Wo ist mein Kind? Lebt es noch?

Im Horrorfilm «Mother!» spielt Jennifer Lawrence eine verzweifelte, zu allem entschlossene Mutter. Bild: Paramount Pictures
Kennen Sie das Gefühl, wenn Sie Ihr Kind aus den Augen verlieren? Innert Sekunden spielen sich eine Million Szenarien im Kopf ab: Ist es weggerannt? Die Treppe hinuntergestürzt? Entführt? Lebt es noch? «Mein Kopfkino hätte einen Oskar verdient», las ich kürzlich irgendwo. Genau so ging es mir vor einigen Monaten in einem Indoor-Spielplatz. Meine Tochter rannte nicht weg oder wurde entführt, sondern ging im Bällebad unter. Absichtlich. Sie versank einfach so vor meinen Augen.
Ich konnte es nicht ertragen. Natürlich wusste ich, dass ihr nichts passierte und dass sie super viel Spass daran hatte, aber meine Amygdala sandte pausenlos Signale an mein vegetatives Nervensystem. Mein Puls ging hoch, ich hielt den Atem an, mir wurde übel und ich tippelte nervös von einem Bein auf das andere. Es war unmöglich, ruhig zu bleiben, unmöglich, nichts zu tun. Und in meinem Kopf schrie es pausenlos und nicht zu überhören: «HOL SIE SOFORT DA RAUS!»
Unbekannter Hass
Da! Der linke Arm und ein Auge tauchten endlich wieder aus dem Bad auf. Ich atmete zur Abwechslung mal wieder ein, zückte noch schnell das iPhone, um ein Foto für das Album zu machen, und sagte: «Schau mal, die Rutschbahn dort drüben, wow, ist die cool, kommst du mit?»
So toll sie aussehen und so toll sie die Kinder finden: Ich hasse Bällebäder.
Aber nicht nur die. Seit ich ein Kind habe, hasse ich die unterschiedlichsten Dinge, über die ich mir vorher nicht einmal Gedanken machte. Ich spreche hier nicht von Pädophilen, Terroristen und Entführern oder von Unfällen und unheilbaren Krankheiten. Nein. Ich spreche von Tischkanten. Balkonen. Steckdosen. Bäumen. Gewittern. Apfelstücken. Bonbons. Eigentlich spreche ich von allem, was uns im täglichen Leben so umgibt.
Wie bändigt man die lähmende Angst?
Dabei bin ich nun wirklich kein Angsthase. Als Kind war ich ja selbst der Gefahr ausgesetzt und habe gelernt, mit der täglichen Angst umzugehen. Dabei hat mir stets mein Bauchgefühl geholfen, denn ich habe intuitiv immer gespürt, dass ich wohlbehütet war. Doch in der Schwangerschaft änderte sich alles, und das Gefühl des Urvertrauens und der Sicherheit war plötzlich weg. Es liess sich einfach nicht auf das Baby übertragen. Ist es möglich, dass man Urvertrauen nur für sich, nicht aber für einen anderen Menschen spürt, auch wenn es das eigene Kind ist?
Nach der Geburt wurde alles noch schlimmer. Nie hatte ich damit gerechnet, so viel Freude und Glück, Dankbarkeit und Ehrfurcht, aber auch so starke Ängste, Sorgen, Ohnmacht und Verletzlichkeit zu empfinden. Man möchte das Kind jederzeit und überall gegen alles Unheil beschützen und weiss doch, dass dies unmöglich ist. Der Gedanke ist unerträglich, dass das eigene Kind leiden könnte, dass ihm etwas zustösst und man ihm nicht helfen kann. Diese dauernde Angst ist lähmend, und man weiss, dass man sie bändigen muss, aber wie stellt man das bloss an?
Es wird wohl nie weggehen
Mittlerweile habe ich, zumindest ansatzweise, gelernt, dass die Sorge um das Kind immer irgendwo mitschwingt. Ändert sich dies, wenn die Kinder grösser werden? Mütter erwachsener Kinder werden zu dieser Frage den Kopf schütteln. Da hilft also nur eins, wenn die Ängste mal wieder Überhand nehmen: tief durchatmen, hinsetzen und sich ganz langsam und deutlich sagen: «Ich tue mein Möglichstes, um mein Kind vor allem Unheil zu bewahren, aber ich bin die Mutter, nicht der Schutzengel.»
