Warum kaufen wir keine fairen Spielsachen?

Eine Arbeiterin im chinesischen Tianjin-Bezirk näht Plüschhunde zusammen. Foto: Reinhard Krause (Reuters)
Als Kind wusste ich, woher meine Spielsachen kamen: aus Hongkong. Dorthin war eine kleine Made aus dem Sandkasten gereist, wie Franz Hohler in «Made in Hongkong» berichtete. Die Geschichte war kein Fake: Auf allen meinen Matchbox-Autos entzifferte ich die geheimnisvolle Nachricht.
Rund 40 Jahre später sind Spielautos aus Hongkong eine gesuchte Rarität, da die Fabriken längst geschlossen wurden und aufs Festland weitergezogen sind. Der weltweit wichtigste Produzent ist China. Zwei von drei in der Schweiz verkauften Spielsachen kommen heute aus dem Land der Mitte.
Wer «Spielzeugfabriken in China» googelt, findet versteckt aufgenommene Handyfotos, die zeigen, wie mies die Arbeitsbedingungen sind. Bevor die Geschenke unter dem Weihnachtsbaum landen, stehen Arbeiterinnen bis zu 140 Stunden pro Woche am Fliessband, hantieren mit krebserregenden Chemikalien und erhalten einen mickrigen Lohn, der kaum zum Leben reicht.
Ein Label für Spielsachen?
Schenken wird zur Gewissensfrage: Darf ich eine Barbie-Puppe von Mattel kaufen, die in einer Albtraumfabrik hergestellt wird? Die Antwort darauf ist umso schwerer, weil die Kinder aus Hochglanzkatalogen und vom Schulhof genau wissen, was das Christkind bringen soll. Holzspielsachen aus heimischer Produktion sind eine Alternative, können aber am Heiligabend leicht zu einem Familiendrama führen, wie ich aus eigener Erfahrung weiss.
Eine bequeme Lösung wäre ein Label für faire Spielsachen. Wie bei Bio müssten wir etwas tiefer in die Tasche greifen, ersparen uns aber das Unbehagen, ein Ausbeutungssystem zu unterstützen. Wie Studien zeigen, entspricht ein solches Gütesiegel einem grossen Bedürfnis. Laut einer repräsentativen GFS-Umfrage wären vier von fünf Personen bereit, für fair produzierte Spielsachen mehr zu bezahlen – einige sogar den doppelten Preis.
Ein «Transformer» mit Gütesiegel hat nur einen Haken: Die Plastikroboter würden die Arbeitsbedingungen in ein paar Fabriken verbessern, aber den billigen Massenmarkt kaum tangieren. Wie die Erfahrungen mit Greenwashing zeigen, könnten die Spielzeug-Giganten ein Label als Feigenblatt benutzen, um von den schlechten Arbeitsbedingungen in den übrigen Fabriken abzulenken.
Stöbern auf dem Flohmarkt
Für faire Weihnachten kenne ich keine Patentlösung, aber zumindest für den Rest vom Jahr. Mit meinen Söhnen Nik (7) und Endo (4) habe ich folgende Abmachung: Wir schlendern oft durch Spielzeugläden und nehmen uns viel Zeit, alles anzuschauen, kaufen aber nichts. Unser Shopping-Paradies ist der Flohmarkt. Dort gebe ich gerne ein paar Franken aus, wenn eine Playmobil-Pyramide oder eine Legoschachtel aufgestöbert wird.
Bei Flohmarktsachen steht meist «Made in China» darauf. Darum habe ich meinen Kindern von der reiselustigen Made erzählt. Besser als Hohlers Klassiker gefällt ihnen das Video «Pausenlos» von Sam National. Der Musiker und Zürcher Seklehrer steht stundenlang am Fliessband einer Spielzeugfabrik, um im Sekundentakt Weihnachtswünsche zu erfüllen.
Der Youtube-Ohrwurm ist für Eltern nicht ganz unbedenklich. So wollten Nik und Endo wissen, warum Fabrikarbeiter Sam vom Benzoldampf «e Schiibe» hat und wegen der Leukämieerkrankung keine Rente braucht. Die Antworten darauf sind knifflig, treffen aber den wunden Punkt: Selbst wenn die Welt der Spielsachen für uns Erwachsene kompliziert bleibt, sollten wir mit unseren Kindern darüber sprechen.
Achten Sie beim Kauf von Kinderspielzeug darauf, wo es hergestellt wurde?
26 Kommentare zu «Warum kaufen wir keine fairen Spielsachen?»
Es wäre sicher gut, wenn wir mit unseren Einkäufen Produzenten unterstützen würden, die faire Arbeitsbedingungen bieten. Das gilt aber im Prinzip nicht für die Dritte Welt. Also: keine Birkenstocks.
