Müssen Eltern mit Kindern spielen?
Neben vielen ekligen Sachen, die in sozialen Netzwerken wie Facebook und Twitter passieren können, gibt es auch Situationen, in denen sie ganz wunderbar funktionieren. So fand vor einigen Tagen die Konferenz der Blogfamilia in Berlin statt – ein ziemlich grossartiger Verein, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, Menschen zu vernetzen, die über Familie und Kinder bloggen.
Mit dem entsprechenden Hashtag #blogfamilia wurde das Ganze in den Netzwerken begleitet und darüber berichtet: Was geschieht gerade, wer ist auch da, wo gibt es welchen Vortrag zu hören. Eine Nutzerin kommentierte beispielsweise, wie unfassbar sie es findet, dass laut einer Studie von Lego ein Drittel der Eltern weniger als 5 Stunden die Woche mit ihren Kindern spielt.
1/3 der Eltern spielt weniger als 5h pro Woche mit ihrem Kind/Kindern. 😱#lego auf der #Blogfamilia
— Bianca (@kremplinghaus) 18. Mai 2019
Nun hätte als Reaktion auf diese Aussage das passieren können, was im Internet leider viel zu häufig passiert: «Was soll das heissen, wer bist du überhaupt, hast du dir mal XY angeschaut? Die Aussage hast du doch von Z geklaut, willst du jetzt, dass Flüchtlinge mit deinen Kindern spielen, #merkelmussweg, Schlampe!»
Glücklicherweise fand etwas ganz anderes statt. Nämlich eine engagierte Diskussion darüber, ob Eltern sich überhaupt verpflichtet fühlen sollten, mit ihren Kindern zu spielen. Nachdem ziemlich unaufgeregt die Punkte abgeräumt wurden, dass das ganz klar auch eine Altersfrage ist und dass die Studie den Begriff «Spielen» sehr viel breiter fasst, als sich in der Kürze eines Tweets darstellen lässt, wurde sehr offen darüber kommuniziert, wie man es mit den eigenen Kindern hält und was man darüber denkt.
Eine Frage der Zeit, der Lust, der …
Von «Fünf Stunden die Woche geht völlig an meiner Lebensrealität vorbei, das mache ich an einem Tag» bis «Ich bin nicht die Animateurin meiner Kinder und spiele nur dann mit ihnen, wenn ich Lust auf Spielen habe» war so ziemlich alles dabei und bot ausreichend Anlass, sich selbst zu hinterfragen: Wo stehe ich auf dieser Skala? Wie viel spiele ich eigentlich mit meinen Kindern? Wie viel würde ich mit meinen Kindern spielen, wenn ich mehr Zeit hätte oder kein schlechtes Gewissen, weil ich zu wenig mit ihnen spiele? Ich für meinen Teil bin in dieser Sache hin- und hergerissen.
Zum Beispiel spiele ich gern mit Kindern. Ich habe das Glück, dass mich repetitive Tätigkeiten nicht so schnell nerven, und kann es daher ganz gut ab, auch öfter mal das Gleiche zu tun. Im Zusammenleben mit Kindern quasi Grundvoraussetzung. Ich spiele gerne die Rollen, die sie mir in ihren Spielen zusprechen, und bin wahlweise der Wolf oder das Baby. Ich baue mit ihnen Höhlen oder Kugelbahnen oder denke mir Geschichten aus. Brettspiele und eine Runde Golf auf der Wii mit den Grossen sind auch super.
Gleichzeitig hasse ich Kneten, Basteln und Malen. Ich bin schlecht darin, es langweilt mich, klebt an meinen Fingern und nervt. Ich will das nicht. Trotzdem habe ich manchmal das Gefühl, ich sollte eigentlich, weil meine Kinder mich darum bitten.
Spielen ja – aber nicht nach To-do-Liste
Wenn ich mehr Zeit hätte, würde ich vermutlich mehr mit meinen Kindern spielen. Schon aus dem Grund, weil sie alle ziemlich coole Leute sind, mit denen ich gerne Zeit verbringe, und Spielen Teil dieser Zeit ausmacht. Ich würde Spielen aber auch so weit wie möglich aus den elterlichen Dienstleistungen ausklammern. Davon gibt es sowieso schon genug, und Spielen ist etwas, das Kinder möglichst unmoderiert miteinander tun sollten – ohne das Einmischen von Erwachsenen.