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55 Kommentare zu «Wo ist mein Kind? Lebt es noch?»
Vielen Dank für diesen ehrlich und witzigen Artikel. Oh ja, Mama-Angst kenne ich auch, und ich bin nun wirklich sehr pragmatisch.
Was ich hier nicht verstehe, ist diese Keiferei. Ihr alle habt beim Baby geschaut, ob es noch atmet. Gebt’s doch einfach zu.
Danke! Sehr erleichternd.
Liebe Lesende und Schreibende
Bitte lesen Sie den Beitrag mit einer Prise Humor. Nein, es braucht keine Therapie für die Bällebad-, Tischkanten- und Apfelstückangst. Es handelt sich um keine pathologische Störung und es ist auch keine professionelle Hilfe nötig. Es geht mir um die Sorgen als Mutter im Alltag und den Umgang damit. Siehe Schlusssatz: als Mutter tut man sein Bestes, aber alle Gefahren ausschalten ist nicht möglich und das Erlangen einer Gelassenheit dazu ist absolut notwendig. Aber danke für Ihre Besorgnis und Unterstützung!
Wollen Sie damit sagen, Sie hätten um des Effekts willen eine übertrieben dramatische Sprache verwendet und alles sei nur ein Witz gewesen?
Als Kind habe ich gelernt, dass man nie im See schwimmend um Hilfe schreien solle, weil sonst meinen die Leute dann jedesmal es sei ein Fehlalamr.
Sie sollten sich das nächstes mal ein bisschen besser überlegen, bevor Sie ihre Leser vera.schen.
das mit der gelassenheit klang jetzt aber viel viel besser 🙂
na dann bin ich aber beruhigt
Liebe tina, ich auch! Das Stichwort ist Selbstironie: „Ein Humor, bei dem man über sich selber lacht, scheint das psychische Wohlbefinden zu fördern. Dies geht aus einer Studie hervor, in der Wissenschaftler die Konsequenzen von verschiedenen Arten von Humor untersucht hatten.“ Wirkt extrem gut gegen akute Bällebad- und andere Phobien. Danke fürs Mitdiskutieren und keine Sorge in Zukunft! 😉
„Ich atmete zur Abwechslung mal wieder ein, zückte noch schnell das iPhone, um ein Foto für das Album zu machen……“ – im ernst jetzt?!? Nachdem Sie „Todesangst“ um das Kind hatten?!? Lassen Sie doch das nächste mal das iPhone zu Hause und spielen Sie zusammen mit ihrem Kind.
Die Autorin geht ja mit ihren Ängsten um. Sie schildert, was sie fühlt, wie sie sich zusammennehmen muss, wie sie versucht, dem Kind gegenüber ihre Angst nicht zu zeigen. Ich bin überzeugt, dass jeder und jede Ängste hat. Wichtig ist, dass man die eigenen Ängste kennt, mit ihnen umzugehen weiss und sich, mit äusserer Hilfe oder ohne, damit arrangieren kann, so dass das Zusammenleben nicht eingeschränkt wird. Das scheint mir doch hier zu klappen, oder? Dazu: Es haben gewiss schon manche Leute ängstliche Eltern gehabt und es ist doch etwas aus ihnen geworden? Ich habe den Eindruck, vielen Kommentatoren schwebt ein Idealelter vor, der „richtig“ funktioniert, alles „richtig“ macht (Input), so dass dann aus dem „richtig“ erzogenen Kind der „richtige“ Mensch wird.
die hier beschriebene Angst ist keinesweges normale Mami-Angst, sondern pathologisch und gehört psychologisch behandelt. Wer wegen jedes Bonbons, jeden Spasses im Bällebad hyperventiliert, braucht Therapie.
Hatten Mütter früher auch eine derartige permanente Angst um’s Kind? Nein. War das Leben früher ungefährlicher? Nein. Wurden Kinder früher auch permanent überwacht? Nein. Ist die heutige permanente Angst der tatsächlichen Bedrohung angepasst? Nein. Wird die Angst heute von Politik instrumentalisiert und von den Medien ausgeschlachtet? Ja. Elterninstinkte sind auch nur Instinkte, da werden Emotionen schnell zu etwas zu allem bereitem, zu etwas brutalem, oder eben lähmendem. Es gibt ein Wort für diese leicht entzündliche Angst: Hysterie. Die meisten werden es sich nicht eingestehen können, aber der Grund für diese permanente Alarmstimmung ist Hysterie, nicht das allgegenwärtige Böse. Rational denken hilft. Manche sind begabter dafür als andere. Aber es lohnt sich.
