«Die Angst des Babys erinnert ans eigene Geburtstrauma»

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Einfach so in eine völlig fremde Welt hineingeworfen zu werden, ist für ein neugeborenes Kind ein Schock. Foto: iStock

Frau Ambass, ich bin vor drei Monaten Mutter geworden. Die letzten Wochen waren für mich immer wieder von starken Ängsten geprägt. Wie kann ich diese einordnen?
Es ist ganz typisch, dass Sie als junge Mutter von existenziellen Ängsten heimgesucht werden. Die Geburt eines Kindes stellt eine grosse Krise dar: Plötzlich ist man nicht mehr Tochter, sondern Mutter – und da ist dieses vollkommen abhängige Wesen voller Angst, das hineingeworfen wurde in eine vollkommen neue Umgebung. Das rührt auch an den eigenen Urängsten, am eigenen Geburtstrauma. Dieses ist uns als solches zwar nicht bewusst – liegt jedoch an der Wurzel vieler unserer Ängste.

Mein momentanes Angsterleben hängt damit zusammen, wie ich selbst geboren worden bin?
Unter Umständen, ja, aber entscheidend ist nicht in erster Linie, wie Sie geboren worden sind, sondern dass Sie geboren worden sind. Nach neun aufgehobenen Monaten im Mutterleib kommen Sie plötzlich an diesen gänzlich unbekannten Ort – ohne ein Gefühl dafür, was es heisst, ein Individuum zu sein, ohne ein Gefühl für eigene, körperliche Grenzen. Diese Ängste des Neugeborenen werden von den Eltern wieder ein Stück weit übernommen. So markiert die Geburt den Beginn eines ungemein anspruchsvollen Anpassungsprozesses für die Eltern und das Kind, bei welchem sie die Angst immer begleiten wird.

Drei Tage nach der Geburt erlebte ich die Angst mit Babyblues und Milcheinschuss zum ersten Mal mit voller Wucht – und fühlte mich weitgehend unvorbereitet. Müsste man da nicht besser sensibilisieren?
Zweifellos sollte der psychischen Dimension in der Geburtsvorbereitung noch mehr Beachtung geschenkt werden. Zwar findet man meist irgendwo auf einem Merkblatt einen Hinweis, dass Stimmungsschwankungen und postnatale Depression auftauchen können. Doch dieser Punkt wird oft ganz schnell abgetan – als Krankheit, die einen sowieso nicht betreffen wird. Dabei verlaufen die Grenzen oft fliessend.

Wie merke ich, dass meine Ängste ein «normales» Mass übersteigen, dass ich nicht «bloss» den Babyblues, sondern möglicherweise eine postpartale Depression erlebe?
Übersteigerte Ängste sind nur ein typisches unter vielen Symptomen des Babyblues und einer postpartalen Depression. Die wichtigste Unterscheidung zwischen der postpartalen Depression und dem Babyblues liegt in der Dauer des Symptomerlebens: Der Babyblues sollte nach wenigen Tagen wieder verflogen sein. Ist man aber über längere Zeit nach der Geburt sehr traurig, ängstlich und lustlos, gilt es abzuklären, ob eine postpartale Depression vorliegt. Immerhin rund 15 Prozent aller Mütter erkranken daran – und auch Väter können davon betroffen sein.

Die Psychotherapeutin Dagmar Ambass arbeitet bei der Stiftung Mütterhilfe in Zürich. Foto: PD

Nach welcher Zeitspanne sollte man als junge Eltern aus der gröbsten Anpassungskrise raus sein?
Nach drei Monaten liegt in meinen Augen eine sinnvolle Grenze. Spätestens wenn nach dieser Übergangsphase grosse Ängste und Konflikte hartnäckig fortbestehen, sollte man Unterstützung holen – überhaupt immer, wenn der eigene Leidensdruck zu gross wird. Dann lohnt es sich, in der eigenen Geschichte nach möglichen Ursachen zu suchen. Doch eine grosse Aufgabe von Eltern liegt darin, die Angst als ständigen Begleiter anzunehmen – sie in einem handhabbaren Mass zu halten. Es gilt zu akzeptieren, dass zukünftig alle wichtigen Entwicklungsschritte des Kindes mit Angst einhergehen können, und dass das bis zu einem gewissen Grad in Ordnung ist.