Andernfalls neigt man unbewusst dazu, die Spielregeln in einen zu erwachsenen Bereich zu verschieben, den die Kinder weder erfassen wollen noch können. Und am Ende sind alle frustriert. Wenn ein Kind mich zum Spielen einlädt und ich Zeit und Lust habe, bin ich dabei. Wenn nicht, halte ich mich da weitestgehend raus. Ausser wenn mir selber mal nach Spielen ist und ich auf der Suche nach Mitspielerinnen und -spielern bin.
Das hat sicherlich auch etwas mit Faulheit und Überforderung zu tun. Mit vier Kindern wären das 20 Stunden die Woche nur für Spielen. Und da ist noch nichts gekocht, geputzt, aufgeräumt, vorgelesen, in den Schlaf gesungen, terminlich arrangiert, repariert, geschlichtet, abgeholt und besprochen. Von Arbeit oder gar eigenen Bedürfnissen ganz zu schweigen. Von daher gerne spielen. Aber runter damit von meiner elterlichen To-do-Liste.
Wie halten Sie es mit dem Spielen, liebe Leserinnen und Leser? Wir freuen uns auf eine angeregte Diskussion.
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31 Kommentare zu «Müssen Eltern mit Kindern spielen?»
meine Kids wollen mit Freunden spielen, nicht mit ihrer Mutter. Auch sonstige Aktivitäten haben sie zu zweit gemacht, sie wollten nie, dass wir mitmachen. Das ist doch völlig kindabhängig.
Ich finde schon den Titel grenzwärtig. Sorry – wenn ich mit den Kindern nicht spielen will, warum dann überhaupt Kinder haben??? Das Spiel mit den Kindern gehört doch zum Aufwachsen, zum Verbundensein, zum Familiensein und nicht zuletzt in der Förderung der Persönlichkeit. Ein Kind kann spielerisch sehr viel Lernen wie gewinnen und verlieren, ehrlich sein, konzentriert zu sein und viele andere Kompetenzen (hilft auch den Eltern….). Und wieso soll 4 Kinder haben und 5 Stunden Spielen 20 Stunden entsprechen??? Man kann auch mal was zusammen machen, oder??? Aber die ganze Diskussion zeigt doch ein Problem der heutigen Zeit – man hat mal Kinder, der Staat soll sie aber dann grossziehen…. Und die paar Stunden am Wochenende sind dann Stress. Solche sollten besser kinderlos bleiben….
man hat keine Kinder, um mit ihnen zu spielen – sie sind keine Spielsachen. Man kann Kinder erziehen, Zeit mit ihnen verbringen, ja – aber ich bin NICHT der Spielgefährte meiner Kinder. Das ganze „spielen“ ist sehr neumodisch, oder glauben sie, in den 1950ern hätten sich die Eltern auf den Boden gehockt und gespielt? Die Mutter hat gekocht und geputzt, der Vater gearbeitet und die Zeitung gelesen.
Well, ich bin in den 50er Jahren aufgewachsen und da habe ich mit meinen Eltern Eile mit Weile gespielt, Monopoly und andere Spiele… Offensichtlich haben sie eine spezielle Meinung von „spielen“….
Ich habe Spiele nach Regeln schon immer gehasst, fast ausnahmlos. Ich würde keinem Kind einen Gefallen tun, wenn ich mit ihm Spiele spielen würde.
Früher oder später muss jedes Kind regeln kennen lernen. Warum nicht spielerisch??? Je später es Regeln kennen lernt, desto schwieriger dürfte es werden….
Obwohl ich selbst als Kind keinerlei Interesse an Puppen hatte, habe ich doch öfter mit meiner Tochter und ihren Barbies gespielt. Wenn sie mir strahlend entgegenkam, in jeder Hand ein aufgebretzeltes „Stöckchen“: ich konnte nicht widerstehen. Daraus entwickelten sich dann epische Rollenspiele inkl. dramatischer Dialoge: Dem kindlichen Wortschatz hat es bestimmt nicht geschadet.
Wennschon können die Mütter mit den Kindern spielen, wir Väter kriegen das eh nicht zustande.
Danke Mama, dass du nicht Papa bist.
(Den Link zum männerverachtenden Edeka-Werbespot aus der feministischen PR-Küche von Jung von Matt erspar ich euch).
ach ja, die armen Männer.. es ist ja gar nicht wahr, dass Männer immer noch nur einen Bruchteil der Zeit mit den Kindern verbringen, die eine Mutter mit ihnen verbringt, gell?.. oder etwa doch, und der Werbespot deshalb gar nicht so weit von der Realität entfernt? Es gibt dann Aufschreie, wenn man sich schmerzlich von der Wahrheit getroffen fühlt.
für mich sind kinder, kinder und keine coolen leute. und ja erwachsene sollen mit kindern spielen.
wow… verkehrte welt, wohl zuviele „wie erziehe ich meien kinder“ bücher gelesen.