Herr Burgener – es gab auch „früher“ Mütter, die permanente Ängste ums Kind hatten, genauso wie es „heute“ Mütter gibt, die gelassen ihre Alltagsängste gelassen angehen können. Ob sich der Anteil an Ängstlichen in der Gesellschaft (an welcher genau?) geändert hat, weiss ich nicht. Sie wissen es auch nicht, denn es gibt keine Längsstudie. Behauptungen sind einfach, Schuldzuweisungen auch, aber grundsätzlich lohnt sich rationales Denken auch als Basis überzeugender Argumente.
@ Lisa: Nur weil Sie etwas nicht wissen, heisst das nicht, dass andere das auch nicht wissen können. Da braucht es nur ein gutes Gedächtnis, etwas Geschichtskenntnis, das Mitverfolgen des Zeitgeschehens und etwas Beobachtungsgabe. Ich glaube Artikel wie der vorliegende, beim Velofahren behelmte Kleinkinder und Heerscharen von Eltern, die am Rand von Kinderspielplätzen sitzen, die Elterntaxis, und all die unausgesprochenen Aengste sprechen für sich. Die Uebervorsicht und Ueberängstlichkeit sind unübersehbar. Was sind jetzt überzeugende Argumente gegen lähmende Angst (siehe Artikel)? Sie ist offensichtlich ungesund für Mutter und Kind. Das führt zu einer Realitätsverzerrung. Fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker.
Was der Autorin heute an „guten Ratschlägen“ mitgegeben wird, finde ich hanebüchen. Von hormonellen Störungen über Borderline-Persönlichkeitsstörung bis hin zu Phobien und Angsstörungen, wird die Autorin pathologisiert bis zum geht nicht mehr.
Dabei hat sie über etwas an sich normales gesprochen:
„Der Gedanke ist unerträglich, dass das eigene Kind leiden könnte, dass ihm etwas zustösst und man ihm nicht helfen kann.“
Dagegen ist nichts einzuwenden. Eher müssten sich die Leute Gedanken machen die nicht so empfinden. Dass der Autorin sehr bewusst ist, dass sie gewissen Urängsten nicht zuviel Raum geben soll, kommt eigentlich aus dem Text heraus. Eine gewisse elterliche Sorge gehört dazu, das Ziel muss sein, weder das eigene Leben noch das des Kindes dadurch beeinträchtigen zu lassen.
Grundsätzlich bin ich Ihrer Meinung, ich halte auch gar nichts von irgendwelchen Ferndiagnosen. Ängste sind auch teilweise normal, würde mir aber eine Freundin davon erzählen, dass sie lähmende Angst hat, ihr Kind könne tot sein, weil sie es einige Sekunden nicht sieht oder dass sie in Panik ausbricht, wenn es im Bällebad untertaucht, dann würde ich ihr auch empfehlen, dem mal nachzugehen. Insbesondere wenn diese zuvor lange in Kriegsgebieten unterwegs war und die Geburt und die Zeit danach alles andere als einfach war, wie ja aus dem letzten Beitrag herausgeht. Ja, jedem bleibt mal das Herz stehen, wenn es das eigene Kind einige Meter über sich auf dem Baum balancieren sieht, aber mir scheint es hier einiges weiter zu gehen. Und das ist auf die Dauer für keinen der beiden gut.
@13
Es sind ja oft Leute, die schwieriges oder traumatisierendes erlebt haben, die dann vielleicht mehr Mühe haben, dies zu abstrahieren. Da haben Sie sicher recht. Und natürlich gibt es grundsätzlich besorgtere Leute nebst Leuten, die teilweise sehr unbesorgt (bis hin zu unbedarft) durchs Leben wandeln. Das per se hat aber noch keinen Krankheitswert.
