Zum (Un)sinn von Schulnoten

Kritikfähigkeit will gelernt sein: Schon früh werden Kinder bewertet und vergleicht – mit Noten. (Foto: iStock)
«Aus Ihrem Sohn wird nie ein Picasso», bedauert die Lehrerin beim Elterngespräch und verweist auf seine 4-5 (nach Schweizer Notensystem; die Redaktion) im Kunstunterricht. Den Noten nach zu urteilen, lägen seine Stärken bei den naturwissenschaftlichen Fächern. Ich schlucke leer. Unser Sohn besucht die 2. Klasse. Erstens, denke ich, sagt seine 4-5 doch herzlich wenig darüber aus, ob aus ihm jemals ein Picasso wird oder nicht, und zweitens: Hat er dafür nicht noch Zeit? Ist in seinen jungen Jahren schon in Stein gemeisselt, was er kann und was nicht? Offenbar ja, denn die Noten sprechen selbst aus seiner Sicht eine klare Sprache: In Kunst und Deutsch bin ich schlecht, in Mathe und Sport hingegen super. Die Vorgabe ist demnach klar, und ich frage mich einmal mehr, welchen pädagogischen Nutzen Schulnoten in der Unterstufe haben könnten.
Tränen statt schulisches Selbstbewusstsein
Die erste benotete Arbeit war ein Diktat. Dem angefügten Notenspiegel war zu entnehmen, dass ein Mitschüler eine 2 bekommen und es nur eine einzige 6 gegeben hatte. Klar, die Eltern sollen einordnen können, wo ihr Kind im Vergleich mit den anderen steht. Aber wem oder wozu dient dieser Vergleich überhaupt? Wichtig ist doch nur, ob das eigene Kind das Lernziel erreicht hat oder nicht – dazu braucht es keine Noten; und wenn, dann bei Primarschülern keine so schlechten. Denn wer im Diktat die 2 geschrieben hatte, wusste logischerweise die ganze Klasse, nämlich jenes Kind, das in Tränen ausgebrochen war.
Kürzlich mussten wir ein Leseverständnis unterschreiben, das ziemlich schlecht ausgefallen war. Ich staunte ein bisschen, denn Lesen und Verstehen bereitet unserem Sohn normalerweise keine Probleme. Nun, aus zeitlichen Gründen hatte er, der langsam schreibt, nur drei von sechs Aufgaben lösen können. Die drei gelösten Aufgaben waren korrekt – doch dann war die Zeit um. Wäre es in diesem Fall nicht besser, das Kind die Arbeit fertig schreiben zu lassen und eventuell zu vermerken, dass es mehr als die dafür vorgesehene Zeit benötigt hatte, statt ihm eine schlechte Note zu geben? Sollte der Fokus nicht darauf liegen, das schulische Selbstbewusstsein eines jeden Kindes zu stärken?
Arbeitsanalysen statt Noten
Der Lehrer unseres anderen Sohnes erläutert uns beim Elterngespräch ein an der Klasse erprobtes Mathematik-Experiment. Dabei erhielten die Kinder ein Arbeitsblatt mit 60 Reihen-Aufgaben und zehn Minuten Zeit, um möglichst viele davon zu lösen. Jedes Kind durfte selber entscheiden, wie es die Aufgabe angehen wollte, einfache Rechnungen rauspicken, schwierige überspringen – alles war erlaubt. Das Fazit: Unser Sohn hatte etwa 15 Rechnungen der Reihenfolge nach gelöst, woraus sein Lehrer unter anderem schloss, dass er schwierigeren Aufgaben nicht ausweicht. Die von ihm gelösten Rechnungen waren richtig, trotzdem erreichte er weniger Punkte als Kinder, die sich ihre Wunschaufgaben raussuchten. Wieder andere gingen schnell voran, hatten so zwar einige Fehler, insgesamt aber auch mehr richtige Resultate. Im Anschluss haben die Kinder die verschiedenen Arbeits- und Lösungsstrategien miteinander besprochen. Mir schienen diese Analysen so viel aufschlussreicher als jede Note zuvor.
Obwohl wir den Noten zu Hause möglichst wenig Beachtung schenken, sind sie regelmässig Thema. Etwa dann, wenn sich unsere Zwillingssöhne anhand ihrer Noten vergleichen, sich gegenseitig damit aufziehen oder ihre Fähigkeiten selber schlechtreden. Natürlich müssen Kinder lernen, mit Bewertung und Kritik umzugehen – doch meines Erachtens sind Noten dafür denkbar schlecht geeignet.
191 Kommentare zu «Zum (Un)sinn von Schulnoten»
Unser Sohn war ein mässig guter Schüler. Er lernte nicht gern, trotz Nachhilfe unmotiviert. Dafür war er begeistert von Baustellen aller Art, bewunderte die Bauhandwerker, wie sie fröhlich und körperlich fit ihre Arbeit machen. Er ist ein Bauhandwerker geworden, weitere technische Ausbildungen, jetzt ist er Projektleiter und wahnsinnig glücklich. Viel draussen, bei Projekten drinnen. Die früheren Sorgen um unseren Sek. B-Schüler, alle verraucht.
Die Noten früher, ein Graus. Praktisch intelligent, anpacken und umsetzen, das war nicht das, was die Schule erwartete. Und: Handwerk hat heute noch goldenen Boden.
Dem Sohn war doch die Schule insgesamt ein Graus, unabhängig von den Noten.
Ansonsten ist es doch toll, dass er seinen Weg gemacht hat. Das ist allerdings nicht selbstverständlich. Denn wie hat mir mal ein langjähriger Reallehrer erklärt: Die Idee, dass schlechte Schüler vielfach bessere Handwerker wären, sei grundfalsch (oder nur in Ausnahmefällen richtig). Vielfach seien die schlechten Schüler eben auch dort nicht so begabt.
Kommt dazu, dass auch für handwerkliche Lehren immer höhere Schulleistungen verlangt werden, nicht immer nur aus Schikane. Sondern weil sich die Berufe gewandelt haben.
Sind es denn wirklich die Bewertungen der Leistung, welche einem Kind die Motivation nehmen, oder der Umstand, dass vor versammelter Klasse die Noten zu verkünden und Kinder damit abzuwerten?
Das ist das Verteufelte an Noten. Sie machen solche Schindludereien so einfach. Diese ist eine der schlimmsten aber bei weitem nicht die einzige. So werden Land auf Land ab Ziffernnoten zu Durchschnitten arithmetisch weiterverrechnet, obwohl das statistisch falsch ist. Das wäre an sich nicht so problematisch, aber genau diese Lehrpersonen schenken sich dann auch eine inhaltliche Analyse und geben die Verantwortung an die falsch errechnete Zahl ab. Vom Einbezug etwaiger Fortschritte wollen wir gar nicht reden. Beruht die Rückmeldung zu einer Einzelleistung auf nachvollziehbaren Kriterien und geht von dem aus, was da ist (und beschreibt was noch fehlt), dann kann die Motivation sicher gestützt werden.
Was ist statistisch falsch und warum ist das in diesem Zusammenhang relevant?
Die Relevanz ist mit dem Beispiel schon erklärt. Schön, dass Sie fragen, aber das bestätigt zuerst einmal meine Annahme. Unterrichten Sie zufällig auch Mathematik? Nun in Kürze: Mit der Ziffernnote ordnen Sie einer Leistung eine Zahl zu. Damit ist diese zur Ordnungszahl geworden. Wenn Sie nun diese Notenziffer weiterverrechnen, bekommen Sie nicht den gleichen Schnitt wie bei der Verrechnung der erreichten Punkte bezogen auf das Maximum proportional zur Notenskala 1-6. Diese Formel kennen Sie sicher. Ich habe mit relativ wenig Aufwand ein Beispiel kreiert, indem der bessere Schüler die schlechtere Note erhält, selbst wenn in der Einzelarbeit bei der Notenvergabe die Rundungsregeln beachtet wurden. Jetzt darf man sich streiten, ob Nichtigkeit oder mangelnde Professionalität.
Der beschriebene Umgang mit Notenziffern ist tatsächlich dann vernachlässigbar, wenn die LP sowieso noch andere Elemente in die Schlussnote einbezieht und schliesslich einen inhaltlich begründbaren Ermessensentscheid fällt. Wenn er aber ausschliesslich auf den „Schnitt“ rekurriert, was ich sowieso schon ein NoGo finde, dann muss dieser Mittelwert wenigstens möglichst genau d.h. arithmetisch richtig zu Stande gekommen sein.
@Emmanuel Dettwyler: Fehlt hier ein Teil? Welche Annahme? Und wo ist das Beispiel?
Und nein, ich unterrichte keine Mathematik. Und ausserhalb der Mathematik gibt es ja ganz viele Möglichkeiten, wie Leistungen bewertet werden können. Die Umrechnung in Noten ist dann quasi eine Standardisierung und ermöglicht das Aufsummieren bzw. verrechnen. Aber natürlich spielt letztlich noch einiges mehr hinein, insbesondere können auch relevante Faktoren höher gewichtet werden.
Ausserdem, selbst wenn es um erreichte Punkte geht, müssen nicht zwingend lineare Bewertungstabellen verwendet werden. Aber klar, dann wird es definitiv schwierig zu verrechnen, bzw. es erfolgt eine (hoffentlich erwünschte) Verzerrung.
Es fehlt nichts. Ich präzisiere:
Sie fragen nach der Relevanz: Ich habe in meiner ersten Antwort auf das erwähnte Beispiel von Tamar reagiert und noch ein weiteres beigefügt: Das Ziffernnotenberechnen. Sie bestätigen mit ihrer an sich erfreulichen Frage und Neugier folgende Annahme: Es herrscht ein verbreitetes Unwissen der Lehrerschaft in diesem für sich genommen banalen aber u.U. relevanten Bereich. Vielleicht stimmen Sie mir aber bei, dass Leistungsrückmeldungen transparent, fair und nachvollziehbar sein sollten und dass LP diese reflektierend erstellen und kommunizieren sollten.
Zu Ihrer Antwort: Die Umrechnung in Noten ermöglicht eben NICHT mehr das Verrechnen ohne Verzerrung. Ich meine dabei ausdrücklich willkürliche Verzerrungen, die damit dem Anspruch an Transparenz und Fairness nicht genügen.
@Emanuel Dettwyler: „Sie bestätigen mit ihrer an sich erfreulichen Frage und Neugier folgende Annahme: Es herrscht ein verbreitetes Unwissen der Lehrerschaft in diesem für sich genommen banalen aber u.U. relevanten Bereich.“
Eigentlich war das eher ein Hinweis darauf, dass Sie sich unklar ausdrücken, Ihre Verweise nicht auffindbar sind oder unpräzis, die Fragestellungen nicht klar. Versuchen Sie doch mal, klar und verständlich zu argumentieren. Wie ein guter Lehrer…
Und jetzt wäre ich mal interessiert an Ihrem konkreten Beispiel, in wiefern das Verrechnen von zwei oder mehr Noten zu einem falschen Resultat führt, und wie und in welchem Umfang das relevant ist.
Ach ja, und noch zur Relevanz in Bezug auf Tamars Aussage: Ein Lehrer, der die Noten vor versammelter Klasse verkündet, hat seinen Job verfehlt.
Aber das hat ja mit Noten nichts zu tun, er könnte auch irgendeine andere Form von Rangliste erstellen oder eine Bewertung in Gut, genügend, schlecht vornehmen.
@Sportpapi
Die Verkündung der Noten vor versammelter Klasse wird noch heute häufig praktiziert.
In Reihenfolge 6 – 1 ausgeteilt. Parallelklasse meiner Tochter.
„Eigentlich war das eher ein Hinweis darauf, dass Sie sich unklar ausdrücken, Ihre Verweise nicht auffindbar sind oder unpräzis, die Fragestellungen nicht klar. Versuchen Sie doch mal, klar und verständlich zu argumentieren. Wie ein guter Lehrer…“ Wo soll ich einen solchen Hinweis finden? Sie haben nachgefragt und ich habe Ihnen geantwortet. Was soll diese Beschämung? Geht es Ihnen um die Sache? Ich nehme Ihre Fragen ernst, also respektieren Sie auch bitte meine Bemühungen. Wenn Ihnen etwas nicht klar ist, dann fragen Sie einfach. Ich lerne gerne. Das Beispiel schulde ich Ihnen noch.
@tamar: „Die Verkündung der Noten vor versammelter Klasse wird noch heute häufig praktiziert.“
Und ich hatte einen Primarlehrer, der Alkoholiker war und teilweise noch während dem Unterricht Alkohol trank.
Es gibt nichts, was es nicht gibt. Professionell ist es jedenfalls nicht. Und völlig unnötig.
@Emanuel Dettwiler: Es ging mir nicht um „Beschämung“ – ist es das wirklich schon?
Sondern dass ich wirklich kaum verstehe, worauf Sie hinauswollen. Mir fehlen in Ihrer Argumentation wesentliche Teile, wie etwa die klare Problembenennung, nachvollziehbare Begründungen, Beschreibung der Auswirkungen.
Und immer wieder Aussagen, es stünde da bereits, wo ich nichts finde, wie: „Die Relevanz ist mit dem Beispiel schon erklärt.“ Nein, ist sie nicht.
