«Süchtig sind wir doch alle!»

Welche Regeln vertretbar sind und wann Eltern nerven: Sekundarschüler im Gespräch. Video: Anja Stadelmann

Welche Handyregeln halten sie für sinnvoll? Wie wichtig sind ihnen ihre elektronischen Geräte? Seraina, Jennifer, Dilara und Kyrill von der 3. Sekundarschule aus Thalwil diskutierten gestern Nachmittag anlässlich der Jugendmedienwoche mit mir zum Thema. Dabei griffen wir auch Leserfragen auf, die Sie ihnen in der Kommentarspalte des Postings «Nicht ohne mein Handy» hinterliessen.

Fragt man sie nach der Wichtigkeit des Smartphones in ihrem Alltag, winken die vier Jugendlichen ab: Klar, das Handy sei schon mega wichtig, um zu wissen, was in der Welt und im Kollegenkreis gerade laufe, sagt Jennifer. «Doch ich kann auch mal gut ohne Handy sein, ich halte es ja nicht immer in der Hand.» Auch Dilara sagt, sie finde, sie könne gut damit umgehen, die Schulleistungen zum Beispiel litten nicht darunter. Ihre Eltern würden ihr vertrauen, und deshalb hätten sie wohl auch keine bestimmten Regeln aufgestellt. Seraina erzählt von einer Zeitschaltuhr beim WLAN-Router, welche die Eltern daheim mal installiert hatten, die aber seit einem Weilchen nicht mehr in Betrieb sei. Und Kyrill von Diskussionen um seine langen Game-Zeiten, er könne sich beim Spielen auch mal komplett verlieren. Die Eltern hatten ihm deswegen schon mal den PC weggenommen.

«Fast schon zwanghaft»

Dennoch, sie alle hätten den Medienkonsum eigentlich gut im Griff, sagen sie. Auch darum fühlten sich die vier Sekundarschüler von Erwachsenen, was das Thema Medienkonsum angeht, oft zu Unrecht in einen Topf geworfen. Sie sagen: «Wir Jugendlichen sind nicht alle aufs Handy fokussiert, und wir gamen auch nicht die ganze Zeit. Jeder von uns ist anders und hat einen anderen Umgang damit.»

Fühlen sich zu Unrecht in einen Topf geworfen: Die vier Schüler im Gespräch. Foto: Anja Stadelmann

Als nur wenige Minuten später aber der Begriff Social-Media-Sucht fällt, ruft Dilara in die Runde: «Süchtig sind wir doch alle!» Die vier lachen und nicken einander zu. Sie bestätigen, dass sie «fast schon zwanghaft» immer wieder auf Instagram, Snapchat und die Gruppenchats schauten. Dilara sagt, ihre Bildschirmzeiten seien schockierend lang, und sie sei mehr auf Social Media, als sie eigentlich sein möchte. «Stattdessen sollte ich mehr lernen und Sport machen», sagt sie. Ihre wöchentlichen Bildschirmzeiten offenlegen möchten die Jugendlichen nicht.

«Eltern müssen Vorbilder sein»

Haben sie den Umgang mit ihren Smartphones also doch nicht im Griff? Mein Wunsch, gemeinsam zu definieren, was «den Medienkonsum im Griff haben» quantitativ bedeuten könnte, schlagen sie in den Wind. Sie erklären lediglich: Süchtig könne man auf verschiedenen Ebenen sein. Auch punkto Regeln zeigen sich die Jugendlichen ambivalent. Daheim wollen sie möglichst keine Einschränkungen haben – «natürlich»; wobei sie die handyfreien Zeiten am Familientisch sinnvoll finden.

Auf die Frage aber, wie sie in der Rolle als Eltern bei ihren eigenen Jugendlichen handeln würden, wenn diese viel zu oft am Smartphone wären, sagt Kyrill: «Als Mutter und Vater sollte man schon Verantwortung übernehmen. Man bestimmt, wie lange ein Kind mit einem Gerät beschäftigt sein darf. Wobei die Eltern ihren Kindern ein gutes Vorbild sein müssen.» Man könne Erwachsene echt nicht ernst nehmen, die selbst dauernd online und am Gamen sind, ihren Kindern aber dasselbe verbieten.

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20 Kommentare zu ««Süchtig sind wir doch alle!»»