Jedem, der schon mal sein Kleinkind verloren hat, bleibt naturgemäss fast das Herz stehen. Das passiert schnell, und es passiert häufig. Meist glücklicherweise ohne Konsequenzen. Aber ich halte es auch nicht für falsch, dass sich die Autorin der „banalen“ Gefahren im Alltag bewusst ist. Dort sind die Risiken nämlich häufiger anzutreffen als mit dem Lodenmantel im Gebüsch. Wie die „Sorglos“-Fraktion ansonsten ja nicht müde wird zu betonen.
nur schon der titel! und die schlussfolgerung! MF ich rate dringend, mal mit dem entstehen von angststörungen auseinanderzusetzen. und die vermeidungstaktiken („sieh mal die hübsche rutschbahn, willst du nicht lieber…“).
da müssen die alarmglocken klingeln!
@ MF
Ich meinte auch nicht, dass es sich um ein Krankheitsbild handelt, sondern dass es in manchen Fällen gut ist, sich Hilfe zu holen, um Strategien zu entwickeln, damit umgehen zu können. Das heisst ja auch nicht, dass man sich keinen Gefahren bewusst sein soll. Ich schiebe den Tisch auch weg, wenn ich das Gefühl habe, ein Kind könnte beim aktuellen Herumtoben der Kante zum Opfer fallen. Aber Hass auf Tischkanten? Und wir haben, wie wohl die meisten die Erfahrung gemacht, wie es ist, wenn ein Kind plötzlich weg ist, zum Glück immer mit Happy End. Die Frage ist eher, was geschieht, wenn die Ängste so stark werden, dass sie einen selber und das Kind erheblich einschränken und/oder belasten. Und mir kam der Text so rüber. Körperliche Reaktionen auf ein Bällebad?
@13
Nochmals, absolut einverstanden. Oder wie Sie es formulierten:
„Die Frage ist eher, was geschieht, wenn die Ängste so stark werden, dass sie einen selber und das Kind erheblich einschränken und/oder belasten. “
Dann eben, aber erst dann bekommt es irgendwann einen Krankheitswert. Aber ob das so ist, wir wissen aufgrund des Textes letztendlich nicht. Ich sehe bei der Autorin eher Ressourcen und Gegenstrategien.
Notabene, körperliche Symptome gehören ab einem bestimmten Angstlevel irgendwann dazu. Daran per se würde ich noch keine Diagnose festmachen.
„Die Frage ist eher, was geschieht, wenn die Ängste so stark werden, dass sie einen selber und das Kind erheblich einschränken und/oder belasten.“
Das ist hier ja offensichtlich gegeben, da von der Mutter auch so beschrieben. Ob auch das Kind belastet wird, kann hingegen nur vermutet werden. Die Wahrscheinlichkeit ist aber gross, würde ich aus der Erfahrung ganz vieler Eltern-Kind-Turnsituationen beurteilen. Aber ich bin ja kein Arzt, und habe von motorischer Entwicklung keine Ahnung…
@ MF
Ja, ab einem bestimmten Angstlevel. Dieses sollte aber eigentlich nicht in einer harmlosen Alltagssituation erreicht werden, nur weil man das Kind in einem sicheren Umfeld, eine Sekunde nicht sieht. Was wir aber wissen, ist dass sie das Kind nach dem Auftauchen auf etwas anderes, vermeintlich ungefährlicheres als ein Bällebad, lenkt. Deshalb auch mein Gedanke betreffend der Einschränkung/Belastung.
@Martin Frey: Nein, dagegen ist nichts einzuwenden. Gegen irrationale, völlig überzogene Ängste, die den Alltag bestimmen, hingegen schon. Nein, was hier beschrieben wurde, weit über den zitierten Satz hinaus, ist sicherlich nicht mehr normal.
Oder glauben Sie, das sei für die Mutter angenehm? Oder das habe keinerlei Einfluss auf das Kind?
@sportpapi
„Nein, was hier beschrieben wurde, weit über den zitierten Satz hinaus, ist sicherlich nicht mehr normal.“
Das sagen Sie. Jemand anders sieht das ggf anders. Sie aber schwingen sich dazu auf, aus der Ferne zu beurteilen was pathologisch ist und was nicht. Ohne die Frau, ihr Kind und ihr Leben auch nur ansatzweise zu kennen. 13 hingegen hat sich sehr differenzierter dazu Gedanken gemacht als alle Leute, die sich hier etwas selbstgerecht als Westentaschenpsychologen aufspielen.