Und wie gehe ich mit der Angst davor um, meine Angst auf das Kind zu übertragen?
Diese Gefahr besteht vor allem dann, wenn die Angst tabuisiert wird. Wenn man jedoch offen über Ängste und Probleme spricht, wird das Kind entlastet. Wenn Mutter oder Vater vor Erschöpfung weinen, hilft es zum Beispiel, dem Kind zu sagen: «Schau, Mama/Papa ist gerade traurig. Sie/er ist müde und muss sich ausruhen. Aber keine Sorge, das kriegen wir wieder hin.» Bereits ganz kleine Babys haben empfindliche Fühler in solchen Situationen – und brauchen dann Orientierung. So laufen sie nicht Gefahr, unsere Ängste und Konflikte zu übernehmen. Doch dafür müssen wir ihnen eine Gestalt geben.

Wie ist das möglich – der Angst eine Gestalt geben?
Das kommt darauf an, welche Ausdrucksform Ihnen liegt. Sprechen Sie über Ihre Angst, malen Sie sie, beschreiben Sie sie auf einem Blatt Papier. Nehmen Sie ihr auf jeden Fall das Diffuse, das Unfassbare. Das nimmt der Angst den Schrecken. Kinder machen das ganz intuitiv: Sie packen die Angst zum Beispiel in das Monster unter ihrem Bett.

Die Mütterhilfe (ab September 2018 Zusammenschluss mit Verein Arche – neuer Name lautet dann: Arche für Familien) ist eine Stiftung, die Eltern bei Bedarf bereits während der Schwangerschaft dabei unterstützt, in ihre neue Rolle hineinzuwachsen und akute Krisen- und Problemsituationen zu bewältigen. Die Tarife für psychologische Beratung werden abhängig vom Einkommen berechnet und variieren von 20 bis 130 Franken für rund 75-minütige Sitzungen.

Mehr Informationen: www.muetterhilfe.ch, www.postnatale-depression.ch/de

Lesen Sie zu diesem Thema auch: «Spiel mir das Lied vom Babyblues» und «Wo ist mein Kind? Lebt es noch?».

35 Kommentare zu ««Die Angst des Babys erinnert ans eigene Geburtstrauma»»

  • Dagmar Ambass sagt:

    Ja, die Geburt ist ganz normal in dem Sinne, dass sie jeder Mensch mindestens einmal erlebt, ähnlich wie den Tod. Da wir Sprechwesen sind, wissen wir davon und müssen uns dazu verhalten. In traditionellen Gesellschaften sind diese Ereignisse von genau definierten Übergangsritualen begleitet, so dass die Betroffenen getragen sind. Es wird ihnen aber auch eine klare Rolle zugewiesen und der Spielraum für die eigene Lebensgestaltung ist eher klein. In modernen Gesellschaften sind wir im Umgang mit den existentiellen Fragen weniger eingebunden, aber auch freier. Es bleibt jedem überlassen, ob er mit einer Fachperson sprechen will, aus Interesse oder aufgrund einer Not. Wir Psychoanalytiker exerzieren auch keine Rituale, sondern gehen den Wünschen, Ängsten und der Geschichte der Einzelnen nach.

  • Rieke Oechslin sagt:

    Postpartale Depression?! Wohl eher postnatale!

    • Muttis Liebling sagt:

      Das ist das gleiche. Der offizielle Begriff ist ‚postpartal‘.

