«Achtung Mütter»: Der Zickenkrieg bleibt aus

Mamablog

Hach, sind die zivilisiert! Die Hauptdarstellerinnen der zweiten Staffel von «Achtung Mütter». Foto: SRF

Hätte mich meine Kollegin nicht dazu aufgefordert, in die Dokuserie «Achtung Mütter!» reinzuzappen für den Mamablog, hätte ich mir das Format vermutlich nie angeschaut. Das Konzept klang mir zu sehr nach gegenseitigem Mütter-Bashing, wie man es in ähnlichen Varianten aus dem Privatfernsehen kennt – auch wenn die Sendung beim Schweizer Fernsehen (SRF) läuft. Und der Titel macht das Ganze auch nicht besser.

In der Sendung geht es laut SRF darum, dass «vier Mütter mit unterschiedlichen Vorstellungen von Kindererziehung, Familienmodellen und Wertevermittlung beim Kaffeeklatsch aufeinandertreffen». Dies führe zu «spannenden, emotionalen und grundsätzlichen Diskussionen». Ich habe mir also letzte Woche den ersten Teil der zweiten Staffel angeschaut und dabei einen Einblick ins Leben und Denken von Angélique Cusenza bekommen. Die «Powerfrau» aus Menziken, wie das SRF sie nennt, ist verheiratet, hat zwei Kinder und arbeitet als Fitnesscoach.

Teenies zur Schule begleiten

Die Folge beginnt mit der Morgenroutine im Hause Cusenza. Die Zuschauer können beobachten, wie Angélique ihre Töchter zur Schule bringt. Sie begleitet die 12- und 14-jährigen Mädchen jeden Morgen, weil sie Angst hat, wenn die zwei allein unterwegs sind. Die Grössere verabschiedet sich ein Stück weit vom Schulhaus entfernt – mit dem Mami auf dem Pausenplatz anzukommen, wäre ihr dann doch zu peinlich.

Schnitt. Die vier Mütter sitzen im Fernsehstudio und schauen sich dieselben Szenen an. «Isch scho ungwöhnlich», bemerkt die eine, «speziell». Schweizerische Zurückhaltung par excellence.

Helikopter-Mom Angélique Cusenza. Foto: SRF

Als Angélique verrät, dass sie ihre Kinder zudem per GPS trackt, finden die anderen drei Mütter etwas deutlichere Worte. Das sei extrem, dass sie so gar nicht loslassen könne. «Deine Kinder werden richtig kämpfen müssen, um frei zu werden. Und du selbst wirst wahrscheinlich in ein Loch fallen, wenn sie eines Tages das Elternhaus verlassen», sagt eine Mama zu Angélique. Und sie ergänzt danach im Einzelgespräch, dass definitiv etwas falsch laufe, wenn man so eine App benutze, um seine Kinder zu kontrollieren.

Grosse Differenzen tun sich auch auf, als Angélique im Film das Mittagessen zubereitet. Während die Porträtierte vier Fleischstücke in der Pfanne brutzelt, gibt eine Mutter im Studio deutlich zu erkennen, dass ihr dabei das eigene Essen fast hochkommt. «Dass es immer noch Menschen gibt, die Körper aufschneiden! Ich müsste weinen, wenn ich einen toten Körper kochen müsste», erklärt die Veganerin der Gruppe ihre Reaktion.

Stirnrunzeln statt Streit

Spätestens an dieser Stelle wird offensichtlich, dass die Macher es darauf angelegt haben, möglichst heftige Konflikte zu provozieren unter den Müttern – und dies nicht nur in Sachen Erziehung. Die vier Mamas bleiben aber stets ruhig in ihren Diskussionen und verteilen zwischendurch auch mal Lob. Selbst als die vegane Mutter von «Mord» spricht beim Thema Fleisch, entlockt sie den anderen nicht mehr als ein Stirnrunzeln. Man mag das langweilig finden und sich mehr Action wünschen. Eigentlich ist aber genau das das Schöne an der Sendung: Man darf sich zwar wundern über andere Ansichten und Verhaltensweisen, muss sein Gegenüber deswegen aber keineswegs gleich herunterputzen.

Haben Sie die Sendung auch gesehen? Was sagen Sie zum Mütter-Format des Schweizer Fernsehens?

Die zweite Folge läuft am Donnerstag, 1. November, um 21.05 Uhr auf SRF 1.

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22 Kommentare zu ««Achtung Mütter»: Der Zickenkrieg bleibt aus»

  • Sabine Valagin sagt:

    Halbzeit: Ich finde die Sendung eigentlich spannend! Ich habe sie geschaut um zu lästern muss nun aber sagen, dass die Diskussionen – vorallem dank einem Mami – Niveau haben!

