Darum sollst du nicht «Fortnite» spielen!

Der Dauerstreit ums Dauerballern: «Fortnite» ist in vielen Familien noch immer Streitpunkt Nummer 1. Fotos: Getty Images

Die Zeichen mehren sich, dass der «Fortnite»-Hype seinen Zenit überschritten hat und durch andere Shooter-Games – darunter «Apex Legends» von Electronic Arts – abgelöst wird. Mein regelmässiger Austausch mit Primarschul-Lehrpersonen bestätigt mir jedoch, dass stundenlanges Ballern in «Fortnite» nach wie vor eine konstante Herausforderung darstellt. Als Ausgleich zu meiner Hacklist, in der ich «Fortnite» spielenden Jugendlichen half, mit den Eltern zu verhandeln, folgt hier deshalb auch noch eine Argumentationsliste für uns Eltern von Teenies, die täglich im virtuellen Raum um sich schiessen. Gleiche Spielregeln: Die Argumente können beliebig kombiniert und selbstverständlich altersgerecht kommuniziert werden.

1. Gewaltverherrlichung

Im Zeitalter von abscheulichen Massenmorden mit Maschinengewehren und gleichzeitiger Liveübertragung auf Facebook ist jegliche Gewaltverherrlichung in der Erziehung schlicht fehl am Platz. Obwohl das Spiel bewusst aussieht wie ein actiongeladener Comicfilm, handelt es sich in erster Linie um ein Shooter-Game, bei dem die Spieler töten müssen, um nicht getötet zu werden. Erklären sie ihrem Kind, warum Töten weder im Spiel noch im richtigen Leben gut ist und warum das Resultat einer Gewalttat nie konstruktiv sein kann.

2. Suchtgefahr

Ungesunder Zeitvertreib: «Fortnite».

Jedes hochklassige «Gratis»-Videospiel verzehrt zig Millionen Franken an Entwicklungs- und Marketingkosten. Damit diese Investitionen gedeckt werden können, setzen die Spielentwickler sämtliche Tricks ein, um das Geld schnellstmöglich wieder reinzuholen. Die Spieler mit verschiedenen Modi, Belohnungen, Spezialeffekten und vielen kaufbaren Gegenständen abhängig zu machen, ist somit integraler Bestandteil der Strategie des Spielentwicklers. Fragen Sie Ihr Kind, was das Spiel so cool macht, und spielen sie selbst mal mit, um die süchtig machenden Elemente zu erkennen und danach zu besprechen.

3. Aggressivität

Es geht um Leben oder Tod. Bei «Fortnite» überlebt von anfänglich 99 Schützen nur einer. Solche «Last man standing»-Spiele geben einen ganz besonderen Kick. «Dienstverweigerung», cleveres Verstecken oder abwarten, bis alle Mitspieler tot sind, ist nicht möglich, da sich die Kampfzone mit zunehmender Spieldauer automatisch verkleinert. Mit virtueller Todesangst steigt Stress, und mit Stress steigt Aggressivität. Diese Aggressivität überlebt regelmässig die Spieldauer und wird dann häufig unkontrolliert am Tisch, im Bett oder schlimmstenfalls gar an Geschwistern abgebaut. Erklären Sie dem Kind, dass der virtuelle Stress durchaus reelle körperliche Reaktionen auslösen kann.

4. Sozialer Druck

Genauso wie unsere Jugendlichen auf dem Pausenplatz die angesagtesten Markenartikel tragen wollen, sind auch die trendigen Kampfanzüge in Form von sogenannten Skins heiss begehrt. Diese Skins kauft man sich in «Fortnite» mit V-Bucks, in «Apex Legends» mit sogenannten Apex Coins. Und da die Skins keinerlei Einfluss auf die Gewinnchancen haben, handelt es sich um ein rein soziales Phänomen, bei welchem die Gamer sich durch tolle Klamotten von Mitspielenden abgrenzen wollen. Viele «Fortnite» spielende Youtuber haben Lieblings-Skins, wodurch sie den Druck auf ihre Fans zusätzlich erhöhen. Ermuntern Sie Ihr Kind und erklären Sie ihm, dass Selbstvertrauen nicht von Kleidern abhängig ist.

5. Finanzielle Kompetenz

V-Bucks als offizielle Währung von «Fortnite» ist, genau wie eine Kreditkarte auch, eine Trennschicht vom realen Geldwert. Es ist erwiesen, dass uns das Ausgeben viel einfacher fällt, wenn wir die Kreditkarte anstelle von Bargeld benutzen. Umso einfacher fällt es unseren Kindern, mit einer virtuellen Währung virtuelle Kleider zu kaufen. Die Kreditkartenabrechnung kommt dann sowieso direkt an Papi oder Mama. Erstellen Sie zusammen mit Ihrem Kind eine Preistabelle für V-Bucks, und erkunden sie gemeinsam die verschiedenen Währungskurse (V-Bucks kosten je nach Plattform – d.h. PS4, Xbox, PC – mehr oder weniger und können nur dort genutzt werden).