Aber: ist nicht der Kauf von Produkten, die in Ländern der Dritten Welt hergestellt werden, grundsätzlich ein Beitrag zu einer gerechteren Verteilung. Auch wenn uns die Berichte aus China oder Indien (früher Taiwan oder Südkorea) nicht gerade begeistern, so steigen doch die Löhne in diesen Ländern rasant. Und die Arbeitsbedingungen verbessern sich im Prozess der Industrialisierung.
Hallo ich bin schokolade
Die ich nicht so viel wie die Polizei hat sich in den letzten Tagen die Woche der Ausbildung zum Geburtstag von mir und Hamburg und Berlin und Hamburg und München in die Hand zu geben.
Woher will man wissen, wie es produziert wurde?
Do. Fischfang. Woher weiss der Konsument, dass der Meerfisch im Grossverteiler nicht illegal vor Afrika gefischt wurde? Das einzige, das man machen kann, ist keinen Meerfisch zu essen. Und das tue ich, ausgenommen alle 2 bis 3 Wochen eine Büchse Thunfisch.
Und der Fisch stinkt am Kopf – Politisch gesehen ist das das Bundeshaus.
Geilo, endlich wieder mal ein Blogger, der im Pluralis majestatis schreibt 😉
Vermutlich wird ‚faires Spielzeug‘ nicht gekauft, weil es das nicht gibt. Wenn der Titel- Texter, das ist ja nicht der Autor, fair produziertes Spielzeug meint, muss er das auch schreiben.
Festland? Ist Hong Kong jetzt eine Insel? Auch der Nebensatz dass Bio offenbar toll ist ist mir sauer aufgestossen – das sollte man nicht einfach als gegeben ansehen, sondern gelegentlich hinterfragen. Ansonsten sehr guter Artikel mit wichtigem Punkt: Wie viel ist uns Menschenwürde wert?
Der Begriff ist zwar im Prinzip eher seltsam gewählt, aber doch richtig: „Mainland China“, also grob gesagt das heutige China minus die Sonderverwaltungszonen und früheren Kolonien (sowie natürlich Taiwan), wird auf Deutsch gemeinhin als Festlandchina übersetzt. Das ignoriert zwar, dass Hongkong und Macau höchstens als Halbinseln durchgehen und direkte Landverbindungen aufs „Festland“ haben, hat sich aber sprachhistorisch eben so eingebürgert.
Danke für diesen Kommentar. Dieses Thema hatte ich noch gar nicht auf dem Schirm bisher
Wie wäre es wenn man sein altes Spielzeug an andere Kinder weiterreicht?
Wer ein ganz dickes Portemonnaie hat, kann sich immer über faire Produkte Gedanken machen, wer aber wie die meisten mit einem durchschnittlichen oder mageren Einkommen durchkommen muss, der kann sich den Luxus nicht leisten, nicht nur auf den eigenen Sack zu schauen. Deswegen entdecke ich in diesem Artikel diese Arroganz, die sicher ungewollt ist, allemal aber unüberlegt ist. Ich glaube also, dass sich niemand ein schlechtes Gewissen machen soll wegen solche unüberlegten Aussagen hier im Artikel, denn wer so etwas schreibt, überlegt auch nicht, wie es Ihnen im Durchschnitt geht, der Mühe hat, auch nur die Krankenkasse zu bezahlen und andere Grundbedürfnisse zu decken.
Leider nerv ich mich immer mehr ob solcher Aussagen. Second Hand kann sich auch die mit einem kleineren Portemonai leisten. Ist zwar immer noch nicht fair produziert aber man wirkt etwas der Wegwerfgesellschaft entgegen.
Schade das das Leid anderer scheinbar weniger in die Waagschale fällt, als das vermeintlich wenige Geld das man in der Schweiz verdient/erhält.
Hören Sie, was Sie hier sagen? Ich führe Ihre Aussage mal weiter: weil einer in der Schweiz mit einem durchschnittlichen Einkommen (was ja global betrachtet eigentlich immer noch ein sehr hoher Standard ist) und er sich darum nicht leisten kann, seinem 7-jährigen Kind ein Spielzeug aus Fairtrade zu kaufen, es dieses aber trotzdem haben muss, ist es gerechtfertigt, dass eine chinesische Arbeiterin oder sogar ein 7-jähriges Kind in Indien 10 und mehr Stunden am Tag schuftet, um dieses Spielzeug herzustellen. Ein Kind, welches sich dieses, nie im Leben wird leisten können. Am Artikel ist nichts arrogant oder unüberlegt. Sie sind natürlich frei, das zu kaufen, was sie wollen, aber auf Menschen zu schiessen, die nur die Wahrheit aussprechen, würde ich lassen.
