«Konnichiwa» und «Härzlech wüukomme»

Mehr Sprachen – mehr Freunde: Immer mehr Schulkinder wachsen mehrsprachig auf.  (Foto: Getty Images)

Zu Beginn des Schuljahres ist es an der hiesigen Grundschule Brauch, die neuen Erstklässler und Eltern in der Aula feierlich zu begrüssen. Neben einer Ansprache durch die Schulleitung und einigen Tanz- oder Gesangsproduktionen höherer Klassen, gehört es dazu, dass die Schülerschaft die Kleinsten und deren Familien in den unterschiedlichen Sprachen, die an der Schule gesprochen werden, willkommen heissen.

Da die spanischsprachige Fraktion weit grösser ist als die schweizerdeutsche, trifft unsere Söhne jeweils das Los, sich mit den Worten «Härzlich wüukomme a üsere Schueu» ans Publikum zu wenden, wofür sie meistens einen Lacher ernten. Doch unabhängig davon, ob die Kinder ihre Begrüssungsworte nun auf Schweizerdeutsch, Türkisch, Kroatisch, Japanisch oder Schwedisch ins Mikrofon sprechen, tragen sie ein wichtiges Anliegen der Schule ins Publikum hinaus, nämlich: Wir sind eine Multikulti-Schule und stolz darauf!

In der Klasse unseres einen Sohnes liegt der Anteil mehrsprachiger Kinder bei zwei Dritteln. Bei den allermeisten Kindern ist Deutsch die aktiv stärkste Sprache, was auch damit zusammenhängt, dass viele Elternteile ebenfalls in Deutschland geboren und aufgewachsen sind und Deutsch längst zu einer ihrer Herkunftssprachen gehört. Zudem ist es die Sprache, in der sie lesen und schreiben gelernt haben.

Tücken eines mehrsprachigen Familienalltags

Ich sehe es als Geschenk, wenn Kinder von Haus aus mehrere Sprachen lernen; nichtsdestotrotz fordert uns die Mehrsprachigkeit im Familienalltag manchmal auch heraus. Denn bekanntlich transportiert Sprache ja sehr viel mehr als nur Informationen. Bestimmt ist es ein Glücksfall, wenn jeder die Sprache des anderen versteht. So kann ich mir nur schwer vorstellen, wie es sich anfühlt, wenn sich die anderen Familienmitglieder in einer Sprache austauschen, die ich nicht verstehe (und umgekehrt). Gleichzeitig fände ich es aber auch schwierig, mich mit den Kindern konsequent in einer Sprache unterhalten zu müssen, die nicht meine Muttersprache ist (nach dem Prinzip der Familiensprache).

Während wir anfangs darauf pochten, dass die Kinder mit ihrem Vater Spanisch und mit mir Schweizerdeutsch reden, haben wir inzwischen eingesehen, dass sie selber entscheiden müssen, wie sie sich mit uns unterhalten wollen. Es bringt nichts, wenn ich darauf beharre, dass sie mir etwas in Dialekt erzählen, wenn sie es lieber auf Hochdeutsch tun; genauso kann die ständige Aufforderung, doch bitte Spanisch zu reden, dazu führen, dass sie sich – ganz nach dem Prinzip des geringsten Widerstands – einfach an mich und nicht an ihren Vater wenden.

Mehrsprachigkeit als Chance

Von Fachleuten wird oft empfohlen, dass jedes Elternteil konsequent in (s)einer Sprache spricht. Doch selbst da bestätigt die Ausnahme die Regel, denn je nach Kontext und Situation macht es einfach keinen Sinn, Schweizerdeutsch bzw. Spanisch zu sprechen, insbesondere dann nicht, wenn andere Leute anwesend sind.

So oder so finde ich es immer wieder beeindruckend, mit welcher Leichtigkeit Kinder von der einen Sprache in die andere wechseln – eine Fähigkeit, die später nur noch schwer zu erlangen ist. Umso erfreulicher ist es, dass Mehrsprachigkeit längst als Chance wahrgenommen wird; und dass die Zeiten, in denen man fremdsprachigen Eltern noch davon abriet, mit ihrem Nachwuchs ihre Muttersprache(n) zu reden, weitgehend vorbei sind.

20 Kommentare zu ««Konnichiwa» und «Härzlech wüukomme»»

  • Michael sagt:

    Wer das Glück hat, mehrsprachig aufzuwachsen, dem stehen später wesentlich mehr Möglichkeiten im Leben zur Verfügung.
    Wie habe ich seinerzeit meinen Klassenkollegen beneidet, der in einer Englisch-Deutschen Familie aufgewachsen ist. Der vater hat konsequent mit seinem Sohn Englisch geredet, die Mutter Deutsch.
    Als wir dann Englisch in der Schule dazubekamen, meits in den letzten beiden Stunden, hat der Typ immer frei gehabt. Und immer die besten Noten in den Englischarbeiten gehabt ! Ich müsste büffeln büffeln büffeln…

  • Maurus von Planda sagt:

    Multikulturellen ist untergegangen

  • Othmar Riesen sagt:

    Gottseidank sind die Zeiten vorbei, da man mehrsprachige Kinder als dumm bezeichnete, weil sie später als andere zu sprechen begannen. Einfach unglaublich.

