Von Grippe- und anderen Monstern

Mamablog

Kranksein hat auch seine guten Seiten. Foto: iStock

Es hustet, schnupft und jammert. Auf unseren Quartierstrassen tauschen sich Mamas aus: «Mein Sohn liegt in den Kissen und schläft stundenlang», höre ich. Oder: «Meine Mädels waren so fertig von der Grippe, sie lagen drei Tage einfach nur in ihren Betten und lauschten ihren Hörspielen. Mir wurde bereits langweilig.»

Auch wenn mir die armen Geschöpfe meiner Nachbarinnen leidtun: Ich wünsche mir, dass meine Kinder auch mal mit Dauerschlaf in Kissenbergen liegen, wenn Viren und Bakterien ihrer mächtig werden. Und ich dann wenigstens wieder mal zu Langeweile käme.

Meine Tochter ist zwar mittlerweile eine passable Kranke und wählt eine Mischform zwischen Jammern und sich still leidend ins verdunkelte Zimmer verkriechen. Aber wenn die beiden Jungs, 7 und 5, von Krankheitserregern heimgesucht werden, geht es ihnen jeweils gut genug, um ihr Leid lauthals zu bekunden.

Anspruchsvolle Patienten

Heute haben die Käfer auch uns erreicht. Der Mittlere kommt heim und schaut mich an, als hätte er das ganze Elend der Welt auf seinen Schultern zu tragen. «Ich fühl mich nicht gut, Mama», haucht er erbarmungswürdig. «Magst du dich aufs Sofa legen?», frage ich voller Anteilnahme, mit ersten Spuren von Angst vor den bevorstehenden Stunden in der Stimme. Nein, mag er nicht. Das Sofa sei zu hart, aber allein ins Zimmer will er auch nicht. Essen ja, aber nur zerdrückte Banane. Was? Keine Banane mehr? Dann halt Schoggi. Warum nicht, Mama?

Im 5-Minuten-Takt werde ich im Jammerton über Nuancen der Qualen informiert: Nebst dem Grundleiden Hals- und Schluckweh kommen Ohrläpplibrennen, Kribbeln in der linken Pobacke und ein eiskalter Nasenspitz dazu. Tränen fliessen. Ich unternehme viel, um die Stimmung zu heben. Ich singe, erzähle Witze, drapiere Lieblingsbücher auf der Bettdecke, akzeptiere das fünfte Abspielen der Globi-CD in Folge, verfüttere die bei der Nachbarin organisierte Banane – und Schoggi. Mein Programm lenkt hoffentlich vom Wunsch nach Filme schauen ab, das Pulver iPad will ich noch nicht verschiessen.

«Filmli?», flüstert mein Sohn soeben aus den Kissen. «Etwas später, wenn du geschlafen hast», antworte ich. «Oder wenn der Fiebermesser über 38,5 anzeigt?», fragt mein Sohn hoffnungsfroh und mit kraftvollerer Stimme. Er verlangt das Thermometer nun alle drei Minuten, obschon ich kein «Ja» verlauten liess. «Ich glaube, der Fiebermesser ist kaputt, er zeigt immer nur 38,1!», höre ich entrüstet.

Streit um den Fiebermesser

Nun klagt auch der Kleine über Bauchschmerzen, und seine Stirn scheint mir etwas warm. «Bettflasche?», knirsche ich, vom Hin und Her schon leicht angespannt. «Nein, aber ich glaube, Smarties könnten helfen. Oder ein Heftli vom Kiosk.» Tee machen, zweite Banane organisieren, Büechli vorlesen – dem einen erzähle ich zu laut, der andere findet es zu leise.

«So, Jungs, fertig geklagt, jetzt wird geschlafen, damit ihr schnell gesund werdet», sage ich energisch und fasle noch etwas von Resilienzfähigkeit und Frustrationstoleranz. Der Schlafzwang will dennoch nicht klappen. Dafür entbrennt ein Streit um den Fiebermesser.

Um 17.30 Uhr tritt mein Mann überraschend früh über die Schwelle. Er krächzt: «Du, ich habe so ein unangenehmes Kratzen im Hals, ich leg mich mal hin. Machst du mir bitte einen Tee, aber nicht zu süss, gell?» Als das Wasser kocht, höre ich ihn in die Küche schlurfen: «Du, der Fiebermesser muss kaputt sein. Der zeigt nur 37,2 Grad, das kann nicht sein, meine Stirn ist heiss wie Feuer.»

Ich realisiere, dass die schlimmsten Stunden mit Patienten im Haus eben erst begonnen haben. Und ziehe den Film-Joker – zeitlich unlimitiert.

Lesen Sie zu diesem Thema auch: «Schule? Nein, Bettruhe!», «Nein, nicht schon wieder krank!» und «Hallo Chef, mein Kind ist krank».