Mein zitierter Satz ist der entscheidende bei der Thematik. Grad wenn sie den letzten Abschnitt lesen, erkennen Sie, wie die Autorin wachst an dem Problem „Angst“ durchaus selbstkritisch, und wie sie beginnt, Strategien zu entwickeln um es in den Griff zu kriegen. Was längerfristig entscheidend ist.
Wieso kann man nicht akzeptieren, dass so einiges zum Leben dazu gehört? Kopf anschlagen, sich verbrennen, runterfallen, sich womöglich was brechen, usw. usw. – Ob wir das wollen oder nicht, sowas ist uns doch allen passiert und haben es überlebt. Zu verhindern versuchen, dass irgend etwas passiert, ist wirklich ein ganz schöner Stress – das muss nicht sein. Es geht um’s Vertrauen, dass das Kind so einiges aushält und davon lernt. Damit ist ihm mehr gedient als mit permanenter Ueberwachung und allgegenwärtiger Angst.
gerade der letzte satz ist doch haarsträubend. ich beschrieb das weiter unten
@Martin Frey: Ich zitiere mal einen Satz, der sehr viel aussagekräftiger ist als Ihrer: „Mein Puls ging hoch, ich hielt den Atem an, mir wurde übel und ich tippelte nervös von einem Bein auf das andere. Es war unmöglich, ruhig zu bleiben, unmöglich, nichts zu tun. Und in meinem Kopf schrie es pausenlos und nicht zu überhören: «HOL SIE SOFORT DA RAUS!»“
Geht es um ein Kind, dass draussen im See ertrinkt? Nein, ein spielendes Kind im Ballbad.
Aber gut, alles ganz normal, wenn nicht ein Arzt die Diagnose gestellt hat.
Gilt das auch bei 40 Grad Fieber? Oder sind dort die Anzeichen aussagekräftig genug?
Wobei, noch einmal, ich nicht von Krankheit gesprochen habe. Nur von nicht normal. Und es irritiert mich am meisten, dass sie offenbar glaubt, das sei so üblich.
Was in dem zitierten Satz geschildert ist sind schlicht Angstsymptome, SP. Mit einer Angststörung hat das deswegen noch lange nichts zu tun. Angst ist eine subjektive, schwer zu beeinflussende, hochindividuelle Emotion. Sie sollten vielleicht auch bei dem Thema weniger von sich auf andere schliessen.
@Martin Frey: „Sie sollten vielleicht auch bei dem Thema weniger von sich auf andere schliessen.“
Wie meinen Sie bitte?
Wissen Sie, ich habe keine ärztliche Diagnose gestellt. Ich kenne meine Grenzen.
Andererseits sind es Ärzte, die heute aus allem und jedem eine Krankheit machen und Therapiebedarf feststellen. Nicht ich.
Was ich aber weiss ist, dass solche überängstliche Mütter, gerade wenn sie noch glauben, das sei normal, vielfach einen äusserst schädlichen Einfluss auf die (motorische unter anderem) Entwicklung ihrer Kinder nehmen. Und das ist jetzt wieder mein Fachgebiet.
Sie sollten mal überlegen, was Sie heute so in Schwung gebracht hat, welcher „Trigger“ da bei Ihnen in Gang gesetzt wurde. Und warum.
Und
@Sportpapi
„Wie meinen Sie bitte?“
Schon oft hatte ich etwas den Eindruck, dass Sie viele Ansichten aus Ihrem persönlichen Umfeld herleiten: Familie, Dorf, Verein, Freundeskreis. Das ist völlig legitim, aber Ihr Umfeld ist trotzdem eine nicht zwingend repräsentative Blase. Da Sie aber gerne vom eigenen Umfeld und den eigenen Erfahrungen auf andere schliessen, ist dies naturgemäss ein Bias. So wie heute. Sie haben das Verhalten der Autorin mehrfach als „nicht normal“ betitelt. Aus Ihrer Sicht mag das stimmen, ich schätze Sie auch alles andere als ängstlich ein. Normal ist jedoch sehr relativ und die Norm entspricht meist einer grösseren Bandbreite. Für jemand mit anderem Erfahrungsschatz und Gemüt liegt die Norm woanders.