  • René Benesch sagt:

    Meine Muttersprache ist Tschechisch. Als Zehnjähriger begann ich, Englisch und Russisch zu lernen. Mit zwölf lernte ich Deutsch, da wir in die Schweiz emigriert waren. Um reines Deutsch zu lernen, schickten mich meine Eltern nach Deutschland. In der Folge kamen in der Schule Französisch und Italiemisch dazu. Danach begann ich Schweizerdeutsch zu sprechen. Ausser Russisch spreche ich alle diese Sprachen fliessend, ebenso Hebräisch und Japanisch. Seit einiger Zeit lebe ich in Thailand und lerne Thai. Ich kam mir nie überfordert vor. StudIert und abgeschlossen habe ich u.a. Germanistik und Romanistik. Gearbeitet habe ich u.a. als PR-Berater. Ich betrachte jede Sprache als eine enorme Bereicherung. Sie ist auch der Schlüssel zur jeweiligen Kultur und Mentalität.

  • tststs sagt:

    „… mit welcher Leichtigkeit Kinder von der einen Sprache in die andere wechseln – eine Fähigkeit, die später nur noch schwer zu erlangen ist…“
    Es ist sogar noch krasser: Diese Fähigkeit geht auf jeden Fall verloren.
    (aka Stand der Forschung: passives und aktives Erlernen einer Sprache, ab einem bestimmten Alter, ca 6-8j, kann man eine neue Sprache nur noch aktiv lernen!)

    Selbstverständlich gilt aber: Was ich regelmässig übe, fällt mir leichter. D.h. auch, jede neue Sprache wird einfacher zum lernen.

  • k. miller sagt:

    Die fünf Kinder meiner Schwester sind zweisprachig aufgewachsen – Französisch und Deutsch. Leb(t)en in Deutschland, besuchten eine französischsprachige Schule. Die Geschwister untereinander sprechen hauptsächlich Französisch – wenn sie wirklich allein sind. Sobald ihre Partner oder andere dabei sind dann durchgehend Deutsch. Nach dem Abitur haben die einen in Deutschland, die anderen in Frankreich studiert. Oder ein Teil hier, ein Teil da. Sie sprechen beide Sprachen wirklich perfekt, was auch mit der Konsequenz der Eltern zu tun hatte. Und mit der individuellen Förderung – eine hatte 4 zusätzliche Sprachen in der Schule, ein anderer hatte als Fremdsprache auch Deutsch belegt. Förderung, aber keine Überforderung.

  • Erika Meier sagt:

    Teil II: Meine Kinder sind mit Deutsch und Englisch aufgewachsen und es braucht schon einen grossen Effort, um ein hohes, oder sagen wir brauchbares Niveau halten zu können. Viele Kinder sind auch mit der Situation überfordert und entwickeln später Lernschwierigkeiten. Prekär ist die Situation vor allem, wenn „überambitionierte“ Eltern noch mehr Sprachen den Kids „anhängen“ wollen und denken, es ginge so einfach. Das dient wohl dann mehr der Eitelkeit der Eltern und nicht mehr dem Wohl der Kinder.

    • Franka Ebi sagt:

      Ich bin auch bilingue aufgewachsen. Ich stimme Ihnen zu, dass meist eine Sprache stärker ist als die andere. Vorallem wenn ein Elternteil dieselbe Sprache spricht wie die Umgebung und nur ein Elternteil eine Fremdsprache spricht. Wenn beide Eltern die Fremdsprache sprechen ist es m.E. nochmal anders.
      .
      Dass das aber viele Kinder überfordert halte ich nicht für richtig. Das betrifft wenn dann Kinder, deren Eltern selbst auch schon sehr ungefestigt in ihrer Sprache sind. Dann fehlt einfach die Basis für die Kinder. Generell kommen Kinder m.E. mit Mehrsprachigkeit gut zurecht. Und die Sprachentwicklung ist meist auch nur anfänglich leicht verzögert. Mit der Zeit werden Kinder mit nur einer Muttersprache eher überholt.

    • mila sagt:

      Überfordert ist meines Wissens nur ein kleiner Prozentsatz an Kindern, bei denen ein allgemeiner Spracherwerbsmangel vorliegt. Mehrsprachigkeit ist ansonsten sicher ein Vorteil, wobei, eben, nur eine Sprache die ‚Muttersprache‘ sein wird, in der man denkt, träumt, etc. Bilingue ist insofern ein etwas irreführender Ausdruck, wenigstens für mein Empfinden.