Ich glaube nicht, dass ich begriffsstutzig bin, und ich habe durchaus Anschlusswissen, und ich habe schon gezeigt, dass ich notfalls auch mal etwas nachlesen kann (darauf haben Sie übrigens nicht reagiert). Also glaube ich nicht, dass es nur an mir liegt, dass ich nicht verstehe, worauf Sie hinaus wollen.
Schüler X und Y, 5 Arbeiten, Punktzahlen err. /Max = Summe:
X: 21/22, 13/15, 5.5/8, 8/14, 12/20 = 59.5/79
Y: 14/22, 9.5/15,5.5/8, 11.5/14, 19.5/20 = 60/79
Jeweils gesetzte Noten gemäss Rundungsregeln, „ø“, Gesamtnote N:
X: 6, 5.5, 4.5, 4, 4, ø 4.8, N 5
Y: 4, 4, 4.5, 5, 6, ø 4.7, N 4.5
Pz. proportional zu Skala 6-1 (Pe/PM*5+1), ø, Gesamtnote N:
X: 5.77,5.33, 4.44, 3.86, 4.0, ø 4.68, N 4.5
Y: 4.18, 4.2, 4.44, 5.11, 5.88, ø4.76, N 5
Je nach Anwendung bekommt X eine 5 oder 4.5, umgekehrt Y.
Mein Fazit:
1)Die Lehrperson kann den Noten- oder Prädikatsentscheid nicht an Berechnungen abgeben.
2)Noteneingaben als Ziffern / Ordinalzahlen sollten nicht arithmetisch weiterverrechnet werden.
Dazu sagen die allgemeinen Hinweise und Bestimmungen zum LP21 Kt. Bern (5.2.3): „Die Noten im Beurteilungsbericht sind ein Instrument zur Kommunikation der Beurteilung von Leistungen der Schülerinnen und Schüler und das Ergebnis eines professionellen Ermessensentscheids durch die Lehrpersonen. Sie basieren nicht auf Berechnungen von Durchschnitten.“
Damit wird 1) von meinem Fazit
quasi offiziell bestätigt.
Sehr gut erläutert finden Sie die Problematik (über dieses Beispiel hinaus) bei A. Strittmatter,
Noten, praktisch aber unprofessionell, Bildung Schweiz 6/2004
Hoffe das klärt.
Die Noten suggerieren eine Genauigkeit der Leistung, die sie nicht haben. Sie schreiben selber, dass Leistungsbewertungen in der Gesellschaft schwierig zu ermitteln sind. Wieso soll das ausgerechnet in der Schule leichter sein? Da Noten als Zahl daherkommen, wirken sie gegenüber Wortprädikaten m. E. glaubwürdiger (obwohl sie das in Wirklichkeit nicht sind) und gleichzeitig anfälliger für Verrechnungshumbug. Wobei ich Wortprädikaten ohne eigentlichen Bezug und Inhalt wie „gut“ auch skeptisch gegenüber stehe.
Mein Wunsch seitens LP: Mehr Reflexion in diesem Bereich, seitens Eltern und Schüler: Weniger Notenglaube
Darauf wollte ich hinaus.
Wie geht es den Kindern damit? Löst die Benotung ebenfalls Unbehagen aus? Dies könnte zu spannenden Erkenntnissen auf beiden Seiten führen.
Das einzige, woraus wir im Leben etwas machen können, ist unser Potential. Nicht dass Noten an sich schlecht wären, aber eventuell damit verbundene Abwertung (so wie der unnötige, ja freche, Picasso Kommentar). Es ist Aufgabe der Schule, den Kindern begründeten Mut zu machen, ihr Potential auszustesten, voll einzusetzen und daran zu wachsen. Dabei merken sie auch, was sie nicht können und evtl noch lernen müssen. Wo Lehrer durch Noten oder Lernberichte nur auf Negativem herumhacken, stirbt das Selbstvertrauen, statt zu wachsen. Wohlwollen statt Besserwisserei, die nur dem Ego des „Pädagogen “ nützt, wäre besser und echte Förderung, zum Wohl der Kinder. Im BL müssen die Kinder Noten unter 4 im Zeugnis doppelt kompensieren…. Ich finde das rein bösartig und realitätfern!
Ich hatte kürzlich die Zeugnisse der europäischen Schule in der Hand, Primarstufe. Für sämtliche Fächer ein Bewertungsbogen, mit jeweils einigen Unterpunkten (glaub je nach Fach zwischen 3 und 6 Unterpunkten). Das waren einerseits allgemeine Dinge wie „beteiligt sich am Unterricht“, andererseits fachspezifisches wie „hat Sprachverständnis“ Natürlich besser formuliert. Hinter den Unterpunkten vier Kästchen, dort wurde aber nicht nur angekreuzt, sondern bei Bedarf auch mit einem Pfeil nach rechts oder links angezeigt, wohin die Tendenz geht. Am Schluss des Blattes noch eine kurze schriftliche Zusammenfassung. Alles in allem keine direkte Benotung, sondern eine Bewertung, mit der man etwas anfangen konnte. Hat mir gut gefallen.
Eine 2 ist nun mal eine 2, punkt. Statt die Kinder in Watte zu packen und die bösen Noten zu verteufeln, sähe ich hier meine Aufgabe dem Kind zu vermitteln, dass hin und wieder ein „Abschiffer“ nicht tragisch ist. Und klar gehört auch dazu, nicht mit dem Kind zu schimpfen deswegen, sondern gemeinsam Lösungen zu suchen, wie es sich verbessern kann.
Wir haben hier übrigens die ersten beiden Primarschuljahre noch keine „richtigen“ Noten im klassischen Sinn, d.h. von 1-6, aber ich kenne kaum ein Kind, dass sich nicht darauf gefreut hat, ab dem dritten Jahr „richtige“ Noten zu bekommen.
Ja – es ist (für Eltern) schrecklich, die (ersten) Enttäuschungen in den Gesichtern ihrer Kinder sehen zu müssen; wenn die freudige, naive Zuversicht durch die brutale Erkenntnis der Realität abgelöst wird. Ich mag mich gut an diese ersten Momente bei meinen Kindern erinnern – sie tun jetzt noch weh. Trotzdem – Erwachsene wissen, dass Enttäuschung zum Leben und es deshalb auch zum Lernprozess gehört, damit umzugehen. Noten in der Schule sind ein Massstab – nicht mehr und nicht weniger. Wie Lehrer, Eltern und Kinder damit umgehen – das ist entscheidend. Natürlich – die „Basics“ müssen sitzen; aber „…wird nie ein Picasso“ gehört nicht dazu. Die Frage: „Wie soll ein Zweitklässler mit einer 2 im Diktat umgehen?“ beantworte ich so: Genauso wie es seine Grosseltern taten!
ganz genau!
Das Problem an den Noten ist: Anstatt schlechte Noten als Anlass zur Förderung zu verstehen, werden sie einfach als Ausdruck mangelnden Talents verstanden.
Aber Abstempeln ist eben immer schwieriger als Fördern.
Schlechte Noten oder auch Kritik sind m.E. unverzichtbar für die gesunde Entwicklung eines Kindes. Es lernt daraus, mit Niederlagen umzugehen (Frustrationstoleranz) und hoffentlich auch was es ändern muss, um in Zukunft besser zu werden. Dass dabei die liebevolle, aber strenge Unterstützung der Eltern und der Lehrer nicht fehlen darf versteht sich von selbst. Alle, die meinen ein Kind müsse (am besten bis zur Volljährigkeit) von allem Unbill ferngehalten und in Watte gepackt werden erweisen ihm auf lange Sicht einen Bärendienst.
Es gibt so viele Möglichkeiten Frustrationstoleranz zu üben und Kinder zu ermutigen Herausforderungen anzunehmen, ihnen zu zeigen auch scheitern zu dürfen, echte Bemühungen wertzuschätzen und ihre Frustration zu Lernimpulsen anzuregen. Dazu bräuchte es etwas sicher nicht: Schulnoten. Die sind m. E für die gesunde Entwicklung eines Kindes absolut verzichtbar.
Wir wissen ja, dass Noten, vor allem in der Unterstufe, für die meisten Kinder sehr schädlich sind. Nicht ohne Grund gehen sie spätestens im dritten Schuljahr zur Schule so, als müssten sie zum Zahnarzt.
Christoph Mylaeus, Geschäftsleiter der EDK und hauptverantwortlicher für den Lehrplan 21 hat ja auf dem 3. Bildungskongress, auf einer Podiumsdiskussion genau auf dieses Problem hingewiesen. Er forderte die Lehrer auf, den Mut aufzubringen, den Unterricht ohne Noten zu gestalten.
Das „Hamsterrad“ des Noten-Wahnsinns wird wahrscheinlich erst dann durchbrochen, wenn Gruppen von Lehrern sich in verschiedenen Schulen zusammentun und durch erfolgreiches Unterrichten Vorbildfunktion übernehmen.
Schön wäre es, wenn man als Lehrer einfach die Noten weglassen könnte. Ich bin dafür, zumindest auf der Unterstufe die Noten weg zu lassen. Schon länger wird das im Kanton Zürich für die 1. Kl. praktiziert, leider also nur für ein Jahr.
Ach, ich weiss nicht… Vielleicht bin ich auch einfach etwas desillusioniert, aber ich finde Lernberichte, wenn sie nicht wohlwollen verfasst sind, fast schädlicher. Als Mutter eines von ADS betroffenen Kindes bin ich es manchmal müde, von den Konzentrationsschwierigkeiten zu lesen, zumal mein Kind gute Leistungen zeigt. Da stehen dann im Bericht erst zehn Zeilen Negativfeedback zum Arbeitsverhalten, zum Schluss die Bemerkung „Die Leistungen (sie sind gut bis sehr gut) sind ok.“. Da ist mir die trockene Note doch manchmal lieber. (Mein Feedback nach dem 3. Bericht, doch vielleicht erst das Positive und danach das Negative zu schreiben hat die Lehrerin übrigens dankend angenommen! )
Ich kann Sie sehr gut verstehen. Das Problem der Schule ist neben der latenten Defizitorientierung vor allem die Normorientierung. Wer wüsste nicht, wie motivierend echte Wertschätzung ist und trotzdem geht das im Schulalltag offenbar zu oft vergessen.
@Emanuel Dettwiler: Wie kann eine Bewertung stattfinden, ohne einen Referenzrahmen? Reine Beschreibung?
Beispiel Stellwerkest, dort ist der Referenzrahmen gut und breit abgestützt. Dann über Kriterien ( erreicht / nicht erreicht) und über Kompetenzbeschreibungen. Wichtig ist, dass man den Refernzrahmen kommuniziert.
Ich finde diese ganze Diskussion über Noten anstrenged und überflüssig. Ich habe Jahrgang 1982 und wir wurden ab der 1. Klasse benotet und haben davon auch keine Schäden davon getragen. 1. – 3. Klasse war ich super in allen Fächern und als Mathe dann doch über das einmaleins rausging, gingen auch die Noten schrittweise Bergab.
Aber ich habe es überlebt und mich immer gefreut, wenn ich über eine Vier hatte in den Tests. Also unsere Generation hats überlebt (ohne grössere Schäden) und auh unsere Kinder (meine übrigens 7 und 10) werden es überleben
Ich finde die Diskussion, die hier geführt wird, sehr spannend und keineswegs überflüssig.
Für eine ganze Generation zu sprechen, scheint mir etwas heikel. Natürlich habe ich (wir gehören zur gleichen Generation) das Notensystem auch überlebt, trotzdem bleibt für mich der Notendruck in unguter Erinnerung. Und ich wage mal zu behaupten, dass dieser in den vergangenen Jahren eher zu als abgenommen hat.
was wäre denn die alternative zu noten?
„Schon früh werden Kinder bewertet und vergleicht“. Darf ich das auch benoten?
Statt mit Noten könnte man ja wie bei Arbeitszeugnissen in Worten bewerten. Dann heisst es bei dem, der halt länger gebraucht hätte für die Aufgaben: „Er war sorgfältig und exakt im Bemühen, seine Aufgaben zu erfüllen“. Oder sollten wir jeden an seinen Fähigkeiten messen: „Für einen Adipösen ist er gut im Sport“. Wir könnten auch die Anstrengungen messen. Oder gar nichts.
Die Frage ist doch, warum wir Schüler benoten: Nicht um zu Frustrieren oder Strafen, sondern um die Fähigkeiten auszuloten. Sind Noten dazu ein geeignetes Instrument? Ich denke durchaus. Aber andrerseits sind Noten kontraproduktiv, wenn sie frustrieren. Frustrierend sind schlechte Noten dann, wenn sie als ungerecht empfunden werden.
Als ungerecht empfunden kann eine ungerechte Benotung werden. Jede schlechte Note, die nach Kriterien erteilt wird, welche der Benotete nicht kennt, wird ungerecht empfunden: Und ausser in Fächern wie Mathe sind die Kriterien für die Benoteten doch kaum ersichtlich. Meine Aufsätze durch die ganze Schulzeit, auch in Fremdsprachen, wurden betreffend der Qualität des Inhalts von unterschiedlichen Lehrern unterschiedlich beurteilt, aber jeder Lehrer beurteilte fast jeden meiner Aufsätze praktisch gleichwertig, was immer ich schrieb, ich konnte nichts ändern an der Benotung.