    • Lina Peeterbach sagt:

      Nein, postpartal ist genau richtig: Es beschreibt den Zustand der Mutter nach der Geburt. Postnatal beschreibt ebenfalls den Zustand nach der Geburt, aber aus Sicht des Kindes. „Postnatale Depression“ ist daher ein oft falsch benutzter Ausdruck. Kinder können z.B. postnatale Entwicklungsstörungen haben. „Postnatale Depressionen“ sind wahrscheinlich eher selten, ich jedenfalls habe noch nie von depressiven Säuglingen gehört.

  • Michael sagt:

    Na vielen Dank Frau Psychologin ! Gleich mal schön Druck aufbauen mit der Aussage, nach drei Monaten sollte die ärgste Anpassungskriese überwunden sein. Was ist wenn das nicht so ist ? Bin ich abnorm ? Grübel grübel. Kinder bekommen und gross ziehen ist absolut kein Standardprozess, auch wenn es Herrscharen von Ratgebern gerne so sehen möchten. Bei meinen beiden Mädels haben meine Frau und ich sehr schnell diese Ratgeberzeitschriften etc. in die Ecke geworfen, uns hauptsächlich auf unser Bauchgefühl verlassen, uns an unsere eigene Kindheit erinnert und bei eventuellen Unklarheiten bei den Eltern nachgefragt. War eine anstrengende Zeit, aber zählte zu den absoluten Highlights in unserem leben.

    • Carolina sagt:

      Da gebe ich Ihnen sehr recht, Michael. Es gibt natürlich Menschen, denen nützen Ratgeber und Ratschläge dieser Art, aber ganz allgemein besteht mMn die Gefahr, dass Menschen, die gerade eine sehr aufwühlende Zeit durchmachen, nach jedem noch so brüchigen Strohhalm greifen – und wenn sie nicht ins Schema zu passen scheinen, noch ängstlicher und verletzlicher werden.
      Insofern würde ich sagen, dass man in solchen Situationen am besten Rat findet bei jemandem, der selber schon durch eine solche Zeit gegangen ist und nicht meint, die Weisheit mit Löffeln gefressen zu haben, sondern sich bewusst ist, dass das Kinderbekommen eben kein, genau, Standardprozess ist.

    • Martin Frey sagt:

      Ich finde es richtig und beim aufgeführten Artikel wertvoll, die Leute auf die postnatale Depression zu sensibilisieren. Auch die Richtschnur der drei Monate zur Abgrenzung finde ich vernünftig, wie auch der Appell, sich rechtzeitig die richtige Hilfe zu suchen.
      Wo ich eher Mühe habe ist die These von eigenen „Geburtstrauma“ als Prädisposition. Hier lehnt man sich mit wenig Evidenz sehr weit aus dem Fenster und gibt Eso-Trolls eine ersehnte Steilvorlage.
      Natürlich ist ein Geburtsakt für alle Beteiligten ein Urakt, und Geborgenheit postpartal äusserst wichtig, elterliche Aengste und Verunsicherung zudem normal und legitim. Aber ob das Geschwurbel um das „Geburtstrauma“, an welches sich ja niemand von uns erinnern kann, irgendjemandem weiterhilft, sei dahingestellt.

  • Markus Kohler sagt:

    Die Geburtstraumatheorie wurde nie bewiesen, da sie mit den derzeitigen Methoden nicht untersuchbar ist. Leider neigen nicht wenige Leute aus der Psychobranche dazu solche Spekulationen als wissenschaftlich zu verkaufen. Das grösste Problem sind die übertriebenen Erwartungen und der Druck „erfüllt“ zu sein. Junge Mütter müssen sich bewusst sein, dass sie nun nicht auf Händen getragen werden und nicht das Zentrum der Welt sind. Sobald Kinderbekommen normaler, weniger mit „Brimborium“ versehen ist, sinkt das Risiko erheblich depressiv zu reagieren.

