Irgendwer ist immer krank

Kinder durch den Winter zu bringen, hat etwas sehr Archaisches: Mädchen beim Fiebermessen. Foto: Gaëtan Bally (Keystone)
Dieses Jahr ist es ganz besonders schlimm: In ein paar Tagen ist Ostern, aber der Frühling lässt sich noch Zeit. Viel Zeit. Vielleicht liegt es am Murmeltier Phil aus dem US-amerikanischen Punxsutawney, das wieder einmal seinen eigenen Schatten gesehen und einen langen Winter vorausgesagt hat. Da vergeht einem die Lust auf «süssen Wermut mit Eis und einem Scheibchen Zitrone» und auf Winter ganz allgemein.
Vielleicht ist es aber auch die Tatsache, dass ich mittlerweile vier Kinder in verschiedenen Bildungseinrichtungen habe (an und für sich eine grossartige Sache). Das bedeutet neben kompetenter und liebevoller Betreuung für meine Kinder und Arbeitszeit für meine Lebenskomplizin und mich eben leider auch die Aufrechterhaltung einer familiären Seuchenstation.
Endloses Läusepingpong
Letzten Winter waren es Läuse. Das darf man eigentlich nicht laut sagen, weil sich ja immer noch hartnäckig Gerüchte halten, dass der Reinlichkeitszustand einer Familie irgendetwas mit einem möglichen Läusebefall zu tun hat und man anschliessend das ganze Haus einmal durchwaschen und abkochen muss, damit man die Biester auch wirklich los wird.
Stimmt beides nicht. Häufiges Waschen macht nur saubere Läuse, und ausserdem nisten die sich nicht ewig und drei Tage in Textilien ein. Wenn man gegen Läuse korrekt vorgeht und die zweite Runde Kopfbehandlung nicht ausspart, sollte sich das Problem erledigt haben. Sollte, wohlgemerkt. In unserem Fall kamen sie immer wieder über die eine oder den anderen zurück – über Monate. Läusepingpong quasi.
Kinderärztin? Lange nicht gesehen
Dieses Jahr sind es Erkältungserkrankungen aller Art. Es hört einfach nicht auf. Eine praktisch ununterbrochene Kette von hustenden, schniefenden Fieberkindern. Irgendwer zieht immer gerade die Nase hoch (das Geräusch macht mich fertig) oder schreit nachts nach Wasser, Nähe oder einer Schüssel, um sich zu übergeben. Wenn es richtig mies läuft, sind beide Erwachsene auch noch krank und müssen sich völlig benebelt so medikamentieren, dass sie sich noch halbwegs um die jammerigen, schlappen Kinder kümmern können.
Und selbst wenn man das noch einigermassen hinbekommt, müssen all diese Erkrankungen arbeitsrechtlich lückenlos belegt werden. Schliesslich macht man sich nicht mehr die Mühe, zur Kinderärztin zu gehen, weil der Weg weiter ist und die Wartezeiten länger. Stattdessen wird das Wartezimmer der allgemeinmedizinischen Gemeinschaftspraxis um die Ecke zur generationenübergreifenden Begegnungsstätte. Da darf dann meine Einjährige mit dem Schlüsselbund eines älteren Herrn spielen, und meine Grosse tauscht sich über Erkältungsteesorten mit ihrer Lehrerin aus, die auch schon seit Tagen darniederliegt. Die eine von den vier verbliebenen ärztlichen Fachkräften, die noch die Stellung hält und sich nicht selbst zu Hause auskurieren muss, sagt praktisch auch nur das Gleiche wie die Kinderärztin: Halt krank. Kann man nicht viel machen, müssen Sie durch.
Husten von Oktober bis Ostern
In der Tat. Vier Kinder durch einen nasskalten, stürmischen Winter mit deutlichen Minusgraden zu bringen, hat etwas sehr Archaisches. Nicht in dem Sinne, wie die Formulierung früher gebraucht wurde: Wir frieren uns in unserer zugigen Kate zu Tode und wissen auch überhaupt nicht, wo wir das Essen für die nächsten Tage herbekommen. Eher in dem Sinn, dass es immer zu kalt und zu dunkel ist, die Kinder einen Lagerkoller bekommen, sich von Oktober bis Ostern so durchhusten. Dazu dieses ständige Ein- und Auspacken. Winterbereifung für zappelnde, schreiende Matrjoschka-Puppen mit Stiefeln. Weil zu Hause sein ja nicht reicht.
Vielleicht bin ich ja auch nur ein unverbesserlicher Meckerfritze. Einer, der sich dann im Frühling über Frühjahrsmüdigkeit beschwert, im Sommer über Regen oder Hitze, und dem dann sicher auch was für den Herbst einfällt. Aber je älter ich werde, umso weniger halte ich Dunkelheit und Kälte aus. Und jetzt muss ich Schluss machen: Mein Jüngster ist heute nicht in der Kita. Nächtliche Doppelkotzerei und wirre Fieberträume. Sie wissen schon.
Wenn ich dieses Murmeltier erwische!