  • Michael M. Maurantonio sagt:

    Abhängigkeitssyndrom nach ICD-10, mind. 3 Kriterien erfüllt:
    • Starker Wunsch oder Zwang zu konsumieren
    • mangelnde Kontrollfähigkeit (Beginn, Menge, Beendigung des Konsums)
    • körperliche Entzugssymptome nach Beendigung oder Reduktion des Konsums
    • Toleranzbildung: Dosissteigerung, um gleiche Wirkung zu erzielen
    • Vernachlässigung anderer Interessen
    • Anhaltender Konsum trotz schädlicher Folgen
    Eigentlich könnte man den Content ebenso auch ohne Hilfe digitaler Geräte suchen, finden, nutzen, verarbeiten etc., n’est-pas? Auch die Motivatoren (extrinsische+intrinsische) wurden erforscht (und in Cash umgemünzt), v.a. von #FAANG. Mehr Konsum = mehr $! Die Dealer sitzen in Cupertino, Palo Alto usw.! Aufklärung tut Not, v.a. weil Kinderhirne nicht für Junk gemacht sind. Cave finem!

  • Anh Toàn sagt:

    Keiner ist süchtig nach dem Handy, sondern allenfalls mit Inhalten, die er damt abrufen kann Es gibt Sucht nach social medie, soziale Anerkennung und Rückkoppelung sind gerade Teenagern besonders wichtig, solange nicht das sonstige Leben damit beeinträchtigt wird, ist Sucht kaum von Interesse abzugrenzen. Man kann auf dem Handy Inhalte finden, die Spielsüchte betreiben, man kann süchtig sein nach Information oder nach Konsum. Das Handy ist immer nur ein Mittel, das bevorzugte beim Onlinezugang der Teenager (Papi hat Comi, Mami ein Tablett dafür) und es zum Objekt der Sucht zu machen ist so falsch, wie wenn man, weil manche mit dem Fahrrad zum Drogenhändler fahren, Fahrradsucht diagnostiziert.

  • Michael M. Maurantonio sagt:

    Leider, wie so oft bei Laien, geht ein wichtiger Punkt in der gesamten Debatte vergessen: das Gehirn eines Kindes/Jugendlichen ist in keinster Weise mit dem eines Erwachsenen zu vergleichen, oder anders gesagt: von sich auf andere, v.a. Kinder, zu schliessen, ist fatal & schnell macht man aus Meinungen Fakten. Aber was sagt die Wissenschaft dazu? Screentime: Associations between 24 hour movement behaviours and global cognition in US children: a cross-sectional observational study (Lancet, 11.2018); Depression: „Social media is linked with increased rates of anxiety, depression and poor sleep!“ (Social media and young people’s mental health and wellbeing, Royal Society for Public Health, 2017).
    #Medienkompetenz = Technologie+Plattformen+Recht+Psychologie+Neurologie

  • asouka sagt:

    Der Film ist interessant aber ziemlich kurz… Die interessanteste Frage fand ich eigentlich, was die Jugendlichen bei ihren eigenen Kindern machen würden, wenn deren Medienkonsum überhand nähme Hier mehr zu erfahren gäbe uns Eltern doch eine gute Anleitung,was die Jugendlichen akzeptieren können und wie sie denken. Auch finde ich, könnte man das Thema „zu unrecht (aus Sicht des Jugendlichen) beschuldigt zu werden,etwas nicht Sinnvolles zu tun oder schon wieder am Handy zu hängen“ näher beleuchten.Wieso finden sie die Anschuldigung zu unrecht vorgebracht? Persönlich finde ich, wenn wir uns in die Welt der Jugendlichen hineinversetzen können, gelingt der Umgang mit dem Thema wahrscheinlich besser.Gibt es zu diesen Fragen noch Filmmaterial vom entsprechenden Tag oder wenigstens Antworten?

    • gabi sagt:

      Aha…. also die Kinder müssen uns Erwachsenen Tipps geben, wie wir erziehen sollen.

      Ist das dann nicht nur eine weitere Variante, die Verantwortung für „Zuckerbrot oder Peitsche“, bzw., wie man sie anwendet, wieder den Kindern zuzuschieben?!

      Zu Beurteilen, wie gut oder schlecht die jeweils gewählte Erziehungsmethode (oder deren Verweigerung) für sie ist, obliegt nicht den Kindern, WÄHREND der Erziehungsphase. Sondern allenfalls Jahre später!