Kurz: Nicht Noten sind das Problem, die sind ein nützliches Mittel. Probleme entstehen aus zweifelhaften Kriterien und willkürlicher Benotung. Wie immer, nicht Noten ja oder Nein, wie verbessern ist die Frage
Das Problem ist, dass Noten nicht wie nachvollziehbare Kriterien die inhaltliche Leistung DARSTELLEN, sondern diese BELOHNEN respektive SANKTIONIEREN. Die Belohnung wird dabei zum bestimmenden Merkmal, das in der Regel den wertfreien Blick auf den Lernstand behindert. Die im ungünstigen Fall entstehende Misserfolgsorientierung ist aber, ganz pragmatisch gesehen, bestimmt nicht lernförderlich.
Bei uns bekamen die Kinder erstmals ab der 2. Klasse Noten. Es ist tatsächlich fraglich, inwieweit Noten in der Unterstufe Sinn machen. Natürlich in der Mittelstufe werden sie wichtiger, denn es muss ja einen Gradmesser geben, damit man sieht, in welche Richtung es gehen wird, in der Oberstufe.
Ich denke, die Lehrpersonen und die Schule sind hier herausgefordert, sorgfältig damit umzugehen. Wir sind froh, dass unsere so verständige Lehrer haben, die gut damit umgehen. So stand bei den Tests unseres „Langsamen“ oft – „brauchte mehr Zeit“. Und dann wurde er gezielt gefördert. So, dass er mehr und mehr die Anforderungen auch zeitlich meistern kann.
Mit unverständigen Lehrern, hätte ihn ein kaltes Notensystem fertig gemacht.
Die Noten kommen in der zweiten Klasse ja nur in drei Fächern, davon eines „schön Schreiben“. Gibt halt mal einen ersten Anhaltspunkt und gewöhnt an die Noten. Mein ältester hat jedenfalls darauf gewartet, dass er jetzt in der vierten Klasse ein paar Noten mehr erhält.
Das ist bei Ihnen so. Schönschreiben gibt es bei uns nicht. Und so gibt es andere Schulen, wo es auch mehr als drei Noten gibt.
Und lesen Sie doch bitte endlich mal genau, was ich differenziert schreibe. Ich habe ja den Sinn des Angewöhnens auch erwähnt, aber eben auch die Problematik und dass es hier an der Kultur der Lehrpersonen/Schule liegt, dieses Instrument sinnvoll zu nutzen.
PS Ich hatte zeit meiner Primarschule nur gute Noten. Deshalb dachte ich immer unreflektiert: „Noten sind doch gut“. Aber wenn Sie ein Kind hätten, das in der Entwicklung noch nicht so weit ist, wie die anderen, dann würden Sie schnell merken. Dass es dann unbedingt wohlwollende und fördernde Lehrpersonen braucht, die das Notensystem mit Verstand nutzen.
Eines unserer Kinder bekommt z.B. in einem Fach keine Noten, dafür aber eine besondere Förderung. Seither steigen seine Leistungen kontinuierlich, und sein einstiges Horrorfach, das ihm die ganze Schule zu einem unerträglichen Druck machte, ist mittlerweile sein absolutes Lieblingsfach.
Wie gesagt, ich gin sehr dankbar, für das verständige Lehrpersonal und das intelligente Konzept unserer (staatlichen) Schule. Kinder werden dort abgeholt wo sie sind. Offensichtlich ist das längst nicht in jeder Schule der Fall.
@ Sp
Aber das ist doch überall etwas anders, oder? Wir haben hier in der 2. Klasse gar keine Noten, in der 3. einfach in Deutsch, Mathe, NMM und Musik. Aber nicht „schön schreiben“ oder so, sondern allgemein einfach Tests. In Franz gibt es eine Beurteilung (Lernziele erreicht, gut erreicht etc.) und die anderen Fächer wie Sport, Zeichnen, TTG gibt es keine Tests, sondern einfach eine Kreuzchen-Beurteilung im Zeugnis.
@RoXY: Auf das Differenzierte habe ich ja gar nicht geantwortet.
Natürlich haben Sie recht, wenn Sie wohlwollende und fördernde Lehrpersonen verlangen. Ich sehe darin allerdings nicht zwingend einen Zusammenhang zur Notengebung. Nicht, wenn die Lernfortschritte objektiv widergibt.
Ich bin auch sehr für besondere Förderungen, gezielt, wo es nötig ist. Aber gerade dafür braucht es erst eine Diagnose und die Erkenntnis, dass das Kind in diesem Fach nicht so gut abschneidet.
@13: Ja, die Schulsysteme sind in der Schweiz ziemlich unterschiedlich. Leider!
Die Auswahl, welche Fächer benotet werden, gibt übrigens auch eine Rückmeldung darüber, welche als „wichtig“ gelten. Dabei wäre für manche schlechte Schüler vielleicht die gute Sportnote eine Erleichterung…
Ach ja, auch noch ein PS von meiner Seite: Ich hatte das „Vergnügen“ eines Primarlehrers, der ganz auf Prüfungen und Noten verzichtete, ausser der obligatorischen Einträge ins Zeugnis. Die dann für alle immer wieder überraschend waren und nicht immer nachvollziehbar.
Das böse Erwachen folgte dann im Gymnasium…
Super. Wieder ein Kind das die gesamte Klasse mit übertriebener Betreuung ausbremst. Die anderen Kinder werden es Ihnen gelangweilt und unterfordert danken!
@Diego: Sie massen sich hier ein ungebührliches Fernurteil an. Ihre persönliche Frustration eventuell als Schüler oder Vater in Ehren, es ist aber interessant, dass man Ihre Antwort als Schuldzuweisung an das Kind und die Eltern verstehen kann. Scheitert die Schule am Kind oder das Kind an der Schule?
Dettwiler
Kennen sie den Ausspruch: Die Kette ist nur so stark wie ihr schwächstes Glied? Die Schule heute konzentriert sich auf die Mitnahme des schwächsten statt diese rauszunehmen und gesondert auf ihrem Niveau zu schulen. Das Resultat ist dass alle „Starken“ in der Klasse gelangweilt ihre Motivation verlieren. Ich bin alles andere als frustriert. Bei mir wurde noch nach vorne geschaut! Ich sorge mich bloss um die Zukunft. Was wir heute als Bewerbungen für eine Lehrstelle erhalten ist gelinde gesagt zum heulen! In ihr Smartphone glotzen, DA sind sie stark.
Meine Kinder fördern die Klasse, die Lehrer lieben sie (o Ton). Und im Textverständnis ist mein Langsamer Ihnen jetzt schon voraus. – das Geschwätz das man die Jungen nicht brauchen könne ist so alt, wie die Menschheit. Dabei übertrifft eine Generation regelmässig die vorherige. Aber die Jämmerlichen können sich nie eingestehen, dass es Fortschritt gibt, weil sie meinen wollen, dass es nach ihnen bergab gehe, (und sie somit die Besten, Stärksten, Härtesten etc.)
Bitte lassen sie die Beleidigungen. Was sie sagen stimmt nicht! Ich habe seit 25 Jahren selber knapp 100 Lehrlinge betreut und begleitet. Nebenbei hunderte von Bewerbungen und Schnupperlehrlingen „erlebt“. Den Bildungsrucksack den die Jugendlichen aus ihren Schuljahren mitnehmen ist, belegbar, immer kleiner(!) geworden. Wenn sie, aus ihrem Glashaus hinaus, denken sie wissen es besser, bitte, tun sie das. Sie wissen vermutlich eh alles besser. Ich wäre auch enttäuscht wenn eine Mutter ihren Nachwuchs nicht wie eine Löwin verteidigt. Auch wenn diese für das Rudel eher hinderlich sind. Ich sage nicht „früher war alles besser“ … aber vieles war gut!
keine Ahnung warum mein pro humanistischer Beitrag gestrichen wurde, aber ich schreibe es nochmals:
Was Sozialdarwinisten wie Sie nicht begreifen: der humane Mensch hat stärkere Raubtiere wie Löwen und Wölfe, mit ihren brutalen Selektionsmassnahmen längst hinter sich gelassen. Und im Vergleich zu früheren Generation ist es ganz objektiv betrachtet so: unsere Technologie ist besser, unser Wohlstand höher, wir leben gesünder, unsere Effizienz ist höher, die sportlichen Leistungen kaum mehr zu vergleichen…. nur ihre Lehrlinge werden immer schlechter.
Es steht also ihre subjektive Erfahrungswelt geben objektiv messbare Fortschritte in allen Bereichen.
Die Sozialdarwinisten beklagten schon immer den „Niedergang“ und die „Verweichlichung“ aufgrund humanistischer Werte.
Nur, wenn deren Stimmen die Überhand gewannen, gab es nur Krieg, Gewalt und Rückschritt in allen Ebenen (ausser vielleicht bei der Rüstungsindustrie).
Und Sie Diego, haben hier typisch sozialdarwinistisch geredet. „Auf ein Kind Rücksicht nehmen, das momentan vom Tempo überfordert ist, würde der ganzen Gesellschaft schaden.“
Da widerspreche ich, (nicht weil sie mein Kind als unwert bezeichnet haben, sondern) weil ich solche Denkweisen für äusserst gefährlich halte.
Humanes Handeln macht alle stärker, weil man dabei so unendlich viel mehr lernt, als wenn man wie bei den Tieren, die Schwächsten einfach liegen lässt.
@ Diego: „Das Resultat ist dass alle „Starken“ in der Klasse gelangweilt ihre Motivation verlieren.“ Das Konzept „stark-schwach“ erachte ich als überholt. Einerseits ist eine Schulklasse eine soziale Gemeinschaft, in der soziales Verhalten auch gelernt und geübt wird und andererseits eine Gruppe in dauerndem Ressourcenaustausch. Mit gut gestaltetem Unterricht hindern sich die Lernenden nicht, sondern profitieren voneinander. Als Lehrer an der Oberstufe mit Kontakt zur Berufswelt kann ich ihre Sicht nicht teilen, aber ich müsste wissen, in welchen Berufssegment Sie tätig sind/waren um mir ein Bild machen zu können.
Unsere Tochter geht seit diesem Schuljahr in Deutschland auf eine christliche Schule . Seither hat sie das Lernen für sich entdeckt und sie hat sich in allen (!) Fächern verbessert.
Der Grund ist einfach – die Lehrer dort geben den Kindern zu verstehen, dass sie sie mögen, egal was sie können, egal woher sie kommen. Sie bieten ihnen stets ein offenes Ohr für deren Sorgen und machen den Kindern klar, dass jedes einzelne von ihnen einzigartig ist – unabhängig von den Noten.
Und sollte es Schwierigkeiten in einzelnen Fächern geben, dann bieten Mitschüler Nachhilfe an.
Trotz aller Liebe, sind diese Lehrer strenger und konsequenter als an der alten Schule – aber die Kinder fühlen sich angenommen – es funktioniert!
Kann ich mir gut vorstellen. Schlechte Noten geben ist eben einfacher als sich hinzusetzen und ein Kind verstehen und fördern zu wollen.
Da gebe ich dir völlig recht Christel!
Ich habe eine Tochter mit einer LRS die in der Unterstufe extrem Mühe mit dem Schulstoff hatte. Als Folge zog sie sich zurück und wiederum machte sie zum Mobbing-Opfer par excellence.
Als sie in der Mittelstufe zu einer neue Lehrperson kam, welche sich ihr annahm, förderte, ihr Mut zusprach und Liebe entgegenbrachte war sie wie ein gekehrter Handschuh! Nicht nur hatte sie plötzlich viele Freundinnen auf dem Pausenplatz sondern auch gute bis sehr gute Noten! Als Familie halten wir es wie Regula Portillo: wir beachten nicht die Noten, sondern „wie ist sie zum Ergebnis“ gekommen. Wenn es eine schlechte Note gab – warum? Nicht geübt? Müde? Unkonzentriert oder Schulstoff nicht verstanden? Nicht die Note zählt sondern das „Warum“-auch bei guten Noten.
Einverstanden, Noten sind sehr unvollkommen. Das Problem wird aber mit Abschaffung der Noten nicht gelöst: das wahre Problem ist die fehlende Förderorientierung. Viele Lehrpersonen beurteilen Kinder immer noch nach 1. konformem, störungsfreien Verhalten in der Klasse und 2. Anzahl Abweichungen vom erwünschten Prüfungsresultat („Fehler“). Wir haben gerade ein Elterngespräch im Beisein des Kindes erlebt, bei dem aufgrund von einzelnen Beobachtungen weitreichende negative Bewertungen der Persönlichkeit vorgenommen wurden. Das Kind war entsprechend frustriert und demotiviert – von Förderorientierung in der Schule keine Spur. Auch Prüfungen werden einfach nach Fehlern beurteilt, selbst wenn die Aufgaben unklar gestellt sind usw. Noten sind nur ein kleiner Aspekt dieses Problems.
Ich kann die Begründung nachvollziehen, wenn er die drei Aufgaben richtig gelöst hat, kann er etwas. Auf der anderen Seite: Im Berufsleben muss man die Aufgaben auch innert nützlicher Frist lösen und kann sich nicht einfach eine Woche Zeit nehmen für einen Rapport. Ich kenne Menschen, die den Job verloren haben, weil sie zu langsam sind. Daher gehört das trainiert
Ich bin ganz Ihrer Meinung: Die Geschwindigkeit gehört trainiert (er hat ja auch noch Zeit, ist gerade mal in der 2. Klasse). Es ist aber etwas anderes, ob er weiss: Gut, Lesen und Verstehen kann ich, aber ich bin zu langsam und muss üben, schneller zu schreiben. Oder ob unter seiner Arbeit eine 3-4 steht (das bedeutet für ihn nämlich „in Lesen und Verstehen bin ich schlecht“.)
