Ewig dieser Streit!

Streitpegel für Fortgeschrittene: Auf kleinstem Raum fällt es umso schwerer, bei Kinderstreitereien ruhig zu bleiben. (Foto: iStock)
Allzu oft hört sich bei uns die Akustik aus dem Kinderzimmer an wie ein Medley aus «Krieg der Welten» und «Zwei ausser Rand und Band». Kampfmaschinen gegen Menschen? Bud Spencer und Terence Hill gegen den Rest der Welt? Nein. Nur eine Acht- und eine Elfjährige, die ziemlich häufig gegeneinander antreten. Doch die Assoziation mit Actionfilmen liegt nah. Kraftausdrücke, Schreie, Gewalttätigkeiten: alles keine Seltenheiten.
Kinder müssen lernen, Konflikte selbst auszutragen, rezitiere ich dann vor mich hin. Bis der nächste gellende Schrei kommt – und mit ihm Zweifel: der Altersunterschied, die unausgewogenen Kräfteverhältnisse… und schon stehe ich wieder enerviert im Kinderzimmer.
Der Ablauf, der folgt, ist meist gleich: «Sie hat mich gehauen.» «Sie hat mir den Finger gezeigt.» «Aber nur weil sie vorher…» «Nein, stimmt nicht.» «Doch, sie lügt.» Und so weiter. Manchmal gelingt es mir, zu schlichten. Öfter stehe ich ratlos da, werde selbst laut, befehle jede Tochter in ihr Zimmer und frage mich: Ist es normal, dass sie so viel streiten?
Normalität hat Spielraum
Gemäss einer Studie der University of Illinois geraten zwei- bis vierjährige Geschwister alle zehn Minuten aneinander, drei- bis siebenjährige alle 17 Minuten. Immerhin: Die Zahlen lassen vermuten, dass häufiger Streit unter Geschwistern an der Tagesordnung ist. Das sieht Franziska Mosele, Psychologin der Jugend- und Familienberatung in Ebikon LU, ähnlich: «Wie bei so manchem Erziehungsthema gilt auch beim Streiten, dass vieles normal ist.» Häufigkeiten mag sie keine nennen. Zentral seien vielmehr drei Fragen: Wird schon lange häufig gestritten? Ist die Lautstärke ein Problem? Oder ist Gewalt im Spiel? Schon bei einem Ja tun Eltern gut daran, etwas zu unternehmen. Den Ratschlag, nicht einzugreifen, hält sie für zu pauschal. «Fallen schlimme Wörter oder geht es an Leib und Leben, kann man nicht zuschauen.»
Doch meine flehend-genervten Bitten – «Jetzt hört doch endlich auf!» – wirken leider definitiv nicht. Was tun? Mosele rät unbedingt davon ab, den Streit zu verteufeln. «Streit ist gut, wichtig und normal!» Er biete wertvolle Lernerfahrungen für die Sozialkompetenz. Ab sofort versuche ich also, ihn, nun ja, zu begrüssen. Zumal die Psychologin warnt: Der Versuch, ihn zu unterbinden, kann das Gegenteil bewirken. Besser vermittle man, wie man fair streitet.
Regeln für den fairen Streit – und dann Trial und Error
Dazu sei in einem ruhigen Moment genau zu besprechen, was okay ist und was passiert, wenn jemand zu weit geht. Auch die Kinder sollen ihre Ideen einbringen und Alternativen suchen: Geht zum Beispiel «dumme Kleekuh», im Gegensatz zu schlimmeren Wörtern? Oder könnte man sich anstatt mit Schlagen abreagieren, indem man seine Plüschtiere auf den Boden schmeisst? «Denn wer schlägt, bekommt immer die Rote Karte, auch falls provoziert wurde», so Mosele. Gelbe und Rote Karten zu «verteilen» sei ein anschauliches Mittel, um die Regeln durchzusetzen und vereinbarte Konsequenzen folgen zu lassen, ob Verzicht aufs Gamen, Kürzung des Taschengeldes oder Mithilfe beim Wohnungsputz. Und dann gehe es um Trial und Error. Und um Lob, wenn die Kinder «gut» streiten.