Dass Überbetüteln den Kindern schadet, sehe ich ebenso.
@Martin Frey: Es sind Ärzte und Therapeuten, die bei jedem zweiten Kind Therapiebedarf feststellen. Offenbar braucht es medizinisch nicht viel, um aus der Norm zu fallen. Zu recht, wenn man Chancengleichheit hoch halten will.
Ich aber habe nur erklärt, dass ich die beschriebene Überängstlichkeit nicht für normal halte, sondern übertrieben.
Und ich vergleiche das mit den Tausenden von Eltern, die ich schon mit ihren Kindern bei Spiel und Sport gesehen habe. Das ist nämlich unter anderem mein Job.
ich habe nicht überdramatisiert geschweige denn pathologisiert sondern geraten, das steuer in der hand zu behalten und hinzusehen, wohin der kurs da führt. die gegenmassnahmen habe ich aus fachbüchern zu angststörungen, die ich las, weil in meinem umfeld leider einige darunter leiden. ich selber achte sehr darauf bei mir und – sorry – auch bei anderen. ich glaube nicht, dass an meinen ratschlägen etwas auszusetzen ist, richtig?
„ich glaube nicht, dass an meinen ratschlägen etwas auszusetzen ist, richtig?“
Ja, daran ist aus meiner Sicht nichts auszusetzen. Ich wäre einfach etwas vorsichtiger mit Ferndiagnosen à la Angststörung. Ganz grundsätzlich formuliert.
es ist mir grundsätzlich zuwider, wie schnell von hilfe annehmen die rede ist, von professioneller hilfe oder therapie.
ich denke also auch da nicht, dass ich irgendwie vorsichtiger sein müsste, ich mache das ja nicht.
also kurz: seien sie selber etwas vorsichtiger, wäre angebracht. danke fürs berücksichtigen
Ist denn eine „Angststörung“ oder ähnliches als Krankheitsbild und „Hilfe annehmen“ grundsätzlich gleichzustellen? Ich sehe das also nicht so. Nur weil ein Mensch in einem Bereich seines Lebens Mühe hat und es vielleicht auch gut wäre, mal darüber zu sprechen, heisst das doch nicht, dass gleich eine Störung vorliegt. Manchmal ist einfach eine aktuelle und vorübergehende Überforderung mit einer speziellen Situation, die einfach zu lösen ist. Was spricht denn gegen Hilfe oder einem Gespräch?
Ach tina, Sie haben mir direkt eine Frage gestellt, und ich habe geantwortet wie es üblich ist. Wenn Sie mit meinen Antworten aber nicht umgehen können ohne dass nicht irgendein „Trigger“ bei Ihnen in Gang gesetzt wird, weshalb lassen Sie es dann nicht einfach?
13: das ist jetzt aber keine ernsthafte frage…
MF: nein nicht schon wieder…. setz meine reaktion in bezug auf deinen beitrag, auf den ich ja reagierte. da gibt es kontext. es ist immer das selbe. ich reagiere auf beiträge. hast du ja im übrigen auch. ist halt so bei diskussionen. denk lieber mal darüber nach was dich denn so triggert.
Es kann durchaus sein, dass das hormonelle Gleichgewicht derart aus der Balance gerät während und nach einer Schwangerschaft, dass sich dies in einer Angst Störung äussert. Ein Hinweis darauf kann sein, dass es nicht immer gleich stark ist im Zyklusverlauf, einige Monate Tagebuch führen resp. Beobachtung von aussen kann da Hinweise liefern.
Wir haben gute Erfahrungen gemacht mit Nachtkerzenöl. Dies hat soweit stabilisert, dass die Angst auf ein ganz normales Mass zurückgegangen ist.
Von Schulmedizinischer Seite muss man sich diesbezüglich keine allzu grosse Hilfe erhoffen. Was den Hormonhaushalt betrifft tappt man da anscheinend immer noch ziemlich im Dunkeln.
Es kann helfen, Naturheilmittel zu sich zu nehmen, wenn die weiblichen Wechseljahre zu heftig in den Lebensrhythmus eindringen und unangekündigt plötzlich erhöhte Angstzustände bis Panikattacken mit sich bringen. Da kann Nachtkerzenöl gut sein, auch Johannisöl oder -tee, Tees aus Frauenmantelkraut, Schafgarbe, Baldrian in Kombination mit Akupunktur. Ich halte nicht viel von schulmedizinischem Wissen diesbezüglich und geholfen hat mir nichts, ausser das erwähnte aus der Phythotherapie und TCM.
