20 Überlebenstipps für Eltern

Es ist vollkommen in Ordnung, auch mal Pommes und Nuggets aufzutischen: Take it easy! Foto: Sarah Pfäffli
Gilt immer:
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Einen offenen Umgang mit Problemen pflegen: Vom Scheiss erzählen. Von all dem, was schiefgeht, was man nicht schafft. Damit der soziale Perfektionsdruck etwas nachlässt.
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An die Durchsage im Flugzeug denken: Ungutes Gefühl, das Kind abzugeben, «nur» weil man mal wieder ins Kino oder in Ruhe einen Apéro trinken möchte? Als Eltern muss man zuallererst zu sich schauen. Wie im Flugzeug: Zuerst die eigene Atemmaske aufsetzen, dann für andere sorgen.
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Hilfe annehmen: Viele haben den Anspruch, sie müssten alles im Griff haben. Wieso nicht Hilfe holen und die Aussensicht von Fachpersonen in Anspruch nehmen? Schlafberaterinnen, Stillberaterinnen, Familienbegl
eiterinnen, Paartherapeutinnen – sie kennen das, was wir gerade durchmachen, ganz genau. -
Ansprüche runterschrauben: Natürlich ist es ideal, wenn es immer gesunde und frisch gekochte Mahlzeiten gibt. Natürlich haben wir alle gerne saubere Kleider. Aber auch mal auswärts essen ist o. k., zur Not gerne Pommes und Chicken-Nuggets. Oder Pizza.
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Alles zu seiner Zeit: Das Mittagessen dann vorbereiten, wenn man gerade Zeit hat. Gemüse schnippeln kann man gut schon am Morgen um 9 Uhr. So kann man den Stress vor dem Mittagessen minimieren, wenn die Kinder Hunger haben, langsam müde sind und anstrengend werden.
Vor allem vor der Geburt:
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Ein Support-Netzwerk anlegen: Beispielsweise eine Whatsapp-Gruppe mit Freunden und/oder Familienmitgliedern und/oder Nachbarn, die sich untereinander gewisse Abende aufteilen.
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Verschiedene Transportmöglichkeiten zulegen: In eine Trageberatung und dann in eine qualitativ gute Trage oder ein Tragetuch investieren. Rückentragen kann zeitweise vieles erleichtern. Auch das Dondolo ist für viele Familien Gold wert. Und bei kleinem Abstand der Kinder ist ein Wagen hilfreich, in dem man beide Kinder gleichzeitig transportieren kann, sei es im Sitz oder mit Trittbrett.
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Freiräume einplanen: Vor der Geburt die Fremdbetreuung regeln und grosszügig planen. Wenn es irgendwie drinliegt und möglich ist: Lieber einen halben Kita-Tag mehr und höhere Fixkosten, als abends noch eine endlose To-do-Liste zu haben.
Mit frisch geschlüpftem Baby:
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Volle Konzentration in der «Rush Hour»: Wenn das Baby da ist, sollte der arbeitende Partner abends unbedingt früher zu Hause sein. Man kann dann gerne um 20 oder 21 Uhr wieder arbeiten, falls es noch sein muss. Bei vielen Familien ist die Zeit zwischen 18 und 20 Uhr «Rush Hour». Dann bitte keine Anrufe und volle Konzentration auf die Kinder.
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Verwandte einspannen: Die Grosseltern, aber auch alleinstehende Tanten, Göttis, Geschwister ohne eigene Kinder sind häufig gerne bereit zu helfen – man muss sie einfach ohne Zögern anfragen. In der Regel merkt man schnell, ob es klappt oder nicht.
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Ab in die Rückbildung: Im Rückbildungskurs hat man einen schönen Austausch mit Frauen, die aktuell in der gleichen Situation sind, und kann das erste Mal üben, loszulassen (siehe nächster Tipp).