      – Mich erinnert das fatal an das berühmte Experiment jenes Herrschers, der rausfinden wollte, wie sich Kinder ohne Einwirkung von aussen entwickeln und einige Säuglinge gemeinsam isolierte und den wenigen Personen, die sie zu versorgen hatte verbot, auch nur mit ihnen zu sprechen.

  • Maike sagt:

    Die Umwelt packt doch tagtäglich immer mehr Features in so ein Handy. zuerst nur telefonieren, dann noch Fotos machen. Dann kam FB und die ganzen anderen social media und hat den Wunsch bedient, immer wissen zu wollen, was die Freunde gerade machen. Entsinne mich an die stundenlangen Telefonate – gleich nach der Schule – mit meiner besten Freundin….
    Jetzt kann man mit Handys bezahlen, Tagebücher schreiben, seine Schritte zählen lassen, als Landkarte benutzen, Filme drauf sehen, Bücher lesen, Spiele spielen, Musik hören, im Internet surfen, Zeiten für empfangsfreien Sex bestimmen lassen, Filmchen drehen. Es gibt kaum ein Bereich, wo man das Handy nicht zu nutzen wäre.
    Eine Einschränkung des Handygebrauches müsste, wenn überhaupt neu gefasst werden.

    • tststs sagt:

      Niemand, wirklich niemand, stört sich daran, wenn das Smarty Mittel zum Zweck ist. Als Landkarte, als Bildschirm, als Kamera.
      Deshalb wird hier ja auch von Social-Media-Sucht gesprochen…

  • k. miller sagt:

    So erwachsen sind die Jugendlichen noch nicht, dass sie alles offenlegen können und möchten. Denn damit würden sie sich (vermeintlich) ins eigene Fleisch schneiden. Aber ich hätte in dem Alter wohl auch nicht anders reagiert. Und auch heute, mit Mitte 50, würde ich wahrscheinlich die Antwort irgendwie umgehen wollen. 😉
    Was noch dazu kommt: Für Jugendliche ist der Umgang mit dem Smartphone einfach normal, sie kennen es nicht anders. So wie es für mich als Jugendliche normal war, dass ein Fernseher im Wohnzimmer stand – und meine Eltern die Fernsehzeit beschränkten (sie sind noch ohne aufgewachsen). Was mit zwei Programmen und Testbild vor 24 Uhr heute irgendwie lächerlich klingt.

    • ursli sagt:

      es ist nur normal wenn man ihnen ein händy in die hand drückt. wenn die eltern selbst keinen haben und dem kind auch keins kaufen, ist dann wiederum kein-händy-haben normal·…

  • Heinz sagt:

    Warum stören wir uns eigentlich vor allem an Jugendlichen, die immer nur mit dem Smartphone beschäftigt sind? Sind die Erwachsenen wirklich Vorbilder? Ich sehe genügend Erwachsene, die z.B. im Restaurant nur noch mit dem Smartphone beschäftigt sind. Oder denken Sie an die Mütter, die beim Kinderwagen-Schieben nur noch auf das Smartphone glotzen.

    Bei der Benutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln kann man dagegen froh sein, dass die jungen Leute sich leise mit dem Smartphone beschäftigen. Deutlich schlimmer sind hier eindeutig Leute die im Grossraumwagen telefonieren ohne Rücksicht auf Mitreisende. Dies sind aber meist Leute im mittleren bis höheren Alter von 30-70 Jahren, die sich nicht benehmen können. Daher habe ich z.B. die Nutzung des ÖV auf das unvermeidbare Minimum reduziert.

    • Tanja Züllig sagt:

      Die Dinge woran wir uns stören sind offensichtlich nicht dieselben an denen Sie „sich stören“. Ihnen geht es offenbar nur darum, dass Sie selber nicht von den Jugentlichen belästigt werden. Das ist aber kaum eine akzeptable Definition davon, was eine gesunde Nutzung für Jugentliche oder Erwachsene ausmacht.
      Das Erwachsene diesen Dingen genauso erliegen können ist noch keine Rechtfertigungsgrund es für gut zu erklären. Im Gegenteil, es zeigt eher wie gross der Nachholbedarf im Umgang damit wäre.

