Best of: Was am Ende wichtig ist

Unsere Bloggerinnen und Blogger geniessen derzeit die Feiertage. Wir publizieren deshalb heute diesen Beitrag vom 31. Dezember 2015, der besonders viel zu reden gab.

Mamablog

Alles in allem gibt es ziemlich viele Gründe, das Leben zu lieben. Foto: iStock

Vorsätze fürs nächste Jahr habe ich keine. Bevor ich sie fertig ausformuliert und über den Haufen geworfen hätte, würde ich ja bereits schon die nächsten Weihnachtskekse ausstechen. Dem immer rasanteren Wechsel zwischen Hasen und Engeln mag ich nicht mehr hinterherhecheln.

Dazu ist mir die Sache namens Leben zu unberechenbar, und Vorsätze stehen da nur lästig im Weg herum wie Pylonen auf einer eisigen Autobahn.

Darum habe ich mich für Nachsätze entschieden. Dafür, das Leben als Kontinuum und nicht als Abfolge von ersten Januaren zu begreifen. Hier eine Art Bilanz über den aktuell letzten Abschnitt dieses Bandes aus Tagen.

  • Ich hatte nicht genügend Zeit für meine Freunde. Und das wird auch fortan kaum besser werden. Aber ich werde auch weiterhin immer mal wieder mit diebischer Freude alles stehen und liegen lassen und mit ihnen Kaffee trinken. Zu saftigem Klatsch, selbstironischem Gegackere oder mitfühlenden Tränen, oft zu allem gleichzeitig. Es wird wunderbar.
  • Die Kinder haben mich immer dann wirklich gebraucht, wenn ich am wenigsten damit gerechnet habe. Solange ich wie eine Spinne im Netz auf sie gewartet und mich erkundigt habe, wie es ihnen geht, waren sie schneller weg als Freunde bei einer Magendarmgrippe. Doch wann immer es nötig war, ist irgendwoher ein Schnittchen freie Zeit aufgetaucht. So wird es weiterhin sein.
  • Ich bin nicht dünner geworden. Also werde ich in meinem noch vor mir liegenden Lebens-Kontinuums-Abschnitt vermutlich auch nicht dünner werden. Klar fände ich es schön, doch offenbar ist es mir den Preis nicht wert. Gleiches gilt auch für seriöses Sporttreiben und anverwandte Tugenden. Hätten sie mir wirklich etwas bedeutet, hätte ich mich ihnen bestimmt gewidmet.
  • Ich war nicht immer lieb und nett, hab mich aber, wo nötig, entschuldigt und jeden Morgen versucht, den Tag und mich als Mamandrea so gut wie machbar hinzukriegen. Daran gibts nichts zu ändern, selbst wenn ich wollte.
  • Ich hatte zu wenige Mussestunden mit meinem Mann, obwohl wir seit fast 20 Jahren ständig versuchen, uns mehr davon zu gönnen. Vermutlich sind sie ja gerade deshalb so schön, wenn sie uns dann gelingen.
  • Ich habe meine Schränke zu selten ausgemistet, meine vielen kaputten Kleider nicht alle geflickt, kaum Schuhe zum Schuhmacher gebracht, weder Keller noch Mansarde so gründlich entrümpelt, wie ich wollte – und wieder einmal festgestellt, dass man das problemlos überlebt. Das einzig Ärgerliche daran ist mein sporadisch wiederkehrender Ärger über mich selbst. Und der verfliegt wie Staub.
  • Ich war oft unzufrieden mit mir, aber das hat mir den nötigen Schwung gegeben, nicht aufzuhören, es noch besser machen zu wollen.
  • Ich war oft zufrieden mit mir selbst. Auch das hat mir den nötigen Schwung gegeben, nicht aufzuhören, es noch besser machen zu wollen.
  • Ich bin meiner Familie und meinen Freunden verfallen, immer noch und immer wieder. Ihre Sorgen sind die meinen. Wie auch ihre Freuden. Ob das uns passt oder nicht.
  • Ich habe mit und in Geschichten gelebt. Sie gehen fliessend ineinander über und ziehen sich gegenseitig an und mich mit sich. Ich freue mich auf alle, die weitergehen und noch kommen.
  • Manchmal haben mich Neid, Mutlosigkeit oder Panik vom Sockel gebrettert. Dann bin ich halt wieder aufgestanden, wie wir alle und wie ich es seit Jahrzehnten tue – und auch weiterhin zu tun gedenke.
  • Ah ja, noch was: Ich habe auch dieses Jahr leider die Welt nicht gerettet. Aber ich habe wenigstens noch immer nicht ganz begriffen, dass ich das nie können werde. So soll es bleiben.

Lesen Sie zum diesem Thema: «Mama und ihre Mankos», «Mütterkrieg? Wir wollen doch alle dasselbe!» und «So beurteilen mich meine Kinder».

3 Kommentare zu «Best of: Was am Ende wichtig ist»

  • andy sagt:

    Oh doch! Sie haben die Welt gerettet. Sie haben Ihr leben so bewusst wie möglich wahrgenommen und das Beste für die Familie, Freunde und sich selbst getan. Was wollen Sie mehr?
    Ich dachte mir beim lesen des Blogs, dass es vermutlich keine freie Minute mehr gibt in Ihrem Leben, um auch weitere Menschen kennenzulernen. Man vergisst oft wie viele es bereits gibt die genau dies sich auch wünschen würden. Leider und da kommt nun der Punkt, man sieht es den Menschen oft nicht an. Weniger „Stress“ und mehr Zeit für neue Bekanntschaften gebe noch mehr Seelen Nahrung. Bestehende echte Freunde können warten und brauchen bicht wegen jedem Bobo einen Kaffee, erlebe ich. Wie auch immer. Die Arbeit an der eigenen wahren Liebe geht weiter. Deshalb retten Sie die Welt für und mit allen.

  • lina sagt:

    Ja und wenn es noch so schön war vorbei ist vorbei.

  • Muttis Liebling sagt:

    Wenigstens eine nicht völlig triviale Aussage wäre von Gewinn gewesen. Einmal im Jahr sollte jeder Mensch einen Satz aufschreiben, den nur er, niemand anderes, sagen kann und der über die Qualität eines Kalenderspruchs hinausgeht. Sonst ist Schweigen Gold.

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