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Mut zum Loslassen: Wenn Mama stillt, ist sie notgedrungen am Anfang immer am häufigsten mit dem Baby zusammen. Je mehr Zeit vergeht, desto schwerer fällt es, das Bébé mal ein paar Stunden den Grosseltern zu überlassen oder die Kita-Eingewöhnung nicht doch noch einen Monat aufzuschieben. Es lohnt sich aber, sich zu überwinden und abzunabeln. Der Moment des Abschieds fällt schwer, aber die kurze Pause, die folgt, ist Gold wert.
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Das Geschwisterthema früh genug kommen sehen: Auch wenn sich das ältere Kind am Anfang rührend um das Baby kümmert – wähnt euch nicht in falscher Sicherheit. Eifersucht und Rivalität sind früher oder später fast unvermeidlich, besonders, wenn das Baby dann grösser und mobiler wird. Von Beginn weg für das grössere Kind räumliche und zeitliche Inseln zu schaffen, kann helfen.
Als Paar:
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Paarzeit fix einplanen: Wenn es keine Hütemöglichkeiten für ein Date gibt, ist Zweisamkeit trotzdem möglich: Einmal die Woche die Kinder zuerst ins Bett bringen und erst danach in Ruhe zusammen essen und sich austauschen. Wer selbst für das späte Znacht zu müde ist (kennen wir, dann bleibt es Wunschdenken): Zumindest einmal pro Woche für einen gemeinsamen Tee oder ein Glas Wein abmachen. Das zu planen, klingt unromantisch, aber sorry, für Spontaneität sind wir einfach zu erschöpft.
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Wissen, was kommt: Einmal die Woche oder einmal im Monat zusammen die Agenda durchgehen und wissen, wer wann Dienst hat und wo Lücken sind.
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Wertschätzung und Rituale: Immer Merci sagen. «Das Abendessen ist fein.» «Danke fürs Altpapier bündeln.» «Ich bin froh, dass ich dich habe.» Wir wollen euch nicht auch noch mit diesen Studien kommen, aber ehrlich: Es ist erwiesen, dass Dankbarkeit für kleine Dinge glücklicher macht.
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Hautzeit: Lust und Nähe können in den ersten Jahren mit Kindern auf der Strecke bleiben. Aber es muss ja nicht immer wilder Sex sein. Zur gleichen Zeit ins Bett gehen, sich vor dem Einschlummern noch paar Minuten im Arm halten, die müden Füsse massieren, miteinander sprechen – oder sich kurz umarmen, wenn man sich zufällig halb nackt im Bad begegnet.
Und zuletzt:
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Mehr Pragmatismus: Für alle, die diese Tipps jetzt mehr unter Druck setzen («Schatz, ich habe in diesem Blog gelesen, dass wir unsere Füsse massieren müssen!»): Nehmen Sie es mit Humor. Und akzeptieren Sie, dass es wieder anders kommt. In der Kleinkinderzeit sind wir nun mal mehr Eltern als Paar, und das ist gut so. Aber es kommen wieder andere Zeiten.
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52 Kommentare zu «20 Überlebenstipps für Eltern»
Bin’s nur ich oder ist diese Liste wirklich einfach schrecklich?? Das ganze Traritrara. Das Begräbnis des gesunden Menschenverstands, die Anspruchshaltung. Seriously, take it easy!!
Ein Ehepaar, beide Lehrer, hatten 2 Kinder. Lange sommerferien, alles viel einfacher als in anderen Berufe. Jedoch : als die Kinder erwachsen waren und selber job + Kinder hatten sagten die Eltern „no way“ wir haben beide geschaft und auf euch geschaut, nun macht dasselbe, wir möchten nun endliche ausruhen und zeit haben zum reisen usw. Es gibt also keinen Tag in der Woche wo die Grosskinder bei den Grosseltern sind, auch in den Ferien gehen sie nicht zu den Grosseltern weil sie finden sie hätten genug gearbeitet in ihrem Leben. Zur Weihnacht und einem oder zwei Gebutstage gehen sie alle ins Restaurant.
Zu Weihnacht, zum Geburtstag und zum Muttertag werden dann ihre Kinder und Grosskinder ins Heim kommen, Sie besuchen, und etwas im Restaurant mit Ihnen essen. Ansonsten sind die dann mit ihrem eigenen Leben beschäftigt.