Also meine Kinder sind coole Leute. Sogar extrem coole Leute!
mein sohn ist auf jeden fall eine coole socke und ich spiele sehr gerne mit ihm. und ich finde ebenfalls, kinder sind coole leute, von ihnen kann man vieles lernen.
Kinder können hervorragend alleine spielen. Ich für meinen Teil kann aber nur für Geschwisterkinder sprechen. Eltern haben da im täglichen Spielen eher nur gestört.
Auf der Hütte nach dem Skifahren haben wir schon mal zusammen was gemacht – Monopoly, Halma, Mensch ärrgere dich nicht und Memory beispielsweise. Als sie dann grösser wurden, haben wir ihnen die einschlägigen Kartenspiele der Erwachsenen beigebracht.
Nichts Schlimmeres für meinen Geschmack,
als Eltern, die auf dem Boden rumkriechen oder immer wieder das Gefühl haben, es brauche sie im Spiel.
Ich habe den Verdacht, dass die Eltern ihr persönliches Ego befriedigen, wenn sie von ihren Kindern „gebraucht-werden“.
Solches Verhalten provoziert Kinder, die dann non stop den Anspruch haben, ihre Eltern müssen sich mit ihnen beschäftigen.
Das ist nicht herzig, sondern sehr nervend und überhaupt nicht förderlich für die Selbst- und Sozialkompetenz des Kindes.
Und die wird ja schon im Kindergarten beurteilt. Und diese Beurteilung muss ein Kind von übermotivierten Eltern ja perfekt erfüllen…
„Mit vier Kindern wären das 20 Stunden die Woche nur für Spielen“
falsch gerechnet. Mit vier Kindern wären es immer noch 5 Stunden, denn man kann ja mit allen Kindern gleichzeitig spielen. Das ist doch der Witz daran: dass man als Familie was gemeinsames macht wo jeder seinen Platz hat, jeder seine Kreativität einbringen kann…
Mir scheinen fünf Stunden pro Woche eher viel, das würde ich nicht als Minimum veranschlagen, eher „weniger als 1h pro Woche“.
Mir gefällt an Karten- und Brettspielen, dass sie blöde Sprüche und lockere Konversation ermöglichen. Basteln auch & fördert Kreativität, in Rollenspielen können Kinder unterschiedlichsten Alters Platz finden… Ich spiele gerne mit Kindern.
Spielen im sinne von rollenspiele ist nicht so meins. Dafür bastle ich gern mit ihnen oder wir kochen oder backen zusammen oder gehen zusammen raus in die natur was ich mit meinem jüngsten fast täglich stundenlang mache wenn die mädels in der schule sind. Oder man rüddelt auf dem sofa und kitzelt sich gegenseitig aus.
„…Diskussion darüber, ob Eltern sich überhaupt verpflichtet fühlen sollten, mit ihren Kindern zu spielen“:
Erziehen und Anstand beibringen, das ist die Hauptpflicht von uns Eltern.
Und wenn das spielerisch/beim zusammen spielen geht, dann umso besser: „Neeeein, neinneinnein, wir schummeln nicht. Wir halten uns an den Regeln. Schau mal hier, die Spielanleitung!“
Und das, nur damit unsere Kinder zu Menschen heranwachsen, mit denen man gut klar kommt und die man gerne um sich herum hat. Oder?
Ähm, Kinder sind Menschen.
@13: Ich meine ja nicht irgendwelche Menschen sondern anständige Menschen.
Ausser Sie gehen davon aus dass wir alle anständig auf der Welt kommen und somit gar keine Erziehung brauchen…
Ja, das tue ich tatsächlich und diejenigen Kinder, die ich nicht als „anständige Menschen“ bezeichnen würde, hatten meistens keine anständigen Erwachsenen als Vorbild.
Allerdings schrieben Sie auch nicht von anständigen Menschen, sondern von solchen, die man gerne um sich hat. Nun, ich mag keine Erwachsenen, die Kinder als unfertig betrachten um mich haben, das fände ich furchtbar.
@13, ich erhole mich gerade noch vom Schock, was Sie hier schreiben. Aber hey! Warum nicht die Kinder als „fertig“ betrachten und diese gleich die „Weltherrschaft übernehmen“ lassen.