    • Rosa Rettich sagt:

      Und Sie spekulieren nach Ihrer (berechtigten) Kritik selber munter weiter…

    • Eloen sagt:

      Vieles wurde bis heute noch nicht wissenschaftlich bewiesen und dennoch hat es seine Gültigkeit – vielleicht, vielleicht aber auch nicht. Darf man deshalb nicht darüber reden und schreiben? Und wenn Psychologen regelmässig damit konfrontiert werden, beschäftigt es die Psyche des Menschen. Also berichten Sie darüber, dafür sind sie ja da, für die Psyche der Menschen, die sie aufsuchen.

  • MiShee sagt:

    Zum Thema darf ich aus Erfahrung anfügen, dass meine drei jüngsten Kinder die erste Zeit ihres Lebens ohne Weinen und Ängste sehr genossen haben. Alle meine (sieben bis jetzt) Kinder sind daheim geboren worden, fünf davon in Alleingeburt. Die, welche ungeimpft sind, die jüngeren fünf, haben praktisch gar nie geweint. Alle wurden in gewohnter Umgebung, in Geborgenheit und Liebe ohne Geburtstrauma aufgezogen. Die Welt muss kein böser Ort sein, in den frau/man „geworfen“ wird. Wer aber die gesamte Verantwortung für das Geburtserlebnis in Zufallsmanier in fremde Hände legt, wird die Folgen sicherlich spüren.
    Mir tut es für jede Familie leid, die solch bitteren Erfahrungen macht. Ich kann aber sagen, dass jede Geburt umfassend gut verlaufen ist und nur Positives zu berichten ist.

    • Lina Peeterbach sagt:

      Das ist ja sehr schön für Sie und Ihre Kinder. Allgemeingültig ist ein solch verklärtes Gefasel aber keinesfalls. Ich wäre ohne Kaiserschnitt gestorben, da hätte mein Mann ein wunderbares Trauma, mit dem er sich den Rest seines Lebens beschäftigen könnte. Wie Sie die Impfdiskussion so „en passant“ auch noch einwerfen, ist fast schon elegant – macht es aber leider nicht wahrer.
      Übrigens, meine beiden geimpften Kaiserschnittkinder weinen fast nie, entwickeln sich wunderbar und sind kerngesund. Darf ich daraus nun schliessen, dass meine Geburtserlebnisse die bestmöglichen sind?! Schon mal davon gehört, dass man vom Einzelfall nicht aufs Ganze schliessen kann?

      Also ehrlich, normalerweise nerve ich mich nicht so unsäglich, aber bei Ihrem Kommentar rollen sich mir ja die Nägel auf!

      • Sam Fuller sagt:

        Geht mir auch so, Lina.
        Hinter MiShee vermeintlich sanften Worten ist eine dogmatische Haltung äussert deutlich zu erkennen und zudem baut sie subtil eine Drohkulisse auf:
        Impfen führt zu schreienden Kinder, wer die Geburt „in fremde Hände“ legt wird die Folgen sichtlich spüren.

        Hätten sie doch auf MiShee gehört, dann hätten sie sicher keine zwei Kaiserschnitte gebraucht- oder doch nicht!?

        Und zum Nägel aufrollen: Richtig so! Und je nachdem auch mal ausfahren 🙂

        Das ist hässlicher Eso-Kram und Selbstweiheräucherung was da MiShee von sich gibt.

      • Lina Peeterbach sagt:

        @Sam: Haha 🙂 genau!
        Ich vermute ja, dass ich die Kaiserschnitte nur gebraucht habe, weil ich 1. eine schwer traumatisierte (und für meine Mutter traumatisierende) Saugglockengeburt war, und 2. auch noch geimpft bin! Also insofern kann man wahrscheinlich auch sagen, dass man das Geburtstrauma über mehrere Generationen weitergibt. Am besten melde ich mich mal zu einem Workshop an, an dem man sein Geburtstrauma aufarbeiten kann: das gibt’s tatsächlich, da muss man durch enge Schläuche kriechen und dann viel und erleichtert weinen!