Es hat sehr wohl mit Arroganz zu tun, wenn jemand das Gefühl hat, entscheiden zu dürfen, was in der Welt fair ist und was es nicht ist und wer was kaufen soll, ganz besonders dann, wenn man selber genügend Geld hat und bei den eigenen sozialen schwächen im eigenem Land wegschaut, was die typische Hypokrisie solcher Menschen ist, die eben ein schlechtes Gewissen haben. Noch schlimmer ist, wenn „faire“ Produkte dann ebenso nicht fair sind und nur noch mehr Gewinn erzielt wird, wie es auch schon oft festgestellt wurde im Nachhinein. Ganz so arrogant habe ich auch eine Idee, die ich ihnen mitgeben möchte, erstellen oder basteln sie ihre Geschenke selber, der Wert des Geschenkes ist so unermesslich, halt eben nicht in Form von Geld, falls sie das überhaupt verstehen was ich meine.
@Pile
angesichts der Tatsache dass es ua um Kinder ohne „west-Kindheit“, welche auch bei Sozialhilfe/Fürsorge immer noch eine um Welten bessere Kindheit, als für Spiel- und sonstige Warenherstellung in der Fabrik ausgebeutet zu werden, ist! geht; und dass man sich dessen bewusst werden sollte, finde ich Ihre Einwände doch eher seltsam.
Ich bin in einem armen Haushalt aufgewachsen, doch meiner Mutter wäre nie in Sinn gekommen deswegen die Augen vor Menschen, die noch ärmer dran sind, (in unsrem Fall Osteuropa) zu verschliessen, und sie hat geholfen wo sie noch irgendwie konnte.
Hmmm…. ich habe mich und meine 2 Kinder über Jahre mit 3500.- durchgebracht, Bio ernährt und möglichst gelabelte Kleider gekauft. Ich mag das Gejammer nicht mehr hören.
Und ja: meinem Gottenkind habe ich mal für 99.- eine Barbiekatze geschenkt, welche miauen, Fläschchen nuckeln und ins Katzenklo machen konnte. Ich schäme mich noch heute dafür, obwohl man bei diesem Preis für ein bisschen Plastik erwarten könnte, dass es fair ist.
Ja, wenn man arm ist, kann man nicht immer fair kaufen, aber Armut ist keine Entschuldigung für Ignoranz gegenüber Mensch und Tier.
@ Pile
Seine Meinung in einem Blog darzutun hat nichts mit entscheiden zu tun. Jeder entscheidet letztlich für sich. Wenn Sie der Meinung sind, es sei nicht „fair“ auch im Ausland Arbeitsbedingungen zu gewährleisten, die die Gesundheit der Arbeiter schützen und einen Lohnermöglichen, von dem die Familie leben kann, so dass Kinder in die Schule gehen und nicht arbeiten müssen, dann ist das halt ihre Meinung. Warum fühlen Sie sich nur von anderen derart angegriffen? Und doch, ich bin der Meinung, dass die meisten Menschen, die sich Gedanken darüber machen, was woher kommt, auch ein selbstgemachtes Geschenk sehr zu schätzen wissen.
@Pile: „Es hat sehr wohl mit Arroganz zu tun, wenn jemand das Gefühl hat, entscheiden zu dürfen, was in der Welt fair ist […], ganz besonders dann, wenn man selber genügend Geld hat und bei den eigenen sozialen schwächen im eigenem Land wegschaut“
Ernsthaft?? Es doch eindeutig, dass diejenigen Parteien und Gruppierungen, die sich für faire Arbeitsbedingungen in anderen Ländern einsetzen, auch die sind, die für eine starke Unterstützung der Ärmeren in der Schweiz einstehen. Die Partei, welche auf Fairtrade setzt, aber in der Schweiz die Sozialhilfe kürzen will, müssen Sie mir zeigen.
Herr Brunhild Steiner, wegen meiner Arbeit habe ich in der Schweiz mit sehr vielen Menschen zu tun, die sich ein echtes Geschenk der Eltern nur erträumen können und umso mehr graust es mir zu sehen, wie Blind hier Menschen sind und nur die Probleme anderswo sehen wollen aber vor der eigenen Haustüre nichts erkennen oder kaum darüber sprechen. Sicher tun mir diese Kinder auch leid, insgesamt habe ich wohl überagiert, Sorry dafür. Wer aber von sich mit Sicherheit behauptet, in der Welt erkennen zu können, was fair ist und was nicht, so eine Arroganz ertrage ich nicht, ich würde mir nie so etwas erlauben. Jeder soll aber es selber beurteilen, nur dies noch, spricht doch mal, wenn ihr von anderen Kinder spricht zusätzlich auch von den eigenen oder macht auch hier die Augen etwas besser auf.