Das ist der Grund, warum ich jede Prüfung, die wir unterschreiben müssen, zu Hause mit den Söhnen noch einmal bespreche. Damit sie nicht nur die Note kennen, sondern auch wissen, was sie gut oder noch nicht so gut gemacht haben.
Das mache ich auch so. Nur deshalb ist mir aufgefallen, dass mein Sohn Dinge nicht abrufen konnte, die er eigentlich beherrscht – und seit er den Pamir aufsetzen darf, geht’s viel besser. Und: Es ist ein Unterschied, ob man die Prüfungsvorbereitung „vergessen“ hat und eine schlechte Note heimbringt oder ob man sich bemüht hat… Ohne zu Lernen eine Ungenügende einfangen heisst ganz einfach: Sich das nächste Mal ein bisschen dahinterklemmen bitte.
Wie sie damit umgehen sollen? Na, so wie wir älteren Semester seinerzeit damit umgegangen sind. Zusammenreissen und besser machen. Ich verstehe die Heutige Gesellschaft nicht mehr. Sind wir denn alle, welche mit diesem Schulsystem gross geworden sind, alle gestörte Versager geworden? Ich glaube nicht. Ich kann nicht ganz nachvollziehen, weshalb Schulkinder mit Samthandschuhen angefasst werden müssen. Damit sie sich als Schulabgänger plötzlich in einer Gesellschaft wieder finden, welche nach Leistung beurteilt? Damit sie dann umsomehr Probleme bekommen?
Nein nicht alle, aber mehr als notwendig. Die Geschichte ihrer Generation ist weniger ruhmreich als Sie meinen.
Offensichtlich haben Sie ein Problem mit „meiner“ Generation. Erzählen Sie doch Mal. Auch schade, dass Sie es bevorzugen anonym zu posten…
Ihre Generation? „Wir früher… bla, bla, bla … heute alles Weicheier bla, bla, bla“
Nur: unsere Grosseltern fabrizierten den zweiten Weltkrieg, danach noch Jahrzehnte Verdingkinder, Kindesmissbrauch wurde einfach nicht gesehen, ignoriert… – in den 80ern gab Jugendkrawalle und eine Drogenepidemie. Aber ständig schwadroniert man, dass die frühere Härte doch überhaupt kein Problem gewesen sei und „noch niemandem geschadet“ habe .
Selbstreflektion? Bei sehr vielen dieser Generation: Fehlanzeige.
Ich will mich nicht über meine Ahnen überheben. Ich wäre wohl auch nicht anders gewesen, wenn ich damals geboren wäre, aber ich erlaube es mir, dieser Selbstbeweihräucherung zu widersprechen.
@Reincarnation of XY: Ich stimme zu.
Ich weiss nicht wie alt Sie sind, Juan Garcia. Ich bin Mitte 50. Und ja, die Jungen heute wachsen anders auf als ich früher. Bei uns gab es keine Diskussionen um die Noten. Der Lehrer hatte sowieso Recht, auch wenn ich es als ungerecht empfand. War auch nicht alles so toll damals. Und manch einer hätte beruflich einen anderen Weg eingeschlagen, wenn es mehr individuelle Förderung gegeben hätte. Gab es aber nicht. Keine Zeit ist besser als die andere – weder die heute noch die früher. Es ist einfach anders.
Gerade Picasso wurde ja nicht unbedingt wegen seiner Mainstream-Bildern berühmt, daher ist die Aussage eh schon witzig.
Bei uns gibt es Noten erst ab der dritten Klasse und auch da nicht in allen Fächern (z. Bsp. im Zeichnen eben gerade nicht). Ich finde sie grundsätzlich nicht schlecht, würde mir aber im Allgemeinen gerne etwas mehr Transparenz wünschen. Diese suche ich aber teilweise selbst bei Tests mit Noten vergebens. Ein Kind darf doch wissen, wo es steht. Fragwürdig ist eher, ob es so viele ungenügende Noten braucht (mehr als genügende). Lernziel nicht erreicht, würde eigentlich reichen, es braucht nicht eine 2 oder 3 etc. Anhand den Punkten/Fehler sollte man ja sehen, viele es bräuchte, um genügend zu werden.
Ja, man könnte die Noten abschaffen. Oder man könnte seinen Kindern beibringen, dass man nicht immer überall der Beste sein kann, dass jeder Stärken und Schwächen hat, dass es ok ist, wenn einem mal was in die Hose geht und man es als Ansporn nehmen kann, sich zu verbessern, dass man trotzdem ein wertvoller Mensch ist, dass man sich selbst nicht immer so todernst nehmen soll usw. Was bereitet ein Kind wohl besser auf das Leben vor?
„Wenn einem mal etwas in die Hose geht“ ist das ja auch gar kein Problem. Wenn schlechte Noten oder der letzte Platz innerhalb des Klassenrankings aber die Regel sind, ist das für das Selbstbewusstsein und die Lernmotivation eines Zweitklässlers tatsächlich ein Problem.
Sie haben schon recht Frau Portillo, dass es für das Selbstbewusstsein eine Herausforderung sein kann, wenn man die sog. „rote Laterne“ der Klasse trägt. Und sei dies auch nur in einem Fach so. Glauben Sie, das ändert sich nur dadurch, dass die Noten abgeschafft werden? Die Schüler kennen den Laternenträger auch ohne Noten. Also schaffen wir die Prüfungen ab. Woher sollen Schüler, Eltern und Lehrer dann wissen, wo noch zu bearbeitende Probleme sind und wo die individuellen Stärken? – Ausserdem, wann sollen die Kinder denn bitte lernen, dass sie keine Übermenschen sind? In der Berufslehre? Also dann, wenn die Fallhöhe schon schmerzhaft hoch ist?
Ich habe es so verstanden, dass Ihr Sohn in Mathe und Sport dafür super sei. Dann muss man sich halt einfach damit abfinden, dass man in Deutsch weniger gut ist. Natürlich ist eine solche Sicht auf die Dinge als Erwachsener einfacher als für einen Zweitklässler, das gebe ich zu. Aber deshalb das ganze Schulsystem umkrempeln zu wollen, halte ich für den falschen Ansatz. Denn irgendwann müssen sie es ja lernen.
@Jane Doe: Ich bezog mich mit meinem vorherigen Kommentar nicht auf meinen Sohn. Solange es Schwächen UND Stärken gibt, sehe ich es auch weniger als Problem.
Bei einem Kind, dass in einem Fach die Fähigkeit hätte, eine gute Note zu schreiben, mag eine schlechte Note ein Ansporn sein zukünftig mehr zu lernen.
Für Kinder, denen im Fach die Begabung fehlt, sind die schlechten Noten Töter des Selbstbewusstseins und der Motivation: egal was ich mache, ich kriege eine schlechte Note, ich bin dumm, nichts wert, nutzlos. Ich wurde im Turnunterricht jahrelang vom Lehrer ausgelacht („ein Clown“), schlecht benotet, mit dem Ergebnis, dass ich den Sportunterricht gehasst und wo immer möglich gemieden habe. Psychologisch ist die Benoterei für viele Kinder eine Katastrophe.
Auch ohne Noten sind faire Rückmeldungen und Selektionen möglich, wie notenlose Schulsysteme beweisen. Auch aus notenlosen Schulsystemen gehen gute Handwerker und Akademiker hervor.
Im Sportunterricht werden vielfach keine korrekten Noten gesetzt, sondern (fast) alle werden irgendwie als gut bewertet, weil man die armen Kinder nicht demotivieren will.
Die grösste Erhebung zum Schulsport im deutschsprachigen Raum (Sprint Studie) hat dazu die betroffenen Schülerinnen und Schüler gefragt. Die fanden die Notengebung nicht gut. Insbesondere die schlechten Schüler, die doch genau wussten, dass sie nicht so gut waren…
Auslachen geht gar nicht, dafür motivieren und realistische Ziele setzen. Aber eine unverdiente gute Note hätte sicherlich nichts daran geändert, dass Sie mit Sport nicht viel anfangen konnten.
(1/2) Mir ging es in der Schulzeit mit dem Sportunterricht ähnlich wie Papperlapapi: ich habe ihn gehasst, und das massgeblich wegen der Benotung. Wobei das Benotungssystem schuld war, nicht die Benotung an sich. Ich war eine der Ältesten und gleichzeitig die Kleinste in der Klasse, für die Benotung wurden aber Vorgaben nach dem Durchschnitt eines Jahrgangs herangezogen. Dies führte dazu, dass ich z. B. beim Weitsprung weiter springen sollte als Jüngere, die einen ganzen Kopf grösser waren als ich. Das empfand ich schon als junges Kind als extrem ungerecht. Ausserdem war klar, dass ich auch mit grosser Anstrengung die Vorgabe für eine gute Note kaum würde erreichen können, was extrem demotivierend war. Hat auch dazu geführt, dass ich mich lange für total unsportlich hielt.
(2/2). Keine Ahnung, ob heute im Sportunterricht noch so benotet wird? Z. B. könnte ich mir gut vorstellen, dass die Benotung der Verbesserung der eigenen sportlichen Leistung gegenüber der Leistung zum Zeitpunkt X eine gerechtere und motivierendere Art der Bewertung sein könnte. Heute habe ich durchaus Freude an der Bewegung, habe das aber erst als Erwachsene herausgefunden. Ich nehme auch durchaus an Laufwettkämpfen teil, auch wenn ich weiss, dass ich nie vorne dabei sein werde. Ich nehme nur mich selbst und meine bisherigen Leistungen zum Massstab, ob ich einen Wettkampf als mehr oder weniger erfolgreich betrachte.
@Zimy: Die Bewertung im Sportunterricht wird auch unter Fachleuten ziemlich kontrovers diskutiert. Sollen Leistungen bewertet werden, vielleicht gar relativ zur Körpergrösse oder ähnlich? Geht es um den Einsatz? Den Fortschritt?
Für mich ist der Fall klar – Der Sportunterricht ist ein Schulfach wie andere auch und soll auch nach gleichen Kriterien bewertet werden.
Ich überlege gerade, ob ich eigentlich den Französischunterricht auch gehasst habe wegen der schlechten Noten, oder ob das vielleicht umgekehrt war? Auf jeden Fall habe ich deutlich mehr dafür gearbeitet, als ich plötzlich wirklich schlechte Noten (=ungenügend) hatte.
Persönlich bin ich überzeugt, dass schlechte Sportler sich mit etwas Training schnell verbessern könnten.
Aber sie trainieren halt nicht. Weil es nicht zählt.
Kurz: Die Idee, dass die Bewertung im Sportunterricht unfair sei, wenn sie sich einer Altersnorm anlehnt, ist etwas speziell, denn genau dies passiert in jedem Fach.
Und auch da gibt es Leute, die trotz Anstrengung nie auf einen grünen Zweig kommen, und andere, die überall Vorteile haben. Dort wird es akzeptiert. Warum?
Interessanterweise erhalten Sie heute an Wettkämpfen auch eine klare Rückmeldung in Form von Zeiten, Rängen, Rückmeldungen. Nur haben Sie offenbar gelernt, damit umzugehen, und sich auf persönliche Verbesserungen zu fokussieren. Eine Medaille erwarten Sie dafür aber nicht…
„Auch ohne Noten sind faire Rückmeldungen und Selektionen möglich.“
Was dann im Wesentlichen wieder einer Bewertung wie mit Noten gleichkommt.
Da sind wir einig: Motivieren und realistische Ziele setzen, dann turnen auch die Unbegabten lieber. Das Beispiel zeigt aber gut, das es in vielen Fächern gar keine Noten bräuchte.
Ich bewege mich heute übrigens sehr gerne und viel (Wandern, Skifahren, Schwimmen) und habe dies auch während der Schulzeit gemacht, nur eben nicht im Sportunterricht. Ich konnte also nicht mit Sport nichts anfangen, sondern mit Sportunterricht.
@Papperlapapi: Ich bin ein vehementer Verfechter von zählenden Noten auch im Sportunterricht. Natürlich vor allem im höheren Schulalter. Aus zwei Gründen: 1) führt das zu einer transparenten und fairen Bewertung (ja, leider sind die Sport unterrichtenden Lehrpersonen da nicht immer professionell). 2) sind sich die Schüler gewohnt, für die Noten zu üben und zu trainieren. Und sie können dem Lehrer auch gut mitteilen, dass ihr Fach ja nicht zählt, und deshalb kein Engagement erwartet werden kann…
Und die Antwort auf die erwartete Kritik vorweg: Natürlich sollten gute Lehrer die Schüler auch ohne Druck motivieren können. Aber: zaubern können sie auch nicht.
Unter einer fairen Rückmeldung verstehe ich eine inhaltliche, kriterienorientierte, sachliche und nachvollziehbare Rückmeldung, die hoffentlich formativ die weiteren Lernschritte einleitet und klare Aussagen machen kann zum Leistungsstand bezogen auf die Anforderungen weiterführender Ausbildungen. Ich finde, auch die Notengebung müsste diesen Ansprüchen genügen. Nötig ist sie keinesfalls, aber wer es mag…
@Emanuel Dettwyler: Insofern entspricht die Note dann vielleicht einer Zusammenfassung, einem Code. Für alles andere setze ich mich auch ein, was eben bedeutet, dass für alle klar sein soll, wie die Note entstanden ist.
