Was Eltern ihren Kindern immer wieder sagen sollten
«Dann mach doch», «Aber klar kannst du das.» Denke ich an meinen Vater, erinnere ich mich an Sätze wie diese. Er selbst lebte bis zu seinem Tod nach deren Credo, und uns Kindern konnte er nicht oft genug sagen, dass man seinem Herzen folgen und im Leben auch mal etwas wagen solle.
Stehe dir selbst nicht im Weg, trau dir Dinge zu, sagte er immer wieder. Er setzte auf die Kraft der Worte und der Gedanken. Als Kind hat mir das imponiert und auch geholfen. Auch später noch gaben mir seine Worte Mut während Prüfungen, schweren Stunden und schwierigen Entscheidungen. Sie waren eine Art Mantra für mich geworden. Als alleinerziehende Mutter eines Babys und mit einigen Problemen schöpfte ich eine Zeit lang wichtige Kraft daraus.
Bei der Lektüre von Fatherly, eines US-Vaterblogs, wurde mir die Bedeutung solcher Sätze abermals bewusst. In einem Posting listet der Autor Wörter und Sätze auf, die Eltern ihren Kindern regelmässig sagen sollten. Es ist von «magischen Eltern-Worten» die Rede. Einige davon habe ich übernommen und mit eigenen Begriffen ergänzt – zum Beispiel:
«Ich hab dich gern»
Man darf diesen Satz immer wieder sagen, seinen Kindern und den Lieblingsmenschen. Er nutzt sich nicht ab, weil er durch Wiederholung schwächer würde. «Ich ha di lieb.» Meine Familie ruft sich diesen Satz oft beim Verlassen des Hauses zu, wir sagen ihn, wenn wir uns gute Nacht wünschen, uns gestritten haben, einander Mut machen, eine schöne Zeit miteinander verbringen … also oft.
«Versuchs doch mal»
Das Leben ist reichhaltig, das Kind soll Dinge ausprobieren, entdecken und herausfinden, was es mag. Manchmal braucht man einen Ruck, um etwas Neues zu tun oder auf andere Menschen zuzugehen. Deshalb: «Probiere es doch einfach!»
«Wirklich?» / «Ist das wahr?»
Kinder sollen lernen, die Wahrheit zu sagen. Fragt man nach, ob das Gesagte oder Gehörte auch wirklich stimmt, gibt man ihnen die Möglichkeit, kurz innezuhalten, darüber nachzudenken und es allenfalls zu revidieren. «Ehrenwort?», sagten mein Mann und ich oft, als unsere Kinder kleiner waren und sie etwas behaupteten. Sie antworteten darauf oft mit: «Hmm, also vielleicht doch nicht so ganz.» Oder: «Also es bitzli.»
«Es tut mir leid»
Wir machen Fehler, sagen etwas Falsches, benehmen uns daneben. Das kann vorkommen und dann entschuldigen wir uns dafür. So, wie wir es auch von unseren Kindern erwarten, wenn sie einen Fehler begangen haben.
«Bitte» und «Danke»
Sie gelten als Zauberwörter. Ein «Bitte» enthält Respekt, Höflichkeit und eine Aufforderung, die der Adressat auch ausschlagen kann. Bittet man seine Kinder um Dinge und sagt dieses Wort immer wieder, so werden es einem die Kinder irgendwann hoffentlich gleichtun. Ähnlich verhält es sich mit dem Wort «Danke», auch dieses Wort zeugt von Wertschätzung. «Danke, dass du aufgeräumt / den Tisch abgeräumt / den Kompost geleert / der Nachbarin geholfen hast.» Wobei das nicht jedes Mal gesagt werden soll, irgendwann müssen gewisse Dinge selbstverständlich sein.
So gut diese beiden Wörter sind, so können sie von Eltern meiner Meinung nach auch missbraucht werden: Wenn sie den Kleinsten in Feldherren-Manier bei jedem Pipifax ein gepresstes «Bitte» und «Danke» abringen, wirkt es wie ein trauriges Machtspiel.