      • Brunhild Steiner sagt:

        @Lina Peeterbach

        vermutlich sind Sie auch nicht 6Mt gestillt worden, oder? Kein Wunder enden Sie dann in so einem Desaster…,
        aber kann mich nur anschliessen, unsre Jüngste mit Kaiserschnitt und „nur“ 11 Wch stillen war die schnellstentwickelste und robusteste; okay, manchmal brüllt sie sogar als 15jährige rum- muss wohl am impfen liegen…

    • Brunhild Steiner sagt:

      MiShee

      dann wünsch ich Ihnen mal ein unfall/verletzungsfreies Leben (Tetanus) und dass die Polio nicht zurückkehrt, dann ist es mit dem lieben Frieden und alles-ganz-wunderbar ziemlich schnell und radikal dazu vorbei…

      Auch Diptherie wär nicht zu unterschätzen.
      Udn bitte keine Auslandsreisen!!!

  • Brunhild Steiner sagt:

    Schade dass angesichts der hohen Wichtigkeit dieses Themas die Kurve zum „eigenen Geburtstrauma“, welches eher eine Vermutung denn nachgewiesene Tatsache ist, genommen wurde!
    Zum „Angsthaben“ hat man als junge Eltern ja wirklich Gründe mit Hand-und-Fuss genug.

    Die Angst beginnt schon vor der Geburt, ich habe vor vielen Jahren nicht einen Mangel an Informationen erlebt, doch wenn ich nachkommende Eltern auf diese Aspekte aufmerksam machte eine abwehrende Haltung; viele wollen das gar nicht wissen oder sich damit auseinandersetzen.

    • Stefan Zeier sagt:

      Das sehe ich wie Sie. Der Bezug auf das eigene „Geburtstrauma“ gibt dem Text eine Esoterische Note. Dadurch verliert er für mich an Substanz und Glaubwürdigkeit. Schade, denn das Thema ist einen Blogbeitrag wert.

    • Muttis Liebling sagt:

      Sollte Sie jemals in die Verlegenheit kommen, tatsächlich Angst zu haben (das Haus brennt und die Kinder sind noch drin), werden Sie das leichte Grummeln im Bauch mit geringen vegetativen Ausschlägen nicht mehr damit verwechseln.

      Man tut sich in den ganz wenigen wirklich Ängstlichen oder schwer Depressiven durch begriffliche Zudichtung keinen Gefallen. Wenn die dritte scheinbare Angstattacke ohne Herzinfarkt vorbei geht, war es mit grosser Wahrscheinlichkeit keine Angst, sondern nur leichtes Unwohlsein.

      Wer noch nie auf dem Fensterbrett stand …

    • Reincarnation of XY sagt:

      Aber hören Sie doch genau hin: „Unter Umständen, ja, aber entscheidend ist nicht in erster Linie, wie Sie geboren worden sind, sondern dass Sie geboren worden sind.“
      Und genau so wie wir unser Baby hilflos sehen, waren es wir auch mal. Und genau so wie wir die Ängste unserer Kinder sehen, hatten wir sie auch.

      An unseren Kindern sehen wir, dass geboren werden nicht nun ein Zuckerschlecken ist, sondern wir tatsächlich hineingeworfen werden in eine Welt voller Unsicherheiten, in eine Welt voller Ängste und ? .

      Wir waren uns vielleicht dessen nie bewusst, aber Realität war es für uns, wie es nun auch für unsere Kinder Realität ist.

      • Sportpapi sagt:

        @RoXY: Ich sehe bei meinen Kindern keine Ängste. Und auch bei den vielen Neugeborenen, die wir gerade im Umfeld haben, eher nicht.
        Oder woran erkennen Sie das?

      • Reincarnation of XY sagt:

        Man muss es ja nicht überdramatisieren SP, aber das leugnen von Ängsten ist genau so absurd.
        Jeder Mensch hat Ängste und am schlechtesten fährt man, wenn man diese leugnet.
        Natürlich leugnen viele ihre Ängste, wie z.B. MiShee und ähnlich Erlöste oder solche, welche sich von den Warmduschern distanzieren möchten. Mit diesen zu diskutieren macht keinen Sinn.

