen handeln.
Kein Bestrafen, kein Loben, wie kriege ich dann meine Bälger dazu was zu tun? Betteln?
Ich übertreibe, so schlimm ist’s ja nicht, meistens. Manchmal leider schon… und was dann? Wie viele Kinder der Herr wohl hat? Wenn meine drei gerade am Abgehen sind kann ich noch lange konstruktive Stimme der Vernunft sein, das hat beim „aber er hat“ eher selten funktioniert.
Ich war letzten Herbst mit einer Familie in Urlaub die nicht Strafen, praktisch nicht tadeln, nicht extrem loben, das Kind fragen, wann es ins Bett möchte… An einem gewissen Punkt fühlte ich mich vom Kind terrorisiert und wir waren erstaunt, dass die Eltern nicht eingegriffen haben, wenn das Kind mit schmutzigen Fingern die Sachen in der Ferienwohnung anfassten. Die Antwort der Mutter: Die Kinder lernen durch Nachahmung und die Vermieter wissen, dass Familien mit Kindern kommen und müssen damit rechnen dass die Möbel schmutzig werden oder kaputt gehen könnten…
Nein, das ist nicht meine Welt. Dem Kind wird gesagt, wo die Leitplanken sind. Dazwischen kann es sich frei bewegen. Und wenn es die Grenzen überschreitet, dann wird ermahnt, und wenn es gut klappt wird ermutigt und gelobt.
„Und wenn es die Grenzen überschreitet, dann wird ermahnt,…“ und wenn es die Grenzen wieder überschreitet, wird gehauen. Vielleicht nicht physisch, sondern emotional, mit Liebesentzug, Fernsehverbot, aber es wird bestraft, dem Kind Nachteile zugefügt, weil man muss ja konsequent sein.
Strafe funktioniert nach dem Prinzip, dass ein ernsthafter Nachteil angedroht wird, falls die Grenzen überschritten werden. Ich will meinem Kind weder ernsthafte Nachteile zufügen, noch ihm damit drohen.
Anh Toan: Wenn Sie zu schnell Auto fahren oder in einem Laden stehlen oder die Rechnungen nicht bezahlen: was passiert dann? Ja, sie werden bestraft. Wenn man sich nicht an die Regeln hält, wird man bestraft.
Ich will mein Kind auf das Leben vorbereiten. Ich will, dass es ein Teil der Gesellschaft ist. Einerseits im ganz Kleinen (der Familie) und im Grossen (der Gesellschaft). Ich wollte keinen Menschen heranziehen, der meint alles machen zu dürfen und keine Konsequenzen befürchten zu müssen. Weil das Leben so nicht funktioniert.
Es muss lernen, dass es respektiert wird, aber im Gegenzug auch andere Personen und Eigentum respektieren muss.
Liebesentzug gab es nie, sondern materiellen Entzug.
Ich habe beim Auto fahren keine Angst vor Strafe, auch nicht Ausweisentzug, nicht mal wirklich vor den massiven Strafdrohungen für rasen. Ich fahre nüchtern und defensiv und vorsichtig, weil ich Angst habe davor, damit weiter leben zu müssen, jemanden getötet oder schwer verletzt zu haben. Das will ich meinem Kind beibringen.
Regeln setzen und deren Verletzung mit Nachteilen bedrohen führt bestenfalls zu Gehorsam, aber wenn geglaubt wird, man werde nicht erwischt, gibt es keinen Grund mehr für Gehorsam. Man versucht, die Strafe zu vermeiden, nicht das verpönte Verhalten. Sich nicht erwischen lassen. Vorsätzliche Straftaten werden meistens nicht in Abwägung der Härte einer allfällige Strafe begangen, sondern in Abwägung der Wahrscheinlichkeit, erwischt zu werden.
„Kein Bestrafen, kein Loben, wie kriege ich dann meine Bälger dazu was zu tun? Betteln?“
Nun, wenn Sie statt Betteln Bitten geschrieben hätten, wäre es ein völlig sozialadäquates Verhalten, um jemanden dazu zu bekommen, etwas zu tun, über den man keine Macht hat. Ein anderes sozial adäquates Verhalten wäre, zu erläutern, warum der Andere etwas tun soll. Vielleicht sieht er dann ein, dass ein entsprechendes Verhalten, insgesamt auch ihm selber, nützlich ist.
Wie bekommen Sie jemanden dazu, etwas zu tun, über den Sie keine Macht haben?