20 Kommentare zu «Von Grippe- und anderen Monstern»

  • bcn sagt:

    herzhaft gelacht! danke, you made my day!
    …. mein mann ging mal (kerngesund) zum arzt und wollte ein medikament, rein prophylaktisch, weil alle zuhause krank waren!

  • Mona sagt:

    Mir sind kranke Kinder das kleinere Übel, als ein kranker Mann zu Hause!

    • Roger sagt:

      Es hiess doch immer, die Männer sollen Gefühle und Schwächen zeigen dürfen und nun ist auch wieder nicht recht, respektive Frau macht sich nun über sie lustig.

    • Sportpapi sagt:

      Die Geschichten um den „Männerschnupfen“ werden ja immer wieder erzählt und man macht sich gerne über die Männer lustig.
      Aber ob wirklich etwas dran ist? Ich erlebt(t)e ja immer nur Frauen, die ständig darüber berichten, „nicht ganz fit“ zu sein. Und auch bezüglich der Absenzen im Geschäft fehlen bei uns Frauen sehr viel häufiger krankheitsbedingt.

      • tina sagt:

        immer – nur – ständig….. soso. nicht ganz fit heisst 90% und ich nehme an, voll im einsatz.
        mit männerschnupfen ist gemeint, dass mann nicht 2 stunden allein zuhause mit den kindern sein kann, während seine frau an eine sitzung geht, wenn er krank ist. ein lieber freund von mir kürzlich: „mich hat eine SCHWERE grippe erwischt“. er lag einen halben tag flach, dann waren die symptome weg, bis auf „nicht ganz fit“. beides beispiele im nächsten umfeld in den letzten 2 monaten

  • Angelica sagt:

    Ich komme selber soeben als Erwachsene aus der Arztpraxis und habe mich über den Artikel sehr amüsiert. Manchmal wenn man die Patienten anschaut denkt man sich seinen Teil, alles verschiedenen Charaktere wie die Kinder: Ein Erwachsener Patient ca. 50 Jahre alt klagte sein Leid in XL Lautstärke am Telefon in der Praxis, der andere Patient 60 Jahre alt schlief auf dem Stuhl ein bis man ihn intensiv weckte. Krank kann auch sehr erholsam sein! Und ich reklamierte da es wieder einmal so lange mit der Wartezeit ging. Geschlagene 1.5 Stunden, bis mir der Kragen platzte. Auch so kann der Film laufen… genüsslich wie oben beschrieben!

  • Widerspenstige sagt:

    Aber Mama darf nicht krank werden und wenn doch, dann ist da wer im Hause, der sie tagsüber pflegt und schaut? Ach ja, die Nachbarin ist ja da ….

  • Carolina sagt:

    Wenn wir Kinder früher krank waren, mussten wir ins Bett, es gab nichts zu essen (egal, was wir hatten), kein Fernsehen, keine Spiele. Wenn man wieder lesen konnte bzw Hunger hatte, dekretierte unsere Mutter (Aerztin!), dass wir wieder gesund seien.
    Mit meinen eigenen Kindern bin ich gnädiger, denn ich habe nie verstanden, warum man mit einer Erkältung nicht essen dürfe – aber Unterhaltung gibt und gab es auch nicht. Und alle Kinder verkriechen sich ins Bett, wenn es ihnen nicht gut geht, sie kommen wieder hervor, wenn sie Hunger haben, ihre Energie zurück ist und sie auf dem Weg der Besserung sind. Was meine Mutter, der wir heute noch ihre Behandlung vorwerfen, natürlich sehr befriedigt!

    • 13 sagt:

      Darf ich fragen, warum keine Unterhaltung?

      • christel sagt:

        Auch bei uns gabs kaum Unterhaltung wenn die Kinder so richtig krank waren. Intuitiv war es wohl das Gefühl die Dauerstimulation des Alltags mal richtig zurückfahren zu wollen. Auch Langeweile muss nicht immer ein absolutes no-go sein…. Als das Fieber jeweils „brach“ wurden Spiele und Gespräche dafür umso aktueller

      • Carolina sagt:

        13, bei der ersten Tochter haben wir gemerkt, dass sie sich am schnellsten erholte, wenn sie sich einfach zurückzog und sich sozusagen ‚gesund schlief‘ – und so haben wir es dann auch mit den anderen gehalten und tun es heute noch. Es war immer ein untrügliches Zeichen, dass sie am Gesunden waren, wenn sie wieder Lust auf Fernsehen, Handy oder Spielen hatten/haben.
        Ist natürlich etwas anderes, wenn das Kind ein gebrochenes Bein hat……

    • Nala sagt:

      Danke Carolina! War hier genau auch so. Wer krank ist, liegt im Bett und benötigt Ruhe und sicher nicht Animation. Essen sofern sie mögen, aber sicher kein Schokolade 🙂 Sie durften auch auswählen ob sie lieber im Zimmer liegen oder auf einer Matratze im Wohnzimmer. Jenachdem wie fit sie halt schon (wieder) waren.