@Pile
es geht hier um diejenigen unfairen Arbeitsbedingungen welche aufgrund Dokumentationen ganz klar erkannt werden können, und da ist es eher bescheiden mit solchen Argumentationsketten die Augen davor zu verschliessen.
Ein schöner Beitrag. Helfen würde schon mal, wenn die Information etwas besser wäre. Zwar steht auf den Schachteln der meisten Spielzeuge, irgendwo ganz winzig ein „Made in …“, aber gerade wenn man online bestellt und wissen will, woher die Sachen kommen, muss man umfangreiche Recherchearbeiten vornehmen, damit dann irgendwo steht, dass das Unternehmen u.a. auch in Asien produziert und man da weiterhin nicht weiss, woher nun das konkrete Produkt stammt.
Und durch die EU wird es leider nicht besser, da ja heute oftmals schön „Made in Europe“ oder „Made in EU“ steht, man ein gutes Gewissen hat, aber es letztlich auch bedeuten kann, dass in rumänischen oder bulgarischen Fabriken mit ähnlich schlechten Bedingungen produziert wird.
Super Artikel. Es ist erschreckend zu sehen wieviel Spielsachen in billigen Materialien und unter schlechtesten Bedingungen hergestellt werden. Vorallem von den grossen Lizenzen und Firmen die in unglaublichen Mengen bestellen. Ds Spielzeug hält dann nicht mal ein Jahr und landet im Müll. Dabei gibt es sehr viele kleinere Labels, die in Europa produzieren.
Man muss sich nur eine bisschen informieren und auch den Kinder erklären. Die Macht liegt schliesslich heute beim Kunden und dass sollten wir alle nutzen.
ich finde: möglichst wenig spielzeug, und wenn, dann selbstgemacht. holzklötze, astholzstücke, holztiere (in der schweiz hergestellt), gestrickte, gehäkelte, genähte tiere und puppen, selber gemacht oder zb. am steinerschulbasar gekauft. in den claro läden gibt es faires spielzeug. im urnerland gibts frauen, die viel schönes filzen aus urner wolle etc. warum überhaupt soviele spielsachen, und alles aus plastic? womöglich mit batterien. ist gar nicht nötig! die kinder sind ja selber kreativ und brauchen nicht viel. je weniger wir vorgeben, desto mehr eigenaktivität entfalten sie. das sieht man gut in armen ländern. dort spielen kinder mit fast nichts ausser natur- und haushaltdingen oder abfall sehr kreativ. unsere kinder ertrinken im plasticmaterial, überall hupts und tönts. konsumterror!
Jesses, meine Buben würden mir schön was husten, wenn ich ihnen ein gehäkeltes, gefilztes etwas schenken würde. Ich selber wäre ähnlich begeistert. 🙂
Aber eine solche Einstellung haben sie ziemlich sicher von mir. Wie Karl Valentin schon sagte: „Wir brauchen unsere Kinder nicht erziehen, sie machen uns sowieso alles nach…“
@ A.M.
Ich habe vor einer Woche zum ersten Mal Knete selber gemacht, davon gab es zwischendurch die gekaufte, die aber immer schnell austrocknete. Eigentlich für die Jüngste (2). Die Folge davon ist, dass seit einer Woche keines der Kinder, auch nicht die beiden Älteren (9 und 6) irgendetwas von ihrem Spielzeug, egal ob Filz oder Plastik, anschauen und einfach zu dritt geknetet wird, natürlich je mit einem normalen Messer aus der Besteckschublade und Ausstechformen, die wir auch sonst brauchen. Tagein, tagaus. Ich gebe b.h. recht, weniger ist oftmals mehr. Das heisst ja nicht, dass sie gar nichts haben dürfen oder sollen, aber dass man sich ein paar Gedanken macht.
Naja, so schwarz-weiss ist unsere Welt auch nicht. Ich kenne eine afrikanische Familie (Flüchtlinge) und war überrascht, dass nicht mal die Eltern in der Lage waren ein Playmobil-Flugzeug (nicht Lego, Playmobil!) richtig zusammen zu setzen.
Ob etwas die Fantasie und die Kreativität anregt, hat weniger mit dem Material, als mit dem Spielzeug selber zu tun.
Ich finde zB Lego oder Hape als Spielzeug richtig toll.
Dieser Artikel hat mir sehr gut gefallen. Als meine Kinder ganz klein waren, haben wir auch sehr viele Second-Hand Spielsachen bekommen oder gekauft. Später sollte es dann Lego sein. Ich hoffe, das wird einigermassen fair hergestellt. Ich bin auch der Meinung, dass es unbedingt ein zertifiertes Label braucht. Generell kauften wir einfach relativ wenig Spielzeug. Meine Kinder spielten am liebsten draussen oder mit anderen Kindern zusammen. Mein Motto ist seit längerer Zeit: Reduce to the max.