„Strafen lehren sie den Wert von Macht – das ist ja nicht, was wir ihnen eigentlich mitgeben wollten.“ Was sind denn das für verquere Ideen? Macht ist nichts Schlechtes – die Frage ist bloss, wer sie gerade innehat. Immerhin schön, dass Herr Kohn bei seinen Kindern angeblich auf Macht bzw. auf Belohnung und Bestrafung verzichtet hat und das die „ganz klar richtige Entscheidung“ nennt. Ob er damit recht hat und was seine Kinder oder er selber taugen, das steht auf einem ganz anderen Blatt. Kann man auch bei einer kurzen Suche nach Alfie Kohn und passenden Stichworten in Google nachlesen.
Zu viele Köche verderben den Brei.
Ein weiter idealisierter Erziehungsansatz mit Totalitätsanspruch. Als würden wir Menschen alles nur über den Verstand lernen. Als wäre der logisch-abstakte Verstand bereits bei Geburt voll ausgebildet. Wenn etwas wissenschaftlich in dieser Sache belegt ist: Dass genau dies nicht der Fall ist. Lob und Bestrafung zu verteufeln um einfach den Eltern eine „Schuld“ aufbürden? Die Frage ist doch viel mehr, in welcher Quantität und Qualität man die erzieherischen Mittel einsetzt. Mir ist noch kein erwachsener Mensch begegnet, der nicht gerne ein Lob bekommt. Eine Anerkennung, für das was er/sie macht. Wie gesagt: Die Schwierigkeit liegt in der Frage: Wo liegt das richte Mass.
Sie sagen es richtig, (erwachsene) Menschen erhalten gerne ein Lob.
Wenn es denn ein ehrliches Lob ist; wenn aber dahinter eine Erziehungsabsicht erkannt wird, sind die meisten dann nicht mehr so begeistert.
Der Kleine schikaniert seinen Bruder. Auf Ansage wird das Spielen abgebrochen. Daran ist NICHTS schädlich, wenn ganz klar ist, warum etwas erfolgt. Das Kind lernt, dass sein Handeln Folgen hat. Simpel. Wenn dann noch Werte und Vorstellungen (nicht in der Hitze des Gefechts, allgemein, oder eben in der Nachbearbeitung) kommuniziert werden, dann ist das absolut sinnvoll. Natürlich bestimmen die Erwachsenen über Kinder. Dass dieser Ansatz des ewigen Ausdiskutierens nonsense ist, wurde ja schon ausführlich diskutiert.
Wenn ich einem Kind für seine Hilfe danke und sage, dass ich das toll finde, warum sollte das schlecht sein? Irgendwie muss es ja lernen, was andere Menschen mögen oder nicht.
Dieses „Kinder sind kleine Erwachsene“ ist Unsinn.
Sehe ich genau so wie Sie. Ausserdem fehlt mir hier der Ansatz was man denn stattdessen tun soll..
Simon gibt doch die perfekte Antwort: Buch kaufen 😉
„Dieses „Kinder sind kleine Erwachsene“ ist Unsinn.“ Absolut einverstanden; und ich verstehe Kohn eher so, dass er dem Rechnung tragen will.
Ok, ich weiss jetzt was man nicht tun sollte. Aber was sollte man denn nun tun gem. dem Herrn? Keine Aussage im Interview..
Das einzige was ich ableiten kann: Man sollte wohl das Buch kaufen…
@Simon: Warum? Warum? Warum?
Die wichtigste Frage, wenn man ein Verhalten ändern will, warum sich der Andere so verhält. Und warum einem dieses Verhalten stört. Es geht nicht darum Strafe oder Lob zu verteilen, also Schuld oder Verdienst zuzuweisen, sondern darum, Lösungen zu suchen. Und Lösungen für Konflikte (hier zwischen den elterlichen Erwartungen und dem Verhalten des Kindes) findet man, indem man die Ursachen, das warum der anderen Seite, sucht. Hat man verstanden, warum man selber diese Erwartungen hat und warum die andere Seite sich nicht so verhält, ist die Lösung meistens nicht mehr weit. Schuldzuweisungen sind kein lösungsorientierter Ansatz, der Konflikt bleibt, man hat nur einen Schuldigen gefunden. Strafe ist Schuldzuweisung, das versteht auch ein kleines Kind.