«Erkläre mir wieso / warum»
Das Kind soll argumentieren, einen Gegenvorschlag bringen oder sich erklären, statt einfach rumzumotzen, wenn man etwas vorschlägt (z.B. einen Ausflug) oder etwas verbietet. In dieselbe Richtung geht der Satz: «Hast du eine Idee, wie wir das lösen können?» Denn kleine Menschen können selber denken und müssen nicht alles vorgeschlagen bekommen.
«Ich weiss es nicht»
Wir Eltern können und brauchen nicht alles zu wissen und erklären. Zu sagen, man wisse nicht, wohin die Seelen von Verstorbenen wandern oder weshalb jemand zu einem gemein war, ist ehrlich und authentisch. Daraus kann sich ein Gespräch ergeben oder nicht.
«Schönen Tag! Geniesse es.»
Dieser Satz ist stets wörtlich gemeint, bedeutet zwischen den Zeilen aber auch: «Pass auf dich auf, achte auf den Verkehr, und deine Mitmenschen sollen es bitte gut mit dir meinen.»
Bitte ergänzen Sie die Liste, liebe Leserin, lieber Leser. Welche Sätze und Worte fehlen?
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80 Kommentare zu «Was Eltern ihren Kindern immer wieder sagen sollten»
Sehe ich genau so. Sehr schöner Artikel.
Wunderbarer Artikel – sie sprechen mir aus dem Herzen! Habe ihn soeben meinen (erwachsenen) Kindern für den Umgang mit ihren Kindern weitergeleitet. Und werde ihn heute noch im Teamzimmer unserer Schule aufhängen. (Fast) alles gilt ja auch für Pädagogen. Herzlichen Dank!
mein jüngerer sohn wurde dermassen überhäuft mit „ich LIIIIEBE dich“ (durch schwiegermutter und vater), dass er es offenbar als beliebige nettigkeit empfand und es so auch einem tramchauffeur sagte. ja schon noch herzig und auch nicht schlimm, aber zeigt halt, was ich denke, bewirkt es, wenn man es täglich mehrmals sagt.
meine söhne sagen ihren grosseltern so 2mal im jahr wie lieb sie sie haben (wir sehen uns mindestens 7mal jährlich) und dabei drücken sie sie ganz fest und lange, und DAS finde ich wirklich schön! das sagt auch etwas.
als ich mich vor nicht zu langer zeit echt genervt habe über das benehmen meines vaters und es meinen söhnen erzählte, sagte mein grosser „jöööööööööööööööö de opa! ich hanen sooo lieb“ :DDDD
Es kostet nichts und ist deshalb billig, etwas Nettes und Schönes zu sagen. Zu oft halten wir Kinder für ebenso verdorben, wie wir Erwachsene oft sind. Natürlich braucht ein Kind und auch ein Erwachsener Zuwendung und oft auch Berührung. Es passt wunderbar in unsere berührungsarme Zeit (Angst vor Übergriffen / me too) wenn wir mit schönen Worten so vieles gut machen können. Es ist zwar gut gemeint, aber deshalb noch lange nicht gut inflationär schöne Worte zu gebrauchen.
Was Kinder und grosse Menschen noch mehr berührt, ist unser Tun. Daran orientieren sich Kinder in erster Linie.
Ein guter Beitrag und alles und noch mehr mache ich. Meine 8jährige Tochter sagt auch immer wieder: Papi, ich ha Di ganz fescht gern, das tut so gut. Auch wenn ich falsch liege, entschuldige ich mich immer und wenn sie falsch liegt und es deshalb Streit gibt, kommt sie dann zu mir und entschuldigt sich, manchmal weinend.
Auch kuscheln ist wichtig, wir machen das täglich. Plötzlich sagt sie, jetzt will ich kuscheln. Ich bin übrigens 50% allein erziehend.
Bis jetzt sind wir also auf gutem Wege 🙂
Das Wort „nein“ gehört definitiv auf diese Liste.
Ja gebe ich ihnen recht. Ich sage meiner Tochter jeden Abend wie gern ich sie habe. Ich denke sie hat ein gutes Urvertauen entwickelt, und weiss dass wir immer zu ihr stehen.
Unser Nein zu übermässigem Handykonsum löst aktuell oft enorm heftige Reaktionen unserer Tochter aus. Wenn der Dampf entwichen ist, können wir die Regeln über das Medienverhalten gut diskutieren.
