Best of: Bloss weg von Frau und Kind
Unsere Bloggerinnen und Blogger geniessen derzeit die Feiertage. Wir publizieren deshalb diesen Beitrag vom 6. Juli 2018, der besonders viel zu reden gab.

Von wegen Papa muss arbeiten: Offenbar sind die meisten Väter lieber im Büro als zu Hause. (Foto: iStock)
Fünfzig. Das ist die Anzahl der Arbeitsstunden, die Väter laut einer Studie am zufriedensten stellt. Und das Überraschendste daran ist, dass sich diese Tendenz selbst dann bestätigt, wenn es ökonomisch sinnlos ist. Dieselbe Studie hat nämlich auch festgestellt, dass zwar in jedem sechsten der befragten Haushalte die Frauen pro Stunde mehr als die Männer verdienen, dies aber keine Auswirkungen auf die grosse Zahl fünfzig und die damit verbundene Zufriedenheit hat.
Wenn man sich dann noch vor Augen führt, dass Väter mehr arbeiten als ihre männlichen Kollegen ohne Kinder und Männer mit beginnender Vaterschaft im Schnitt eher dazu neigen, ihre Arbeitsstunden zu erhöhen, statt zu verringern, dann bleibt einiges an Fragen offen und obendrein ein bitterer Nachgeschmack.
Was zur Hölle geht da vor sich? Hatten wir nicht gerade erst damit begonnen, uns auf Geschlechtergerechtigkeit zu verständigen? Dass das oftmals nur Lippenbekenntnisse sind, deckt sich zwar mit meinen Erfahrungen, aber es so deutlich vor Augen geführt zu bekommen, ist dann doch noch mal was anderes.
Zufriedenheit macht sich breit
Ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie oft ich den Satz «Das ist jetzt ein kritischer Moment in seiner Karriere» von Frauen schon gehört habe. Gerne auch mehrfach von denselben Frauen. Weil seine Karriere offenbar immer so kritisch ist, dass sie zurücksteckt.
Aber die Faktenlage zu einem möglichen gesellschaftspolitischen Projekt «gleichberechtigte Erziehungsarbeit» übertrifft selbst meine zugegebenermassen eher pessimistische Einschätzung. So wurde im Auftrag eines deutschen Fernsehsenders 2016 eine Umfrage unter jungen Vätern durchgeführt.
Die Mehrheit gab dabei an, dass sich das Vaterbild deutlich gewandelt hätte und sie gerne mehr Zeit mit ihren Kindern verbringen würden. Zugleich hatten nur die wenigsten ihre Stundenzahl reduziert. Und auf die Frage, auf was sie wegen ihrer Vaterschaft verzichten mussten, antwortete die überwältigende Mehrheit: Auf … überhaupt nichts.
Zeit für sich oder die Partnerin, Schlaf, Urlaub und beruflicher Erfolg – in all diesen Bereichen läuft es für junge Väter wie gehabt ziemlich rund. Zufriedenheit macht sich breit. Das ruft nicht nur meinen inneren Feministen auf den Plan, sondern hinterlässt mich auch als Vater einigermassen ratlos.
Die Realität fühlt sich aber anders an
Nicht nur, weil ich persönlich Vaterschaft anders definiere, sondern weil ich neben den erwähnten Lippenbekenntnissen auch andere Erfahrungen mit Vätern gemacht habe, denen diese Beschreibung nicht gerecht wird und die eher darunter leiden, dass sie beruflich stark eingebunden sind.
Das sind diejenigen, denen durchaus auch von weiblichen Vorgesetzten unmissverständlich klargemacht wird, dass eine längere Elternzeit unangebracht ist und für beruflichen Erfolg in hohem Masse Präsenzpflicht besteht. Und eben auch diejenigen, die sich bei gewerkschaftlichen Tarifabschlüssen immer für mehr Urlaubstage statt für höhere Löhne entscheiden, weil sie mehr Zeit mit der Familie verbringen wollen.