        MMn wollte der Beitrag eine Brücke schlagen von den Ängsten der Eltern zu den Ängsten des Kindes, die man ja selbst auch durchlebt hat. Das Wort „Geburtstrauma“ war nicht sehr förderlich, weil sich nun die meisten darauf stürzen, anstatt einfach mal darüber nachzudenken.
        Wie gesagt: Ängste gehören zum Menschsein dazu. Man kann sie natürlich leugnen und ignorieren – gesund ist das nicht.

      • Carolina sagt:

        RoXY: Ich verstehe Ihre Einlassungen, aber glaube, dass es vielleicht vielen eher so geht, dass sie nach Lesen dieses Blog sagen: ja, was denn nun? Wie genau hilft mir das? Ein Baby zu bekommen ist nun mal die Zeit, in der man von Unbekanntem überwältigt wird – natürlich kann man sich bis zu einem gewissen Grade vorbereiten, aber die psychischen Befindlichkeiten ändern sich doch auf eine Art und Weise, die vor der Geburt kaum vorhersehbar sind. Da ist ganz einfach bei den meisten Menschen keine Zeit für philosophische Ueberlegungen, da braucht es Konkretes bzw Verständnis und Anteilnahme – vor allem aber eine Erinnerung daran, dass in dieser Zeit die Eltern bzw nahe Bezugspersonen am gleichen Strang ziehen sollten. Das wäre Aufgabe einer Psychologin, nicht vages Theoretisieren.

      • Lina Peeterbach sagt:

        @ Carolina: Sehr schön auf den Punkt gebracht: Genau so ging es mir beim lesen!

      • Reincarnation of XY sagt:

        Carolina – man kann das natürlich auch so sehen. Ich habe den Beitrag einfach wohlwollender gelesen und ihm die pauschale Zusammenschlagung nicht ganz gerecht wird.
        Wenn diese Ängste das normale Mass übersteigen, kann es durchaus Sinn machen, sich mit der eigenen Biographie zu beschäftigten. Ich kenne wenigstens eine Mutter aus meinem persönlichen Umfeld, welcher alle Anteilnahme und praktische Hilfe nur sehr bedingt geholfen haben. Erst als sie sich mit ihrer eigenen Biographie konfrontierte, wie hier anskizziert, wurde es besser.
        In diesem Sinne ist das Wort „Geburtstrauma“ tatsächlich unglücklich, vor allem, weil es so prominent auch noch im Titel platziert wurde.
        Schade, denn einige Gedankenanstösse könnten hilfreich sein.

      • Sportpapi sagt:

        @RoXY: Ich leugne doch keine Ängste. Aber ich sehe nun mal bei einem Neugeborenen nicht, dass es ängstlich auf die Welt gekommen ist, erschrocken über die grosse weite Welt. Wie auch. Vielmehr sehe ich viele Grundbedürfnisse, die befriedigt werden wollen. Ganz banal.
        Die Ängste, positiv wie negativ, kommen dann mit der Kindheit schon noch.

      • Carolina sagt:

        RoXy/SP: Ich glaube, wir ziehen hier alle am gleichen Strang. Niemand leugnet, dass es rund um die Geburt und das Kinderbekommen Aengste hat – und ich halte es auch für sehr richtig, dass Aerzte und Hebammen für das Thema postnatale Depression sensibilisiert sind. Und tatsächlich, wenn sich herausstellt, dass das häusliche Umfeld und die Partner keine wirkliche Hilfe darstellen, wenn Aengste überhand nehmen, ist weitergehende Hilfe gefragt – und das bietet eine Organisation wie Arche auch. Aber womit ich bei meiner eigenen Zunft grösste Mühe habe, sind philosophisch/psychologische Thesen, die bei akuten Problemen eher kontraproduktiv wirken können. Da brauchen meine Kollegen und ich uns nicht zu wundern, wenn statt wirklicher Hilfe eher von ‚esoterisch‘ und ‚Geschwurbel‘ die Rede ist.