Sie weiss dass, wir ein Nein nicht als Schikane einsetzen.
Ich gratuliere Ihnen zu Ihrer Konsequenz. Ich war etwas erstaunt über den Blogbeitrag und die Kommentare.
Es ist meines Erachtens genauso wichtig, Kindern beizubringen, dass nicht alles nach ihrem Kopf laufen kann. Und dass nicht jeder Erwachsene ihnen sofort und haarklein erklärt, weshalb das so ist. Deshalb sollte man Kindern im gegebenen Moment auch einfach mal „nein und Punkt“ sagen.
Das ist genauso wichtig wie all die anderen, schönen Dinge, die im Artikel und in den Kommentaren erwähnt werden.
Schöner Text.
„Ich hab Dich lieb.“
„Es ist schön, dass Du da bist/dass es Dich gibt.“
„Ich bin glücklich, deine Mami zu sein.“
„Es ist so schön, Dich als Tochter/Sohn zu haben.“
Egal, wie stressig der Tag war. Egal, ob es Streit gab oder sonst ein Problem. Das sind die Sätze, die meine Kinder jeden Abend vor dem ins Bett gehen von mir hören.
Danke sehr – und wie schön! /gb
Tja, solch liebevolle und aufmunternde Worte hab ich im ganzen Leben NIE gehört.
Weder von den Eltern, Grosseltern, Göttis und Gotten und Onkelz und Tanten.
Ich weiss drum bloss, was Eltern ihrem Kind besser NIE sagen sollten:
Mach ab jetzt nur noch, was ich dir sage. Du möchtest doch auch, dass wir dich gerne haben können (Mutter, immer wieder).
Wenn du dir jetzt auch noch die Haare schneidest, kann man dich vielleicht wieder gerne haben (Vater, als ich ihm mein Maturazeugnis zeigte).
Jetzt kann ich’s dir ja sagen: Wenn wir gewusst hätten, dass es DICH gibt, hätten wir dich abgetrieben (Vater, an meinem 25. Geburri).
Bittebitte seid lieber mit EUREN Kindern!
fufi : sie tun mir so leid. Hoffentlich haben sie jemanden gefunden der sie ehrlich liebt und es ihnen auch sagt.
Vielen Dank, sophie!
Ja doch, da hat „jemand“ doch noch ganz gut für mich gesorgt:
Ich bin jetzt ziemlich genau 37 Jahre mit meiner Frau zusammen. Und das, obwohl wir viele, sehr viele Stürme haben „überleben“ müssen!
fufi : solange liebe und respekt da sind, kann alles noch viele Jahre gutgehen und das wünsche ich Ihnen von Herzen.
Ich bin für dich da.
Schöne Zusammenstellung. Ich wünsche jedem Kind Eltern, die das machen.
Wirkt übrigens nicht nur bei Kindern.
Was mich weit gebracht hat:
„Du bist dumm wie ein Esel und zweimal so hässlich. Wenn ein Fremder dich anspricht und mitnehmen will, nimm die Chance wahr!“
Das klingt aber traurig in meinen Ohren…oder versteh ich hier etwas nicht?
Gabriel : wie kann man sowas sagen ? Es muss eine grosse Wut in Ihnen sein ? Sowas kann man doch nicht vergeben und auch nicht vergessen. In welcher Weise hat es ihnen geholfen ? Ich nimme an es ist für sie schwierig anderen Leute zu vertrauen zum Beispiel ?
Gabriel, das stammt aber aus „die Simpsons“…
Esel sind weder dumm noch hässlich. Sie wissen genau was sie wann wollen und setzen sich durch.
Und wenn ein Fremder jemanden anspricht und ihn mitnehmen will, dann nur, weil er so außerordentlich sympathisch ist.
Vielen Dank, meiner Meinung nach einer der besten Blog-Beiträge überhaupt. Da hat es für alle Eltern etwas dabei.
