Soll man schreckliche Kinderwünsche erfüllen?
Eigentlich wünsche es sich auf Weihnachten einen Hund, «einen richtigen». Mein Gottemeitli hält mir darauf ein Bild unter die Nase, das ein helles, wuscheliges Irgendwas zeigt. «Aha», sage ich. Dann erzählt mir die Neunjährige von der Idee, den Hund miteinander zu teilen: So hätten ihre Familie, meine Familie sowie ihr Grossmami Freude daran, und die Arbeit damit wäre für jeden nicht allzu gross. Ja, und dem Hund, dem ginge es wunderbar. «Der hätte drei Zuhause und wäre irgendwie immer in den Ferien!»
Wir lachen. Eine schöne Idee. Dennoch, niemand von uns Erwachsenen geht ernsthaft darauf ein. Es haben alle bereits genug zu tun, der Zeitpunkt für ein neues Familienmitglied ist ungünstig, auch wenn es – wie mein Gottemeitli noch einmal versichert – «für jeden ja nur um ein Drittel Hund geht».
Echter oder falscher Hund?
Zum Glück hat das Mädchen noch andere Wünsche. Wobei, unproblematisch sind auch diese nicht, da gebe ich seiner Mutter recht. Weil meine Patentochter ahnt, dass das mit dem Haustier nicht klappen wird, wünscht sie sich alternativ … einen Hund. Batteriebetrieben.
Das Tier aus dem Katalog heisst «Fur Real. Ricky, mein schlaues Hündchen» und kostet sagenhafte 179 Franken. Schlau soll Ricky deshalb sein, weil er Hundebiskuits isst und hinten wieder rauslässt. Nun ja. Also, wenn das Papa Tschannen wüsste, wäre er über den Weihnachtswunsch seiner Tochter dankbar.
Über die weiteren Geschenkideen meines Gottemeitlis halte ich mich bedeckt, weil, ich will hier keinen Shitstorm auslösen, die Kleine kann doch nichts dafür. Nur, was soll man als Eltern tun, wenn sich ein Kind zu Weihnachten lauter Dinge wünscht, die entweder unrealistisch sind, oder die man selbst unsäglich findet. Wie weit geht man auf die Wünsche des Kindes ein? Wie sinn- und geschmacklos soll ein Geschenk sein? Und wie teuer?
Zugeständnisse zu Weihnachten
Wahrscheinlich geht es dabei, wie so oft, um die richtige Mischung. Ich bin der Meinung, dass man Kindern an Weihnachten – ohne damit gleich seine eigenen Werte zu verraten – durchaus gewisse Zugeständnisse machen kann. Wenn es ein derart grosser Wunsch ist, einen fressenden und scheissenden Batteriehund zu besitzen, und zwei oder drei Leute aus der Familie zusammenlegen, um damit dem Mädchen eine Herzensfreude zu machen, ja, wieso nicht?
Auch wenn es wohl so sein wird, wie die Erwachsenen an Heiligabend bereits ahnen: dass das Interesse am Plastikwelpen gerade mal bis Silvester dauert. Doch das ist dann Sache des Mädchens, es wird hoffentlich damit klarkommen, dass die Freude daran nicht sonderlich lange anhält und ein Stück Lebenserfahrung gewinnen.
Vorsicht vor dem Päcklirausch
Was ich bei der Geschenke-Sache entscheidender finde, ist, dass die Kinder nicht mit Präsenten überhäuft werden. So abgeklärt und vernünftig die Verwandten normalerweise sein mögen: Sind an Weihnachten kleine Kinder mit im Spiel, verlieren diese den Verstand. Es gilt, den drohenden Päcklirausch früh genug im Keim zu ersticken und die grosszügigen Menschen um einen herum zu lenken.
Für Patchworkfamilien besonders anspruchsvoll: die Koordination – teils auch Mediation – zwischen den zig Grosseltern, Ex-Tanten und Neu-Verwandten, inklusive des anderen Elternteils. Am einfachsten ist es, wenn sich mehrere Verwandte an einem Geschenk beteiligen. Wie vielleicht bei Ricky, dem so wahnsinnig schlauen Hündchen.
Lesen Sie dazu auch die Postings: Das nervigste Weihnachtsgeschenk, Geschenke zum Vergessen und Teure Bescherung.