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19 Kommentare zu «Irgendwer ist immer krank»
Sie schreiben mir aus der Seele. Meine Tochter und ich liegen seit Tagen mit Grippe darnieder. 39 Grad Fieber ist eine unschöne Sache. Jetzt noch Mittelohrentzündung. Verwünsche mich, dass ich mich nicht geimpft habe. Habe noch ein anderes Kind und arbeiten in der Schule (eine weitere Virenfalle). Zuvor hatten wir 2x Scharlach Und danach beide Kinder Windpocken. Aus Verunsicherung leider auch nicht geimpft.
Jetzt kann es nur besser werden. Frühling sei willkommen!
An all die Gesundheitsexperten mit ihren Ingwertees: Vergessen Sie’s einfach! Ein Kind im Kindergarten und der ganze Schmuddel kommt ins Haus. Dort wird alles angefasst, Essen getauscht und rumgeschmoddert, dass sich die Balken biegen. Nur kurz als Erinnerung: Bakterien und v.a. Viren sind Krankheitserreger. Ist man genügend exponiert, wird man krank. Das gilt für alle! Ehrenwort!
Bevor ich Kinder hatte, war ich zwanzig Jahre lang nie krank. Und das ohne Ingwertee, Bio und Homöopipapo.
…eben, ging mir genauso. Ohne Kinder nicht krank, mit Kindern oft und stark erkältet. Dann mit Kindern und mit Ingwer fast nie mehr erkältet. Ingwer bringts, glauben sie mir. Aber vielleicht wirkt er nicht bei allen.
Ok, dann geb ich dem
Ingwer mal eine Chance… Wobei es jetzt ja eigentlich überstanden sein sollte.
Mein Tip: In der Wohnung nicht über 20 Grad, im Schlafzimmer kühler. Regelmässig lüften. Viel nach draussen, Arztpraxen möglichst meiden.
Täglich frischer Ingwer mit heissem Wasser aufgiessen, Zitronensaft dazu; dies das ganze Jahr über, präventiv für sie und ihre Partnerin, die Kinder mögen Ingwer meist nicht so.
Ich breche hier wahrscheinlich gleich einen Shitstorm vom Zaun, und mir ist klar dass eine Erkaeltung und eine Grippe nicht das gleiche ist, aber: Unbedingt gegen Grippe impfen! Je mehr Leute mitmachen, desto nuetzlicher ist die Impfung!
Absolut richtig! Und hier noch mein Geheimtipp: Varizellen (Windpocken) impfen lassen. Die Kinder sind auch dann noch genügend oft krank…
Die Leidtragenden sind die Singles, die im Geschäft den Laden schmeissen und natürlich Überstunden leisten. Für die Eltern gibt es noch Betreuungstage, so dass einige Mütter/Väter bis zu vier Wochen im Jahr fehlen, Ferien nicht dazugerechnet.
Die Leidtragenden sind primär die Kinder.
Mimimi Forte für Sie. Gern geschehen!
Genau so war es vor 10 und mehr Jahren bei uns……dachte immer, das ist nur bei uns so..damals gabs leider noch keine solche „ermunternden“ Papa- und Mama-Blogs……bin so froh, dass unsere Töchter nun *erwachsen“ sind, ist nun alles viel einfacher, jedenfalls in dieser Hinsicht…ich wünsche viel Durchhaltevermögen bis zum Frühling!
Herrlich! Danke für diesen Text!
Ist bei uns nicht anders diesen Winter. Und dass nur mit einem Kind. Wünsche gute Besserung und das bald der Frühling kommt!
Jeden Tag ein wenig Dreck hält gesund. Mein Ansatz wäre hier: kein Bio kaufen, Eier aus Bodenhaltung, normale Ernährung ohne Firlefanz und viel nach draußen.
Und wichtig: keine Ängste vor Gentech, Chemtrails und Elektrosmog etc. pp.
Wie ich darauf komme? Beobachtungen in meinem Umfeld.
klingt überzeugend, aber der preis ist mir zu hoch
Interessant – die Beobachtungen in meinem Umfeld ergeben genau das Gegenteil!
GENAU SO IST ES! Eigentlich ging es bei uns bisher immer irgendwie, aber dieser Winter hat alles bisher dagewesene übertroffen. Seit Oktober war irgendwer immer krank ob die beiden grossen Menschen oder die beiden kleinen Menschlein. Wirklich hohes Fieber, Ohrenentzündung, Bindehautentzündung etc. Ich mag gar nicht mehr hoffen und gehe inzwischen auch nicht mehr zum Kinderarzt, denn wie wahr: „da kann man nichts machen“ vor allem bei nächtelangem Hustenanfällen, nützt mir der Spruch eben auch nichts. Spare mir den Weg und stundenlanges Warten. Ach Frühling wo bist du? Und ach ja, zum ersten Mal fielen wir in dieses Klischee „ich kann heute nicht zur Arbeit kommen, mein Kind ist krank“, auch wenn wir vom Gesetz her dürfen, es ist unangenehm und manchmal wusste ich nicht weiter…
Es tut doch immer wieder gut, zu lesen, dass es anderen ähnlich geht. Das macht es irgendwie ein bisschen leichter. 😉
Ich habe nur zwei Kinder (und einen Mann) – und irgendeiner hustet oder schnupft immer…
Möge der Frühling sehr schnell kommen! 🙂
Danke, sie haben das wunderbar beschrieben, bei uns geht es diesen Winter genau gleich. Gute Besserung allerseits!