An die Zweifler: Unterschätzt bitte nicht die Kraft der Worte und zwar sowohl beim Absender wie natürlich auch beim Empfänger. Als Kind hörte ich selber von meinen Eltern nie dass sie mich liebten. Obwohl schon Liebe da war, hat das trotzdem Spuren bis ins Erwachsenenalter hinterlassen und ich glaube dass es vielen Anderen auch so geht. Obwohl ich meine Kinder immer liebte, fühlte es sich sehr lange komisch an ihnen dies auch zu sagen. Es ist aber wichtig für heranwachsende Kinder dass sie von ihren Bezugspersonen emotionell gespiegelt werden und zwar auch in Worten. Wie sollen sie sonst lernen ihre Gefühle auszudrücken?
Danke sehr! / gb
Ich habe das von meinen Eltern und Geschwistern auch nie gehört – und trotzdem immer gewusst, das es so ist. Ich denke gerade Liebe kann man überhaupt nicht mit Worten ausdrücken.
maia : man sollte sich aber liebes sagen, nicht dass die anderen es „erraten“ müssen. Zwar hat mir einen Arzt, ca. 40 jährig, gesagt er habe seiner Frau NIE gesagt dass er sie liebe. Sie hat ihn trotzdem geheiratet.
Wenn mir jemand sagt, dass er mich liebt, heisst das noch lange nicht, dass das stimmt. Und wenn jemand mich wirklich liebt, dann muss er/sie es mir nicht sagen und ich muss es auch nicht „erraten“. Es ist dann schlicht und einfach so.
Nach „ich hab dich gern“ ist der zweithäufigste Satz von mir immer gewesen „das hast du gut gemacht“. Lob ist ein so guter Feedback auf etwas, das – nicht nur von Kindern – gut gemacht wurde und kann so viel für das Selbstvertrauen bewirken.
Ja, Lob ist eindeutig nötig für Kinder – aber nicht dauernd. Sonst passiert es sehr rasch, dass das Lob selbstverständlich und die Abwesenheit von Lob eine Kritik ist. Und in der Welt wird man nunmal meist nicht gelobt.
Ich habe nach einigen Turbulenzen letztes Jahr gelernt, wie befreiend es ist einfach sagen zu können, ich kann das oder weiss das nicht. Entspanntheit, es muss nicht immer alles perfekt sein und kann es auch nicht. Probier einfach mal, was ist das Schlimmste was passieren kann?
Ich weiss nicht wie man das nennt, aber bei mir geistert einfach ein Wort rum.
Urvertrauen. Und Zuversicht.
Urvertrauen. Davon spreche ich in diesem Zusammenhang oft, ja. Das Vertrauen, das nie in Frage gestellt wird, das einfach da ist und Bestand hat, egal was passiert, egal wer (vermeintlich) Schuld hat etc.
Also, Herr Rothenbühler, ich bin jetzt so offen und mache mich verletzlich wie selten.
Nach einer schweren Krise musste ich letzten Sommer für eine Woche in eine Klinik. Die Patienten, vom Kantonspolizisten, Professor und bis zum Drogenabhängigen hatten eins gemeinsam. Das Gefühl nicht geliebt zu werden und nicht zu genügen. Und das kann man als Vater und/oder Mutter völlig easy verhindern, in dem man einfach bedinungslose Geborgenheit gibt.
Wer das nicht erlebt hat in seinem Leben, wird es ziemlich sicher immer wieder schwer haben.
Eindrücklich, Herr Gretener!
Ein Satz, den ich mir auch erst seit kurzem herausnehme: Ich will das nicht! Neinsagen können/dürfen, auch und vielleicht vor allem in der Familie, war zumindest bei mir ein wichtiger Wendepunkt. Dazu gehört natürlich, das Nein anderer zu akzeptieren und respektieren, dann ist ein (Familien-)Leben auf Augenhöhe auch besser möglich.
mir wäre lieber, die leute würden sagen, was sie lieber hätten, als dass sie sagen, was sie nicht wollen :). oder wengistens ein „wie wollen wir das machen“ anhängen.
