Die heile Welt der Social-Media-Mütter

Inspirierend oder irritierend? Zahlreiche Blogger und Influencer inszenieren sich und ihre Kinder für ihre Followers. Foto: Petar Chernaev (iStock)
Meine neue Designertasche, mein perfekter Mann, mein neuer Eames Chair, mein neuer Berberteppich, mein neues Baby. Manche Mütter inszenieren ihre Kinder auf den Social-Media-Kanälen wie bis anhin ihre Accessoires.
Da werden Situationen festgehalten, von denen ich nur träumen kann. Der Klassiker: Die Mama räkelt sich am Morgen auf der weissen Bettwäsche, perfekt geschminkt und frisiert natürlich, und dabei krabbeln glückliche Babys und Kleinkinder auf ihr herum. Oder noch besser: Das Kleinkind sitzt in der klinisch sauberen Küche, im Designer-Kinderhochsitz, isst Biokost mit Messer und Gabel und das Ganze, ohne zu kleckern.
Ich stelle mir das furchtbar anstrengend vor, das Kind und sich selbst regelmässig ins rechte Licht rücken zu müssen – nebst dem alltäglichen Familienwahnsinn. Und erst recht ermüdend, wenn das Kinder-Update mit bezahlten Produkteplatzierungen gespickt werden muss, weil man sich neben- oder hauptberuflich fürs Influencen entschieden hat.
Ich schaue mir solche Bilder gern an und lese auch verschiedene Mütter-, Mode- und Lifestyleblogs. Einige inspirieren und informieren mich und andere irritieren mich – da setzt der «Musikantenstadl»-Effekt ein. Ich kann nicht wegklicken, bleibe fasziniert hängen und suche Risse in dieser heilen Welt.
Niemand will die hässlichen Seiten sehen
Isabelle Kade verantwortet den Lifestyleblog «Mini & Stil» und ist eine sogenannte Influencerin mit eben diesen perfekten Bildern auf dem Blog. Auf die Frage, ob sich andere Mütter (like me) bei ihren perfekten Bildern nicht unter Druck gesetzt fühlen könnten, sagt die zweifache Mutter: «Ich hoffe nicht! Meine Bilder sollen andere Mamas inspirieren. Dazu muss aber gesagt werden, dass es auch bei uns nicht immer perfekt ist.» Sie stelle das Familienleben vor allem fotografisch schön dar. Weil sie gern fotografiere und sie sich selbst gern von anderen Müttern und deren Bildern inspirieren lasse. «Da möchte ich tolle Bilder sehen. Und keine Kinder, denen Spaghetti hinter den Ohren kleben oder Mütter, die im Chaos versinken.» Über die Tücken des Familienlebens, die schlaflosen Nächte, die Augenringe, die anstrengenden Täubeli-Phasen spreche sie in ihren Blog-Postings.
Schöne Fotos von sich machen und damit Geld verdienen: Isabelle Kade hat sich diesen Traum erfüllt. Quelle: Miniundstilblog (Instagram)
Auf Isaline Ackermanns Blog Thérèse and the Kids bin ich durch eines ihrer Tutorial-Videos gestossen. Dort erklärt die Vierfachmama, wie man Bienenwachstücher selbst herstellt, um damit die Frischhaltefolie zu ersetzen. Ihr Blog erinnert mich ein wenig an den Kinderbuchklassiker «Wo die wilden Kerle wohnen». Nach jedem Besuch auf ihrem Blog habe ich das Bedürfnis, mit meinem Sohn durch den Wald zu toben, ein Baumhaus zu bauen oder gemeinsam biologisch einwandfreies Gemüse über einem Lagerfeuer zu rösten.