In Schwellenländer müssen Grosseltern sich um Kinder kümmern: Ohne Kinderbetreuung durch die Grosseltern haben die Eltern keine Kapazität, genug zu arbeiten und zu verdienen, um Kinder und Grosseltern zu finanzieren. Das System funktioniert dort eigentlich so: Wir Grosseltern passen auf deine Kinder auf und du finanzierst unsere Rente.
Ich will Sie nicht persönlich angreifen, aber Sie offenbaren da eine Sicht auf Kinder, die ich furchtbar finde:
Klar diene ich meine(m/n) Kind(ern), ich schaue auf die und arbeite, damit die ein Dach über dem Kopf haben und zu essen und zum Arzt und zur Schulde können. Aber die wurden nicht vom Storch vor meine Türe gelegt und haben mich darum gebeten, für sie zu sorgen. Ich habe mir diese besorgt, ich wollte diese haben (von mir früher um gesellschaftliche Erwartungen zu erfüllen aber dann letztlich doch um mir gesellschaftliche Anerkennung zu verlangen), ich muss meinen Kindern dankbar sein, nicht die mir, die haben nicht darum gebeten, als meine Kinder geboren zu werden. Ich schulde ihnen, weil ich bin verantwortlich, dass die da sind.
Anh : es will nicht heissen dass ich einverstanden bin mit dieser Mentalität. Im Gegenteil, ich finde sie sehr egoistisch. Ich wollte aber ein anderes extrem zeigen zu den vielen Grosseltern von denen viel verlangt wird, zuviel.
Gut gemacht – Grosseltern!
Ich frage mich, wie die Kinder vor 50 Jahren gross geworden sind. Ich habe das Gefühl, dass es seither komplizierter geworden ist.
Aber ich habe keine Ahnung, warum.
Kleines Beispiel gefällig: Meine Grosseltern wohnten etwas ausserhalb des Orts. Musste meine Grossmutter einkaufen gehen, hat sie die Kinder (alle noch im Vorschul- oder Unterstufenalter) alleine zu Hause gelassen, meist in einem Zimmer eingesperrt, damit sie nicht zu viel Unsinn anstellen konnten. Trotz dieser „Vorsichtsmassnahme“ resultierten daraus ein gebrochener Arm (versuchte Abseilaktion durchs Fenster), ein lichterloh brennendes Buch (Kerze und Zündhölzer hatte meine Grossmutter wohl vergessen wegzuräumen) und viele weitere, etwas weniger dramatische Zwischenfälle.
Machen Sie das mal heute, ein Besuch der KESB ist Ihnen sicher. Die Ansprüche an die Eltern (sowohl von aussen wie von den Eltern selber) sind nicht zu vergleichen mit früher.
Anfang der 60er Jahre, vier Kinder, Altersabstand insgesamt 5 1/2 Jahre, von der Strasse zum Haus mehrere steile Treppen, der Kinderwagen oben am Haus… Unsere Mutter hat uns zum Einkaufen beim Bäcker und Metzger allein daheim gelassen. Zum Tante Emma-Laden direkt um die Ecke hat sie uns schon früh allein hin geschickt. Ich kann mich erinnern, wie ich Zettel, Geld und Einkaufstasche über die Theke reiche, da war ich noch keine 5 Jahre alt. Ich denke, dass meine Mutter heute auch anders reagieren würde (die Enkel hätte sie nie alleine gelassen). Es waren einfach andere Zeiten. Ohne Wertung.
Es ist komplizierter geworden weil es nicht mehr der einzige Daseinszweck von Frauen ist, hinter Mann und Kindern herzuputzen…
So ist es!
Ist eigentlich ganz simple (und in ziemlich allen Bereichen des Lebens so):
Je grösser das Wissen, desto grösser das Unwissen (und die damit einhergehende Unsicherheit).