Darum geht es aber nicht unbedingt, tina. Leute mit Helfersyndrom (wie ich und wie viele, vor allem, Frauen) neigen dazu, für jeden und alles und vor allem ihre Familien die Verantwortung zu übernehmen (man könnte es auch Kontrolle nennen, wenn man dann ehrlicher wird). Ehrlich zu sagen, was man lieber machen möchte bzw wie es für einen selber eher stimmen würde, setzt voraus, dass man sich ein Problem auf diesem Gebiet hat – und danach zu leben und dann irgendwann konsequenterweise auch die eigenen Vorlieben bzw Lösungsvorschläge zu haben, ist für viele eine sehr lange Reise. Und sie ist noch lange nicht abgeschlossen, denn ehrlicherweise muss ich mir immer wieder eingestehen, dass ich eben nur ein kleines Menschlein bin. In der Familie auch schwach sein zu dürfen, ist viel wert.
Sie haben den Kern genau angesprochen, Carolina. Es bringt niemandem was, wenn man immer ungefragt zu Hilfe eilt. Das macht alle verrückt. Eben, einfach nein sagen. Egal, ist nicht mein Problem. Musst halt selbst schauen.
Und das Wunderbarste daran: niemand nimmt einem das übel.
liebe carolina, ich dachte natürlich nicht daran, dass es hier um leute mit helfersyndrom geht. für euch ist es sicher gut, nein zu sagen. aber für die anderen ist es gut, wenn man wüsste, was denn die person will, nicht was sie nicht will. in einer familie ist es ja eher so, dass keiner darauf erpicht ist, dass einer zu kurz kommt. für mich von hier aus ist schwer vorstellbar, wieso man nicht einfach den 2. schritt auch macht und auf die wir-ebene kommt.
„nicht mein problem, musst halt selber schauen“ möchte ich meinen jungs nicht vermitteln
Liebe Tina, es geht darum, dass man Kindern beibringen sollte, dass man auch geliebt wird, wenn man nicht perfekt ist. Wenn jemand etwas nicht sofort beherrscht, ist das kein Zeichen für Schwäche.
ja, natürlich müssen sich kinder dessen sicher sein :), sehe ich auch so, selbstverständlich.
aber „nicht mein problem, musst halt selber schauen“ ist doch so ziemlich das gegenteil von dem, was zu einem gesunden urvertrauen (um bei deinen worten zu bleiben) führt bei kindern.
Das Kind in die Arme oder auf den Schoss nehmen ist der bestverständliche und wirksamste Liebesbeweis.
Alle ausser dem ersten Satz würde ich unterschreiben. Aber das routinemässige „I love you“ kennen wir aus amerikanischen Familienserien, und wir spüren dort genauso wie im echten Leben, dass es eine Floskel ist. Ob man geliebt wird, muss man fühlen, nicht hören. Um einen alten Ratschlag an Schriftsteller fürs Familienleben umzubiegen: „Show, don’t tell!“.
Natürlich „darf“ man hin und wieder wenn einem das Herz übergeht auch „Ich hab dich gern“ sagen, aber die Anweisung, es ‚immer wieder‘ zu sagen, quasi als Pflichtprogramm, finde ich nicht gut.
Nun, ich sage es meiner Kleinen (2 1/2) immer wieder. Und es ist alles andere als eine Floskel sondern kommt aus tiefstem Herzen.
Das ist die Krux.
Wenn das Herz voll davon ist, braucht es keine Anweisung.
Wer nach Anweisung die Sätze sagt, wird feststellen, dass sie kein Wundermittel sind.
Andererseits können unsere Worte auch unser eigenes Denken verändern. Wenn ich z.B. meinen Mitmenschen bewusst freundlich begegne, kann sich auch meine Einstellung Ihnen gegenüber positiv verändern, so dass meine Freundlichkeit immer mehr auch meiner inneren Haltung entspricht.
Machen Sie mal den Test.
(Funktioniert natürlich nur, wenn wir selbst das auch wollen.)
‚Andererseits können unsere Worte auch unser eigenes Denken verändern.‘
Das wird oft behauptet, ist meiner Meinung nach aber ein bewusst gestreute Ente. Auch bei Ihnen handelt der Folgesatz, der begründen soll, von etwas ganz anderem.
Denken generiert Sprache. Aber rückwärts geht es nur schmalbandig und holprig. Die Beziehung zwischen Denken und Sprache ist alles andere als symmetrisch. Wie die zwischen limbischen System und Cortex.