Eine Note bedeutet aber auch einen klaren Positionsbezug. Ich erinnere mich an eine befreundete Mutter eines Drittklässlers, die sehr empört war über die schwache (4.5) Deutschnote ihres Sohnes. Weil die Lehrerin doch die Fortschritte im Elterngespräch so gelobt hatte, und den Sohn nun „im grünen Bereich“ sah.
Davor hatte er jahrelange Nachhilfen und Sprachtherapien erlebt…
Das Problem an notenlosen Bewertungen (und wie SP richtig sagt, kommen diese ja dann trotzdem zum Zug) sehe ich halt v.a. dass mehr „Willkür“ der Lehrpersonen besteht, da sie schlechter nachvollzogen werden können. Das kann bei manchen Lehrpersonen, vielleicht sogar bei den meisten, super funktionieren, weil sie in der Lage sind fair und unvoreingenommen eine Rückmeldung/Bewertung zu geben. Bei anderen wäre dies verheerend.
@Papperlappapi: dann war wohl eher ihr dämlicher Lehrer das Problem und nicht die Noten per se. Ich war während meiner gesamten Schulkarriere eine der Schwächsten in Französisch und mit viel Lernen gerade mal so genügend, wenn überhaupt. Meinen Eltern wäre nie in den Sinn gekommen, deshalb zu verlangen, dass man die Benotung abschafft. Und ich habe deshalb auch kein psychologisches Trauma erlitten.
Ich kann Sie auf abwerten und fertig machen ohne eine Note zu vergeben. Daran scheitert es kaum.
Das Problem ist vielmehr das, dass nicht alle Lehrer Kinder motivieren (können). Unabhängig von Noten.
Schlimmstes Erlebnis in der Schule (ich Jahrgang 1982): Auf die Tische stehen und wer zuerst das Mathe Resultat korrekt hatte durfte absitzen. Ich blieb meistens bis zum Schluss sitzen. Bei der Berufswahl sagte der Lehre ich kann nicht Elektroniker lernen da ich zu schlecht bin für diesen Beruf. So wurde ich Elektriker und nach BM und Studium bin ich erfolgreicher Projekt Engineer. In der Freizeit entwickle ich selber hochkomplexe Elektronikschaltungen mit Sensoren. Genauso Unsinnig sind Hausaufgaben. Man lernt schon den ganzen Tag und soll dann in der Freizeit noch büffeln? Das kommt einer Doppelbeschäftigung gleich für Arbeitnehmer. Bis zur Berufswahl macht die Schule mal eine Grundbasis. Man ist zu jung für die Berufswahl. Das kommt erst später. Daher macht die Kinder nicht verrückt!!!
Kommt mir sehr bekannt vor (Jg 81 😉 ). Mein Klassenlehrer in der Sek hat alles getan, um uns davon abzubringen, mich für die Gymiprüfung anzumelden (bis hin zu „zufälligem“ Verlieren der Anmeldeformulare und dem Spruch, dass Frauen keine solche Ausbildung benötigen). Er war der Ansicht, dass ich nicht für das Gymnasium und erst recht nicht zur Uni tauge. Ich habe mich durchgesetzt, als Einzige der Klasse die Gymi-Prüfung bestand, die Matur gemacht, die Uni abgeschlossen und stehe heute zwei Stufen über dem Uniabschluss.
Darf ich Sie, 13, ganz direkt fragen, woran das Ihrer Ansicht nach gelegen haben mag? Meist sind es ja nicht die Argumente, die man zu hören bekommt…
Für meinen Teil höre ich derartiges, gerade bei Kindern mit Migrationshintergrund, einfach etwas zu oft. Zumindest für meinen Geschmack.
@ MF
Woher soll ich das wissen? Ich komme aus einer Familie mit Migrationshintergrund, aber einer sehr bildungsnahen Akademikerfamilie. Für mich war es immer klar, dass ich den akademischen Weg einschlagen wollte, aber meine Motivation in der Schule selber war nicht allzu gross (da ich es nicht einsah, Sachen zu lernen, die ich eh nie brauchen werde). Ich machte einfach soviel, wie gerade nötig. Daher waren die Noten auch nicht überragend, weshalb der Lehrer es in Frage stellte. Das kann ich auch gut nachvollziehen. Das Argument „Frau“, aber auch „Ausländerin“ nicht. Das ist schlicht unprofessionell. Da meine Eltern (und ich) es mir zutrauten, beharrten wir darauf. Der Teil mit der verlorenen Anmeldung erklärte er mit einem Versehen, bei der Vorgeschichte zweifle ich etwas.
Ob das bei Familien mit Migrationshintergrund häufiger vorkommt, weiss ich nicht. Ich habe zwar in meiner Schullaufbahn einschlägige Erfahrungen mit Rassismus gemacht, aber bei dem Lehrer, bis auf diesen Spruch, eigentlich nicht. Was nicht heisst, dass es kein Grund sein kann. Für mich ist aber ein anderer Punkt für die Diskussion entscheidender: Es bringt nicht viel, bei Zweitklässlern zu schauen, was für die Berufswahl wichtig wäre („wird nie ein Picasso“). Es bringt auch nichts, bei 15jährigen zu entscheiden, ob sie zur Uni taugen. Das wird sich dann zeigen, wenn die Zeit da ist. Erstens entwickeln sich Kinder und Jugendliche noch. Und zweitens ist die Motivation ein starker Motor. Wenn man merkt, dass man etwas braucht, kann man es noch leicht lernen.
Unserer hat einfach alle Ausländer in die Real bzw. das niedrigste niveau geschickt wo es auch nur annähernd knapp war. Auch Schülerinnen die klar besser waren als ich.
Aber da konnten sich halt die Eltern nicht wehren… Ohne Noten wäre ihm das wohl noch wesentlich leichter gefallen.
Ich mag eine Ausnahme sein, aber selbst ein Kind mit doppelseitigem Migrationshintergrund, wurde ich im Schweizer Schulsystem nur gefördert. Es hiess, ‚sie wird durch Kanti und Studium rennen‘, und so war es auch. Ich kann mich wirklich nicht beklagen. Die Lehre hätten sie mir auch (noch so gerne) hinterhergeschmissen – das -ic ist offenbar nicht in allen Fällen diskriminierend. Verletzend waren eher Bemerkungen (seitens Mitschülern) wie: „Du bisch dä einzig normal Jugo wo ich kenne“. Aber manchmal muss man auch über solche Aussagen näher nachdenken.
PS, ein Unterschied zu 13 noch: ich stamme nicht aus einem Akademikerumfeld. Ich war die erste Akademikerin in der Familie. Dieser Weg ist also auch möglich in der Schweiz, aller (teils berechtigten) Kritik zum Trotz.
Der beste Weg, Diskriminierung zu reduzieren, sind bewertete und einsehbare Lernkontrollen und daraus sinnvoll abgeleitete Semesternoten. So läuft es auch in der Schule meiner Kinder.
Ich bin auch irritiert, dass der Lehrer die Kinder zum Gymnasium anmelden soll. Machen das nicht die Eltern? Oder was hat der Lehrer mit den Anmeldeformularen zu tun?
„Es bringt nicht viel, bei Zweitklässlern zu schauen, was für die Berufswahl wichtig wäre („wird nie ein Picasso“). „
Das meinte ich, 13. Erstens mal ist das in dem Alter ziemlich „gewagt“ und zweitens bringt es nichts. Klar, das Schweizer Schulsystem ist grundsätzlich und gerade auch im internationalen Vergleich ein durchlässiges, wo mehr oder weniger alle die Chancen haben, wie sie mila und 13 nutzten. Aber was Lala schildert, habe ich schon öfters gehört. An gewissen Orten schien das früher (70er und 80er Jahre) eher die Regel als die Ausnahme gewesen zu sein. Solche Schubladisierungen gehen natürlich auch besser in einem bildungsfernen Milieu wo oft niemand an das Potential der Kinder glaubt. Wenn das von der LP dann derart bestätigt wird, wer soll sich da noch wehren?
@ sp
Ich weiss nicht, wie es heute ist. Wir haben damals die Anmeldung ausgefüllt, dann dem Klassenlehrer abgegeben, dieser füllte noch seine Einschätzung aus (er konnte zwischen 0-3 Punkte verteilen, bei 3 ging man prüfungsfrei in den Gymer, bei weniger wurden sie an den Prüfungen angerechnet), gab sie dem Rektor und der schickte alle zusammen an das Gymnasium. Als die anderen ihr Aufgebot für die Prüfing erhalten haben (wir waren zu viert) ausser mir, riefen wir den Rektor an, der meinte, er hätte mich gar nicht auf der Liste, danach beim Klassenlehrer und der fand die Anmeldung dann in seiner Schublade. Die Prüfungskommission hatte aber Verständnis und lies mich trotz verspäteter Anmeldung zu.
@ mila
Bei uns war es v.a. Im Gymnasium ein Mathelehrer, der keine Gelegenheit ausliess, um einen rassistischen Spruch zu lancieren. Von willkürlicher Unterstellung des Drogenhandels (Italiener=Mafia) bis hin zu Sprüchen wie: „ja, auf dem Balkan herrscht Anarchie, aber hier nicht. Hier haben wir Regeln und gemäss diesen ist diese Aufgabe falsch!“ Teilweise sogar klassenübergreifend, also indem er etwas über jemanden sagte, der gar nicht anwesend war, da nicht in dieser Klasse. Die Spitze war wohl, als er in einer Klasse die Jungs dazu aufforderte, sich an zwei muslimische Schülerinnen (die 2 Klassen unter ihnen waren) ranzumachen und sie „mit ihrem Charme“ dazu zu bringen, das Kopftuch abzulegen….
@13
Das ist ja hanebüchen, was Sie (Stichwort Mathelehrer) da schildern. Zudem noch auf Gymistufe, was ja nicht gerade einem ’sozialen Brennpunkt‘ entsprechen dürfte, aber auch sonst in meinen Augen ein völlig inakzeptables Verhalten. Darf ich fragen, hat mal jemand etwas unternommen, oder zumindest das Gespräch gesucht? Sei es Schulleitung, andere Lehrer, oder auch Eltern?
@13: In Zürich zählen die Vornoten halb, dazu kommt die Prüfung. Zumindest für das Langzeitgymnasium. Beim Kurzzeitgymnasium mussten die Erfahrungsnoten in meinen Augen aus Dummheit abgeschafft werden.
Letztlich ist es immer wieder eine Diskussion über das Verhältnis von Erfahrungsnote (meist ein einziger Lehrer) und Prüfungserfolg. Hat halt beides seine Vor- und Nachteile.
Aber auf jeden Fall sind es die Eltern, die ihre Kinder fürs Gymnasium anmelden. Aber auch die müssen es natürlich erst einmal machen…
@13: Vereinzelte schlechte Lehrer gibt es überall, und am Gymnasium kommen Sie allenfalls sogar häufiger vor als in unteren Schulstufen.
Wir hatten auch so einen, sogar als Klassenlehrer. Aber es war der ganzen Klasse immer klar, dass er das Problem darstellte, und nicht wir.
@ M.F.
Nicht dass ich wüsste. Ich habe es lange bereut, da nie etwas angerissen zu haben. Er wurde gleich nach unserer Matur pensioniert, sonst hätte ich im Nachhinein noch gehandelt und den Rektor angeschrieben. Dadurch dass er Mathematik unterrichtete, hat sich seine Haltung auch nicht direkt auf die Prüfungen niederschlagen können (da gibt es einfach richtig oder falsch) und damit haben wir ihn nie wirklich ernst genommen. Was er je nachdem damit ausrichten konnte, habe ich erst später begriffen.
@ Sp
Ja, immer wieder eine spannende Frage. Ich war der „Prüfungstyp“, also lieber einige Monate Vollgas geben, als stets mehr machen als das Minimum. Aber ich fände es eigentlich gut, wenn der Zugang verschiedenen Lerntypen offenstehen würde.
@ SP
„Aber auf jeden Fall sind es die Eltern, die ihre Kinder fürs Gymnasium anmelden. Aber auch die müssen es natürlich erst einmal machen…“
Was wollen Sie damit sagen?
@13: Es ist nicht nur der Lehrer, der vielleicht wegen seiner Vorurteile ein Potential nicht richtig einschätzt.
Ich gehe davon aus, dass die eigenen Eltern/Familien in bildungsfernen Schichten (oder wie immer man dem hier sagen soll) keineswegs besser entscheiden. Und eben, vielleicht ein Gymnasium gar nicht als Option sehen (gerade auch bei Mädchen).
Eigentlich erwartet ich eher, dass die Lehrerinnen und Lehrer das Potential erkennen und sich bei Eltern dafür einsetzen, dass ein Kind eine höhere Schule besuchen darf.