Vor 50 Jahren waren Frauen weniger gut ausgebildet (teilweise nicht mal eine Lehre wurde absolviert geschweige denn ein Studium). Die Frauen blieben dann zu 100% Hause und haben die Kinder betreut teilweise in sehr prekären wirtschaftlichen Verhältnissen und in totaler Abhängigkeit des Ehemanns. Zum Glück haben sich die Zeiten geändert. Es ist noch nicht alles optimal (z.B. eine flächendeckende Kinderbetreuung), aber schon viel besser als vor ein paar Jahrzehnten. Zurück zum Thema: Falls die Familie nicht in der Nähe wohnt, können Freunde doch auch aushelfen. Man merkt ja schnell (wenn man etwas Empathie hat), ob die Leute das gerne machen.
Ist halt hie und da eins gestorben statt gross zu werden. Beispiel: meine Familie. Nur 4 von 5 sind gross geworden.
Meine Mutter musste in den 30ern bereits als ca. 10-jährige für ihre kleinen Geschwister sorgen weil ihre Mutter früh verstorben ist. Ihr Vater musste arbeiten um das Familieneinkommen zu verdienen. Das waren Verhältnisse, die wir uns nicht mehr wirklich vorstellen können und die auch niemand wirklich zurückhaben möchte, glaube ich.
Sie erzählt mir viel von früher und das tönt alles sehr kompliziert. Es ist heute mit Kitas, Tagesstrukturen, Sozialhilfe etc. viel einfacher und besser geworden.
Danke für diesen Blog, sehr liebevoll geschrieben und völlig frei von Belehrungen. Gibt da so einige Punkte wo ich mich an der Nase nehmen kann…
Mit dem Einspannen von anderen hapert es leider. Meine Familie + Schwiegereltern leben weit weg und Freunde können zur Zeit vor allem mal die grosse nehmen, und wir nehmen dafür dann ihre grossen zu uns. Mit babies und Kleinkindern stelle ich mir das aber schwierig vor. Oder gibt es viele wo dies klappt?
Ich würde mir vom Mamablog mehr Beiträge von Alleinerziehenden wünschen. Immerhin wird jedes 5te Kind in der Schweiz von Alleinerziehenden erzogen. In all den Blogs und Artikeln wird das Thema aber nur marginal behandelt. Das liegt wohl daran, dass Alleinerziehende eher nicht „freischaffenden Journalisten“ sind. Ich fühle mich von solchen Tipps und Beiträgen jedenfalls nicht abgeholt, da sie mit meiner Lebensrealität nichts zu tun haben.
@Klärli : ich auch ! Alle oder fast alle Artikel stets für Familien, nie oder fast nie für Alleinerziehende. Als alleinerziehende in den 70’ger Jahren, gab es überhaupt keine Hilfe, nicht finanziell und auch nicht Horte und so. Niemanden half uns und viele wohnten nicht im demselben Landesteil und so waren die Grosseltern auch nicht zur Stelle. UND man war sich gar nicht gewohnt um hilfe zu bitten. Es hätte geheissen „ja, ihr habt es so gewollt, nun nimmt eure Verantwortung.
Und man verdiente nicht genug um noch eine Babysitter oder Aushilfe zu haben, die Kinder waren so ziemlich viel allein. Es gab einfach keine Alternative. Verkäuferinnen z.B. waren erst um 19.30 Uhr zuhause. Da war das Leben viel harter als jetzt aber man beschwerte sich nicht.
Was ich mich immer wieder bei diesen Beiträgen frage:
Was arbeiten all „die Leute“, dass auch nach 20 Uhr noch gearbeitet werden kann? Oder (in einem anderen Artikel), homeoffice angesagt ist, oder nach wunsch gearbeitet werden kann? Das entspricht einfach nicht der Realität der Mehrheit der arbeitenden Bevölkerung.
Wenn man unter Arbeit nicht nur die bezahlte versteht, geht es besser auf.