Dieses Kopfkino kenne ich sehr gut.Man macht sich Sorgen hat unbegründete Ängste.Ich finde dies normal,solange man weiss,es ist übertrieben und man sich zusammenreisst.Keine Übertragung der eigenen Ängste.
Die Autorin hat jahrelang in Kriegs und Krisengebiete gearbeitet,da hat man sicher vieles gesehen.Ich habe Babies/Kinder sterben gesehen,da bleibt einfach was hängen.
Jetzt können diese Väter und Mütter, die diese Sorgen plagen mal sehen wie es für ihre Eltern wohl war, als sie selber noch in dieser Kindrolle waren…
Ich bin ganz mit Ihnen! Mir geht es total ähnlich, und ich weiss, dass das meine Ängste sind, die ich nicht aufs Kind übertragen will. Und trotzdem kommen sie immer wieder. Und wie Sie schreiben, man muss lernen, damit umzugehen…aber kleiner werden die Ängste, wie wohl auch die Probleme, wohl keineswegs, wenn die Kinder älter werden. Bloss anders.
Wer permanente Verlassensängste und Versagensängste hat, welche sogar in Übelkeit, selbstverletzendes Verhalten und Selbstvernachlässigung gipfeln, sollte sich wegen einer möglichen Borderline-Persönlichkeitsstörung untersuchen lassen. Besonders dann, wenn man „plötzlich“ eine alleinerziehende Mutter wurde. Nur so kann man einerseits eine verantwortungsvolle Mutter werden, die ihren Kindern die wichtige „Alleinzeit“ schenkt (Langeweile, lernen sich selbst zu beschäftigen, Privatsphäre), und andererseits die Kinder davor bewahren, selbst eine Persönlichkeitsstörung zu entwickeln (bedinge Liebe, gleichzeitige Vernachlässigung und Verwöhnung).
Darüber solltest Du hinwegkommen. Ich kann nur sagen, dass meine Mutter überhaupt nicht ängstlich war und ich heute noch dankbar bin, dass das so war, weil es mich lehrte, für mich selber verantwortlich zu sein. Wenn das Kind es selber lernt, ist der Schutz viel grösser, als wenn ständig die Eltern alle Gefahren fernhalten.
Tja und dann gibt es noch die Mütter, die ihre Kinder der professionellen Überwachung in der Kita überantworten und dann später den Klassenlehrer täglich mit SMS überschwemmen und diesem Instruktionen geben. Grad lernte ich einen 25-jährige Schreinerlehrling kennen, der deswegen den Lehrerberuf hinschmiss. So kann man nicht unterrichten war seine Berufserfahrung.
Jürg Brechbühl, Eggiwil, Staatsfeind No. 1
Sicherlich machen sich die einen mehr Sorgen als die anderen. Aber ich finde es keine Idee, wenn diese völlig übertriebene Darstellung quasi als normal vorgestellt wird. Ist es hoffentlich nicht. Auch nicht bei Müttern.
dieser Gedanke kam mir auch. Sie hasst Tischkanten und Apfelstückchen – echt jetzt?
Ok, ich bin ein Mann und kann das vielleicht nicht verstehen – aber als der Vater dieses Kindes hätte ich da ein Problem …
Bei meiner Frau hinsichtlich unseren beiden Jungs war das definitiv nicht so.
Dann ist ja gut, wenn das bei Ihrer Frau nicht so war. Ich hoffe aber, dass Sie Ihre Frau auch bei Ihnen unbegründet erscheinenden Ansichten / Reaktionen / Ängsten unterstützt haben – durch gut Zureden, Ablenken, Verständnis zeigen – oder was immer dann die für den Partner passende Strategien sind. Fragen Sie doch mal Ihre Frau, welches ihre Ängste waren.
yep, das habe ich gemacht. Und ja, ich habe damals mit ihr über ihre und meine (!) Ängste geredet und tue das heute immer noch.