Man sollte Interesse zeigen an den Handlungen des Kindes. „Warum machst Du das so?“ ist besser, als sowohl „du machst das falsch“ oder „du machst das mega-supi-gut.“ Das gilt auch unter Erwachsenen: Als Steuerberater rufe ich nicht den Veranlager an, und sage ihm, er hätte etwas falsch gemacht. Sondern ich frage ihn, warum er es so gemacht hat. So kann er immerhin seinen eigenen Fehler selber erkennen, oder ich meinen. So werden wir die Lösung finden. (Nicht immer, aber oft).
Wir fragen viel zu selten „Warum?“
Sage ich dem Steuerberater, er hätte das falsch gemacht, wird er auf Abwehr schalten, an seiner Ansicht festhalten. Dann endet ces, indem wir uns anschreien. Frage ich ihn, warum hat er es so gemacht, erreiche ich, dass er seinen Entscheid überdenkt.
@Antoine: Entlassen Sie Ihren Steuerberater, wenn er Sie anschreit.
@Jessas Neiau: Und was wäre das Äquivalent bei der Kindererziehung zu einer solchen Entlassung…?!? 😉
@Jessas Neiau: Es sollte heissen, der „Steuerveranlager“ nicht Berater. (Ich habe gedacht, das Versehen erklärt sich von selbst, ich müsse dies nicht berichtigen. Den Steuerveranlager kann ich nicht entlassen, und auch nicht anders bestrafen. Und auch wenn er falsch liegt, bringt es mich nicht weiter, ihm dies vorzuwerfen.
Leider wird sehr wenig differenziert zwischen Lob und Strafen einerseits, sowie positivem und negativem Feedback über das Handeln andererseits. Bei letzterem bin ich der dezidierten Ansicht, dass dies alle Menschen brauchen, Kinder allein schon darum, ihren eigenen Kompass zu finden und immer wieder zu justieren. Dies ist m. E. nebst anderen Dingen durchaus entscheidend für Erziehung, für das Erlernen von Fähigkeiten und Kompetenzen, und letztendlich auch für die persönliche Entwicklung. Was ebenfalls zu kurz kommt: das Spüren der Konsequenz des eigenen Handelns. Hier lese ich zumindest im Interview keinen Ansatz.
Die Kunst dürfte einfach sein, dabei nicht auf plumpes Strafen und Lob zurück zu greifen, sondern mehr auf das Kind und seine intrinsische Motivation einzugehen.
„Bei letzterem bin ich der dezidierten Ansicht…“ Kann mich nur anschliessen und ich glaube, Herr Kohn würde das auch tun.
„das Spüren der Konsequenz des eigenen Handelns“ Auch das würde Herr Kohn wohl unterschreiben. Man muss sich als Eltern nur fragen, bestrafe/befeedbacke ich wirklich objektiv die Handlung des Kindes oder etwas/eine Handlung, die ich nicht will.
Supereinfaches Beispiel: Ein Kind wirft sich immer wieder Sand auf den eigenen Kopf. Wer das Kind wirklich einfach mit den Konsequenzen leben lässt, der lässt es weiter spielen, es muss mit dem kratzigen Kopf zurecht kommen.
Zu drohen: aufhören, sonst gehen wir Heim! ist sicher keine logische Konsequenz aus der Handlung.
„Wer nicht hören will, muss fühlen“ meint nicht die züchtigende Elternhand!
tststs, man kann dem Kinder aber auch sagen: “ Du wirfst dir Sand auf den Kopf, dann juckt es dich und wir müssen dir dann zu hause die Haare waschen und auskämmen. Das ist für uns beide nicht lustig, also bitte unterlass das. Wenn du damit nicht aufhörst, dann gehen wir, weil ICH das Theater mit dem Haarewaschen nicht will“.
Ist das ein Beherrschen des Kinder? Klar, aber wir werden ein Leben lang fremdbestimmt und müssen mit Konsequenzen leben.
Ist ja in der Regel nicht so, dass das Kind die Konsequenzen seiner Handlungen am Schluss alleine trägt. Weder wäscht es seine Haare alleine, noch seine Kleidung.
Und natürlich wird es beim Haarewaschen über den Vater fluchen, der so grob den Sand herauswäscht, und sowieso das falsche (also überhaupt eins) Shampoo verwendet.
Nein danke!
Aber genau das (unangenehmes Haarewaschen) ist doch die Konsequenz von Sand-in-den-Haaren. Dies zu spüren hinterlässt u.U. beim Kind mehr Eindruck, als das abstrakte Bild (Drohung), dass es dann später mal unangenehm werden würden, wenn das Kind Sand in die Haare täte. (Konjunktiv ist eben nicht die Denkweise von Kleinkindern).