Und ich würde sagen, viele Leute arbeiten um diese Zeit. Aber nur ganz wenige haben das Privileg, um 16 Uhr für 4 Stunden eine Pause einzulegen und dann weiterzumachen…
ich zitiere „Verwandte einspannen: Die Grosseltern, aber auch alleinstehende Tanten, Göttis, Geschwister ohne eigene Kinder sind häufig gerne bereit zu helfen – man muss sie einfach ohne Zögern anfragen. In der Regel merkt man schnell, ob es klappt oder nicht.“
Also, ich finde dies eine Frechheit, all diese Leute haben entweder schon eigene Kinder alleine erzogen ohne ständig die Verantwortung abschieben, oder dann haben sie ihr eigenes Leben. Es ist gar nicht in unserer schweizerischen Mentalität ständig auf die anderen abzuschieben.
In Südländer ist das so und ihrem Namen nach sind sie vom Süden wo man ständig die Verwandtschaft zum helfen ruft ! Meine Schneiderin ist nun 65 aber ständig muss sie noch aushelfen weil die Tochter mit 3 Kinder noch unbedingt arbeiten will.
@ Vreni
Man darf selbstverständlich auch Nein sagen, oder muss es sogar, wenn man dies nicht möchte.
Aber vielleicht unterstützt ihre Schneiderin ihre Tochter ja gerne?
Liebe Vreni,
So viel Empörung. Wieso denn?
Wie die Bloggerin geschrieben hat: man merkt schnell wo es funktioniert. Oder eben auch nicht funktioniert. Mit dieser Einstellung wird bestimmt niemand Kinder zu Ihnen bringen. Aber ist das nicht auch schade?
Ich freue mich schon auf meine Grosskinder (in weiter Ferne) und fände es elend schade, wenn meine eigenen Kinder mit ihre Kinder nicht bringen würden (oder ich sie nicht abholen könnte).
Ich wünsche Ihnen einen sonnigen Tag.
Ich finde es, gelinde gesagt, eine Frechheit, dass Sie hier das Gefühl haben für alle sprechen zu können/dürfen.
Ein jeder dieser Verwandten und Bekannten kann immer noch Nein sagen!
Der entscheidende Punkt ist IMHO, dass Eltern viel zu wenig – vermutlich eine Mischung aus falscher Scham und Punkt 12 – nach Hilfe fragen! Wobei „Hilfe“ hier das falsche Wort ist. Ich nenne es lieber „einen Gefallen“…
Eigentlich schreibt die Autorin ja auch: „In der Regel merkt man schnell, ob es klappt oder nicht.“
Fragen darf man immer. Warum auch nicht? Aber ebenso ist ein Nein erlaubt. Wenn Ihre Schneiderin das mit 65 noch nicht kann, ist das eher ihr Problem, als das ihrer Tochter.
Es ist richtig, dass viele südliche Länder ein anderes Familienverständnis haben, aber da wird es auch kaum als abschieben betrachtet, sondern man lebt es. Dafür gibt es auch weniger Menschen, die im Alter ganz alleine dastehen. Ich (auch südlicher Hintergrund) habe, gerade um meine 63jährige Mutter, die immer wieder hilft, zu entlasten, die bezahlte Betreuung aufgestockt. Nach einer Woche rief meine Mutter an und fragte, wann sie kommen dürfe, sie vermisse das Hüten.
Das mit den Verwandten einspannen ist eine Gratwanderung – wo hört die gern gegebene Unterstützung auf und fängt eine lästige Pflicht an? Ich kenne junge Eltern (vor allem Mütter), die es als absolut selbstverständlich ansehen, dass die Grosseltern die Kinder jederzeit nehmen. Und verkennen dabei, dass die Grosseltern (vor allem die Omas) ihren Kindern ungern etwas abschlagen, andererseits aber auch eigene Pläne und Wünsche haben. Und wenn das Thema angesprochen wird, ist eine der Parteien gekränkt und enttäuscht. Wie gesagt, eine Gratwanderung…
Diese Gratwanderung gibt es aber immer und überall im Leben: Bitte ich um einen Gefallen oder bezahle ich für eine professionelle Dienstleistung. Kosten-Nutzen-Verhältnis.