@13: Vereinzelte I…-Lehrer gab es zu meinen Zeiten, und gibt es noch heute. Ob es nun um Rassismus oder Chauvinismus geht. Oder andere Störungen (gerade von der Uni könnte ich noch ein Liedchen davon singen…). Richtig ist, dass das System in solchen Fällen teils versagt. Aber sytematischen Rassismus oder Chauvinismus habe ich nicht erlebt. Sicherlich jedoch, dass Schweizer Eltern (und Akademiker im Besonderen) von schlechten Schülern mehr darum kämpften, dass ihr Kind in die Sek kommt (oder durchschnittliche Schüler ins Gymi). Ich sehe hierin jedoch nicht primär ein Problem der Schule. Tatsache ist, dass Kinder aus bestimmten gesellschaftlichen Segmenten durchs Band mehr Unterstützung und Förderung seitens Elternhaus erhalten. Ein ‚unfairer‘ Vorteil, aber wie könnte ihn die Schule
‚ausgleichen‘? Ich bin mir sicher, dass die allermeisten Lehrpersonen ihr Bestes geben, aber ein anregendes (Erfahrungs-)Umfeld von Geburt an, Freude am Lernen etc., können sie nur begrenzt vermitteln. Vorschulische Angebote könnten hier vielleicht stärker greifen. Für manche Kinder kommt der ‚Input‘ bei Kindergarten-/Schuleintritt bereits zu spät.
@ Sp
Ach ok, ich habe Sie falsch verstanden. Ich gebe Ihnen grundsätzlich recht, dass der Lehrer seine Einschätzung geben muss und auch die Aufgabe hat, die Eltern zu informieren, welche Wege möglich sind. Gerade wer im Ausland zur Schule ging, ist mit unserem System ja nicht unbedingt vertraut und es sind auch nicht alle in der Lage, diese Informationen selber einzuholen. Allerdings ist es auch Aufgabe der Schule zu akzeptieren, wenn sich die Familie (Kind und Eltern) anders entscheidet, als empfohlen wird. Und gerade die Motivation darf nicht unterschätzt werden. Auch ein 6er-Schüler, der keine Lust aufs Gymi hat, ist da schlicht falsch. gleich wie andere mit einem Ziel vor Augen über sich hinauswachsen können.
@ mila
Ich bin durchaus der Meinung, dass die sogenannte soziale Schicht (auch wenn der Ausdruck fragwürdig ist) wichtiger ist als die Herkunft an sich. Gerade z. Bsp. Kinder von Expats haben ja oftmals deutlich bessere Chancen als viele Schweizer Kinder. Und leider ist es wirklich kaum möglich, diese Chancenungleichheit auszugleichen, höchstens teilweise dadurch dass das Lernen wirklich in der Schule verbleibt und wenig über Hausaufgaben erledigt wird. Aber schwierig.
Trotzdem würde ich nicht soweit gehen zu behaupten, es gäbe keinen systematischen Rassismus und Sexismus (gegen beide Geschlechter!) in der Schule. Den gibt es durchaus, manchmal mehr, manchmal weniger, auch je nach Position desjenigen, der ihn fördert.
@13: „Mein Klassenlehrer in der Sek hat alles getan, um uns davon abzubringen, mich für die Gymiprüfung anzumelden.“
Meine Aussage war, dass es auch die Eltern sein können, die ein Kind nicht ermutigen oder es gar einfach nicht anmelden. Nicht nur der Lehrer.
@ SP
Da haben Sie recht. War bei mir nicht der Fall, aber gibt es durchaus. Das Problem dabei ist sogar: den Klassenlehrer ist man nach der Schule los, die Eltern nicht. Und sich da durchzusetzen und trotz ihrem Widerstand ins Gymnasium zu gehen, ist oftmals sehr schwierig, da hatte ich mehrere Freunde, die damit kämpften (auch später an der Uni). Bei einem führte es zu totalem Beziehungsabbruch mit 18 Jahren, übrigens Ur-Schweizer. Ich kann das nicht nachvollziehen. Eigentlich sollte es doch normal sein, sein Kind zu bestärken auf dem Weg, den es gehen will, solange dieser irgendwann in die Selbständigkeit führt, selbst dann wenn man sich etwas anderes gewünscht hätte (macht ein Kind nach der Schule einfach nichts oder kriminelle Geschäfte oder so, sieht es natürlich anders aus).
13, die Aversion gegen Akademiker und (entsprechend) alles Akademische ist in gewissen Büezer-Kreisen (nicht allen!) so stark, dass man die eigenen Kinder dort nicht sehen will. Ebenso gibt es bildungsferne Milieus, wo die Kinder nach allen Möglichkeiten unterstützt werden, sofern sie akademisches Potential zeigen. Verallgemeinerungen sind daher nicht angebracht, selbst wenn vereinzelte Tendenzen nicht von der Hand zu weisen sind. Ebenso ist es mit der Diskrimierung: diese hat partiell stattgefunden, und findet vermutlich vereinzelt immer noch statt. Aber meine Erfahrung in der Schweiz ist, das gewillte Secondas und Secondos noch immer einen Weg gefunden haben, um ihre Ziele/Träume zu verwirklichen. Und andere fanden/finden Entschuldigungen. Unterm Strich zählt das für mich.
Ich würde daher auch nicht sehen, dass Kinder mit Migrationshintergrund es grundsätzlich schwerer hatten/hätten, als Schweizer Kinder aus sozial schwachen Familien. Der gemeinsame benachteiligende Haupt-Faktor ist, da haben Sie mE sehr recht, der soziale.
@ mila
Ich hoffe, mein Kommentar wurde nicht als Pauschalisierung von bildungsfernen Haushalten verstanden, das war ganz sicher nicht meine Absicht. Es gibt sehr viele, die ihr möglichstes tun, die Kinder trotzdem zu unterstützen.
Beim Rest bin ich nicht ganz einverstanden. Nur weil es viele trotz Diskriminierung schaffen, bedeutet das ja nicht, dass keine stattfindet. Und nur weil ein Faktor (der Soziale) höher wiegt, bedeutet das nicht, dass der andere (Herkunft/Name/Hautfarbe) keinen Einfluss hat. Ich bin davon überzeugt, dass eine Person mit Migrationshintergrund es verglichen mit einem Ur-Schweizer (und dem gleichen sozialen Hintergrund!) schwerer hat. Ich habe es erlebt und erlebe es noch. Aber eben, das heisst nicht, dass man es nicht schaffen kann.
Sehen Sie, da ist meine Erfahrung doch eine andere. Ich hatte äusserst selten den Eindruck, es in einer bestimmten Situation schwerer zu haben als ein Urschweizer (zumal man mir den Unterschied weder speziell ansieht, noch im Verhalten/Auftreten anmerkt, noch anhört – das ist sicherlich ein Faktor). Eher noch kam der Geschlechtsfaktor ins Spiel.
Und folgendes möchte ich ebenfalls zu bedenken geben: es gibt noch einen offensichtlichen Diskriminierungsfaktor, der ebenfalls (stark) ins Gewicht schlägt und oftmals unerwähnt bleibt: Schönheit, respektive gutes Aussehen. Ähnlich verhält es sich mit dem Alter. Ich plädiere keineswegs dafür, Diskrimierung klein zu reden. Aber doch im Fokus zu behalten, dass das Thema sehr viel komplexer ist, und oft nicht auf einen einzelnen Aspekt zu reduzieren.
Die Noten spielen keine Rolle, sondern der Umgang der Erwachsenen mit den Kindern im Bezug auf die Bewertung ihrer Leistung. Ob dies ein Kleber, ein Smiley oder eine 5 ist: Kinder werden immer und überall bewertet und verglichen. Wenn nicht von den Eltern, dann von anderen Leuten. Sogar wenn sie im Kindergarten ein Wettrennen machem, werden sie unter sich bewertet. Die Kinder müssen einfach lernen, damit umzugehen. Da erübrigt sich dann auch die Diskussion über Noten oder mündliche Kritik.
Ihr Vergleich zeigt das Notenmissverständnis deutlich. Da ist einmal der Gedanke, Kinder sollten möglichst früh für die dauernd wertende Gesellschaft gestählt werden. Wenn Sie meinen, Kinder müssten die latente Ungerechtigkeit, mit der Leistung in unserer Gesellschaft belohnt wird, aushalten lernen, dann ist das Notensystem der beste Erzieher. Wenn Kinder aber spontan und gesund Wettrennen machen, tun sie das nicht für Noten oder andere Belohnungen, sondern freuen sich an der Leistung selbst und lernen so auch mit Niederlagen umzugehen. Das Notensystem ist ein von Erwachsenen eingeführtes Erziehungssystem, das zwar praktisch, aber schwach legitimiert ist. Vielmehr müssten Jugendliche lernen ihre Leistungsfähigkeit mittels Fremd- und Selbstbeurteilung realistisch einzuschätzen.
Eltern haben ja meist nicht ein Problem mit Bewertungen und Noten. Sondern mit schlechten Bewertungen und Noten…
Kinder, die sich einen Wettkampf liefern, wollen wissen wer der Schnellste ist. Und natürlich sind sie überglücklich, wenn es dafür noch eine Belohnung gibt, z.B. in Form einer Medaille.
Worin die „latente Ungerechtigkeit“ besteht, kann ich nicht nachvollziehen. Ich sehe vor allem das Problem, dass Leistung in unserer Gesellschaft schlecht bewertet werden kann. Aber das haben Sie wohl kaum gemeint…
Ebensowenig sehe ich die „schwache Legitimation“ von Noten. Die sind in mehrfacher Hinsicht sehr legitim.
Dazu gibt es kiloweise Fachliteratur. Klassische Verzerrer sollten eigentlich Pflicht in der Ausbildung sein. Möglicherweise ist der Sport und speziell Sie als LP davor gefeit. Googeln Sie beispielsweise: „Winfried Kronig, Die systematische Zufälligkeit des Bildungserfolgs, 2007“
Sicher sind Noten gesellschaftlich und politisch legitimiert, wenn auch immer wieder umstritten. Hingegen wissenschaftlich und pädagogisch kaum.
@Emanuel Dettwiler: Ich habe das nun auch soweit verfügbar nachgelesen, in einem Artikel in der WOZ Nr. 38/2015 vom 17.09.2015.
Dass die Bewertung von Aufsätzen etc. schwierig ist, geschenkt. Obwohl es kluge Schüler durchaus schaffen, die Kritierien des Deutschlehrers möglichst optimal zu erfüllen.
Den „Referenzgruppenfehler“ habe ich schon angesprochen, dieses ständige Einmitten um 4.5. Das ist bekannt und könnte nur mit mehr Vergleichtests, klassenübergreifend, kantonal, national, analog zu Stellwerk, gelöst werden. Aber die gleichen Leute, die gegen Noten sind, sind meist noch viel mehr gegen solche Standardisierungen.
Bleibt noch die Erfahrung der Lehrperson und die Hoffnung, dass sie sich getraut, in einer schlechten Klasse auch mal einen schlechten Schnitt zuzulassen.
Weiter: „Nur wenige Kilometer Distanz können aus einem Real- einen Sekundarschüler und aus einer Sonderklassen- eine Regelklassenschülerin machen.“
Stimmt. Weil man in einem föderalistischen System damit leben muss, dass die Kantone zu grossen Teilen selber entscheiden, welche Quoten sie als Zielvorgaben geben. Ziehen Sie von Kreuzlingen nach Konstanz, wird wohlmöglich aus dem Sek-B-Schüler gar ein Gymnasiast…
Aber immerhin: „Keine Willkür.
Noten werden nicht nach jeweiligem Gutdünken der Lehrperson und schon gar nicht nach persönlicher Sympathie für einen Schüler oder eine Schülerin verteilt. Untersuchungen belegen immer wieder einen Zusammenhang zwischen Noten und der gemessenen Schulleistung, auch wenn dieser zumeist viel lockerer ausfällt, als man es sich wünschen würde.“
Das Wesentliche aber: Bei diesen Fehlern und Problemen geht es gar nicht um Noten: „Das eigentlich Tragische an ihnen ist aber, dass sie bei jeglicher Form der Leistungsbeurteilung wirksam werden können. Pädagogische Kosmetik – also das Ersetzen von Noten durch Kreuzchen, durch Buchstaben oder durch Worte – bietet keinen wirksamen Schutz vor diesen Effekten. Selbst oder gerade bei Lernberichten können sie einen oftmals nicht wahrgenommenen Einfluss ausüben.“
Klar: Keine Leistungsbewertung ohne Bezugsnorm. Nicht einmal die Beschränkung auf die Beschreibung individueller Lernfortschritte ohne jegliche Vergleiche mit anderen hilft weiter. Denn dann wüsste man nicht einmal, ob das Kind in der Schule mehr oder weniger lernt, als es ungeschult gelernt hätte.
Wie Kronig zu recht schreibt, ist es wichtig, dass Lehrpersonen und überhaupt verantwortliche Personen Bescheid wissen über alle möglichen Verzerrungen. Wobei vermutlich das grössere Problem nicht die falsche Bewertung, sondern die nicht dem Potential entsprechende Förderung ist, die zum Beispiel ein begabter Schüler in einer schlechten Schulklasse erhält.
Das Problem ist aber, dass zumindest in diesem Aufsatz Kronig keine sinnvolle Alternative aufzeigt. Denn eben – nationale Prüfungen alle drei Jahre als objektive Lernstandserhebungen möchte er sicherlich nicht vorschlagen…
„Wie Kronig zu recht schreibt, ist es wichtig, dass Lehrpersonen und überhaupt verantwortliche Personen Bescheid wissen über alle möglichen Verzerrungen.“
Da bin ich mit Ihnen voll und ganz einig.
„Den „Referenzgruppenfehler“ habe ich schon angesprochen, dieses ständige Einmitten um 4.5. Das ist bekannt und könnte nur mit mehr Vergleichtests, klassenübergreifend, kantonal, national, analog zu Stellwerk, gelöst werden.“
Ich ziehe Stellwerk in die Leistungsbilanz mit ein. Uferlose Testerei bringt den Beteiligten auch nichts.
