Tipps, wie man besser lernt

Eine zu lange Zeit der Anstrengung ist eher kontraproduktiv beim Lernen. Foto: Gaetan Bally (Keystone)
«Hast du auch richtig gelernt?» – Es ist ein simpler Satz, nur eine Frage. Doch Eltern von Schulkindern wissen, dass wegen eines solchen Satzes aus einem ruhigen Abend im Nu ein sehr lauter werden kann. Das ist bei uns zumindest so. Wie oft haben wir uns deswegen schon angeschnauzt und gestritten, mein Sohn und ich. Wobei ich gestehen muss, dass ich die Frage nicht immer ganz so neutral stelle. Ich betone oft das Wörtchen «richtig». «Hast du auch RICHTIG gelernt?», tönt es dann.
Das Problem ist nicht nur der kritische Unterton. Nein, es geht vor allem darum, dass die Definition von «richtig lernen» für meinen Teenager und mich recht unterschiedlich ist: Ich bin davon überzeugt, mit Musik lasse sich nicht lernen. Er schon. Er glaubt zudem, dass er erst am allerletzten Abend vor einer Prüfung lernen muss – und ihn sein Smartphone mit Dauergepiepse dabei sicher nicht stört. Ich finde das unmöglich und schlage vor, er solle sich doch eine einzelne Stunde konzentriert dem Schulstoff zuwenden und danach etwas anderes tun. Er wiederum findet, dass mich sein Lernverhalten überhaupt nichts angehe.
So weit, so schwierig. Doch was sagt eigentlich die Wissenschaft dazu? Wie geht richtiges Lernen überhaupt?
Weshalb Pausen so wichtig sind
In der «Welt am Sonntag» war vor kurzem ein interessanter Bericht dazu. Im Artikel geht es um die Macher des weltweit sehr erfolgreichen Onlinekurses «Learning How to Learn» – also lernen, wie man lernt: Barbara Oakley, Professorin für Ingenieurwissenschaften, und Neurowissenschaftler Terrence Sejnowski. Fast zwei Millionen Menschen haben deren Kurs auf Coursera absolviert – auf dem Portal, auf dem Universitäten aus aller Welt eigene Onlinekurse anbieten.
Die beiden Fachleute haben klare Antworten darauf, wie Neues am besten im Kopf bleibt. Folgende Punkte halte ich für besonders interessant. Sie schreiben:
- Lesen und sofort wiederholen ist die beste Methode, mit Texten umzugehen.
- Lesen und sofort anwenden die beste Art, Formeln auswendig zu lernen.
- Es ist nicht gut, sich beim Lernen während einer zu langen Zeit anzustrengen. «Das ist quälend und für den Lernerfolg leider wenig hilfreich.»
- Natürlich ist Konzentration wichtig und gut, aber viele übertreiben es damit. Nicht jedes Lernen braucht Konzentration. Manches lernt man sogar erst, wenn die Konzentration weg ist.
- Regelmässige kurze Pausen sind wichtig. Man solle kurz telefonieren, eine Runde auf dem Trampolin hüpfen, Turn- oder Yogaübungen machen, etwas essen.
- Grund für die Wichtigkeit einer Pause: Fürs Lernen braucht es den «fokussierten», aber auch den «diffusen» Zustand. Der diffuse Zustand entsteht in einer kurzen Lernpause. Dann werde das Ruhenetz aktiv und das Gehirn könne die neuen Ideen und Informationen einbetten und mit anderen, schon bekannten Dingen verknüpfen.
- Das Gelernte wiederholen machts aus: Lernpsychologisch ideal fürs Gehirn ist, wenn man das, was man morgens in der Schule gelernt hat, nachmittags wiederholt.
Andere Forscher, die sich mit dem Thema beschäftigen, bekräftigen zudem folgende Punkte:
- Musik stört, wenn man sich wirklich konzentrieren muss. Bei kreativen Prozessen und in Pausen aber kann sie unterstützen und den Lernerfolg fördern.
- Nächtliche Lernmarathons kurz vor einer Prüfung sind ineffizient.
- Regelmässiges Üben ist das Wichtigste.
Nun ja, vielleicht werde ich nochmals mit meinem Sohn darüber reden. Wobei ich mir wirklich Mühe geben werde, es ohne jenen kritischen Unterton zu tun.
Lesetipps: Schule ohne Druck – geht das? und Das Gefühl, nie gut genug zu sein
11 Kommentare zu «Tipps, wie man besser lernt»
Es wurden noch ein paar wichtige Punkte vergessen:
– Schlaf: Wenn das gelernte wirklich sitzen soll, dann muss man genug schlafen.
– Motivation: Wenn man nicht motiviert (für Schule, Lehre, Kurs, Studium, …) ist, dann lernt man auch nicht gut.
Beides ist selbstverständlich bei Teenagern schwierig. Man muss den ihnen aber auch etwas Raum (aber nicht absolute Freiheit) lassen: Sie müssen selbst entdecken, wie sie selbst am besten lernen und wie nicht.
Leider trägt das Schulsystem seines dazu bei, dass Binge-Learning (lernen am Abend oder gar am Morgen davor) betrieben wird. …und trotzdem überstehen es die aller-allermeisten und machen z.B. Matur.