Ich meine, ich finde das ja auch toll wie Kinder, anstatt zu spielen(=lernen), heute lieber für die Klima auf die Strasse gehen. Sehr ernstlich, so, fast erwachsen.
Was ich persönlich hingegen furchtbar finde ist, dass sie das Freitags – also während Unterrichtszeiten – tun. Ob da auch die Erwachsenen Vorbilder sind (Arbeit schwänzen und stattdessen auf die Strasse gehen)?
Ich denke mal, man hat diejenigen Menschen um sich herum, die zu einem selbst am besten passen.
@13
Kurz gesagt, was ich meine ist: Allein schon die Tatsache, dass Kinder Vorbilder brauchen, ja sogar aktiv suchen (warum gäbe es sonst heute so viele Influencer überall?) zeigt, dass Kinder eher als „unfertig“ zu betrachten sind.
Kann ich so abnicken, bis auf: „Mit vier Kindern wären das 20 Stunden die Woche nur für Spielen…“ ?!? Liefe das nicht eher unter der Kategorie „4 mit einer Klappe“?
Mit 14, 12, 4 und 2 sind die Anforderungen schon sehr divers. Gelegentlich lassen sich Pakete bilden, aber selbst das reicht nicht. Die bestehen schon alle auch auf Einzelbespassung.
LG Nils Pickert
Ich habe mich das auch schon gefragt, in welchem Masse ich mit den Kindern spielen soll/ will. In der Kleindkindphase habe ich mich teils enorm gelangweilt bein Briobahn bauen. Jetzt wird es von Jahr zu Jahr lässiger und ich geh gern mal ne Runde die Kids auf dem Trampolin ‚spicken‘ oder spiele ausdauernd Monopoly mit- mein einst verhasstes Kinderspiel. Ich möchte schon zeigen, dass ich da bin und mich für ihre Spiele interessiere und auch immer mal wieder mitmache.
Was ich Mühe hatte zu verstehen- wenn ich mit einer anderen Mutter abmachte mit deren Kids und sie dann zwischendurch ne Runde Tennis spielen gegangen ist, obwohl wir und sehr schätzen, selten sehen und die Jungs sich wunderbar selber bespassen konnten.
Wenn das Kind alleine ist kann man durchaus mal mit ihm spielen, aber sonst sollte man Kinder miteinander spielen lassen, wir haben da nichts zu suchen falls wir in der Nähe sind. Es gibt Mütter die sich immer einmischen wollen, dabei lernt das Kind nicht kreativ zu werden und sich mit anderen auseinenanderzusetzen wenn ein Elternteil immer zuschaut.
Stimmt genau. Kinder brauchen andere Kinder. Deswegen müsste der Kita-Besuch ab dem ersten Geburtstag Pflicht sein, damit das gewährleistet ist.
Kinder brauchen auch Erwachsene, die sich für sie interessieren.
Wenn ich mit meinen Kindern fangen gespielt habe, gesellten sich immer schnell andere Kinder dazu die mitspielen wollten.
Bloss weil unsere Generation mit Eltern aufgewachsen ist, die uns plusminus uns selbst überlassen haben, heisst das noch lange nicht, das DAS die richtige Art ist, wie man mit Kindern umgeht.
Kinder lieben es, wenn Erwachsene sich für ihre Welt interessieren. Und nur, wer sich darauf einlässt, kann Kinder verstehen und ihnen eine hilfreiche Hand bieten auf dem Weg zum Erwachsensein.
Ich kann mich sehr wohl für meine Kinder interessieren, auch wenn ich nicht mit ihnen spiele.
Ich will ja auch nicht die beste Freundin sein- ich bin die mutter.
Klar geht auch ohne. Vieles geht auch ohne.
Ich beobachte ganz klar, dass alle kleineren Kinder es sehr geniessen, wenn Erwachsene mit ihnen spielen. Es ist ein klares Bedürfnis.
Das kann man natürlich ignorieren. Und wer es nicht kennt, kann auch nicht wissen, dass es ihm fehlt. (In gewissen Familien ist das maximale Vertrauen so gross wie in anderen z.B. 30% davon. Aber man hat dann eben doch das Gefühl es wäre das maximal mögliche.)
Aber alles hat Konsequenzen. Jedenfalls kann man das Vertrauen und die emotionale Bindung, welche man in der Kindheit nicht gebaut hat, später nicht mehr nachholen.
@ Reincarnation of XY: das eine schliesst das andere nicht aus.