  • Brunhild Steiner sagt:

    Ich weiss nicht welche Absichten hinter diesem „Medientag“ stehen; aber irgendwie bin ich enttäuscht und finde das weder-Fisch-noch-Vogel.
    Wichtige Fragen aus der Leserschaft bleiben unbeantwortet, der erhoffte „Dialog“ kommt so nicht in Fahrt, vielleicht beim nächsten Medientag?
    Eines zeigt es jedoch deutlich: an den Hörnern packt da niemand was gerne, warum genau war es so schwierig Bildschirmzeiten konkret zu benennen? Hätte man ja auch in anonymisierter Form machen können.

    • Muttis Liebling sagt:

      Ich habe nur mal kurz überflogen. Was Medientag sein soll, ist so eine typische Blase. Eine aussterbende Nische namens Mittelschicht beschaut den eigenen Nabel, verwechselt den mit dem Nabel der Welt und inszeniert eine virtuelle Diskussion zu einem virtuellen Thema.

      Sucht ist so tief nicht nur in die menschliche Psyche, auch in die Sozialisation eingebaut, dass das funktionale Substrat, sei es Alkohol, Smartphone oder Reichtum nur eine Nebenrolle spielt. Ohne Sucht gäbe es uns nicht und damit ist dann auch schon gut. Wie konnte der Medizinmann seinen Stamm in einen aussichtslosen Kampf schicken? Nur mit Drogen.

      Aktuell schmiert das Medium TV ab, das nächste Jahrzehnt gibt den Hintergrund für den Untergang des Smartphones. Es kommt aber immer wieder etwas Neues.

    • Blog-Redaktion sagt:

      Am Medientag können Jugendliche die journalistische Arbeit kennenlernen. Diese Woche boten 15 Schweizer Medienhäuser bei der zweiten Ausgabe der Jugendmedienwoche #younews2019 Jugendlichen ein grosses Angebot dazu. Das Projekt ist entstanden auf Initiative der «SRF Tagesschau» und von «Tages-Anzeiger»/«SonntagsZeitung» und wird unterstützt vom Verband Schweizer Medien.

      • Blog-Redaktion sagt:

        Die Schülerinnen und Schüler haben ihre Sache gut gemacht, finde ich. Sie hatten nur kurz Zeit sich mit dem Thema und gewissen Fragen auseinanderzusetzen. Zudem mussten sie sich klar darüber werden, was sie der Öffentlichkeit preisgeben wollen und was privat bleiben soll – meiner Meinung nach eine enorm wichtige Frage. /gb

      • Brunhild Steiner sagt:

        Danke für die Klärung, in Bezug auf den Bericht in dem dies angekündigt worden ist, habe ich das eher als ein Projekt der vertieften Auseinandersetzung verstanden; welches als quasi krönenden Abschluss das Video haben sollte.
        Somit bin ich von einer vertieften Vorbereitung mit dem Thema ausgegangen und dementsprechend verwundert. Aber so erklärt es sich natürlich.

        Wär aber vielleicht mal für ein anderes Projekt denkbar? So als eine Art Plattform zum Generationenaustausch 🙂

      • Brunhild Steiner sagt:

        … wobei, eine 3.Sek.klasse hatte doch auch schon Lektionen in Sachen Umgang mit den neuen Medien, Workshops uä? Oder regelt das jede Schule für sich autonom ohne irgendwelche Lehrplanvorgaben? Dass seit Jahren das Handy intensiv genutzt wird, und sich offenbar niemand von sich aus wirklich vertieft damit auseinandergesetzt hat ist noch spannend. Das Thema Datenschutz, Privatsphäre&Co ist offenbar nicht wirklich auf dem Schirm oder präsent?

    • Carolina sagt:

      Mir geht es ähnlich wie Ihnen, Brunhild .
      Verstehe zwar auch Ihre Erklärungen, Frau B, aber vielleicht könnte man so etwas anders aufgleisen? Dass z.B. die Jugendlichen direkt – und von mir aus mit einem Nick versehen, denn ich verstehe, dass sie sich nicht exponieren wollen – auf Fragen antworten können?
      An sich halte ich das nämlich für eine wirklich sinnvolle Sache – jedes Gespräch zwischen den Generationen ist zu unterstützen, finde ich.

      • Brunhild Steiner sagt:

        ah, prima, ich werde sekundiert 😉
        mein Ding schwebt noch irgendwo…

      • tststs sagt:

        Schliesse mich an, finde es auch gar wenig Fleisch am Knochen. Ein paar Allgemeinplätze formuliert ist IMHO keine kritische Auseinandersetzung (okeee, das wurde nicht angekündigt, aber so habe ich es mir vorgestellt/gewünscht.

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