Nun ist es nicht so, dass wir in unserer Familie noch nie Regeln vereinbart hätten. Trotzdem verzeichnen wir mehr Error als Trial und fallen stets in alte Muster und alle – auch ich – gehen durch die Decke. Was natürlich kontraproduktiv ist: «Bleiben Eltern ruhig, werden auch die Kinder ruhiger.» Dass das einfacher gesagt ist als getan, sei klar, und gelegentliches Ausflippen gehöre dazu.
Dennoch ist Mosele überzeugt, dass klare Regeln entlasten. Wichtig sei aber auch: «Nicht aufgeben nach kurzfristigen Erfolgen. Auch wenn es anstrengend und repetitiv ist: Konsequent sein, denn Kinder bleiben gern bei Vertrautem.» Vielleicht auch dies ein Grund, weshalb sich unsere Akustik noch nicht vom Actionfilm zum Konfliktmanagement-Workshop gewandelt hat. Weiter dranbleiben also, um unfaire Streitereien bald zu fairen Trainings der Sozialkompetenz werden zu lassen.
Wie begegnen Sie den Kämpfen im Kinderzimmer?
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28 Kommentare zu «Ewig dieser Streit!»
Und was soll das bringen? Psychologisch ist das wohl das schlechteste was man machen kann. Strafe und Zwang verhindert das Verständniss für die Situation und führt zu traumatischen Erfahrungen. Sie bringen dem Kind gerade bei, dass Zwang und soziale Gewalt akzeptabel ist solange man der Stärkere ist. In diesem Falle sind Sie das.
Sich entschuldigen müssen (wobei das sowieso Unsinn ist, entschuldigen kann man sich nicht selber) bedeutet konkret, etwas zu tun, wovon man nicht überzeut ist und das ist sinnlos. So fördern Sie noch die Geschwister sich intrigant zu verhalten um Schützenhilfe der Eltern zu bekommen. Wenn Kinder beim Streit über die Stränge schlagen tun sie das nicht weil sie sich darüber freuen, sondern weil sie der Situation nicht gewachsen sind.
dies ist Ihre Meinung Herr Weber. In der Sendung war es eine Spezialistin für Familien, welche dies getan und auch erklärt hat. Ich denke Sie sehen dies zu negativ. Uberhaupt keine Grenzen zu setzen, dies wäre wirklich unpedagogisch.
Ich bezweifle, dass die empfohlenen Konsequenzen greifen. Tadchengeld sollte nicht an Bedingungen geknüpft sein, sonst verfehlt es seinen Zweck. Mithilfe im Haushalt ist selbstverständlich. Kinder haben ihre eigene Logik und ein anderes Gerechtigkeitsempfinden. Schlichtungsversuche der Eltern bringen nicht immer Verständnis und gute Lösungen. Ich habe drei Jungs, solange kein Blut fliesst und keiner dauerhaft zum Prügelknaben der anderen wird, lasse ich sie. Sie vertragen sich meistens innert kurzer Zeit wieder und finden selbst die besten und kreativsten Lösungen.
Gerade gestern Abend war eine Sendung über solche Fälle. Die Beraterin setzte dann das Kind welches seine Geschwister misshandelte, auf einen Stuhl und dort musste es bleiben für ca. eine halbe Stunde. Danach, musste es dem Geschwister um Verzeihung bitten. Immer anständig reden sonst wieder auf dem Stuhl im Eingang.
Ich denke die Eltern sollten schon ein wenig darauf achten, worüber und wie gestritten wird. An meine eigene Kindheit zurückdenkend muss nämlich gesagt werden, dass Kinder im Streit nicht nur Jöö wie herzig sind, sondern häufig richtig fies und gemein. Der ältere Junge in der Nachbarschaft hat häufiger seinen kleinen Bruder verhauen, teilweise bis aufs Blut – ihn mit scharfen Gegenständen bedroht, und ihm allgemein zu verstehen gegeben, er sei ein Nichts. Meine ältere Schwester schnitt mir mal die Haare ab und ich klebte ihr dafür einen Kaugummi in ihre…. schlimmer fand ich jedoch das ständige „du bist so hässlich“ und „du bist so dumm“ und generell, Angst vor einem Familienmitglied zu haben.
ja, das muss richtig schrecklich gewesen sein. Und die Eltern? untauglich ? Es tut mir leid zu lesen wie Kinder einfach für’s Leben seelisch zerschmettert werden.
