Wie redet man mit Kindern über Flüchtlinge?

Die Autorinnen von Fenneks Geschichte: Jolyne Loepfe, Lea Schmid und Carol Tanner. Foto: PD

Es ist mitten in der Nacht, als Fennek aus seinem Zuhause in der Wüste flüchten muss. Die Hyänen sind hinter ihm und seinen Freunden her. Der kleine Wüstenfuchs rennt und rennt, ohne zu überlegen, wohin – bis er sich ganz allein an einem Hafen wiederfindet.  Mittels Containerschiff und Lastwagen landet Fennek schliesslich in der Schweiz, wo er sich erst einmal zurechtfinden muss.

Jolyne Loepfe, Lea Schmid und Carol Tanner haben das Bilderbuch «Fennek findet ein neues Zuhause» als Abschlussarbeit der Berufsmaturität Gesundheit geschrieben. Warum gerade ein Kinderbuch mit einem so schweren Thema? «Wir hatten zu Beginn zwei Ideen: ein Fotoprojekt zum Thema Flüchtlinge zu machen – oder ein Kinderbuch zu schreiben», erzählt Lea Schmid, «am Ende ist es ein Kinderbuch zum Thema Migration geworden.»

Wüstenfuchs trifft auf Rotfuchs

Für ihre Recherche haben die drei jungen Bernerinnen unter anderem mit einer Betreuerin des Durchgangszentrums geredet. Die habe ihnen erzählt, dass es das Allerwichtigste für die hier ankommenden Flüchtlingskinder sei, neue Freundschaften zu schliessen. Besonders Freundschaften zu einheimischen Kindern. «Oft tun sich die Flüchtlingskinder mit anderen Kindern zusammen, die ein ähnliches Schicksal erlitten haben», sagt Schmid. Das sei sicher gut, aber noch besser wäre es, sie würden sich auch mit Schweizer Kindern anfreunden, «weil sie sich so viel einfacher integrieren würden».

So siehts aus, das Buch. Foto: PD

Im Buch hat der Wüstenfuchs Fennek das Glück, auf Linus zu treffen, einen freundlichen Rotfuchs. Anfangs beäugt Linus Fennek zwar kritisch aus der Ferne, doch eine weise Eule sagt ihm, dass er keine Angst haben müsse vor dem fremden Fuchs: «Er kommt aus der Wüste und sieht deshalb anders aus. Nach seiner langen Reise ist er hungrig und einsam. Sei freundlich zu ihm, du wirst sehen, ihr habt viele Gemeinsamkeiten.»

Lea Schmid hofft, dass ihr Buch Eltern dabei hilft, die Flüchtlingskrise auf kindgerechte Weise zu thematisieren. Und dass Fenneks Geschichte auch die Eltern selber zum Nachdenken anregt. «Kinder gehen generell viel offener auf Fremde zu, aber es spielt halt auch mit, was sie zu Hause zu hören bekommen zum Thema.»

Kinder müssen sensibilisiert werden

Ihre Eltern hätten immer offen mit ihr geredet früher, auch über schwierige Themen. «Man muss den Kindern ja nicht gleich die schlimmen Bilder aus der ‹Tagesschau› zeigen, aber es ist wichtig, sie über die Probleme auf dieser Welt zu informieren und ihnen die Sachverhalte zu erklären.» Das politische Klima in Europa sei zurzeit «heavy», findet Schmid, darum sei es umso wichtiger, die nächste Generation schon früh für Themen wie Migration zu sensibilisieren. «Sie sind diejenigen, die mit diesen Entwicklungen werden umgehen müssen.»

Schmid und ihre Freundinnen haben sich während ihrer Buchrecherche auch mit einer Flüchtlingsfamilie getroffen. Dieser Kontakt sei ihnen allen ziemlich eingefahren und habe sie und ihr Denken verändert, sagt die 25-Jährige. «Die Familie war zehn Tage in einem Lastwagen eingepfercht gewesen; das Mädchen war auch nach zehn Monaten in der Schweiz noch traumatisiert und weinte jede Nacht. So was kann man nicht nachempfinden, wenn man es nicht selbst erlebt hat.» Die Begegnung habe ihr bewusst gemacht, wie unglaublich privilegiert wir hier in der Schweiz doch seien.

Von Traumata und Ähnlichem ist in Fenneks Geschichte nichts zu lesen. Darauf haben die Jungautorinnen bewusst verzichtet. «Ich bin aber froh, dass wir Fennek allein auf seine Reise geschickt haben. Denn Kinder und Jugendliche, die allein flüchten müssen, sind ein riesiges Thema, über das viel zu wenig berichtet wird», sagt Schmid. Fennek soll mithelfen, dieses Problem mehr ins Bewusstsein zu rücken.