Ich hielt mich jahzehntelang an den lateinischen Spruch: „Einmal geschrieben ist zehnmal gelesen“ („semel scriptum est decies lectum“).
Er half mir enorm. Auch wenn ich Hunderte von Heften vollschrieb.
Das wichtigste dabei ist die Erkenntnis, dass Menschen verschieden sind und damit auch verschieden lernen. Die Grundschulzeit bietet da eine gute Möglichkeit, selber gute Techniken zu erlernen. Meine Erfahrung ist die, dass gerade diejenigen, die problemlos durch die Schule kamen, ohne etwas lernen zu müssen, plötzlich später daran scheitern. Darum sollte man Tipps geben und die Kinder dann mal ausprobieren lassen. Ich habe zum Schreck meiner Eltern mitten im Gymnasium meinen Schreibtisch aus dem Zimmer verbannt und seither auf dem Bett, in der Schule oder in der Küche gelernt. Während der Unizeit habe ich ausschliesslich in der Bibliothek gelernt oder in einem Café, zu Hause war Freizeit. Und auch heute, verziehe ich mich, wenn ich etwas lesen muss in die Kaffeeecke, weg vom Tisch.
Den Ort des Lernens wechseln: Auch das ist einer der Tipps der Lernexperten. Sie haben es intuitiv richtig gemacht. /gb
Das Kind zu quälen mit irgendwelchen Vorschriften, wie es „richtig“ zu lernen hat, bringt mit Sicherheit nichts, das ist eher kontraproduktiv. Man kann natürlich Tipps geben, aber letztlich muss jeder die Methode finden, die für ihn passt. Ich habe auch immer so gelernt wie der Teenager im Beispiel, meistens erst kurz vor der Prüfung und mit allerlei Ablenkungen. Und ich habe es trotzdem bis zu einem Uni-Abschluss gebracht.
Cognitive bias… Ist in etwa so, als würde sich der Junior das Fussballspielen (für den FC und nicht für den Plausch) selber beibringen. Gutes Coaching hilft, Methoden zu optimieren und Plateaus zu überwinden. Dennoch: gratuliere für den bestandenen Uni-Abschluss. Kann aber auch heissen: Glück gehabt.
Wichtig ist auch, dass man mit Fragen an den Text herangeht, ihm nicht neutral gegenübersteht, sonst prallt alles wie am Teflon ab. Was denke ich, wird ungefähr darin stehen? Was weiss ich bereits darüber? Nur wenn das Gelernte mit Emotionen verbunden ist, kann es effektiv im Gehirn abgespeichert werden. Die Kunst besteht deshalb u.a. darin, dass die Kinder / Jugendlichen einen Sinn/ Gewinn im Lernen generieren können.
Ich z.B. war als Knabe an einem Turnier in der Westschweiz. Da habe ich mit Mädchen geflirtet, die ich leider nicht versehen konnte. Von da an konnte ich einen Sinn im Erlernen des Französichen generieren. Ab da an konnte ich mir die Vokabeln gut merken, weil ich es lernen wollte. Man weiss ja nie, ob man das Gelernte nicht doch noch einmal gebrauchen kann 😉
Sie erwähnen da etwas Herr Hintermeier, was leider meist unerwähnt bleibt. Die Bedeutung des limbischen Lernens kann sogar nicht hoch genug eingeschätzt werden. Wenn Gelerntes langfristig nicht vergessen gehen soll, muss es idealerweise mit Emotionen, mit Assoziationen behaftet sein. Sprich der Lernstoff sollte mit einem Inhalt gefüllt werden, der genug eingängig ist um zu bleiben. Alles andere ist letztendlich Pauken.
Musik zum Lernen kann daher in meinen Augen nicht funktionieren, zumindest bei anspruchsvollem Lerninhalt.
Die Neurophysiologie des Lernen, insbesondere des Übergangs vom Kurzzeit- in das Langzeitgedächtnis, wird in den obigen Tipps leider überhaupt nicht berücksichtigt.
Dieser Übergang findet in der REM- Phase des Nachtschlafes statt und die Reihenfolge der Inhalte orientiert sich an der emotionalen Aufladung. Wenn man nach dem Lernen noch ein stärkeres Erlebnis platziert, so als Belohnung, ist es recht wahrscheinlich, dass dieses gemerkt und das Gelernte vergessen geht.
Idealerweise lernt man unmittelbar vor dem Zubettgehen. An guten Internaten finden die Lernfächer am späten Nachmittag statt und danach lässt man den Schülern keine unstrukturierte Zeit.
Ganz gemäss Gerald Hüther, in seinem spannenden Buch „Mit Freude lernen“.
Am besten/hilfreichsten ist die eigene Einstellung „ich will das lernen, und deshalb fokussiere ich mich darauf, bin nicht halbherzig bei der Sache, mit meinen Gedanken zur Hälfte ganz woanders, denke auch darüber nach/verinnerliche es wenn ich nicht am Pult sitze“- das finde ich die wirklich grosse Herausforderung wenn es um Fächer geht, für die das Kind nicht schon aus eigenem Antrieb brennt und sich einsetzt.