Jedes in sein Zimmer …. nachdenken hilft.
Hmmm, immer wieder wird behauptet, dass Geschwisterstreit so wichtig ist. Was aber, wenn die Geschwister nicht streiten? Als ich nach der Geburt des Kleinen vom Spital nachhause kam, hat sich der Grosse zum Kleinen gelegt und ist zehn Jahre nicht mehr von seiner Seite gewichen. Zankereien gab es erst im Alter von 10 bzw 13 Jahren, aber Streit mit Gewalttätigkeiten kennen wir nicht. Auch in unserer Patchworkfamilie wird nie gestritten und ich vermisse das auch nicht. Due ersten 33 Jahre meines Lebens habe ich fast dauernd Streit erlebt (Eltern, Schwester und später mein jetztiger Exmann), so dass ich das einfach nicht mehr brauche und will.
Der Ablauf vom Spiel zum Streit folgt meist demselben Muster: friedliches Spiel > flippen (überdrehen) > zicken > weinen.
Meine Mädels, 5 und 7, kennen den Ablauf. Ich weise sie spätestens beim Eintritt ins „zicken“ Stadium darauf hin. Wichtig ist, unparteisch zu helfen den Sachverhalt und die Ursache zu verstehen um sachlich einen Lösungsweg zu zeigen. Bereits 4-5 jährige sind fähig, ihr Verhalten zu reflektieren wenn man vorurteilslos nach dem Grund dafür fragt. Damit lösen wir daheim die meisten Konflikte weit vor der Eskalation und die Kinder lernen von klein auf eine proaktive Konfliktbewältigung. Die grössere hat dies Anfang Woche in der Schule unter Beweis gestellt.
Für uns Eltern ist es Anfangs aufwändiger da viel erklärt wird. Langfristig aber einfacher…
„Besser vermittle man, wie man fair streitet.“
Ist Streit eben nicht gerade per definitionem „unfair“? Es geht nur (noch) darum, die eigene Position zu verteidigen. Mit allen Mitteln!
Alles andere ist dann schlicht eine (u.U. hitzige) Diskussion!
Ehrlicher, anschaulicher Bericht im wohl normalen Alltag von Mammas und Papas.
Unfair sein mit den Kindern… besser Frau Mosele kontaktieren.
Wie lernen Einzelkinder mit Geschwistern streiten?
.
Und wieder Frieden schliessen für die nächsten 10 Minuten?
Also mein Einzelkind übt das Streiten mit der nächsten vertrauen Anwesenden – also mit mir…
Geht es anderen Einzelkindeltern auch so?
Ich weiss nicht. Mir kommt das alles so krass hektisch vor. Sind nicht die Kinder das Abbild der Eltern? Würde mal die eigene Kommunikation etwas genauer unter die Lupe nehmen. Nicht nur das was sondern vor allem auch das wie. Motzen Sie oft enerviert rum weil Sie einfach ihre Ruhe wollen, statt mal genauer hinzuschauen was die Dauerstreiterei eigentlich soll…..
Der Titel versprach vieles, dass leider nicht gehalten werden konnte, denn statt nur Theorie hätte ich gerne praktische Tipps und Tricks befürwortet.
Hier mein Tipp (aka wie meine Mutter jeweils vorging):
Gönd is Zimmer, ha kei Luscht euchem Striit zuzlose!