@Vreni
„Es ist gar nicht in unserer schweizerischen Mentalität ständig auf die anderen abzuschieben.“
Man erntet im Leben, was man sät. Wenn man zeitlebens nur auf sich schaut und sich nie selber einbringt, muss es nicht wundern wenn man eines Tages verbittert und vereinsamt in einem Heim vor sich hindarbt und kein Mensch sich für einen interessiert. Dann die Liebe und Fürsorge einzufordern die man selber verweigert, ist meistens vergebens.
„In Südländer ist das so und ihrem Namen nach sind sie vom Süden wo man ständig die Verwandtschaft zum helfen ruft !“
Das halte ich etwas für ein Klischee. Zwar sehen sich Südländer en famille tendenziell öfters. Ob sie deswegen aber ein besseres Verhältnis haben, oder in Not wirklich aufeinander zählen können, steht auf einem anderen Blatt.
@tststs Es ist aber weitaus einfacher, das Kosten-Nutzen-Verhältnis sachlich zu betrachen, wenn ich mit den Betroffenen nicht in persönlicher Beziehung stehe. Ausserdem: externe Dienstleister und Freunde kann man sich aussuchen, Familie nicht. Und bei der Kommunikation in der Familie kann (muss nicht) viel unterschwelliges mitspielen. Leider.
@ MF
Besseres Verhältnis würde ich nicht sagen, aber oftmals sind die Umstände schlicht so, dass einem gar nichts anderes übrig bleibt, als zueinander zu schauen. In der Schweiz kann man grundsätzlich auch alleine leben. Man kann als Kind in einer (subventionierten) Kita und Hort sein anstatt beim Grossi, als Erwachsene ebenfalls die Kinder in die Kita oder Hort geben oder auch betreuen und schlimmstenfalls Sozialhilfe beziehen. Und im Alter von der AHV und EL leben. Das geht in vielen Ländern gar nicht, weil kein Sozialsystem besteht. Dann arrangiert man sich eben anders. Wenn die Alternative dann wirklich Obdachlosigkeit, Hunger oder sogar Tod ist, reist man sich eher zusammen.
Hinzu kommt ein gewisser „Generationenvertrag“: In der Schweiz ist es oft so, dass die Mütter der heutigen Mütter und Väter mit kleinen Kindern nicht gearbeitet haben und damit diese auch nicht auswärtig betreut werden müssen. Da kommt logischerweise der Gedanke: „Wir haben es auch ohne Hilfe geschafft. Die heutigen Mütter wollen einfach beides…“ In anderen Ländern (und ich kenne es selber aus meiner Familie) war es eher so, dass die heutigen Grossmütter bereits gearbeitet haben und dabei auf ihre Mütter/Eltern zählen konnten, diese ihrerseits auch bereits von der Grossmutter bekocht/betreut wurden etc. Da stellt sich für sie schon die Frage gar nicht, ob sie zu ihren Enkeln schauen.
@13
Grundsätzlich völlig einverstanden mit deinen Ausführungen. Vieles ist aus der Not/Situation geboren. Nur hört man das andere oft, wie wenn die Familie in südlichen Gesellschaften quasi naturgemäss einen höheren Stellenwert hätte.
Was ich noch ergänzen möchte: in der CH sind die Leute iaR freier in ihrer Lebensgestaltung, gerade gegenüber der Familie gibt es auch weniger Konventionen denen man faktisch folgen muss. Man kann, muss aber nicht sich bei den persönlichen Entscheidungen nach den Eltern richten, und es braucht zb auch nicht die „Empfehlung“ eines Verwandten um den Beruf auszuüben den man möchte. Sprich, man kommt gut unabhängig von der Familie durchs Leben wenn man denn will. Trotzdem hat es selbstredend grosse Vorteile wenn man auf ein Umfeld zurückgreifen kann.
@13. Schön, wie du für einmal schreibst, wie viele Wahlfreiheiten wir in der Schweiz im Vergleich zu vielen anderen Ländern haben.
@ MF
Genau so meinte ich das. Dieser „höhere Stellenwert“ besteht sicher, ob er auf Freiwilligkeit basiert, ist eine andere Frage. Jedoch heisst es darum nicht, dass es nicht funktioniert.