ich schätze, es ist schon wahr, dass man sich auch noch sorgen machen wird, wenn die kinder erwachsen sind. aber das kann man nicht auf die gleiche stufe stellen wie diese form von angst, die hier dargestellt wird. sorgen machen ist nicht angst haben, und schon gar nicht irrationale ängste.
es geht nicht darum, sein möglichstes zu tun, das kind vor allem unheil zu bewahren! das geht sowieso nicht und wäre schlimm, es würde nichts lernen und als erwachsener wäre es hilflos.
ich empfehle, sich der angst zu stellen: oh alarm. ist er nötig? nein? ok, systeme umgehend runterfahren, entspannen. kein lustiges textchen darüber schreiben. es geht mir nicht ums tabuisieren! es geht darum, sich nicht reinzusteigern.
ich würde ernsthaft und sofort – also jetzt – anfangen, diese gedanken abzustellen, und zwar immer und gleich, wenn sich etwas in die richtung anbahnt. sonst kann sich daraus eine angststörung entwickeln und die hält einen vom leben ab..
angst wird benötigt für wichtige zwecke, sie ist ein aufmerksamkeitserhöher, systemhochfahrer und automat für reaktion bei gefahr.
ich finde es falsch, in der öffentlichkeit so halblustig mit dem thema umzugehen, als ob das irgendwie halbwegs normal wäre. ich rate dazu, sich zusammenzureissen, solange man es sich nicht selbständig gemacht hat. wenn man sich reinsteigert und es zum automatismus wird, wird man es nicht mehr so leicht los.
sorge ums kind ist etwas anderes, als panik schieben wenn es im bällebad taucht
Da ist psychotherapeutische Hilfe dringend notwendig. Phobien sind ganz gut therapierbar.
Mir erscheint das Ganze als in höchstem Masse als übertrieben dargestellte Harmlosigkeit. Oder es ist eben doch eine Phobie. Doch dann stellt sich die unbedingte Frage: Warum wird keine professionelle Hilfe in Anspruch genommen, geschweige denn daran gedacht?
Zur Frage, wie man mit Ängsten um die eigenen Kinder umgeht? – Ich habe keine. Es gibt Situationen, die man fürchtet (Verkehr, Mobbing in der Schule, usw.) aber Angst? Angst hat man vor Unbestimmten, Furcht vor Konkretem. Wer Ängste hat, gehört in eine Therapie, bevor er/sie die Ängste an die nächste Generation weiter gibt.
Menschen sind Differentialregler. Wir reagieren nicht auf absolute Risiken, sondern auf relative Risikoänderungen. Wenn das absolute Risikolevel R in einer Gesellschaft zur Genugtuung aller gegen Null tendiert, wächst die als bedrohlich empfundene Schwelle delta(r) gegen Unendlich.
Als Soziologe würde ich sagen, schön ist es, wie es ist. Als Arzt sieht man sich aber gezwungen, über eine Gegenstrategie nachzudenken. Man darf die Psyche nicht der unkontrollierten Irrationalität überlassen.
jänu: warum jetzt gleich so ultimativ „gehört in therapie“? das ist doch auch wieder total überdramatisiert. man könnte meinen, zu versuchen einen missstand selber mal erst zu bemerken und dann zu ändern sei total aussichtslos. du gehörst auch nicht gleich in therapie, weil du offensichtlich zum überdramatisieren neigst.
keine ängste zu empfinden finde ich nicht das ziel. man kann sie doch als hinweis nehmen
Das ist ein gutes Stichwort: Relative Risikoänderung. Ob der Zusammenhang so drastisch ist, wie von Ihnen dargestellt? – Es könnte gut sein, dass die Autorin von ihren früheren Erlebnissen traumatisiert ist („arbeitete jahrelang in Kriegs- und Krisengebieten“). Aber genau in ihrer Situation hätte sie professionelle Hilfe in Anspruch nehmen sollen, statt sich hier in einem Forum so auszubreiten. Dass sie auch noch nachfragt, wie es uns Leser/innen geht, zeigt leider nur, dass sie sich nicht bewusst ist, welche Belastung sie für ihre Kinder darstellen könnte. Das Bücherschreiben hat offensichtlich nicht geholfen. Es ist höchste Zeit zu handeln, der Kinder zu Liebe.
hahaha ich mag deine fight-club-zitat-anmutenden sätze 🙂
das könnte wirklich erklären, woher all die angst-gestörten kommen.