27 Kommentare zu «Soll man schreckliche Kinderwünsche erfüllen?»
Meine Tochter wünschte sich mit vier einen Schminkkopf, ich war dagegen. Die Grossmutter hat ihr den Wunsch erfüllt, was mich damals sehr geärgert hat. Sie hat den Kopf mit Inbrunst geschminkt und gekämmt, sich selber ebenfalls. Trotzdem ist aus dem kleinen Mädchen keine Tussy geworden. Also, solche Schrottwünsche nicht zu ernst nehmen.
Ich habe meinem Gottemeitli vor Jahren so einen Schrottwunsch erfüllt. Zwar kein betteriebetriebener, fressender und k… Hund, sondern in Form einer batteriebetriebenen, miauenden, Schoppen trinkenden und brünzelnden Barbie-Katze mitsamt Katzenkistli für 99.- chf. Gespielt wurde damit genau zwei Mal. Noch nie hat mich das Geld für ein Geschenk gereut wie dieses.
In den Sommerferien in Italien hat mein Sohn auf dem Wochenmarkt den obligaten Stand mit den Spielzeugpistolen entdeckt. Er war total begeistert, wir haben aber selbstverständlich nichts davon gekauft.
Da mein knallender Cowboy-Colt mein absolutes Lieblingsspielzeug war, habe ich doch noch heimlich den schönsten Colt gekauft und von der Familie versteckt zurück in die Schweiz geschmuggelt.
Den Colt werde ich dieses Jahr für meinen Sohn unter den Tannenbaum legen.
Das könnte ich nie und nimmer gut heissen – wenn es so wäre wie im Beispiel beschrieben: 2 – 3 Personen haben für ein Spielzeug zusammengelegt und am Sylvestertag liegt es schon in der Ecke.
Da haben für mich eindeutig die Eltern versagt. Klar haben Kinder manchesmal Wünsche, die die ganze Elternwelt aushebeln. Aber dann ist es an den Eltern den Kindern klarzumachen, warum manche Wünsche nicht in Erfüllung gehen. Ist schwer, aber machbar. Vielleicht könnte man sich sogar noch an die eigene Kindheit erinnern, das man da auch nicht alles bekommen hatte – und man hat es überlebt !
Tja, aber auch die besten Eltern können nicht immer vorhersagen, welches Spielzeug in der Ecke landet und welches der grosse Renner ist. Ob man da gleich von Versagen reden sollte?
Einerseits dürfen die Kinder mehrmals im Jahr mit dem Flieger in die Ferien, essen regelmässig auswärts im Restaurant, bekommen Markenkleider, jeden Tag zweimal Fleisch, haben x teure Hobbys, werden im SUV chauffiert, aber an Heiligabend, da soll es dann ja nur ein, zwei Päckchen geben. Besser den Kindern übers Jahr erklären, dass man sich nicht alles immer und sofort leisten kann und ihnen dafür ein schönes glitzerndes rauschendes (Päckliauspack)-Fest an Heiligabend gönnen. Was gibt es Tolleres als einen Weihnachtsbaum mit vielen schönen Päckli darunter? Es müssen ja keine teuren Geschenke sein.
Mit 11 oder 12 hatte ich einen besonderen, aber teuren Weihnachtswunsch. Eltern, Grosseltern und Paten haben dafür zusammengelegt. An meinem Geburtstag im November bekam ich schon weniger Geschenke mit dem Hinweis, dass ein Teil für meinen Weihnachtswunsch aufgespart wird. Dann Heiligabend: Einerseits die grosse Freude über den erfüllten Wunsch, andererseits auch die Enttäuschung, keine weiteren Päckli auspacken zu können. Für die nächsten Jahre habe ich gelernt – keine grossen Wünsche äussern, aber viele kleine Päckchen (Hauptsächlich Bücher) auspacken können. Die grösseren Wünsche habe ich mir dann selbst zusammengespart bzw. gejobbt. Der Päcklirausch gehört halt doch irgendwie dazu (wobei es in meiner Kinder/Jugendzeit kaum mehr als 10 Päckli waren).