Ich finde überhaupt nicht, dass Kinder „Kinder Konflikte selber austragen lernen müssen“. Das ist die typische Entschuldigung der meisten heutigen Eltern, um wegzusehen und nicht einzugreifen. Ich finde aber auch, dass man den Streit nicht in erster Linie schlichten muss. Ich halte mich daran, dass ich die Kinder streiten lasse, aber darauf bestehe, dass die gültigen Regeln eingehalten werden: keine Gewalt, keine Kommentare unter die Gürtellinie. Geht prinzipiell nicht. Und wenn ich mich vermittelnd einschalte, dann interessiert es mich nicht, wer was gemacht hat, sondern ich fokussiere mich darauf, ihnen zu helfen, einen Kompromiss zu erziele (eine Lösung für ihr Problem zu finden). Beides ist schwierig, anstrengend und klappt nicht immer – aber das ist höchste elterliche Pflicht m.E.!
P.s. Ich muss vielleicht noch erwähnen, dass eins meiner Kinder ADHS hat, weshalb untätig zusehen oder ausrasten schlicht keine Optionen sind als Mutter. Beim Nicht-Eingreifen lernen sie nämlich nichts und der Konflikt eskaliert, und wenn ich ausraste, schaukle ich den Konflikt ebenfalls weiter hoch. Die Expertin hat also völlig recht mit ihren Tipps.
Der Anfang war ok, doch dann hätte ich mir weitherhin eigene Erfahrungen gelesen statt fast nur noch Frau Mosele zitiert zu bekommen. Falls mich Frau Moseles Meinung interessiert, wende ich mich direkt an Sie. Ein Blog muss nicht zu über 50% andere zitieren. Schade, denn von diesem Blog (mit durchaus intressantem Thema) hätte ich mehr erwartet als Nachgeplappere.
Wenn der Streit bei meinen Töchtern ein realen Grund hatte – Barbie weggenommen etc. – dann wurde der Grund beseitigt – Barbie zurückgegeben – und gesagt, so geht das nicht. Eigentum bleibt Eigentum. Wenn er keinen realen Grund hatte, nur weil die eine Lust auf das Ärgern der anderen hatte, dann bin ich dazwischen gegagen und habe gleichermassen für Schluss gesorgt. Speziell wenn mit unfairen Methoden – Kratzen und Treten – gearbeitet wurde
Wohlgemerkt, immer nur dann wenn ich es mitbekommen habe. Ich bin sicher, und meine Mädels haben mir das auch mal bestätigt, gabe es genug Streitereien wenn ich nicht da war. Und heute sind beide ganz dicke, geht kein Blatt Papier dazwischen.
Erstaunlich finde ich immer wieder, wie im einen Moment noch wüst gestritten wird, mit Worten (Arsch,dumm, behindert) und Taten, die gar nicht gehen (Schläge, Fusstritte) und ein Eingreifen (wenn ich es höre und sehe, manchmal höre und schaue ich schlicht weg….) nötig machen und 5 Minuten später wird einträchtig gespielt.
Ich habe aber noch meine Mutter im Ohr, die mir und meinem Bruder jeweils unterstellte, soviel wie wir zwei streite auf der ganzen Welt sonst niemand.
Wahrscheinlich war es also früher nicht so viel anders.
was erstaunlichen effekt erzeugt ist zu fragen „was ist hier los?“. klingt banal aber führt wie magisch auf eine ganz anderes gleis
Man kann auch fragen ob man mitmachen kann und wenn nein, warum nicht.
das hat aber nichts mit meinem vorschlag zutun. meiner ist ernst gemeint. ich will nicht bei einem kinderstreit mitmachen. ich will wissen was los ist. dann kriege ich es erklärt. durch das in worte fassen, lösen sich dinge ganz anders oder entspannen sich einfach
Natürlich will man nicht mitmachen.
Aber wenn man fragt ob man da mitmischen kann/darf, dann fragen die Kinder entweder etwas und man kann darauf eingehen, oder sie kommen aus dem Konzept und hinterfragen ihren Streit.
Ganz ehrlich, das Einfachste ist, in solchen Situationen unfair zu beiden Kindern zu sein.
Sie werden sich sofort verbünden und gar nicht mehr wissen, warum sie je miteinander gestritten haben.
Danach kann man raus gehen, der Frieden hält dann lange an
Klingt fair! …ähm. Also. Sie Wissen schon! 🙂
Endlich wieder mal ein Text der ehrlich und nützlich ist. Danke