      • Reincarnation of XY sagt:

        Carolina – einverstanden.

  • Muttis Liebling sagt:

    Unbegründete Angst und leichte bis mittlere Depressionen sind zwar Gesundheitsstörungen, aber keine Krankheiten. Die kann man, so man Lust und Langeweile hat, psychotherapeutisch behandeln lassen. Medizinische Interventionen jedoch finden i.d.R. nicht statt, eben weil es sich nicht um Krankheiten handelt.

    • Reincarnation of XY sagt:

      Ihre Platte hat einen Sprung ML. Wir haben nun zum gefühlten 100. mal von ihnen gehört, dass (Sie) dies nicht als Krankheit definieren. Selbst jetzt, wo das gar nicht zum Thema stand, ob das eine Krankheit ist. Warum also pochen Sie so darauf?

      Wer mit soviel Elan psychische Probleme klein redet, sobald sie zur Sprache kommen… Ich glaube, es ist eine Art persönliche Verdrängungsstrategie, die sie hier betreiben. Von dem her, wäre es sinnvoll einmal mit einer Fachperson darüber zu reden.

      • Muttis Liebling sagt:

        Ich reflektiere nur die wachsende Kluft zwischen kultureller und gesellschaftlicher Akzeptanz psychischer Störungen. Der Umgang der schweizerischen Gesellschaft ist in den Kriterienkatalogen der Sozialversicherungen, im Speziellen der IV, ausformuliert und nirgends so rigide wie hier.

        Die kulturelle Schranke hingegen, also die private Akzeptanz, bewegt sich gegensätzlich und ist an keinen Orten so niedrig wie hier. Das ist nicht Zufall, sondern gesetzmässig. Das eine soll das andere subjektiv korrigieren.

      • Reincarnation of XY sagt:

        Das müssen sie mir aber schon erklären.
        Wie meinen?
        1. Was ist der Unterschied zwischen „gesellschaftlicher“ und „kultureller“ Akzeptanz?
        2. Inwiefern hat sich das gewandelt? (Bitte mit konkreten Fakten.)

        Wenn wir diese beiden Fragen geklärt haben, dann erst könnte ich nachvollziehen, was nun die IV damit zu tun hat.
        Danach könnte man die Frage erörtern, inwiefern diese Thematik in anderen Ländern gehandhabt wird, was ich mir allerdings schwierig vorstelle, weil es wieder konkrete und überprüfbare Fakten bräuchte.
        Aber nur zu…. erklären Sie uns, was Sie meinen.

      • Muttis Liebling sagt:

        Sie sehen das sehr deutlich an der Pathologisierung bzw. Medizinalisierung psychischer Störungen seit ca. 100 Jahren. Bis dahin war der Dorftrottel ein Sozialstatus, der dazu berechtigte, von der Dorfgemeinschaft durchgefüttert zu werden. Die Bezugsperson des Trottels war der Pastor, nicht der Arzt. Das war ein politisches Konstrukt.

        Medizin und Psychotherapie sind kulturelle Kategorien. Mit der Verschiebung in die Medizin, der Etablierung von Psychiatrie/ Psychotherapie als Teil dieser, fand der Übergang von Gesellschaft zur Kultur statt.

        Die Gesellschaft = IV nimmt sich aus der tradierten ökonomischen Verantwortung für den Trottel, indem er den an die Medizin übergibt, ohne das dieser ein Kranker ist.

      • Muttis Liebling sagt:

        Zu erwähnen ist eine aktuelle Gegenbewegung, wenn auch nur sehr bescheiden. Unter dem Beifall der Szene wandert die Transsexualität formal zurück aus der Medizin (in Form des kommenden ICD 11) in die Gesellschaft, wo die auch hingehört.

        Inkonsequent, man nennt es nicht mehr Krankheit, lässt es aber in einem Katalog, der nur Krankheiten umfasst, um die Kassenabrechnung einer möglichen äusserlichen Geschlechtskorrektur beibehalten zu können.

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