Das nächste Mal kann man dann auf diese Situation referieren („Du weisst, was das letzte Mal passiert ist?“)
Und übrigens, störrische Kinder ertragen zu müssen ist die Konsequenz, die Eltern tragen müssen, wenn sie sich für Kinder entscheiden 😉
Gut gesagt MF, stimme überein. Es geht darum Abstand von der Manipulation zu nehmen. Aber dazu braucht es nicht nur Anstrengung und Mut, sondern auch Talent. Und auch, ein ganz schönes Stück Reflexion unserer eigenen Sozialisierung.
„Und auch, ein ganz schönes Stück Reflexion unserer eigenen Sozialisierung.“ Treffer, versenkt!
(Standartsatz: Es hat mir ja auch nicht geschadet…)
Hm. Wenn man in den Chor derer einstimmen wollte, die gerne betonen, wie man früher (und mehrheitlich auch heute noch) in der Erziehung alles falsch gemacht hat, mit schwerwiegenden Folgen, dann müsste man ja nicht nur die Erziehung, sondern letztlich auch die eigene Person hinterfragen.
„Es hat mir auch nicht geschadet“ ist deshalb das eine, „ich bin eigentlich ganz gut herausgekommen“ das andere. Reflexion macht durchaus Sinn, und auch beim einen oder anderen klüger werden.
Aber man kann auch mal den Eltern gratulieren, dass sie eigentlich einen guten Job gemacht haben. Das ist ja eigentlich mit ein Grund, warum man vieles ähnlich macht. Trotz oder gerade wegen der Reflexion.
„Aber ich habe sicher nie auf Belohnungen oder Bestrafungen zurückgegriffen“
das kann glauben, wer will, aber was man denn tun soll wenn der „vierjährige Sohn nicht aufhört, seinen Bruder zu schikanieren“ hätte mich schon noch interessiert.
Wenn Sie etwas suchen, das mit einer klaren Gebrauchsanweisung geliefert wird, empfehle ich Ihnen ein Tamagotchi, statt einem Kind.
Ich komme sehr gut ohne Gebrauchsanweisung klar, danke. Aber wenn jemand behauptet (und mehr als eine Behauptung ist es nicht), dass alle alles grundlegend falsch machen, erwarte ich schon auch, dass alternative Lösungsansätze erörtert werden.
Zum Thema Lob schreibt Herr Kohn auf seiner Internetseite, man solle doch einfach nichts sagen oder die Tätigkeit des Kindes wertfrei umschreiben. Mit Verlaub, aber so lieblos gehe ich nicht einmal mit meinen Mitarbeitenden um, geschweige denn mit meinen Kindern.
Ursachenforschung ist immer gut, aber vielleicht zieht der Zweijährige seinen Bruder an den Haaren weil er es kann. Seine Motivation kann man mangels Kommunikationsmöglichkeit sowieso höchstens erraten, nie aber wirklich ergründen.
Es sollte interessieren, warum der Vierjährige nicht aufhört, seinen Bruder zu schikanieren. Denn wenn Sie rausfinden, warum er es tut, wissen sie auch, wie sie es abstellen können.
Kinder tun gewisse Dinge weil sie sie spannend, interessant oder die Reaktion anderer darauf toll finden, oder weil sie sauer sind, traurig usw.
Natürlich können Sie evaluieren warum Maximilian Jonathan schikaniert. Bitte denken Sie sich einfach noch eine Erklärung für Jonathan aus, warum er das einfach aushalten muss….
Wahrscheinlich ist er eifersüchtig. Daran kann man arbeiten. Trotzdem soll das Verhalten des Schikanierens nicht geduldet werden, jetzt, sofort.
Idealerweise fragt Jonathan Maximillian, warum er sich so verhalte.
@Colisa: Klar muss man es im Moment einfach stoppen, sich dazwischen stellen, ablenken (wer will ein Eis?), irgend etwas tun, um die konkrete Handlung abzustellen. Aber alleine damit lässt sich nur die aktuelle Situation lösen, jedoch nicht dessen Ursache und das gleiche Verhalten wird wieder und wieder erscheinen.