„Trotzdem hat es selbstredend grosse Vorteile wenn man auf ein Umfeld zurückgreifen kann.“ Und das ist eben auch ein wichtiger Punkt. Denn auch wenn man grundsätzlich nicht auf die Familie angewiesen ist, stelle ich immer wieder bei vielen (jungen) Eltern fest, dass es gerade zur Überforderung kommt, weil sie nicht da ist. Wobei ein Umfeld ja nicht unbedingt Familie bedeuten muss.
@ SP
Natürlich haben wie hier Wahlfreiheit. Ob das allerdings immer zu unseren Gunsten ist, bezweifle ich teilweise…
@13
„Dieser „höhere Stellenwert“ besteht sicher, ob er auf Freiwilligkeit basiert, ist eine andere Frage.“
Ich würde meinerseits sogar den „höheren Stellenwert“ etwas in Frage stellen. Klar, versucht man sich in der Fremde gegenseitig zu helfen wo es geht, und bei Migranten sind oft Familienangehörige das primäre Netz, sprich das was ich mit „Umfeld“ ausdrücken wollte, aber beileibe nicht nur das familiäre Umfeld umfasst.
Aber trotzdem, vieles ist in meinen Augen dabei auch ein durchaus von allen Seiten gepflegtes Klischee. Wenn man genau hinschaut, erkennt man, das nicht selten viel „Kulisse“ dabei ist. Vieles wird oft einfach darum getan, weil es mit den teils sehr hohen sozialen Erwartungen und Konventionen verbunden ist. Was das Individuum will, ist nicht selten zweitrangig.
@13: Zu wessen Gunsten soll unsere Wahlfreiheit denn sein?
@MF: Wer sagt Ihnen denn, dass es nicht Menschen gibt, die auch „im Heim“ ganz einfach ihre Ruhe habe möchten, anstatt ständig von jemandem besucht, bespasst und vollgequatscht zu werden? Ach ja und noch etwas: Es ist oft so, dass gerade diejenigen, wer immer das auch sei, die sich stets für alles Mögliche und Unmögliche einspannen lassen um sich unentbehrlich zu machen, im Alter dann trotzdem vergessen werden.
@Maru
„Wer sagt Ihnen denn, dass es nicht Menschen gibt, die auch „im Heim“ ganz einfach ihre Ruhe habe möchten, anstatt ständig von jemandem besucht, bespasst und vollgequatscht zu werden?“
Das mag es geben, ist aber kaum die Regel. Die meisten Betagten sind vereinsamt und haben gerne Abwechslung, Zuwendung und Besuche.
@Melanie : nein, die Schneiderin sagt mir sie ist nun zu müde um noch kinder anderen zu erziehen. Aber es geht nicht anders so muss sie ständig auch auf ihre Grosskinder aufpassen.
Sehr schön und wertvoll geschrieben, vielen Dank!
Der Punkt mit der Wertschätzung ist so wahr, für uns ist das sehr wichtig. Es ist alles einfacher, wenn man zusammen im Boot sitzt.
Ich frage mich ob Sie in der Stadtrealität sind ? Glauben Sie wirklich dass Leute familie haben in denselbem Ort ? Und für freunde braucht es zeit und wenn man arbeitet hat man diese zeit nicht sonst bleibt nichts mehr für die Familie.
Ich habe wirklich das Gefühl sie sind ein wenig neben der täglichen realität vielen Familien.
3 Kinder sind schon ok aber dann muss natürlich die Mutter oder der Vater zuhause sein. Man kann nicht das Weggli und der Butter haben auf dem Weggli! Eine grosse Familie ist ein persönlicher Entscheid und man muss die Verantwortung dann übernehmen und nicht einfach immer auf die anderen zählen die auch ihre beschäftigungen haben.
Wen man einfach lebt und sich für die Familie auch engagiert dann sollte es gehen ohne ständig von den anderen hilfe zu erwarten.