      • Franka Ebi sagt:

        Jein. Ich fange immer dann an, in einer Sprache zu denken und zu träumen, wenn ich sie über ein paar Wochen intensiv benutzt habe. Ich spreche insgesamt vier Sprachen, nicht alle vier fliessend. Aber bei allen vieren ist das so.

      • mila sagt:

        Nach einem Jahr Fernaufenthalt lagen mir die Fremdwörter teils auch näher auf der Zunge als die eigenen. Wäre ich noch länger geblieben, hätte sich wohl auch mein Denken und Träumen akklimatisiert. Respektive, einer neuen Heimat angepasst. Aber (feinste) Meisterschaft in jener Sprache hätte ich nie erreicht wie jemanden, der sie von Kindesbeinen durchgesprochen hat – da würd ich mir einfach keine Illusionen machen. Auch wenn das sehr trendy ist, mit Bezug aufs Konzept bilingue (und ja, ich bin auch ziemlich sprach-affin, beherrschte phasenweise 6 Sprachen).

  • Erika Meier sagt:

    Teil I: So einfach ist das alles aber nicht. Den perfekten „bilingue“ Menschen gibt es nicht. Eine Sprache ist immer schwächer als die andere. Wachsen die Kinder in einer mehrsprachigen Umgebung auf, dann verlangsamt sich ihre Sprachentwicklung im Vergleich zu den anderen und die Muttersprache wird nie „lupenrein“ sein. Ich bin in einem bilingue Umfeld aufgewachsen und habe ein Dolmetscherdiplom nach der gymnasialen Matur erworben. Ich weiss, von was ich rede.

    • mila sagt:

      Das kann ich bestätigen. Ursprünglich mit einer Fremdsprache aufgewachsen (bis Kindergarten), ist meine Herzenssprache heute Deutsch. Diese Sprache, in der ich mich zuhause fühle, gebe ich an meine Tochter weiter – nicht meine (reichlich unzulänglich gesprochene) Herkunftssprache. Für diese versuche ich lediglich, mit Liedern etc. einen ‚Boden‘ zu legen, für einen späteren Erwerb (in längeren Ferien zB, und bei Besuchsgelegenheiten). Meine Herkunftsfamilie versteht das nicht ganz, aber für mich/uns ist das die richtige Lösung.

      • 13 sagt:

        Dass die Sprachentwicklung verlangsamt ist, mag eine Tendenz sein, aber kann ich zumindest aus eigener Erfahrung gar nicht bestätigen. Im Gegenteil waren alle meiner Kinder sehr früh, sehr gute Sprecher, dies trotz Zweisprachigkeit. Aber dass eine Sprache näher und besser ist, ist richtig. Und es tut gut mal zu lesen, dass das eben gerade nicht unbedingt die Muttersprache sein muss. Das ist nämlich m.E. der grösste Irrtum der Empfehlungen und Untersuchungen. Da wird immer davon ausgegangen, dass die Eltern eine Muttersprache haben, die sie perfekt beherrschen und so weitergeben (können) und die Umgebungssprache für sie Zweitsprache ist. Das trifft aber bereits bei der zweiten Generation wie bei mila oder auch mir selber nicht zu.

      • Amélie M. sagt:

        @13
        Man spricht heute längst nicht mehr von Muttersprache und weiteren Sprachen, sondern unterscheidet L1 und L2. Nicht nach der Reihenfolge des Erwerbs, sondern nach dem momentanen Stand. D. h. im Laufe des Lebens (oder schon im Laufe der Kindheit/Jugend) können L1 und L2 wechseln und tun das nicht selten.

    • Cybot sagt:

      Ein Grossteil der Leute schafft es ja nicht mal, eine einzelne Sprache „lupenrein“ zu beherrschen. So gesehen ist das kaum ein Nachteil.

      • Muttis Liebling sagt:

        Was Ihre Vorrednerin mit dem Satz ‚Ich weiss, von was ich rede.‘ eindrucksvoll belegt. Es muss nicht lupenrein sein. Nur das Perpetuieren von Standardfehlern kann man zumindest in der Tendenz vermeiden.

  • Lucia sagt:

    Ich bin mit 3 Sprachen aufgewachsen, mit 9 erst Deutsch und Schweizerdeutsch dazugelernt und heute (30) bin ich 6-sprachig. Schon als kleines Mädchen liebte ich Fremdsprachen über alles! Konnte dafür mit Ballet, Musikinstrument, Puppen usw. nichts anfangen. Kinder und deren Interessen sowie Gaben sind halt nun mal verschieden…

  • Sportpapi sagt:

    Mehrsprachigkeit in der Familie ist eine Chance. Kann aber auch ein Problem darstellen.

    • 13 sagt:

      Es gibt auch viele Kinder, die einsprachig aufwachsen und Sprachprobleme haben. Ich will damit nicht sagen, dass es keine Kinder gibt, die damit überfordert sind, aber ich habe im Umfeld die Erfahrung gemacht, dass bei zweisprachig aufwachsenden Kinder das Problem zu oft dort vermutet wird, auch wenn es nicht stimmt.

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