Warum ist er eifersüchtig? Subjektiv hat er einen guten Grund, eifersüchtig zu sein, sonst wäre er es nicht. Vielleicht hat er auch objektiv einen guten Grund, dann wäre das Schikanieren des Bevorzugten aber kein nützliches Mittel, sich gegen die Zurückstellung zu wehren. Wenn er objektiv keinen Grund hat, eifersüchtig zu sein, muss man rausfinden, warum er subjektiv so empfindet.
Kinder ärgern Kinder aus Eifersucht? Oder weil sie es lustig finden wie das andere reagiert? Oder weil sie Macht erproben? Oder weil ihnen ihr aktuelles Spiel langweilig ist?
Ein Eis anbieten wenn ein Kind unerwünschtes Verhalten zeigt, ist die perfekte Konditionierung eben diesen Fehlverhaltens.
Man sieht das oft, wenn sich Kinder im Einkaufsladen brüllend auf den Boden werfen und sofort damit aufhören wenn die Eltern etwas in den Einkaufswagen legen das sie haben wollen…
Das eine ist eine (akut) taktische Entscheidung, das andere ist die langfristige Strategie.
„Ein Eis anbieten wenn ein Kind unerwünschtes Verhalten zeigt, ist die perfekte Konditionierung eben diesen Fehlverhaltens.“
Erst ab einem gewissen Alter, vorher ist es eben schlicht „Ablenkung“.
(Als Gotti und Babysitter bin ich der Master of Ablenkung; und ja, Essen finde ich jetzt nicht gerade eine gute Sache…)
@tststs Diese Unterscheidung (zwischen Taktik und Strategie) fällt vielen Leuten schwer.
Das Kind bekommt nicht ein Eis, weil es sich falsch verhält, auf diesen Gedanken kommt es nur, wenn es nur dann und immer Eis gibt, wenn es sich falsch verhält. Manchmal gibt es Eis, und wenn es Eis gibt, vergisst das Kind das andere Thema für den Moment.
@AT, glauben Sie mir, es gibt sehr viele Kinder die unglaublich schnell lernen. Und dann wird der Link gemacht: ich stelle etwas an, die Betreuungsperson wird aktiv.
Egal ob Sie ein Eis ausgeben, den Clown machen, etwas Spannendes zeigen usw..
@Niklas Meier: „Und dann wird der Link gemacht: ich stelle etwas an, die Betreuungsperson wird aktiv.“ Dann würde ich das Kind sogar loben, eben dafür, dass es mich durchschaut (und dann wird dieses Muster obsolet, ich weiss dass es mich durchschaut), statt es zu tadeln dafür, etwas angestellt zu haben.
@AT
Aber loben geht doch nicht, gemäss dem Interviewten.
Wobei ich seine Meinung nicht teile, dass es bloss die Kehrseite der Bestrafung ist. Dem Kind bleibt immer noch die Wahl (insofern man ingoriert, dass es Anerkennung braucht).
@Anh Toàn – ich weiss nicht, ob Sie Kinder haben, aber das klingt alles sehr theoretisch, was Sie schreiben.
Ich stelle mir gerade vor, was passiert, wenn ich in der beschriebenen Situation dem Kleinen ein Eis anbiete und den Grossen im Sandkasten sitzen lasse.
Nochmal, ich habe geschrieben „Wer will ein Eis?“ nicht nur der, welcher sich unkorrekt verhält, erhält ein Eis, und auch nicht nur das Opfer, alle erhalten ein Eis, unabhängig davon, wie sie sich verhalten haben. Eis gehört zum Sommer, ist ein Kinderrecht. Aber ich biete es gerade jetzt an, weil ich eine Situation lösen will, eine halbe Stunde später hätte es ohnehin Eis gegeben.
Interessantes Interview – aber was muss man denn konkret anders machen – kein Wort dazu. Ich nehme an, dazu müsste man das Buch kaufen.
Interessant wäre zu wissen, wie das Outcome der von Kohn propagandierten Erziehungsmethode ist – auch darauf wird leider nicht eingegangen. Etwas konkreteres und kritischeres Nachfragen der Autorin wäre wünschenswert gewesen.
Grundsätzlich ein sehr interessanter Ansatz.
Einen kleinen Tipp zur Umsetzung hätte ich (wenn man unbedingt die Handlung des Kindes kommentieren muss): Anstatt Lob für eine Aufgabe ein Danke, resp. wenn es nichts zu verdanken gibt, die Handlung des Kindes kurz und wertungsfrei beschreiben.
Ok, also etwa so: „ich sehe gerade, wie Du deiner kleinen Schwester zum wiederholten Mal die Spielsachen weg nimmst“.