6. Nicht förderlich für schulische Leistungen

Die Popularität von «Fortnite» ist nach wie vor sehr hoch, und eine Sucht kann sich negativ auf die schulische Leistung auswirken. Übermüdung und mangelnde Konzentration sind dabei die beiden meistverbreiteten Symptome. Erarbeiten Sie zusammen mit ihrem Kind zeitliche Regeln, halten Sie diese schriftlich fest, definieren Sie Konsequenzen bei Nichteinhalten, und ziehen Sie diese konsequent durch. Die Kinder brauchen diese Grenzen.

7. Spitze des Eisberges

«Was willst du einmal werden, wenn du gross bist?» war schon zu meiner Zeit die Lieblingsfrage der Grosseltern an die Enkelkinder. Lokiführer, Feuerwehrmann und Piloten wurden mittlerweile verdrängt durch «Youtuber» oder «Fortnite-Profi». Erklären Sie Ihrem Kind, dass es für jeden Youtuber mit mehr als einer Million Abonnenten Hunderttausende von Kindern gibt, die es nie über 100 Abonnenten geschafft haben. Erklären Sie auch, dass es weltweit schätzungsweise über 30 Millionen Youtuber mit eigenem Kanal gibt (dreieinhalbmal die Schweizer Bevölkerung) und dass diese im Schnitt etwa einen Franken pro tausend «views» erhalten. Nach dem zweitausendzweihundertsten Stream deines Videos kannst du dir ein Ragusa kaufen.

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14 Kommentare zu «Darum sollst du nicht «Fortnite» spielen!»

  • Wenger sagt:

    Oh Gosh… wenn mein Kind Fortnite zockt, dreimal die Woche Fussball trainiert, am Wochenende einen Match hat, mit uns ins Kino oder Theater geht, abends beim gemeinsamen Essen von allem möglichen erzählt, nach der Schule eine Stunde länger auf dem Pausenhof bleibt um „schwiizerli“ oder „Nerf“ zu spielen (sollte auch verboten werden, ich weiss), nachts wie ein Stein schläft…. und ohne Aufwand die Gymiprüfung besteht…. warum ganz genau muss ich mir dann Sorgen machen?
    Ach ja genau… dass er eine echte Knarre nimmt und echte Menschen umbringt. Das ist total stringent… *Ironie off*

    BTW: Ihren ersten Artikel PRO Fortnite habe ich ihm ausgedruckt – er ist damit bei den Eltern eines Freundes vorbei gegangen… der spielt jetzt auch offiziell. Davor heimlich bei anderen…

    • Karin Schneider sagt:

      Das ist ja wieder mal eine typische Antwort von Hipster Eltern. Dann müssen Sie sich ja keine Gedanken machen. Das Gymi sagt übrigens nichts über die Intelligenz eines Menschen aus. Wahrscheinlich haben sie das Spiel selbst noch nie gespielt? Ich sehe mir an was mein Kind in dem Alter spielen will. Nicht gerade was für die clevere Hirnmasse ihres Kindes. Doch hauptsache es hat „coole“ Eltern und sie müssen nie „nein“ sagen.

  • Karin Schneider sagt:

    Ich frage mich, was die Eltern dieser Kinder denken, dass Sie ihre Kinder Fortnite spielen lassen. Mein Partner und ich haben auch sehr gerne Games gespielt, aber wir waren schon Volljährig. Heutzutage nehmen Eltern ihre Verantwortung nicht mehr wahr. Meine 10 jährige beklagt sich, dass viele Kinder in Ihrer Klasse Fortnite spielen. Sie nervt es, dass sich diese Eltern keine Gedanken machen. Meine Tochter darf nicht zu den „coolen“ gehören. Die arme hat auch noch kein Smartphone. Sie hat einen Laptop und IPad, den Sie nutzen darf. Wir sind also nicht Technik feindlich. Wir arbeiten beide in der IT und wissen wo die Gefahren für die Kinder und auch Jugendliche lauern. Gamen ist bei uns erlaubt, aber nur was Sie mit uns abgemacht hat und immer mit Zeitlimit. Das Suchtpotenzial ist hoch.

  • Sander sagt:

    Wenn er eigene Nachwuchs Schrottspiele wie Fortnite spielen möchte, sollte man sich mal überlegen was man bei der Erziehung falsch gemacht hat und ob man nicht intelligentere Alternativen bieten kann.
    Gäbe ja auch vernünftigere Spiele. Und zumindest in meiner Jugendzeit haben die intelligenteren Kinder sich auch freiwillig die intelligenteren Spiele ausgesucht.