  • Sophie sagt:

    In einer Diskussion bin ich auf die Sendung hingewiesen worden und habe ich sie mir angeschaut. Ich dachte erst, es handle sich um ein „RTL2-Format“, da dies der Titel vermuten lässt. Schlussendlich fand ich es aber toll, dass nicht „ein Krieg“ entstand wie sonst immer bei „Mütternthemen“.
    Es ist doch toll, dass eine normale Diskussion stattfinden kann und komplett andere Meinungen auch Platz haben dürfen.

  • plop sagt:

    Das gibt ja ein bisschen Hoffnung dass hier in CH die Diskussionskultur nicht ganz so schnell gegen Drama und Beschimpfung eingetauscht wird.
    Die Serie werd ich mir aber sicher nicht anschauen, danke für die Rezension…

    • Hans Hasler sagt:

      Ich persönlich lese in dieser Zusammenfassung das genaue Gegenteil einer Diskussion: Die Haltung der Anderen wird einfach hingenommen, unkommentiert. Was auch nicht schlecht ist. Nur eben nicht Teil einer Diskussionskultur.

  • Bernhard Sturm sagt:

    Was ist eigentlich mit den Väter? Hängt SRF immer noch einem alten Rollenbild nach, oder mag man sich damit gar nicht auseinandersetzen? Und „Achtung Mütter“, geht als Titel ja gar nicht.

  • Christina sagt:

    Habe kurz in die Sendung reingeguckt. Mir ist dabei der Gedanke gekommen, dass man vermutlich unterscheiden muss zwischen Mutterschaft und „den Beruf Mutter ausüben“. Ich bin zwar auch eine Mutter, könnte aber nie an so einer Sendung teilnehmen, weil ich die elterlichen Aufgaben/Pflichten nicht als einen „Job“ ansehe und daher auch keine fixe Meinung dazu habe, wie etwas getan werden muss oder nicht, d.h. ich bin keine „Berufsmutter“. Ich bin in erster Linie Chemikerin, die daneben noch Mutter ist. Bei den Frauen im Film ist es vermutlich genau umgekehrt. Wäre spannend zu sehen, wie das bei einer Sendung über Väter wäre. Ob sich so einfach vier „Berufsväter“ finden liessen?

    • Papperlapapi sagt:

      Die erste Staffel habe ich geschaut, war ganz interessant in verschiedene Familien und Erziehungsstile hineinschauen zu können. Da war eine überzeugte Vollzeithausfrau, eine Home-Scoolerin, eine Vollzeit berufstätige Alleinerziehende, eine Teilzeitberufstätige. Zu sehen wie unterschiedlich die Rolle Mutter ausgefüllt wird, fand ich unterhaltsam und zum Denken anregend. Ich bin überzeugt, dass das auch mit Vätern funktioniert.

  • Toni sagt:

    Vegetarier sind eine Gefahr für die Menschheit.

  • Sportpapi sagt:

    „Eigentlich ist aber genau das das Schöne an der Sendung: Man darf sich zwar wundern über andere Ansichten und Verhaltensweisen, muss sein Gegenüber deswegen aber keineswegs gleich herunterputzen.“
    Also die gleiche in alle Richtungen tolerante Grundhaltung, die auch im MB gelebt wird…?
    Also z.B. „Heimwehkinder, Uber-Eltern, Drohnen-Eltern – das Thema der übertriebenen elterlichen Fürsorge beschäftigt die Gemüter und die Medien. Und das ist gut so.“
    Es ist doch auch hier so, dass spezielle Erziehungsstile kritisch kommentiert werden. Und das ist (meist) auch gut so.
    Ausserdem lebt eine solche Sendung oder ein Blog von der Auseinandersetzung, von der Provokation. Auch wenn es eine Nancy Holten wirklich nicht gebraucht hätte.

  • Regina Probst sagt:

    Ich hab mich schon bei der 1. Staffel bei SF beschwert, dass der Titel despektierlich sei und das Format geradezu zum Zickenkrieg auffordere, was für die fragile Solidarität unter Frauen nicht förderlich sei. Damals hat das niemanden interessiert. Nun habe ich es wieder gemacht und es kam Antwort, dass sie es besprechen würden und meine Aufforderung, wenigstens ein Format „Achtung Väter“ anzuschliessen, sei in Planung. (Ob es den abwertenden Titel allerdings behält, konnten sie nicht bestätigen. Das Väter-Image ist halt nicht negativ). Aber immerhin hat „Metoo“ eine Sensibilisierung gebracht, Medien trauen sich nicht mehr, einfach Klischees zu inszenieren. Zumal jede Generation ein wenig souveräner ist. Da hat SF Glück gehabt, sonst hätten sie nun einen Shitstorm.