Frischhaltefolie durch Bienenwachstücher ersetzen: Beitrag des Blogs «Thérèse and the Kids». Video: Thérèse and the kids (Youtube)
Ihr Leben mit anderen zu teilen, sei keine Anstrengung, sondern im Gegenteil eine Passion. Bei Isaline Ackermann kam das Bloggen aus dem Bedürfnis heraus, sich mit anderen Müttern und Vätern auszutauschen und so aus dem teilweise isolierten Leben als Mutter auszubrechen. «Ich konnte über mein Burn-out schreiben und habe dabei wunderbare Menschen kennen gelernt. Mit 35 Jahren habe ich mich endlich getraut, mein Leben so zu gestalten, wie es mir gefällt, und nicht auf die Meinung anderer zu hören. Ich bin zu 100 Prozent für meine Kinder da und das leidenschaftlich gern und habe nebenbei meinen Blog, wo ich meine Interessen und meine Kreativität ausleben kann.» Eine Marketingstrategie sei es auf keinen Fall – der Blog und der Instagram-Kanal sollen lediglich eine Inspirationsquelle für andere sein. Zweifel, ob es richtig sei, die Kinder in ihrem Blog zu integrieren, gebe es schon.
Bloss nicht unter Druck setzen lassen
Auch Isabelle Kade macht sich ab und an Gedanken, ob es später Konsequenzen für die Kleinen haben könnte. Deshalb achten sie und Isaline darauf, dass die Kinder mehrheitlich von hinten, oben oder unscharf gezeigt werden. Und es gibt keine Fotos von den Kleinen in Situationen, in denen sie dreckig, nackt oder am Schreien sind. Zudem kämen die Einnahmen auch den Kindern zugute.
Unter Druck setzen lassen dürfe man sich von den vermeintlich perfekten Bildern nicht, meint Isabelle Kade. «This is social media, not real life. Das sollte man sich stets zu Gemüte führen.» Daran werde ich mich halten und weiterhin meinen Mama-Bloggern folgen – entspannt in unserem chaotischen Wohnzimmer, ungeschminkt und mit tobendem Kind.
18 Kommentare zu «Die heile Welt der Social-Media-Mütter»
Kauderwelsch – ungeniessbar.
Danke
Danke
Was soll’s? Man weiss es ja zum Vornherein: Viel zu vieles ist nur Farce, Lüge und Schein und ein klitzekleiner Kratzer an der maroden Fassade genüg oft schon, um sie in sich zusammenstürzen zu lassen. In jungen Jahren lässt man sich nur allzu oft vom falschen Glanz blenden, im reiferem Alter weiss man’s dann zum Glück besser.
Ich kann den Blog „Mama Arbeitet“ von Christine Finke empfehlen. Sie ist auch auf Facebook und Twitter zu finden. Da wird nichts geschönt sondern auf Missstände gezeigt und trotzdem fehlen die vielen kleinen Augenblicke nicht, bei denen es einem warm ums Herz wird.
Frau Finke hat auch schon Beiträge für den Mamablog geschrieben – und jeweils sehr „durchzogene“ Kommentare generiert.
Blogs sind für mich in erster Linie eine Grundlage für Diskussionen. Dass die dargestellten Inhalte oftmals geschönt sind bzw. nicht die ganze Realität abbilden, sollte eigentlich allen klar sein; und das zu erkennen, traue ich den Lesenden auch durchaus zu.
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Ein absolutes No-Go für mich ist, wenn Eltern ihre Kinder in nicht anonymisierter Form in den Blog einbeziehen (z.B. durch Fotos oder ‚lustige‘ Geschichten). Hier gilt für mich den Grundsatz, dass man seinen Kindern, die sich dagegen i.d.R. nicht selbst wehren können, nichts zumuten sollte, was man sich selbst oder einem anderen Erwachsenen gegenüber auch nicht machen würde.
Für diese Mütter ist eh alles perfekt. Dann liefern sie ihre stets im Mittelpunkt stehende Prinzessinnen und Prinzen im Kindergarten/ Schule ab, wo dann das Personal den Bad Cop spielen darf, weil diese Kinder niemals die Erfahrung gemacht haben, dass nicht alles und jeder sich um sie dreht.
Offensichtlich haben Sie weder Kinder noch lesen Sie solche Blogs. Bei Mini & Stil z.B. wird gut und gerne über diverse schwierige, absolut nicht perfekte Situationen mit den Kindern geschrieben.