Wie sind denn Ihre persönlichen Erfahrungen mit dem „wertfreien Beschreibena bei Kinder im Vorschulalter?
Herr Topodium, wenn es nicht gerade knallt:
„Du nimmst immer wieder die Sachen von Chantal, warum machst Du das? Hast du sie gefragt?“ Je nach Antwort: „Meinst du das ist für sie in Ordnung? Warum weint sie denn? Wäre das für dich in Ordnung wenn man dir deine Sachen wegnimmt obwohl du nein sagst?“…
Das geht natürlich im Tagi-/Heimkontext viel besser, als wenn man noch Termine hat, die Wohnung putzen sollte, Aurelion vom Kindergarten abholen soll, Aryas Geburtstag planen will und die Grosseltern am Bahnhof auf Abholung warten.
@Niklas Meier: Also Suggestivfragen? Kann man machen, wertfrei ist es aber natürlich nicht.
Und wenn dann vom frechen oder kleveren Mädchen, je nach Perspektive, die falsche Antwort kommt, ist man erst recht im Schilf.
@Meier
Das funktioniert ev. mit Kindern, die sich schon gut ausdrücken können und wollen. Wenn ich mein 2,5 Jahre altes Kind frage, wieso es etwas unerwünschtes getan hat, erhalte ich als Antwort ein „nein“, wenn überhaupt. Egal wie und wie oft ich frage. Und dann?
@Reto
Ich mache dieselbe Erfahrung mit meinen Kindern. Fairerweise muss ich aber gestehen, dass ich aber auch im beruflichen Umfeld von gestandenen Akademikern manchmal keine bessere Antwort erhalten.
Es ist simpel: nur wenige Menschen sind so reflektiert und artikuliert dass sie immer genau wissen, weshalb sie sich so verhalten, wie sie sich eben verhalten.
Meine Darstellung ist etwas überzeichnet und mit Kindern die sich nicht ausdrücken können nicht machbar, absolut richtig.
Suggestivfragen sind das nicht, Kinder können einen da auch überraschen. Und wenn es Maximilian egal ist, wenn jemand einfach seine Sachen nimmt (warum auch immer), dann wird er es nicht verstehen, dass er das nicht auch tun darf.
Durch das Beantworten einer Frage muss sich ein Kind mehr mit dem Thema auseinandersetzen und Zusammenhänge erkennen, als wenn es heisst „man macht das nicht“, oder „wir tun so etwas nicht“.
Bei Kindern die sich nicht ausdrücken können funktioniert vorleben ganz gut. Und wenn sie etwas tun das sie nicht tun dürfen, klar kommunizieren.
Und immer direkt Konsequenzen aufzeigen, nicht später, das ist dann eine Bestrafung.
Spielzeugstreit? Ahhh, der Klassiker 🙂
Was ich jeweils sage (und dies ist IMHO eine wertungsfreier Beschreib): Ah, hier wird um Spielzeug gestritten und der Stärkste darf es behalten? Ja dann, ihr wisst, wer die Stärkste von uns allen ist! (Bei den ersten Malen muss man evtl. die Stärke auch wirklich vorführen und sich das Spielzeug schnappen, später wissen die Kids dann genau, auf was es hinausläuft…)
Und ja, „Das geht natürlich im Tagi-/Heimkontext viel besser“, sowieso!
Selbst ich als tiefenentspanntes Gotti falle auch noch hie und da in den Droh-Sprech (aber hier ist der Lehrerberuf natürlich ein super Training; betr. Drohungen aussprechen)
Man könnte nun auch fragen ob es sinnvoll scheint, das Recht des (oder der) Stärkeren zu demonstrieren und zu etablieren 😉
Drohungen wirken (man kann es auch „Konsequenzen ankündigen“ nennen).
Einfach nie mit etwas drohen das man nicht umsetzen kann oder will. Und nie absurde Dinge verknüpfen wie „wenn du Nathan nicht in Ruhe lässt, gibt es nächste Woche kein grosses Geburtstagsgeschenk“.
@tststs. „Ah, hier wird um Spielzeug gestritten und der Stärkste darf es behalten? Ja dann, ihr wisst, wer die Stärkste von uns allen ist!“ – Was daran ist jetzt KEINE Drohung und KEINE Machtausübung?!?!
Und bei Ihren Kleinkindern hat das funktioniert? Tatsächlich – also das „wertungsfrei beschreiben“?
Schön!