Vielleicht muss man Kindern auch einfach mal lernen, dass sie auch mit einer 2 in einem Diktat etwas Wert sind und Enttäuschungen zum Leben gehören. Darf man dann in der Turnstunde auch keinen Wettlauf mehr machen? Auch dort wird einer der schnellste und jemdand am langsamsten sein. Stärken sind nun mal verschieden verteilt. Meines errachtens sollte man genau dort ansetzen und Kindern vermitteln, dass jeder Talente hat und an gewissen Orten eben mehr Arbeit investieren muss um mithalten zu können.
Auch im Sportunterricht sind Wettkämpfe teilweise verpönt… Und realistische Noten sowieso selten.
Oft ist es so, dass schwächere Schüler in mehreren Fächern schlechte Noten erzielen (ein Kind, das z.B. Mühe hat mit Schreiben, wird in kaum einem Fach auftrumpfen können, da Schreiben zu jedem Test dazu gehört).
Da können Sie diesem Zweitklässler noch lange erklären, dass Stärken und Schwächen nun mal unterschiedlich verteilt sind. An ihm bleibt doch hängen, dass er insgesamt ein schlechter Schüler ist (obwohl er z.B. eben nur Mühe hat mit Schreiben). Das ist für seine Lernentwicklung und Motivation nicht förderlich.
@Regula Portillo: Das könnte man nur vermeiden, wenn man jegliche Rückmeldung zu Lernleistungen verhindern würde.
Ich glaube nicht, dass viele Eltern daran Freude hätten. Denn es nimmt auch ihnen die Chance, ihrem Kind zusätzliche Unterstützung zu geben, sofern möglich.
Ansonsten wissen die Kinder doch auch ohne Noten sehr genau, wer in welchem Fach gut ist, und wer immer etwas länger braucht oder gar nichts versteht.
Die grosse Frage ist doch, wie man mit Kindern im Schulumfeld umgeht, die schulisch nicht so stark sind. Sie gezielt fördern ist sicherlich richtig. Aber auch das geht ja nur, wenn man erst mal die Probleme auf den Tisch legt.
Geschätzte Frau Portillo
Sie haben es erfasst. Seit die Schule sich – wie von Gesellschaft und Politik gewünscht – immer mehr den Bedürfnissen der Mädchen angepasst hat, fallen naturgemäss die Buben – weil weniger sprachbegabt und mehr bewegungsbedürftig – durchs Raster. Sie werden dann irgendwann „verhaltensoriginell“, obwohl sie sich völlig normal verhalten und dann irgendwann halt Sek C Schüler bei völlig normaler Begabung. Wie gesagt. Dieser Prozess ist gesellschaftlich und politisch offensichtlich gewünscht und kein „Verdienst“ der Schule. Dafür dürfen wir uns dann freuen, dass die Zahl der Maturandinnen und Studentinnen immer grösser wird. Ausserdem dürfen wir staunen, warum so viele Frauen dann keine Karriere im Beruf mehr machen.
Wie sollen denn die Schüler objektiv beurteilt werden wenn nicht durch Noten? Ihre Beispiele in Ehren, aber später im Berufsleben nützt es leider nichts, die gestellten Aufgaben korrekt zu lösen, wenn man dazu ein halbes Jahr benötigt.
Für mich waren damals die schlechten Noten Ansporn mehr in diese Fächer zu investieren. Den „Wettbewerb“ mit den Kameraden fand ich herausfordernd und keineswegs frustrierend.
Klar gab es immer einige Ungenügende, manch einer musste dann halt eine Klasse wiederholen. Aber auch aus denen sind selbstbewusste Erwachsene geworden! Es können nicht alle Akademiker werden, eine funktionierende Gesellschaft und Wirtschaft braucht unterschiedliche Bildungsgrade!
Einzelkind, bekommen Sie in Ihrer jetzigen Anstellung Noten? Kennen Sie die dafür gültigen Kriterien? Sind die Fremdeinschätzungen ihrer Vorgesetzten immer objektiv? Werden Sie oder andere in Ihrem Betrieb aufgrund nicht deklarierter Wertmassstäbe bevorzugt? Steigt Ihr Lohn bei einer besseren Leistung unmittelbar? Gibt es Mitarbeitergespräche und Zielvereinbarungen? Wird Ihre Leistung in Form einer Note ausgedrückt? Würden Sie sich das zwecks grösserer Objektivität wünschen?
Man könnte auch die schlechten Schüler fürs Mitmachen als „finisher“ loben, aber in unsere Wettbewerbs-Gesellschaft ist finisher ein Euphemismus für Verlierer. Eine 2 ist besser als nur dabei gewesen zu sein.
Hm. Gehen die Kinder nicht in Deutschland zur Schule mit einem ganz anderen Notenmassstab?
Davon abgesehen sind die Noten nicht mehr und nicht weniger als ein Feedback für die abgelieferten Leistungen. Bei unseren Kindern kommt dieses teilweise in Form von Gesichtern daher, was meiner Meinung nach keinen grossen Unterschied macht.
Welche Bedeutung die aktuellen Noten/Leistungen auf die Zukunft haben, ist eine andere Sache. Aber ein Fingerzeig ist es sicherlich.
Was bringt es denn, auf solche Rückmeldungen zu verzichten, nur um sich länger in falschen Hoffnungen zu wiegen?
Ausserdem habe ich den Eindruck, dass solche Klagen über vermeintlich unkorrekte/unsinnige Noten meistens von Eltern kommen, deren Kinder nicht nur gute Noten haben. Wird da der Überbringer der Botschaft geköpft?
ich habe ein kind, das sehr gute noten bringt und ich fände, es gäbe nichts besseres, als wenn man die noten abschaffen würde- nicht nur in der unterstufe, überall.
das sage ich als mutter und als oberstufenlehrerin.
all die gründe aufzuzählen- das ist mir jetzt grad zu streng und würde zu lange dauern. wir geniessen grad ferien ohne dass jemand bewertet wird. wie schön!
Passen Sie nur auf, dass Sie Ihr Kind nicht in den Skiunterricht schicken….
Ansonsten würden mich die vielen Gründe sehr interessieren.
genau mene meinung!
„Passen Sie nur auf, dass Sie Ihr Kind nicht in den Skiunterricht schicken….“
Ist mir auch durch den Kopf gegangen, SP. 🙂
Aber man kann sich nach dem Skirennen immer noch bei der Skischule beschweren, weil „mein Kind nicht auf dem Podest steht und deswegen total traurig ist“. 😉
@Martin Frey: Noch schlimmer ist es ja, wenn dann die nächste Teststufe verweigert wird…
Im Text sind die Noten bereits dem Schweizer System angepasst: Höchstnote ist eine 6, genügend ist eine 4 und am unteren Ende der Skala dann die 1. / gb
Danke. Ist ja nur ein Nebenaspekt, aber die Umrechnung ist eben nicht so einfach. Weil das ebenfalls lineare deutsche System nicht so viele ungenügende Noten kennt wie das schweizerische.
Warum kennt das deutsche System nicht so viele ungenügende Noten? Ich erlebe es eher umgekehrt. Dass es im Schweizer System zwar die 1 und die 2 gibt, diese Noten aber kaum vergeben werden. In meiner deutschen Schulkarriere hatte ich so diverse 4er (=3), 5er (=2) und 6er (=1) im Zeugnis.
@K. Miller: In Deutschland ist die Note 4 genügend, wie bei uns. Es gibt also 1-4 für genügende Leistungen und 5/6 für ungenügend. Bei uns ist dieses Verhältnis umgekehrt. Gut, dass nicht immer das volle Notenspektrum ausgenutzt wird…
Googeln Noten Deutschland Schweiz, da gibt es viele Umrechungstabellen.
Der Mensch will sich doch naturgemäss verbessern und nach vorne schreiten. Der 2er ist für das „normale“ Kind doch Ansporn das nächste mal einen 3er, 4er u.s.w. zu schreiben! Noten sind zugleich Positionierung und Triebfeder! Für den Besten (auch nötig!) natürlich eine Bestätigung seiner Leistung. Ihr Kuschelkurs „wirhabenunsallelieb“ erzeugt eine Horde Lebensunfähiger Weichlinge.
Sie sind vermutlich eine Befürworterin das man den Kindern bei sportlichen Prüfungen auch dem 25sten und letzten noch einen Pokal gibt? Wie „stolz“ muss da der erste auf seinen sein?!
Ich bezweifle, dass ein Zweitklässler eine 2 als Ansporn verstehen kann, das nächste Mal eine bessere Note zu schreiben. Gegen das aktuelle Notensystem zu sein, hat meines Erachtens nichts mit Kuschelkurs zu tun. Ich bin nicht dagegen, dass Leistungen bewertet werden; doch in der Primarschule soll es darum gehen, die Lust und Freude am Lernen so lange wie möglich aufrecht zu erhalten (auch bei schwächeren Schülern).
Hm. Mein damaliger Drittklässler hat in Schönschreiben eine 3.5 (ungenügend) erhalten. Ab da hat er sich Mühe gegeben und die Note auf 4.5 gesteigert. Doch doch, das kann schon wirken.
Nein, für den in diesem Fach Unbegabten ist es ein weiterer Beweis, dass er zu dumm ist und trotz Anstrengung nichts auf die Reihe kriegt.
Für den sehr Guten ist es die Bestätigung, dass er auch ohne Lernen Klassenbester ist, dass es also keinen Lernaufwand braucht. Die Gefahr ist gross, dass er an der Uni dann ansteht.
Schafft es der Lehrer, die intrinsische Motivation wach zu halten, nicht zu zerstören, lernen beide motiviert ihren Begabungen entsprechend und schaffen es das Beste aus ihrer Begabung herauszuholen. Voraussetzung: Individualisierung der Aufgaben, so dass beide sich anstrengen müssen, beide aber auch die Aufgabe lösen können und so beide ein Erfolgserlebnis haben.
Das geht schwer mit unserem antiquierten Notensystem.
Individualisierung der Aufgaben ist letztlich nichts anderes als eine Rückmeldung zum Leistungsstand, vergleichbar mit Noten.
Papperlapapi
Sie unterliegen dem Irrtum „Begabung ist alles“. Begabung bringt sie nur ein bisschen weiter als die anderen. Zur Spitze bringt sie nur üben, üben und nochmals üben und üben!
Das Problem das der Klassenbeste seine Motivation verliert hat einen ganz anderen Grund. Er wird nicht gefordert und komplett alleine gelassen weil man heute alles in die Förderung der schwächsten investiert. Ja, ist auch gemütlicher mit den Schülern ein bisschen im Wald spazieren gehen statt Mathe zu büffeln.
Wenn ein Kind nicht minderintelligent ist, kann es mit Fleiss anständige Noten erreichen. Ich kenne Leute die kaum als überdurchschnittlich intelligent durchgehen würden die ein Studium erfolgreich absolviert haben.
„Obwohl wir den Noten zu Hause möglichst wenig Beachtung schenken, sind sie regelmässig Thema.“
Das trägt auf jeden Fall dazu bei, dass sich die schulischen Leistungen verbessern.
Ja, es ist einfach unerträglich, dass man im Leben immer wieder gewinnt und verliert, man überall Stärken und Schwächen hat. Und das wird auch in 100’000 Jahren noch so sein, ganz egal ob Helikoptereltern ihre ach so einzigartigen Junioren von sämtlichen Leiden und Enttäuschungen dieser Welt fernhalten wollen (was vollständiger Unfug ist).
Darum geht es doch gar nicht. Die Frage ist doch, ob Noten das richtige Mittel sind, um Primarschüler zum Lernen zu motivieren und ihnen die Freude an möglichst vielen Fächern zu erhalten.
„Die Frage ist doch, ob Noten das richtige Mittel sind, um Primarschüler zum Lernen zu motivieren und ihnen die Freude an möglichst vielen Fächern zu erhalten.“
Das ist doch keineswegs die (Haupt-) Funktion von Noten. Die Motivation zum Lernen sollte doch in den Schülerinnen und Schülern vorhanden sein und durch spannenden Unterricht noch verstärkt werden.
Die Noten als Killer der Motivation.
Aber eine willkommene Ausrede für Lehrer die damit überfordert sind.
Es gibt und gab sehr strenge Lehrer, bei denen waren die Schüler motiviert und lernten. Und bei anderen nicht.
Auch ohne Noten liegt es am Lehrer. Die Noten sind nur ein Werkzeug.
Es ist aber auch eine Ausrede, wenn man die Noten als Motivationskiller sieht, und nicht etwa die ungenügenden Leistungen, die zur Note geführt haben.
Jeder hat Stärken und Schwächen: korrekt.
Ständiges Gewinnen und Verlieren ist nicht notwendig, wenn man nicht aus allem (z.B. der Schule) einen Wettbewerb macht.
Leiden und Enttäuschung gibt’s auch dann noch genug auf der Welt, da brauchen sie sich nicht zu sorgen.
@Sportpapi: Die Motivation zum Lernen (die in den Schülerinnen und Schülern vorhanden sein sollte) kann aber sehr schnell abhanden kommen, wenn die Noten regelmässig schlecht ausfallen.
@Regula Portillo: Ich gebe zu, das kann passieren. Ebenso wie gute Noten motivieren können (was ja auch wegfällt ohne Noten).