  • Brunhild Steiner sagt:

    Ich verweise auf den Montagsbeitrag mit WHO-Feststellung „beinahe jeder dritte Elfjährige in der Schweiz leidet an Schlafproblemen“,
    mich würde schon sehr interessieren wie bei den Betroffen die Verteilung aussieht.
    „Dass stundenlanges Ballern in «Fortnite» nach wie vor eine konstante Herausforderung darstellt.“
    Gibt es dazu Nutzungszahlen?
    Die Nutzung digitaler Geräte scheint nicht nur für Kinder eine sehr schwierige Gratwanderung zu sein,
    man muss sich bloss an Gehsteig stellen und handynutzende Autofahrer zählen
    (und den entsprechenden Bussenkatalog ansehen) um zu realisieren dass das Gefahrenbewusstsein eher tief liegt.
    „Erklären Sie dem Kind, dass der virtuelle
    Stress durchaus reelle körperliche Reaktionen auslösen kann.“
    Immerhin wird das zunehmend anerkannt…

  • Quarktäsche sagt:

    Ach, immer noch di gleichen fadenscheinigen Argumente wie zu meiner Kindheit. Zum Glück haben Sie nicht Killerspiel gesagt, sonst wäred wir vollends in der 2000er Diskussion gelandet

    • Maik Schärer sagt:

      Bei der 2000er-Diskussion ging es darum, Spiele generell zu verbieten. Hier geht es darum, Kindern (!!!) den Umgang mit Medien beizubringen und sie vor Inhalten zu schützen, die für ihre jungen Gehirne schädlich sein könnten.

      Die ganzen Lootboxen-Systeme sind eine Katastrophe für Jugendliche und Kinder, entsprechende Spiele bedienen sich den gleichen Mechanismen wie beim Glücksspiel im Casino. Es gibt mehrere Studien, die zeigen, dass Spiele wie Fortnite oder Fifa mit ihren Glückspielmechanismen Jugendliche abhängig machen können. Deshalb sollten solche Spiele nur noch ab 18 freigegeben werden. (Quelle: „Wie Fortnite, FIFA & Co. zum Geldausgeben verführen und süchtig machen“, heise.de, leider hinter einer Paywall.)

  • Leo Schmidli sagt:

    Der Artikel ist weltfremd! Ich hätte besser nach „Gewaltverherrlichung“ aufhören sollen zu lesen! Dann bitte auch keine Action-/Drogen-/Gewaltserien mehr auf Netflix!

    • tststs sagt:

      Nun ja, Sie haben da durchaus ein Argument.
      Nichtsdestotrotz ist es etwas anderes, ob ich der virtuelle Täter oder der virtuelle Gaffer bin.

      • Reincarnation of XY sagt:

        tststs – ich hab es tausenmal lieber, dass meine Kinder ein absolut nicht gewaltverherrlichendes Baller-Spiel, wie Fortnite, Splatoon oder Plants vs. Zombies spielen, als dass sie eine gewalttätige Serie schauen.

        Ich sehe die Wirkung.
        Es gibt Ballerspiele, welche Gewaltverherrlichend sind (selbst bei diesen ist bei einem Gros der Jugendlichen keine „Radikalisierung“ deswegen festzustellen).
        Aber Fortnite ist dies gerade nicht. Das hat den Charakter von Räuber und Poli bzw. von Paintball.

      • tststs sagt:

        „ein absolut nicht gewaltverherrlichendes Baller-Spiel…“
        Sorry, ganz dezidiert: Wer aus Gewalt ein Spiel macht, verherrlicht diese automatisch.

        Um aber doch wieder etwas Realismus an den Tag zu legen: Nein, die Kids werden deshalb nicht automatisch vermurkst!
        ABER selbstverständlich haben solche Bilder ein Wirkung auf uns, auf jeden. Die Hirnforschung lässt da wirklich keinen Interpretationsraum mehr offen.
        Und davon auszugehen, dass diese „Radikalisierung“ auf den ersten, zweiten oder dritten Blick zu erkennen ist, ist illusorisch; meist wird sie erst durch Taten (oder eben dem unterlassen von Taten) erkennbar. Ein wichtiges Stichwort in diesem Zusammenhang: Abstumpfung!

    • Maik Schärer sagt:

      Lassen Sie 7 – 10 jährige Kinder Action-/Drogen-/Gewaltserien auf Netflix schauen? Ich nicht, und meine Kinder spielen auch kein Fortnite. Wenn Sie das als Erwachsener tun wollen, ist das völlig in Ordnung, aber Fortnite ist kein Kinderspiel. Darum geht es hier.

      • Sürmel sagt:

        Genau hier liegt das Problem in vielen Zeitungsartikeln über Fortnite und ähnliche. Das Alter der Kinder wird völlig ausser Acht gelassen. Fortnite ist weder Teufelszeugs noch grundsätzlich schädlich, aber für Primarschüler definitiv nix. Die USK empfiehlt sogar für den hier erwähnten Battle Royale Modus ein Mindestalter von 16!

  • Jänu sagt:

    „Es geht um Leben oder Tod.“ Ach was!

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