Was ist schlimm am Päcklirausch? Viele Päckli auspacken ist doch schön! Es muss ja nicht in jedem etwas Wundertolles sein. Und es muss auch nicht in jedem Päckli Billigramsch aus Fernost sein. Und sie dürfen meinetwegen auch in Recyclingpapier eingepackt sein. Soforterfüllung aller Wünsche an jedem anderen Tag oder überbordende Grosszügigkeit der Grosseltern finde ich schlechter, als Päcklirausch an ausgewählten Feiern.
Das allerschönste Geschenk war tatsächlich der Dackelwelpe mit der Schleife um den Hals. Die ganze Familie liebte ihn, bis er mit 14 Jahren nach einem langen schönen Hundeleben von uns ging. Warum den innigen Kinderwunsch von Anfang an ignorieren? Zumal der Lösungsansatz des Patenmädchens (Ferienbetreuung und Gassigehen aufgeteilt) überlegenswert ist.
Natürlich darf man auch mal Kinderwünsche erfüllen, die man selber nicht so toll findet. Allerdings würde ich es in dem Preissegment wohl eher nicht tun. Was man auch bedenken muss: Gleich wie beim richtigen Hund, müssen auch andere Familienmitglieder bei den batteriebetriebenen Kläffern damit leben. Meine Angst wäre damit weniger, dass es an Sylvester schon wieder uninteressant ist, sondern dass das Ding monatelang einige Stunden täglich durch die Stube spaziert. Und das würden meine Nerven echt nicht aushalten.
Mit Kindern kann man sprechen. Und ansonsten gibt es ja sicher mehrere Sachen auf der Wunschliste, so dass man sicher etwas besseres findet.
Ich sehe das ähnlich. Zumal ich mich gut daran erinnern kann, dass für mich das Schönste an Weihnachts- und Geburtstagsgeschenken der Geschenkeberg an sich war – all das funkelnde, glitzernde Papier, all die vielen liebevoll verpackten Päckchen. Daran denke ich heute noch mit Freude zurück – nicht an die einzelnen Geschenke. Von kleineren Kindern Dankbarkeit für ein bestimmtes Geschenk zu erwarten, scheint mir ein typischer Erwachsenengedanke. Was ein Kind aber immer in seinem Herzen tragen wird, ist das Gefühl, reich beschenkt worden zu sein. Und dafür braucht es noch nicht einmal etwas gesondertes Grosses.
Ups, sollte weiter oben zum Kommentar von Stefan W. hin…
Problematischer finde ich dass der bestimmt nicht unter sehr umweltfreundlichen und sozialen Bedingungen hergestellte Hund an Silvester schon parat für den Müll ist. Ich halte es so dass mein Kind seine Lust auf „Schrott-Spielzeug“ am Flomi ausleben darf, und ansonsten wird darüber gesprochen was sinnvoll ist und was nicht.
Das find ich auch eine super Lösung! Keine neuen Plastikspielzeuge, die irgendwo in Asien produziert wurden, ausser eben sie kommen vom Flohmi oder von Ricardo. Es ist eben nicht nur das Problem des Mädchens, wenn es Ricky an Silvester nicht mehr gut findet. Kann man moralisierend finden, aber mit genanntem Lösungsansatz gut kanalisierbar.
Mein Vater hatte immer eine „sinnvolle“ Wunschliste bereit, die er unserer gegenüber gestellt hat. Dort hat er Dinge aufgeführt, die er bereit war zu zahlen oder daraus einen grösseren Sinn sah, als unsere Spielzeuge. Pinkelnde Puppen, kläffende Batteriehunde oder nervige Roboter kamen dabei nie in Frage. Man konnte gut mit ihm diskutieren, konnte auch mal sein dass man ihn rumreißen konnte, aber seine Liste war schon sehr überzeugend. Da waren auch viele Dinge drauf, über die ich mir nie Gedanken gemacht hatte ;o) Wobei ich heute finde, dass es viel leichter ist was zu sinnvolles zu schenken, dass dem Kind nicht nur Spiel, sondern auch Lerneffekt mitbringt. Heute als Erwachsener bin ich extrem neidisch auf die aktuelle Generation, weil es ist schon der Wahnsinn, was es alles gibt.