Es kann aber auch sein, dass schlechte Noten eine Folge von geringer intrinsischer Lernmotivation ist.
Natürlich sind Schulnoten und das ganze Schulsystem absoluter Nonsens vor allem in unteren Semester und es werden damit die besten Potentiale (sprich Menschen) vernichtet – meist sind es die Sensiblen und wertvollen Personen die draufgehen.
Leider ist unsere Gesellschaft kreuzfalsch aufgebaut, so dass die Perfiden sogenannt Intelligenten, Korrupten, Manager und Banker die Oberhand gewinnen. Gute Nacht Schweiz wenn wir den Systemfehler nicht erkennen wollen.
Ahja…
Leute mit guten Noten werden also alle zu bösen Raubtierkapitalisten während Leute mit schlechten Noten theoretisch die grössten Wohltäter überhaupt würden.
Geht es noch ein bisschen simplistischer?
Noten können Kindern schaden, Sie können Sie aber auch schützen – Am Ende ists der Lehrer und das Elternhaus.
Woher der glauben kommt, dass Schüler untereinander nicht sowieso wissen würden, wer in welchem Fach wie gut ist, scheint mir zudem ausserordentlich naiv. Das letzte was Schüler zum „Mobben“ brauchen, sind die vom Lehrer verteilten Noten…
…. wie schön wärs, wenn ich ohne Noten unterrichten könnte!
An den Steiner-/Waldorfschulen gibt es, genau aus diesen Gründen, seit 1919 keine Noten in der Unterstufe.
Schade, dass sie in der Schweiz immer noch als „Tubelischuel“ angesehen werden, wo man es nett hat, aber nichts lernt – vielleicht wegen solcher äusserlicher Details und in Ermangelung direkter Wahrnehmung ?
Vielleicht weil Singen und Klatschen im Berufsleben weniger gefragt sind als sich akribisch und termingerecht auf eine oder mehrere Aufgaben zu konzentrieren?
So weit ich weiss, schneiden besagte Schulen sehr gut ab, im interschulischen Vergleich. Schon die alten Griechen wussten, dass zB zwischen Musik und Mathematik ein ,fruchtbarer‘ Zusammenhang besteht. Insofern könnte das viele Musizieren von (mehr) Vorteil sein, als man gemeinhin denkt.
„So weit ich weiss, schneiden besagte Schulen sehr gut ab, im interschulischen Vergleich.“
Wie bei den Montessori-Schulen auch, stellt sich dabei aber die Frage nach einem Selektionsbias. Oder anders gesagt, nicht alle Menschen haben Zugang zu, oder können sich eine solche Schule leisten. Und dementsprechend präsentieren sich auch die „nebenschulichen“ Probleme, um die man sich seitens Schule auch noch kümmern muss. Oder eben nicht.
Auch hier: vielleicht hilft das viele Musizieren…? Es besteht ein markanter Zusammenhang zwischen (kindlichem) Singen und Zufriedenheit. Aber ja, Sie haben recht: Privatschulen haben mit gewissen Problemstellungen sicher weniger zu kämpfen.
Ich möchte die Bedeutung der musischen Fächer keinesfalls schmälern, mila. Aber es ist in meinen Augen ein Witz, hier von gleich langen Spiessen zu sprechen, wie es die Verfechter dieser Schulen gerne tun. Das Umfeld, die demographischen Gegebenheiten und die entsprechenden Begleitumstände sind m. E. sogar immens wichtig. Das sieht man nicht zuletzt auch an den Maturitätsquoten der verschiedenen Gemeinden untereinander.
Der Übergang von Steinerschule zu Gymnasium war und ist für die Betroffenen ein Krampf. Und nicht weil sie sich plötzlich langweilen oder unterfordert sind.
Herr Meier, haben Sie dazu konkrete Zahlen, oder berufen Sie sich lediglich aufs Hörensagen?
Martin, das Problem ist doch auch das: in gewissen Milieus (nicht nur solchen mit Migrationshintergrund), singt/spielt/redet man zu wenig mit Kindern. Aber das ist schon ein vor-schulisches Problem. Dort wäre anzusetzen, mit entsprechenden Angeboten.
@mila: Im Nachhilfeunterricht zu musizieren hilft vermutlich aber nicht weiter, wenn es um Schulleistungen geht…
Vermutlich ist es ja eher so, dass es gemeinsame Ursachen gibt, dass gute Schüler vielfach auch musizieren und/oder gute Sportler sind.
„Vermutlich ist es ja eher so, dass es gemeinsame Ursachen gibt, dass gute Schüler vielfach auch musizieren und/oder gute Sportler sind.“
Ich glaube, das ist ein ganz entscheidender Punkt, Sportpapi.
Es sind einfach nicht alle Menschen gleich, und somit auch nicht alle Schüler. Vielleicht sollten wir aufhören, etwas anderes vorzugaukeln. Entscheidend dünkt mich einfach, dass alle Möglichkeiten grundsätzlich allen offenstehen.
„Sollte der Fokus nicht darauf liegen, das schulische Selbstbewusstsein eines jeden Kindes zu stärken?“ – schreibt bzw. fragt die Autorin. Nun – wer kennt sie nicht, diese Idioten, die sich für Götter halten? Einige von ihnen sitzen sogar an den Schalthelbeln der politischen oder wirtschaftlichen Macht und richten Schäden in einem fort. Gerade deswegen würde ich obige Frage mit einem klaren „Nein“ beantworten. Es gibt Leute, vor allem Männer, die nur so triefen vor Selbstbewusstsein, sich für genial halten, obwohl sie es gar nicht sind, und sich daher mühelos durchsetzen können im [Berufs]leben. Ein unerschütterliches Selbstbewusstsein ist also wohl von grossem Vorteil für die, die es haben. Aber nur für sie.
Aus meinem Erziehungsalltag: Selbstbewusstsein stärken heisst eben gerade, dass Kinder sich richtig einschätzen lernen und sich auch mit ihren weniger starken Seiten auseinandersetzen. Was Sie beschreiben, sind Menschen, die unsicher sind und sich deshalb überhöhen. Noten finde ich deshalb auch nicht per se schlecht, wenn sie allerdings mit einer zukunftsdefinierenden Interpretation seitens LP oder Eltern daher kommen, schwierig.
Zentral finde ich, die Lernfreude der Kinder aufrechtzuerhalten. Es trägt ausserdem zu einem gesunden Selbstwert bei, sich selbstwirksam zu erleben – zum Beispiel dann, wenn man sich nach einer schlechten Note durch Üben verbessern kann.
ich hoffe, sie als germanistik-studierte haben den text zum bild nicht selber geschrieben. „schon früh werden kinder bewertet und vergleicht???“
ansonsten bin ich in vielerlei hinsicht gleicher meinung wie sie. kinder werden zu früh zu hart bewertet, aber leider geht’s nicht ohne: lehrmeister und weiterführende schulen verlangen immer noch nach noten…
Das stimmt zumindest teilweise nicht. Weiterführende Schulen im Kt. Bern verlangen Empfehlungen in der Sachkompetenz und im Arbeits- und Lernverhalten. Andernfalls eine Kontrollprüfung. Viele Lehrbetriebe vertrauen den Noten zu recht nicht und testen selbst. Adaptive Testverfahren wie der Stellwerktest ermitteln Leistungsprofile gar nicht so schlecht.
Das ist allerdings etwas zweigleisig. Die eine Hälfte vertraut auf die Lehrer und ihre Beurteilung, auch bezüglich der überfachlichen Kompetenzen (ob die nun mit Kreuzchen oder Noten ins Zeugnis eingetragen werden, und ob es sich um ein Semesterzeugnis oder eine Empfehlung handelt, ist hier ja einerlei).
Die andere Hälfte hätte es lieber, die Lehrer würden objektiver testen, mit mehr Vergleichstests. Sie trauen den Lehrern aus Erfahrung nicht mehr zu, die Jugendlichen ausserhalb der Bezugsnorm der Klasse korrekt zu bewerten…
Es sei in der Tat dahingestellt, ob es in den ersten Schuljahren Noten braucht. Einen Punkt finde ich jedoch wichtig, er geht hier im Beitrag unter: eine schlechte Note sollte nicht als Prädikat ‚schlecht in xx‘ verstanden werden. Sondern als Hinweis, dass im Fach xx mehr gearbeitet werden muss, dass einem der Stoff nicht so leicht zufliegt wie vielleicht im Fach xy. So verstanden, sind Noten kein Horizontschliesser, sondern – im Gegenteil- ein -bewahrer. Es nützt keinem Kind, wenn es in einem Fach früh abgehängt wird. Nur, um die Illusion zu wahren, es könne (theoretisch) alles (werden). Und selbst eine ausserordentliche Begabung wird nirgendwo hin führen, ohne die entsprechende Arbeitseinstellung. In diesem Punkt sind mE besonders die Eltern ‚Horizontöffner‘, in Vorbildfunktion.
Bei uns ist es so, dass es erst ab der 2. Klasse Noten gibt, und dann erst noch in 3 Fächern. Alles andere kommt später. Insofern werden die Kinder in Schritten an das Notensystem herangeführt, was ich an sich gut und altersgerecht finde.
Dass es Noten gibt, ist wohl unumgänglich. Denn wie Sie sagen, sollen Noten primär auch ein Gradmesser sein, wo ggf. anzusetzen wäre.
Was aber gar nicht geht, sind Bemerkungen à la «Aus Ihrem Sohn wird nie ein Picasso» wie im Beitrag geschildert. Eine solche Bemerkung in der 2. Klasse ist nicht nur voreilig, demotivierend, sondern auch dumm, denn solche Prognosen, die wohl häufiger sind als man meinen könnte, erweisen sich ja oft als falsch. Dieses Schubladendenken ist aber ein Problem der Lehrerschaft, und nicht des Notensystems an sich.
@Martin Frey: «Aus Ihrem Sohn wird nie ein Picasso» ist unnötig. Aber die Prognose ist wohl mit hoher Wahrscheinlichkeit korrekt (auch wenn wir bezüglich Mal-Talenten nicht gleich vom höchsten Level ausgehen).
@Sportpapi
Vom Malen selber verstehe ich zu wenig, obwohl ich damals mit Zeichnungsmatur abgeschlossen habe. Und auch den einen oder anderen Spruch geerntet habe. 😉
Was ich öfters sehe, dass gewisse Lehrer teils sehr früh Kinder schubladisieren, und manchmal haarsträubende Prognosen machen („aus Dir wird nie ein Gymischüler“, „Du bist eine Sek B Schülerin“ bis hin zu “ Du wirst am besten Coiffeuse“ u.ä.). In meinem Beruf bin ich selber sehr vorsichtig mit Prognosen, weil mir bewusst ist, dass Prognosen die Eigenschaften haben, selten exakt zuzutreffen. Und so ist es meiner Erfahrung nach im Schulbereich oft auch. Nur erfahren das die LP selten, wenn sie von den Kindern (oft dann halt aus der Not geboren) über einen zweiten Bildungsweg irgendwann Lügen gestraft werden.
@Martin Frey: Ich wiederhole mich: Solche negativen, demotivierenden Kommentare sind nie zulässig.
Aber den Eltern zu sagen, dass sie die Erwartungen etwas zurückschrauben sollten kann schon mal angemessen sein.
Sicherlich ist eine Prognose von Schulleistungen nicht so einfach. Aber der erfahrene Lehrer sieht vielleicht doch, was Grund für allenfalls schlechtere Leistung ist (Intelligenz? Entwicklung? Unterstützung zu Hause? Konzentration? Prüfungsangst?) und wie gross das Potential ist, das zu beseitigen. Bzw. dass sich das auswächst oder mit viel Fleiss kompensiert werden kann.
„Aber den Eltern zu sagen, dass sie die Erwartungen etwas zurückschrauben sollten kann schon mal angemessen sein.“
Völlig einverstanden. Dies ist ja nicht selten ein Grund für grosse Enttäuschungen, spätestens bei der Lehrstellensuche.
„Sicherlich ist eine Prognose von Schulleistungen nicht so einfach. Aber der erfahrene Lehrer sieht vielleicht doch, was Grund für allenfalls schlechtere Leistung ist.“
Wenn es dazu benutzt wird, den Finger auf den wunden Punkt zu legen, mit dem Fernziel, das Kind zu stärken damit es möglichst das Optimum im Leben erreichen kann, finde ich das sogar ideal. Aber wie gesagt, nicht selten werden (gemäss meiner Erfahrung) Kinder (gerade auch mit Migrationshintergrund) demotiviert, stigmatisiert, schubladisiert. Und so sollte es nicht sein.
Eine Rückmeldung zum Leistungsstand muss es in irgendeiner Form ja auch geben. Sowohl das Kind, wie auch die Eltern müssen sich ja allerspätestens in der 5. Klasse damit auseinandersetzen, welche weitere Schule besucht wird, ob es Richtung Sekundarschule I, II oder Richtung Gymnasium gehen soll.
Eine Idee von der Leistungsfähigkeit ihres Kindes sollten die Eltern schon vorher haben. Das Kind wird auch sehen, dass es einfachere Aufgaben bekommt als seine Kollegin. Darin sehe ich nicht das Problem. Das Problem sehe ich dort, wo Schüler ständig schlechte Noten bekommen und so demotiviert werden und ihr Selbstbewusstsein zerstört wird.