    • Sportpapi sagt:

      Einen Shitstorm wofür? Die vier Mütter wurden ja nicht zufällig ausgewählt, sondern sind in ihrem Erziehungsstil deutlich unterscheidbar. Und sie demonstrieren und verteidigen diesen Stil dann auch vehement, auch wenn sie genau wissen, was für eine Diskussion sie damit auslösen. (mir tun die beiden Töchter der ersten Sendung leid, nebenbei).
      Ich glaube übrigens nicht, dass eine Vätersendung ähnlich funktionieren würde. Das ist kaum so kontrovers. Zudem müsste man noch Väter finden, die diesen Stil zu Hause festgelegt haben.
      Vielmehr wundert man sich, warum nicht Elterngespanne vorgestellt werden, die gemeinsam erziehen. Es bleibt eben der Eindruck, dass die Väter da mehr Hilfsarbeiter sind.

    • Tabea sagt:

      Danke für Ihr Engagement, Frau Probst!

    • R.Bugser sagt:

      „Das Väter-Image ist halt nicht negativ“
      sorry, das ist pure Polemik! Kommen sie aus der Opferrolle raus.

      • Christina sagt:

        Das Väter-Image in der Schweiz im Jahr 2018 ist tatsächlich weniger negativ als das Mütter-Image. Oder haben Sie schon einmal von Helikopter-Vätern, Raben-Vätern, Vater-Gluggeren gehört? Und sind Sie sich bewusst, was in den Medien oft für ein Mütter-Bashing betrieben wird, z.B. im Sinne von „kein Wunder ist der Sohn kriminell geworden, die Mutter hat ihn ja auch vernachlässigt/verwöhnt/in die Krippe geschickt/nicht gestillt/im Elternbett schlafen lassen/nicht in die Frühförderung geschickt/mit zu viel Freizeitaktivitäten belastet/…“? Ich sehe mich zwar nicht als Opfer, aber besonders „cool“ finde ich dieses Mutter-Image auch nicht gerade.

      • Sportpapi sagt:

        @Christina: Vermutlich ist das die Kehrseite des Mutterkults, der ja auch zeitgleich betrieben wird. Auf jeden Fall ist ja das Mutter-Image mehr als nur positiv, so im Allgemeinen. Während die Rolle der Väter in der Regel, auch in dieser Serie, kaum diskutiert wird, da irgendwie irrelevant offenbar.

      • Christina sagt:

        @Sportpapi
        Ja, gebe Ihnen völlig recht. Würden Sie mit mir tauschen wollen? Mir ist dieser Mütter-Kult nicht geheuer (weder der positive noch der negative). Ich würde viel lieber ein unauffälliges, wenn möglich geschlechterneutrales Elternleben führen. Und wenn ich dennoch wählen müsste, dann wäre ich lieber ein Papi als ein Mami.

      • Sportpapi sagt:

        @Christina: Ich verstehe nur manchmal nicht, wie ausgerechnet Frauen, die stark auf Gleichberechtigung pochen, auf der anderen Seite eben diesen Mutterkult betreiben.
        Persönlich finde ich auch, wir haben selber eine Aufgabe übernommen, die wir nun gemeinsam als Eltern so gut wie möglich erfüllen.

  • jane marple sagt:

    das klingt nach sowas von langweilig, dass ich es mir direkt anschauen muss… aber eine frage stellt sich mir: warum wurde in dem artikel nur auf der angeblichen helikopter-mami rumgehackt? war sie gar die einzige, die gesprächstoff bot?

    • Jeanette Kuster sagt:

      Es wird jeweils nur eine Mutter pro Folge porträtiert. Die zweite Mutter steht heute Abend im Fokus.

      • jane marple sagt:

        hab mir folge 1 (replay) und 2 (heute) angeschaut. ich bin gespannt auf die anderen zwei folgen, besonders auf die frau, die zuletzt dran kommt.
        was mir auffällt ist, dass allen vier ziemlich wichtig zu sein scheint, wie wahrgenommen werden. wobei mir die helikopter-mami am sympatischsten ist. sie hat linie und die setzt sie durch. auch lebt sie mit ihren kindern eine beziehung zu gott (oder zum göttlichen). das finde ich in der heutigen zeit sehr mutig und wichtig. auch, dass sie der chef ist und ihr mann nicht einfach über ihre entscheide hinwegbestimmt, finde ich super. ich bin auch so gross geworden. es war sehr wohltuend nicht zwischen dem hickhack und nicht wissen-was-sie-wollen der eltern hin und her gerissen zu sein. es galt, was die oma sagte – aus die maus

  • Brunhild Steiner sagt:

    Vielleicht müsste man sich über eine neue Titelsetzung Gedanken machen, „Sternstunde der Mutterschaft“ oder so was in der Richtung?
    Mal sehen wielange sich die Unaufgeregtheit hält und sich die Besetzung erfolgreich dem aufgestachelt-werden verweigert-
    und falls sie das tun, wielange diese Unaufgeregtheit genug Bildschirmpräsenz generiert.

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