Vielleicht denken Sie zu binär und zu oft in geraden Linien.
Es ist WECHSELSEITIG. Zuerst komme ich in meinem Denken auf die Idee, dass ich freundlicher zu meinen Mitmenschen sein könnte (deshalb schrieb ich „bewusst“) und während ich nun meine Sprache ändere, ändert sich mein Denken noch mehr in diese Richtung.
Umgekehrt geht das auch: ich fange an missliebige Menschen „Pack“ zu nennen. Folge: meine Verachtung steigt. Irgendwann rede ich von „Bazillen“ …. und so geht das weiter bis ich bereit bin „Lösungen“ zuzustimmen, welche über Leichen gehen.
Sprache verändert sehr wohl auch unser Denken. Sonst wären Demagogen ja machtlos. Sind sie aber nicht.
Unsere Worte können auch unser eigenes Denken verändern – das das keine Ente ist, zeigt sich deutlich, wenn man sich mit NLP beschäftigt !
Man kann sein Kind umarmen und gleichzeitig sagen „ich ha di sooo gärn“. Worte haben auch Gewicht.
Stefan W: Ich weiss was Sie meinen, doch so ist es nicht. Es ist kein floskelartiges „Ich habe dich lieb“. Es ist echt. /gb
Stefan : auch ich kann es nicht mehr hören diese love you oder liebe dich dass gar nichts mehr heisst weil es ständig und fast automatisch gesagt wird. Sicher 10x im Tag. Das hat doch keinen Sinn.
@sophie: Ganz bei Ihnen. Viele benutzen es auch zum Abschluss eines jeden Telefongesprächs mit ihren Lieben, ganz egal, wer zuhört. Wirklich eine Art Automatismus. Gehören solche Liebesbezeugungen nicht in einen intimeren Rahmen? Wo sie auch voll okay sind?
Auf ein „ich kann das nicht!“ des Kindes ein fröhliches „du kannst es NOCH nicht“ erwidern.
Sehr schön. Genau so.
„Komm, wir machen es erst mal zusammen.“ Sich Zeit nehmen. Scheitern zulassen. Neuer Anlauf nehmen. Sich Zeit nehmen. Geduld zeigen und Zuversicht.
Haben wir den im so gestressten Alltag der Eltern und Kinder überhaupt noch Zeit, „einfach so“ einen dieser wichtigen Sätze zu sagen? Der Alltag, der in Routine, Sachzwängen und Stundenplänen abläuft, wo das „Innehalten“ als reine Zeitverschwendung gehalten wird. Wir sollten immer mal wieder etwas auf die Bremse treten. Und danke, dass Sie meine Zeilen gelesen haben.
Berechtigte Frage an wohl sehr viele Eltern der heutigen Zeit in Europa und dem Westen….. Und ja, immer schön kräftig auf die Bremse treten…schaden würde es wohl vielen nicht. Denn langsamer ist oftmals schneller…
Wunderschön. Danke.
Grade das „Versuchs doch mal“ oder auch „Probier mal“ finde ich wichtig. Es gibt genug Eltern, die ihren Kindern von vornherein z.B. beim Essen sagen: Das schmeckt dir sowieso nicht. Und was passiert? Die Kinder glauben das natuerlich, weil die Eltern ja die groessten Vorbilder sind, die wir haben. Zum Glueck waren meine nicht so. Allenfalls bei schlechten Ideen haben sie gesagt: „Meinst du, das wird was?“
Wir sagen das regelmässig, „Das schmeckt dir sowieso nicht“ und „Das ist total ungesund und schädlich für dich“ – vor allem, wenn wir etwas Leckeres haben und die Kinder (natürlich nur im Spass) vom Probieren abhalten möchten. Dann werden sie mega neugierig und stürzen sich drauf.