Karrieretier und Erziehungsaushilfe
Die Frage, ob Mann nun nicht kann oder nicht will, ist womöglich gar nicht so ausschliesslich zu beantworten. Und obwohl ich nun wirklich einer der Letzten bin, der Skrupel davor hätte, Väter aufgrund von Faulheit und Teilnahmslosigkeit in die Pfanne zu hauen, bin ich an dieser Stelle vorsichtig. Denn es ist alles andere als einfach, klar zwischen dem zu unterscheiden, was Väter glauben, sich leisten zu können, und wovon sie überzeugt sind, es leisten zu müssen. Die Übergänge scheinen mir fliessend.
Wir sollten aufpassen, dass wir Männer nicht mit Männlichkeit und Väter nicht mit Vaterschaft verwechseln. Neben allen angebrachten Ermahnungen und Appellen, gefälligst ihre verdammte Pflicht zu tun, anstatt sich bequem in der Rolle als Karrieretier und Erziehungsaushilfe einzurichten, müssen wir Vätern zugestehen, dass diese Rollen sehr unbequem sein können. Dann wird das vielleicht doch noch was mit der Geschlechtergerechtigkeit.
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4 Kommentare zu «Best of: Bloss weg von Frau und Kind»
Ich arbeite in einer reinen Männerabteilung in der Finanzbranche. Zum Glück nicht für immer. Die Mitarbeiter sind lieb und angenehm. Allerdings werde ich auch immer unfreiwillig Zuhörer ihrer Familiengeschichten. Bis jetzt habe ich das Gefühl alle Männer, ausser einem, sehen ihre Familie als Last. Unverfroren wird da zugegeben, dass man mit den Kindern nichts zu tun haben will. Ein Mann, dessen Kind 12 Jahre alt ist, hat mehrmals gesagt, es nervt ihn, dass er schon 12 Jahre seines Lebens verloren hat. Ich muss sagen, seit ich mit diesen Herren zusammen arbeite, hab ich noch weniger Lust jemals Mutter zu werden. Die Männer sind nett und als Mitarbeiter gute Leute, aber niemals würd ich so einen Mann privat haben wollen. Krass!!!! denke ich immer wieder, hoffentlich ist das nur „Gerede“.
Merkwürdig, aber ein Mann der ganz offen und entschlossen zu seinen Kindern steht, der hat bei den Frauen keine Chancen. Da werden Erstere wieder vorgezogen!
Was man hat, das will man nicht, was man will das hat man nicht, gilt nicht nur auf männlich!
Ich denke es könnte auch am Gruppendruck liegen. Sie haben vielleicht Angst zum alten Eisen zu gehören oder „ausrangiert“ zu werden. Schade. Ich finde es aber auch seltsam, vor allem weil diese Männer sonst sehr vernünftig und freundlich scheinen. Es sind definitiv keine Angeber-Typen. Ich kann mir vorstellen, dass man manchmal mehr über die schlechten Seiten spricht,
als über all die Guten. Ich hoffe, dass diese Männer nicht wirklich so unzufrieden sind mit ihrem „Drumherum“. Mein Freund will auch keine Kinder und sagt es deutlich. Da ich kein Sozialfall werden will, würde ich nur Kinder wollen, wenn ich alles selber zahlen könnte (Kinderkrippe, Haus, Ausbildung etc.) Ich traue den Männern nicht – trotzdem liebe ich meinen Freund sehr fest. Aber verlassen würde ich mich nie auf ihn.
Als ob das nur in „Ihrer“ Bank so wäre. Und nein – es ist nicht nur „Gerede“, aber vielleicht der einzige Ort, wo sie zugeben dürfen, wie ihnen wirklich zumute ist und wo sie wenigstens einmal ihren Frust ablassen können und nicht dort auch noch den ach so tollen, engagierten, liebenden Familien(l)pappi geben müssen, nur um irgendetwas aufrechtzuerhalten, was nicht ist. Ich verstehe die armen Kerle wirklich nur allzu gut.