Bezüglich Echthund wäre dringend Infofütterung angesagt, diese Tiere sind auf einen klaren Rudelführer angewiesen, ein zwischen-Haushalten-umherziehen verursacht sehr viel Stress.
Und warum man keinen fressenden&schei enden plus batteriebetriebenen zulegen sollte? Weil dessen zusammenstellende Fabrikarbeitende ihrerseits durch diese Arbeit nicht genug zum fr… bekommen, und Zeit um schei… zu gehen kriegen sie auch nicht.
Solange wir „schöne Kindheit“ mit einer eher unkritischen Konsumhaltung verknüpft halten, solange wird sich an prekärsten Arbeits-UND Umweltbedingungen so schnell nichts ändern, fröhliche Weihnachten der ausgebeuteten Welt.
(Und ja, ich bin mir sehr bewusst dass neutraler Konsum unmöglich ist, aber ein bisschen bewusster ginge schon).
Und von wo aus Schreiben sie ihren Kommentar? Von einem Handy oder Tablet, das in den selben üblen Verhältnissen hergestellt wurde?
@Beobachter
das wäre möglich, allerdings hat dieses Gerät eine wesentlich längere Gebrauchsdauer als besagter Geschenkewunsch…,
und, haben Sie den in Klammer gesetzten Satz zur Kenntnis genommen? Mit Ihrem Anspruch kann jede Diskussion über eigentlich jedes Thema abgewürgt werden.
@Steiner: Sie können ja einfach mal bewusst überlegen, wie die Arbeits- und Lebensbedingungen der Arbeiter/innen sind, wenn wir die Produkte nicht kaufen. Ein bisschen kurz gesprungen…es gibt bessere Gründe diese Produkte nicht zu kaufen als westliche Bevormundung gegenüber den Arbeiter/innen in den Ländern des globalen Südens.
Ein gesundes Kind hat nicht solche Wünsche. Oder dann er schaut zuviel videos?
Welche Wünsche hat denn ein gesundes Kind?
Eine Holzkugelibahn…
Ziemlich arroganter Kommentar. Ich behaupte mal: ausnahmslos jedes Kind hat zumindest ab und zu solche oder andere z.T. hanebüchene Wünsche. Ehrlich gesagt kommt mir die zwei spezifisch aufgeführten für die heutige Zeit sogar noch sehr harmlos vor. Zumal gerade bei Tieren, echten wie künstlichen, die meisten Kinder „schwach“ und „unvernünftig“ werden. Ich würde mich eher um die Verfassung eines Kindes sorgen, bei welchem das nicht so wäre..
Sehe ich genauso, CB! Es macht mich einigermassen fassungslos, von ‚gesund‘ bzw implizit dann eben ‚krank‘ zu sprechen, wenn ein Kind politisch unkorrekte, d.h. einer Erwachsenenwelt (noch) nicht angepassten Wünsche äussert. Wie man damit umgeht, ist dann doch wieder eine andere Frage, aber wir sollten uns eigentlich über jedes Kind freuen, dass nicht schon glattgebügelte, konventionelle und in unsere enge Erwachsenenwelt passende Geschenklisten erstellt.
Wir hatten einen Grossvater, der, jegliche Bedenken unserer Eltern ignorierend, uns immer etwas lärmendes, nerviges, plastikartiges, höchst Unkorrektes zu Weihnachten unterjubelte – dafür haben wir ihn geliebt und sein Kinderherz in liebender Erinnerung behalten!
Dann gehen Sie mit Ihren Kindern nie in ein Migros oder so? Bei uns stehen diese Hündchen sehr prominent ausgestellt und natürlich super beworben herum. Dafür braucht es keine Videos. Und logisch sehen die dann sehr süss aus.
Ungesund finde ich eher, das Kind von allem fernzuhalten (TV, Laden, vermutlich dann auch soziale Kontakte), damit es ja nicht mit solchen Sachen in Berührung kommt…
Wie hat ein „gesundes Kind“ denn zu sein? Weltfremd?
Nein, es findet in der Migros- oder Coopkassen, den praktischen Geschenkekatalog (in der Mitte mit Kleberli zu dein einzlenen Spielzeugen), die es dann auf seinen Wunschzettel kleben kann.
Aber es ist ein Wunschzettel, somit muss ja nicht alles in Erfüllung gehen.