@ Silvia
Von welcher Realität sprechen Sie denn? Hier: drei Kinder, zwei hochprozentige Jobs, Familie in der Nähe, denn der Wohnort ist bewusst so gewählt, Umfeld vorhanden, aufgebaut und gepflegt, genügend Zeit für Familie (Kernfamilie und weitere) und Freunde, denen man aushilft, wenn sie es brauchen und die man anfragt, wenn man selber nicht mehr weiter weiss.
Es ist letztlich eine Lebenseinstellung: Lebt man „das berühmte Dorf“ mit allem drum und dran oder sagt man sich, man will niemandem etwas schuldig sein, für andere nicht Verantwortung übernehmen und dafür auch die eigenen Aufgaben alleine meistern mit den Einschränkungen, die das bringt. Jeder entscheidet für sich, aber warum immer die Behauptung, das andere ginge nicht?
@13: Sehr richtig: Es ist eine Lebenseinstellung. Man wählt den Wohnort, das Umfeld, kann ein Beziehungsnetz pflegen und aufbauen.
„und nicht einfach immer auf die anderen zählen die auch ihre beschäftigungen haben.“
Und wenn deren Beschäftigung/Job die Betreuung von Kleinkindern ist?!?
13 : das ist Ihre Realität als eine die immer einfach da gewohnt hat wo sie aufgewachsen ist. Es gibt aber leute die haben den Mut auszuwandern und ein Sohn lebt in Australien und der andere in Amerika ! Man trifft sich einmal im Jahr.
@ Silvia
Dann geht es bei „Lebensrealität vieler Familie“ eigentlich um ihre Familie? Oder leben von den Schweizer Familien meistens enge Angehörige über 3 Kontinente verteilt?
Ich habe nicht immer am gleichen Ort gelebt. Ich bin auch als Kind aus dem Ausland in die Schweiz gekommen. Und auch heute lebe ich nicht dort, wo ich aufgewachsen bin, aber es war letztlich immer meine Entscheidung, wie nah ich bei meiner Familie bleibe oder eben nicht. Und falls nicht, ob ich mir da ein anderes Umfeld aufbaue oder nicht. Mit Mur hat das m.E. wenig zu tun, sondern mit Entscheidungen. Wir hätten mehrmals eine Alternative gehabt, aber uns immer aus verschiedenen Aspekten dagegen entschieden. Das ist einer davon.
Wenn meine Kinder 40 sein werden und immer noch mit mir ohne ‚muss‘ zum picnic oder in die berge fahren wollen, dann weiss ich, dass ich wohl irgendetwas (entscheidendens) richtig gemacht habe! sowas wünsche ich mir!
und ja, anstrengend ist es, die tips der autorin helfen, aber was am meisten helfen würde wäre tatsächlich das wissen, dass es wieder besser wird, nur weiss man das erst später, wenn das gröbste vorbei ist.
Der Kommentar war (auch) als Antwort an Maura gedacht
Wunderbar, genauso denke ich auch. Hoffentlich kein Augen rollen („ach, die Mama steht vor der Türe“)
😀
Danke für Ihren Blog – Erinnerungen kommen bei mir hoch. 3 Kinder, dazwischen je 14 Mte.. Wuchsen in der Altstadt Basel auf (damals zahlbar). Kitas gab es noch nicht (ältester Sohn 40). Keine Energie für Spontanes? Bei uns lief das Leben meistens ‚spontan‘ ab (Nachts Kinderspital, Unfälle, Besuche von Freunden der Söhne und unsere). Zwillingswagen und auf dem Rücken Huckepack und/oder Snuggli. Ja, es war sehr anstrengend. Und auch sehr, sehr herrlich. Das Resultat darf sich sehen lassen. War für 11 Jahre ‚Vollmutter‘. Dann Halbtagsjob; das war der Preis, weil Mutter-/Familienarbeit als nicht ‚existent‘ gewertet wurde und wird. Und heute? Eine tolle Zeit mit Allen, wir treffen uns regelmässig zum Pic Nic, Weekends in den Bergen und das ohne ‚Muss‘. Allen viel Kraft und Mut!
@Maura : wenn ihr Sohn 40 ist, dann waren das noch andere Zeiten !