Das klappt fast immer. 🙂
Das sollte man Kindern erst „antun“, wenn sie Ironie verstehen. Man kann mit widersprüchlichen Aussagen auch ziemlich viel Schaden anrichten. Aber wenn das mal „drin“ liegt, macht es viel Spass. Ich sag oft auch „das ist verboten“ oder „das gibt eine Busse“ – insbesondere, wenn es etwas „schräg“ daher kommt wie bei der Frage „darf ich auf den Baum klettern?“ und der Antwort „natürlich, herunterfallen ist aber streng verboten“. Mit der Polizei drohen hingegen ist Unfug. „Welche Busse?“ oder „wer hat das verboten?“ macht klar, dass die Kinder die Aussage verstanden haben und der Spass begonnen hat.
Danke für den schönen Beitrag.
Worte müssen von Herzen kommen, nur dann wirken sie.
Und wenn das Herz voll ist, dann kommen die Worte wie von selbst über die Lippen.
Ist das ein Zitat von Rosamunde Pilcher?
Nein, aus der Bibel: Mt. 12,34
Ich weiss, dass Du das schaffst. Ich glaube an Dich.
Ja. Unbedingt. Gilt auch für Erwachsene. Wie oft habe ich mit Leuten zu tun, die das selber nicht mehr glauben: Ich schaff das.
Und dann suche man sich unbedingt Leute um sich, die das auch Ihnen/dir sagen – von Herzen, wie es Reincarnation of XY an anderer Stelle ausdrückt.
Wenn man dann gar noch bereit ist, ein „ich helf dir, falls nötig ist“ nachzuschieben – und das auch umsetzt, wenn darum gebeten wird – , dann sind wir der Perfektion diesbezüglich schon sehr nahe.
Sehr wichtiger Text. Kinder aufmuntern, ihnen kraft und selbstsicherheit geben, das ist das erste Ziel der Eltern oder sollte es sein. Mit viel Liebe.
Die Kraft der Worte wird in postfaktischen Zeiten masslos überschätzt, vor allem wenn Sätze zu Floskeln verkommen und Worte wahllos benutzt werden. So widerspricht der Blog sich selbst, wenn acht völlig ausgehölte Floskeln präsentiert werden. Wenn man schon Worte benutzt, dann eigene.
Worte haben grosse Kraft.
Gerade Sie selbst sind ein Beispiel dafür. Sie haben ihre Ideen, ihr Weltbild (Worte) und alles was Sie sehen, reden und tun, korrespondiert damit.
Aber vielleicht überschätzen Sie sich selbst? Vielleicht überschätzen Sie Ihre Wahrnehmung?
Natürlich haben ausgehöhlte Floskeln keine Kraft.
Aber das „ich habe dich gern“ gesprochen von einem Liebenden ist eben nie eine ausgehöhlte Floskel. Sie ist es nur im Mund und in den Ohren eines Nicht-Liebenden.
doch. auch wenn man seine kinder mehr liebt als sonst jemanden, ist dieses so verbreitete, wirklich aus amifilmen abgeguckte „hadilieb“ eine floskel. natürlich ist es nicht gelogen, aber meist wird es mit genausoviel herz dabei ausgesprochen, wie man „tschüss“ sagt. oder anders: die leute haben schon recht, wenn sie sagen, die generation unserer eltern hat uns zu wenig gesagt, sie würden uns lieben. aber ein beiläufiges hadilieb ist nicht besser
@Roxy,sehr schön beschrieben!
Da fehlt der ganz wichtige Satz: „Ich bin stolz auf Dich!“
Das gibt übrigens nicht nur bei Kindern, immer wieder leuchtende Augen.
Bei diesem Satz (auch immer wieder in Amifilmen zu hören) habe ich hingegen grosse bedenken. Mein Kind soll nicht das Gefühl bekommen mich stolz machen zu müssen. Kinder müssen meiner Meinung nach Eltern nicht Stolz machen!
Sigi : genau. Wir leben in einer Gesellschaft wo die Kinder stolz sein sollten AUF IHRE ELTERN. Aber die Eltern möchten dass das Kind ihren stolz ist oder sein muss. Das ist ein Drng auf das Kind.
Ich kann meinem Kind auch sagen, dass ich stolz auf sie/ihn bin, wenn mal was in die Hose ging … weil ich BIN stolz auf meine Tochter und das auch dann wenn sie nicht „einwandfrei funktioniert“ … darum doch, ich bin da Phils Meinung, der Satz ist auch wichtig (halt nicht nur dann ausgesprochen wenn gerade Höchstleistung kommt, sondern auch sonst!)