      Je weniger Brimborium um den Kranken gemacht wurde, desto schneller wurde Kind auch wieder gesund.

  • Martin Frey sagt:

    Jetzt fehlt nur noch das Bild der Mutter als kranke Person und die Persiflage wäre komplett. 🙂
    Beim Verhalten der Kinder erkenne ich wieder mal grosse Unterschiede, und erneut stellt sich für mich die Frage, inwiefern das Verhalten des Nachwuchses Spiegelbild unseres Verhaltens einerseits, wie auch unseres Verhaltens wie auch unserer Projektionen den Kindern gegenüber andererseits ist. Vielleicht hat das mit dem mehr zu tun als einfach mit ‚mangelnder Resilienzfähigkeit und Frustrationstoleranz‘. Wobei auch da selbstredend eine Wechselwirkung besteht.

    • Markus Fuchs sagt:

      Lieber Herr Frey
      Das ganze auf eine Projektion zu reduzieren ist wohl etwas gar einfach gedacht. Kinder (und offenbar auch wir Männer) brauchen, wenn es uns mittelschlecht geht, besonders viel Aufmerksamkeit.
      Und wir wissen, wie wir sie uns holen können. Gefährlich wird es erst, wenn wir still werden. Dann geht es uns wirklich schlecht!

    • 13 sagt:

      „erneut stellt sich für mich die Frage, inwiefern das Verhalten des Nachwuchses Spiegelbild unseres Verhaltens einerseits, wie auch unseres Verhaltens wie auch unserer Projektionen den Kindern gegenüber andererseits ist.“

      Ich habe drei Kinder und falls das wahr ist, wachsen alle drei in komplett verschiedenen Haushalten mit verschiedenen Eltern auf 😉 Während eines auf sterbenden Schwan macht und 24 Stunden am Tag jammert, wie unfair es sei, dass es ausgerechnet ihn trifft, ist das zweite sehr kuschelbedürftig, aber ziemlich ruhig und das dritte schliesst am Liebsten de Kinderzimmertüre und will von allen in Ruhe gelassen werden.

    • Martin Frey sagt:

      @ Fuchs
      Hier geht es um (heissgeliebte) Stereotypen, die wie alle Stereotypen einen wahren Kern haben, aber noch lange nicht auf alle zutreffen. Wahr ist sicher, dass viele Männer tendenziell eine weniger ausgeprägte Körper- und Selbstwahrnehmung haben als die meisten Frauen. Und daher von sich aus tendenziell weniger zum Arzt gehen obwohl sie tendenziell kränker sind, respektive mehr gesundheitliche Probleme haben.
      Das mit der Aufmerksamkeit ist der Punkt. Als Autorin würde ich mich fragen, weshalb im Krankheitsfall im Handumdrehen derart viel perfektionierte Strategien zur Aufmerksamkeitsgewinnung zum tragen kommen. Riecht schon etwas nach Krankheitsgewinn.
      @13
      Eben, Kinder sind da total verschieden. Sie werden aber auch unterschiedlich behandelt. Actio = Reactio.

      • 13 sagt:

        Ich stehe wohl heute auf dem Schlauch. Sie werden doch nicht von vornerein anders behandelt. Sie erhalten alle das, was sie selber spüren, dass es ihnen gut tut. Wie sollte dann das Spiegeln unseres Verhaltens derart unterschiedlich ausfallen?

      • Martin Frey sagt:

        Vielleicht erkläre ich heute auch „schlauchig“…
        Ich sehe oft, dass gerade in Familien mit mehreren Kindern diese verschieden behandelt werden, teils auch verschieden Zuwendung erfahren. Dies passiert iaR im Unterbewusstsein, darauf angesprochen, wären die Eltern konsterniert. Denn kaum jemand will das, aber trotzdem passiert es. Dazu kommen die völlig verschiedenen Charaktere, auch innerhalb der Familie. Jedes Kind ist anders, dementsprechend auch die Mechanismen. Auf die wiederum reagieren Sie als Eltern, denn Sie können nicht „nicht kommunizieren“, wie es so schön heisst.
        Wenn das bei Ihnen zuhause anders ist, wunderbar. Bei der Autorin zumindest spürte ich da einen grossen Bias. Den sie uns genüsslich ausbreitet.
        Aber davon verschone ich Sie heute, 13… 🙂

      • 13 sagt:

        Natürlich werden Kinder anders behandelt. Eine Gleichbehandlung würde den unterschiedlichen Charakteren der Kinder nicht gerecht werden. Sie haben ja ganz andere Bedürfnisse. Ausserdem spielt die Geschwisterfolge eine grosse Rolle. Es ist aber ein Unterschied, ob sie verschieden sind oder erst durch die unterschiedliche Behandlung verschieden werden….

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