9 Kommentare zu «Wie redet man mit Kindern über Flüchtlinge?»

  • Blog-Redaktion sagt:

    Liebe Leserinnen und Leser, wir dulden keine rassistischen oder beleidigenden Kommentare. Weil diese zahlreich sind, schliessen wir heute die Kommentarfunktion. Danke für Ihr Verständnis, die Redaktion.

  • Dieter Sprenger sagt:

    Auch wenn Kinder mit ihren Gedanken und Interessen noch in ihrer eigenen Welt leben , ist es wichtig in neutraler Sicht auch über dieses Thema zu reden . Den gerade gehören Kinder zu den kommenden Generationen welche die Folgen der Migration mit deren Vor- und Nachteile zu spüren bekommen .

  • Tim Meier sagt:

    Da gibts noch die andere Geschichte vom kleinen Wüstenfuchs, der nichts mehr zu fressen findet oder dem die Nahrungssuche zu aufwändig ist. Der aber gehört hat, dass im Norden die Fressnäpfe überquellen und er er dazu nur den nächsten Hafen finden muss. Ist für Kinder nicht zu leicht zu verstehen, dafür etwas näher an der Wahrheit.

    • Anton Moser sagt:

      Herr Meier,
      Die Geschichte gibt es bereits und wird von vielen Kindern akzeptiert und geliebt. Little Foot der Dinosaurier zieht weg, weil es keine Pflanzen mehr hat, hin zu einem Tal mit vielen leckeren grünen Blättern. Kann ich Ihnen empfehlen, ein sehr schöner Film.

    • Eveline sagt:

      ‚der nichts mehr zu essen findet‘ Und was würden Sie machen? Sich hinlegen und sterben?!

  • Thomas Mueller sagt:

    Das Problem ist nicht dort zu suchen, dass kleine Kinder Probleme hätten Mitleid zu empfinden oder Freundschaften mit Andersartigen zu schliessen – das kan man live in jeder städtischen KiTa miterleben. So gesehen, rennen die Autorinnen offene Türen ein.
    Was die eigentliche Problematik betrifft – nämlich das nicht nur niedliche Fenneks zu uns wollen, sondern auch die bösen Hyänen, die aber manchmal wie die Fenneks aussehen möchten – dazu nehmen sie wie zu erwarten keine Stellung. Denn das ist eben nicht so naiv einfach. Was macht man mit dem niedlichen Fennek, wenn er den Kindern des Rotfuchses vor der Schule Drogen verkauft? Eben. Ein weiteres Buch, das die Welt nicht braucht, sorry.

    • Anton Moser sagt:

      .. Und in China fällt ein Reissack um.. Wie viele verkaufen denn Drogen vor den Schulen? Bei uns ist das kein Thema und habe es auch sonst nicht durch andere Eltern erfahren.. Eine schöne Märchengruselgeschichte, die sie uns da vorsetzen. Die Fenneks sind in der absoluten Überzahl, aber Menschen wie Sie rufen lieber: „Hyäne!“

  • Maier Tom sagt:

    Grundsätzlich wichtig dass die Kids Emphatie mit- und vorgelebt bekommen. In späteren Jahren sehen sie die Dramen und bekommen dies zT auch in der Schule mit. Das Dilemma zwischen Menschlichkeit und organisatorischer Machbarkeit zu erklären ist nicht so einfach, so ab 10 Jahren kommt es an, auch wenn es immer wieder Gesprächsstoff ist und sein wird. Es ist aber wichtig dass man es immer wieder thematisiert und den Kids die Möglichkeit lässt sich ihre eigene Meinung heraus zu arbeiten.

  • Muttis Liebling sagt:

    ‚Wie redet man mit Kindern über die Flüchtlingskrise?‘

    Man sagt den Kindern, dass es derzeit zwar viele Flüchtlinge nach Europa gibt, fast halb so viele, wie innerhalb Europas nach WK II, aber keine Flüchtlingskrise. So packt man die Gelegenheit beim Schopf, etwas zu tun, was sehr selten geworden ist. Ein Wort nicht nur wie einen Hammer zu benutzen, sondern es vor der ersten Benutzung zu erklären.

    Eine Krise ist der kritische Punkt eines jeden Prozesses, ab dem die Prozessqualität umkippen, eine Wende nehmen kann. Wenn man 10 Krisen erlebt hat, wäre es wahrscheinlich, 5 Wendepunkte erlebt zu haben.

    Ich für meinen Teil habe bisher einen politischen Wendepunkt erlebt, was dafür spricht, dass es nach WK II in Europa noch nicht mehr als 2-3 politische Krisen gab.

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