Wenn sich ihr Stolz auf den erbrachten Einsatz des Kindes bezieht und nicht auf das Endresultat geht das für mich auch in Ordnung. Empfinden sie dann allerdings wirklich Stolz so wie ich es verstehe oder einfache „nur“ Freude? In Wikipedia heisst es: „Ebenso wie bei Ärger, Furcht, Traurigkeit, Überraschung, Ekel und Freude handelt es sich beim Stolz um eine elementare Emotion, die angeboren und nicht anerzogen ist“.
und weiter:“ Stolz dient der Signalisierung eines hohen sozialen Status“.
In unserer Gesellschaft ist der soziale Status aber fast ausschlich vom Endresultat abhängig. Das was ich also unter Stolz verstehe ist stark mit dem Endresultat verknüpft.
‚ich hab dich lieb‘ nutzt sich nicht ab ? Durch die inflationäre Benutzung dieses Satzes in amerikanischen und deutschen Filmen und Serien ist er schon so ausgelutscht und sinnentleert, dass man sich kaum mehr getraut, ihn zu benutzen. Zum Glück kann man das ja auch anders formulieren. Aber routinemässig zur Verabschiedung ? Nein, niemals, wirklich nur, wenn das Gefühl in einem aufsteigt. Das kann durchaus öfters sein.
ich finde wichtig, dass man immer immer wieder optionen aufzeigt, möglichkeiten, perspektiven. so sachen wie „….du wärst bestimmt noch gut in…“, „dich kann ich mir gut vorstellen als….“, „….vielleicht wirst du mal….“, „…dir könnte es entsprechen…“.
hervorheben, wie gut unsere startbedigungen sind, aber es ohne anstrengung aber auch glück nicht geht.
finde dieses autotext „hadilieb“ auch weniger wichtig ;-).
ich finde auch wichtig, zu fragen wie der tag war, auch wenn auch das als autotext empfunden wird. darum muss man betonen, dass das wirklich interessiert gemeint ist und keine floskel
Toller Artikel danke! Vor allem das mit dem Nachfragen bei Flunkergeschichten ist für mich ein neues Werkzeug, das ich gerne ausprobiere.
Das „bei jedem Pipifax herausgepresste Danke“ kommt mir von einer befreundeten Familie sehr bekannt vor. Könnten sie auch darüber einmal etwas schreiben? Mein Kind folgt zwar nicht immer, aber wie viel nicht folgen ist ok? Ist unterdrücken und Angst machen denn wirklich in Ordnung wenn sie danach mucksmäuschenstill im Restaurant sitzen? Es hat ja offenbar einen sehr praktischen Nutzen.
“ Wer sich benehmen kann, kann sich benehmen wie er will. “ (oder sie)
Ja; es hat einen äusserst praktischen Nutzen, sich dem Diktat seiner Triebe und Instinkte entziehen zu können. Nicht einfach nur für die Eltern, sondern eben auch für die Kinder selber. Das Wort „unterdrücken“ ist völlig daneben, denn dem Kind wird ja wohl (nehme ich doch an!) auch genug Gelegenheit geboten, dem Spieltrieb nachzugehen. Vielleicht sogar schon im Garten des Restaurants oder gar mit ein paar Farbstiften?
Wäre Selbstbeherrschung nichts, was fürs Erwachsenwerden von irgend einem Wert wäre, so wüsste ich auch nicht, weshalb ich einer attraktiven Tischnachbarin nicht an die Brüste fassen oder mir den Kopf nicht in die volle Schüssel Erbeersouflé hauen sollte, wenn mir danach ist.
@Gabi: Ihr Eingangszitat finde ich grossartig. Genau so. Und das geht erfahrungsgemäss ganz ohne Drill – einfach mit ein bisschen kreativer Vermittlung zur rechten Zeit.
Wiebke: Danke sehr. Und ja, interessante Frage, das nehmen wir gerne auf. / gb
Schön, dass es dich gibt.
Immer wieder von gemeinsamen Erlebnisse erzählen, das Gemeinschaftsgefühl stärken.