Und ich konnte bis anhin nirgends herauslesen, dass die Kids immer im Mittelpunkt stehen. Im Gegenteil. Es ist sehr aufwändig so einen Blog zu betreiben. Da hat die jeweilige Mutter sicher keine Zeit zum dauernden Verhätscheln der Kleinen.
Also ich weiss nicht, warum man sich diese Blogs eigentlich antut. Mal abgesehen davon, dass ich dafür keine Zeit hab, hätte ich auch den Nerv dafür nicht. Und dass Social Media der richtige Weg ist, um aus sozialer Isolation auszubrechen – also damit bin ich auch ganz und gar nicht einverstanden. Ich mag lieber Blogs, wo’s ums Diskutieren und Philosophieren geht, oder um Information – aber nicht diese Heile-Welt-Weichspül-Dinger, die eigentlich einfach die üblen Telenovelas von früher ersetzt haben… Wohl dosiert mag das ja beim Abschalten helfen, aber man kann davon rasch eine sehr schädliche Überdosis abkriegen…
Da empfehle ich den Unmumsy Mum Blog – alles andere als perfekt, der Familienwahnsinn wird so gezeigt, wie er ist, und darum ist der Blog für mich perfekt ;-).
Ist doch ein perfektes Perpetuum Mobile.
Man liest Ratgeber und schreibt dann einen Blog, dass man sich von den vielen, vielen Ratgebern die man liest, unter Druck gesetzt fühlt.
Man schaut gerne YouTube und schreibt dann einen Blog darüber, dass man diese YouTube irgendwie etwas selbstdarstellerisch findet. Wow!
(Und wir machen bei diesen sinnfreien Kreisläufen auch noch mit, indem wir es regelmässig kritisch kommentieren. – So läuft die moderne Unterhaltung: Zeig mir etwas dummes, damit ich darüber mäkeln kann. Schreib mir etwas dummes, damit ich darüber mäkeln kann.)
sollte heissen „dass man diese YouTuber“
Stimme Ihnen absolut zu! Witzig (oder traurig, je nachdem) ist noch, dass Irritiertsein nicht mehr erkannt wird als Hinweis, dass man sein eigenes Konsumverhalten verändern könnte, sondern dass ‘die Influencerin’ dafür verantwortlich gemacht wird. Diese Blogs leben von Klicks, man kann ihnen relativ schnell den Garaus machen.
„Ich schaue mir solche Bilder gern an und lese auch verschiedene Mütter-, Mode- und Lifestyleblogs.“
Das scheint der entscheidende Punkt zu sein. Gleichzeitig ist man irritiert ob der Selbstdarstellungsobsession anderer, Kinder ungefragt inklusive. Sowie ob der dargestellten Hochglanzwelt.
So widersprüchlich das tönt, das ganze bloggen und ‚influencen‘ scheint ein überwiegend weibliches Bedürfnis zu befriedigen. Ein Schuss Voyeurismus, etwas Reality TV, Perfektion à la Hochglanzmodehefte. Und das, was man früher etwas abschätzig DSDS-Syndrom genannt hat. Sprich Ruhm, Bewunderung und den Status einer Geldmaschine zu erreichen ohne eigentlich etwas zu können.
Ohne es zu wissen, aber ich vermute, die Anzahl männlicher ‚influencer‘ dürfte überschaubar sein, die der Follower wohl auch.
Denke nicht, dass diese Aussage betreffend der Anzahl männlicher Influencer und Follower so korrekt ist. Der Grossteil der Follower, welche sich von Ronaldo, Messi, Pogba und Co die neusten Sneaker präsentieren lassen, ist wohl männlich.
Im Sport, zweifellos. Aber die Anzahl derartiger Sportikonen ist wiederum eher überschaubar, im Gegensatz zu den konservativ geschätzt hunderttausenden fashionistas/influencerinnen/Bloggerinnen in Sachen Beauty, Mode, Lifestyle usw.
Aber genaue Zahlen sind mir zugegebenermassen nicht bekannt.
Männer (und Frauen mit Vollzeitjob) haben gar keine Zeit für social media. Die sitzen im Büro den ganzen Tag.
Social Media ist eher etwas für Frauen ohne Job.