Lasst Kinder spielerisch lernen!

Wann platzt die Seifenblase? Kinder wollen selber Erfahrungen sammeln. Foto: Snapwire, Pexels

Beim Blättern im Onlinekatalog eines grossen Spielwarenhändlers entdecke ich eine Kinderwaage mit Display: Ware auf die Waage legen, auf eines der neun Früchte- oder Gemüsebilder drücken – schon springt ein kleiner Zettel heraus. Ich komme ins Nachdenken und versuche, mich in ein Kind von heute einzufühlen. «Eine Waage, bei der ich nur eine Taste drücken muss, cool! Genau wie im Laden.»

Mir kommt die Waage aus meinen Kindertagen in den Sinn. Auf einem Holzblock aufrecht ein Holzbalken, darauf ein beweglicher Querbalken, an den Enden je eine Schale.

Damit lässt sich viel erleben: Waage aus dem MontessoriShop. Foto: PD

Wie viel mehr liesse sich mit der alten Balkenwaage erleben, erfahren, entdecken … «Geben Sie mir noch ein wenig mehr, nein, das ist zu viel.» Soziales Handeln wird mit Sprache verbunden und ganz nebenbei werden grundlegende Mengenbegriffe geübt. Beobachtet ein Kind, dass zwei Kieselsteine etwa 10 Gramm schwer sind, 10 Gramm Blätter dagegen auf einer Schale gar nicht Platz haben, so hat es das spezifische Gewicht für sich entdeckt.

Mehr erfahren und erleben

Der Tastsinn und die Feinmotorik werden geübt, wenn Zahnstocher als Spaghetti oder kleine Perlen als Rosinen abgewogen und verkauft werden, Vorstellungsvermögen und Kreativität kommen ins Spiel. Redewendungen wie «etwas abwägen», «ein gewichtiges Argument» erhalten durch die konkreten Erfahrungen eine tiefere Bedeutung. Die Balkenwaage kann ein Kind über Jahre begleiten. Die Entwicklung verläuft dabei von «viel und wenig» über «weniger und mehr» bis hin zum Erleben des Hunderterraums, wenn ein Kind herausfindet, dass ein Gewichtsstein von 100 Gramm genau so schwer ist wie einmal 50 plus zweimal 20 und einmal 10 Gramm.

Für mich ist klar: Ich werde meine alte Balkenwaage, die etwas ramponiert auf dem Estrich liegt, neu streichen, die ausgebeulten Schalen flicken lassen, nach den fehlenden Gewichtssteinen suchen und die Waage einem Kind schenken, das mehr erfahren und erleben möchte, als auf eine Taste zu drücken, damit ein Zettel herauskommt.

Lesen Sie von der Autorin auch das Posting: Darum ist freies Spiel so wichtig

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30 Kommentare zu «Lasst Kinder spielerisch lernen!»

  • Bernhard Straessle sagt:

    «Begreifen» kommt von «greifen». Eine elektronische Waage, welche das Resultat nur in abstrakten Zeichen auswirft, kann ein Kind nicht begreifen; es muss einen Zettel lesen und glauben. Für den Vergleich zweier Objekte sind drei (digitale) Schritte nötig: Das Wägen des einen Objekts, dann des anderen Objekts und schliesslich das Vergleichen der Ergebnisse (Subtraktion). Auf der Balkenwaage ist jede Veränderung in der Versuchsanordnung unmittelbar sichtbar. Wer drei Objekte nach «leichter – schwerer – am schwersten» ordnen will, muss sich erst eine Organisation zurechtlegen: Objekte hintereinander wägen, Zettel zuordnen; hernach nach Resultat sortieren. Bei der analogen Waage, bleibt das schwerste Objekt bei jedem Versuch unten.

  • Jänu sagt:

    @CB: Sie haben natürlich Recht mit Ihren Aussagen. Aber ausgerechnet die Waage, digital oder nicht, hat eine eindeutige Funktion. Ihr Zweck ist alleine das Wägen.
    Die Autorin hat einen pädagogischen Tunnelblick, sie erwartet vom Spielzeug und Gerät mehr als zu erwarten ist. Ein Beispiel, dem Argumentationsmuster der Autorin nachempfunden:
    Modellautos, die kleinen, mit denen Buben spielen, sind demnach pädagogisch genauso unnütz. Wie viel mehr Erfahrung würde das Kind erhalten, wenn es noch eine Kutsche aus Holz wäre, an die eins zwei Pferdchen angespannt sind. Da könnte es viel besser damit spielen, könnte das Pferdchen abzäumen, usw. usf.
    Sie sehen, es ist nicht das Spielzeug, es ist die Freiheit mit dem Spielzeug zu tun, was man will, die entscheidend ist. Ein Stein, ein Stock, Sand.

  • Adam Riese sagt:

    Provokative Frage: Was nützt es einem Kind etwas zu lernen, wenn es dies später im Leben wieder verlernt, weil es ihm durch ach so tolle Apps abgenommen wird? Wer kann heute noch richtig navigieren, rechnen, memorisieren, schreiben, lesen, kombinieren, analysieren?

    Da ist eine digitale Waage, bei der ein Zettelchen rauskommt, wohl das kleinste Übel.

    • Michael sagt:

      Kann Dich verstehen, lieber Adam. Wir sind Menschen des Zwischenzeitalters, die auch meist noch ohne ein elektronisches Hilfsmittel auskommen können. Aber unsere Kinder werden mit Rechnern rechnen und Schreibprogramme nutzen. Trotzdem glaube ich nicht, das sie weniger ausprobieren, kombinieren und analysieren werden. Nur halt ein bisschen anderes.

    • tina sagt:

      es geht darum, das prinzip „körperlich“ selber zu erfahren, damit man das prinzip dahinter versteht. im gegensatz zu der rein abstrakten gewichtanzeige, für die es sowieso zuerst lesen können muss.

  • Cybot sagt:

    Gut gemeint, schlechtes Beispiel: Das Experiment mit den Blättern und den Kieselsteinen funktioniert mit einer digitalen Wage nämlich genauso gut. Was man mit der Balkenwage hingegen eher lernt, ist rechnen (Gewichte addieren). Vor allem aber ist die Funktionsweise mit dem Hebelprinzip direkt sichtbar, während man bei der digitalen Wage nur das Ergebnis sieht, aber nicht wie es zustande gekommen ist.

    • Jänu sagt:

      Und wenn das Kind die Balkenwaage nicht erklärt bekommt, dann wird es das Hebelprinzip (auch den allgemeinen Fall mit unterschiedlichen Balkenlängen) in den allermeisten Fällen nicht erkennen. Dafür hat auch die Menschheit eher lang gebraucht. Das kommt nicht alleine ins Kind.
      Wer eine Waage aber als Lehrmittel einsetzen möchte, der ist natürlich besser beraten, eine Balkenwaage zu verwenden. Die Erklärung wie diese funktioniert ist möglich, die Digitalwaage zu erklären, wohl kaum.
      Wer die Waage im Spiel nur als Instrument einsetzt, um herauszufinden, was leichter oder schwerer ist, der ist mit beiden gut bedient, vorausgesetzt, er hat vorher die Zahlen gelernt.
      (Beauftragtes) Spiel in der Pädagogik ist etwas anderes als das Spielen von sich aus.

  • 13 sagt:

    Vor einigen Monaten war im Schweizer Fernsehen ein Bericht zum Thema Homeschooling und da hat ein ehemaliger Homeschooler gesagt: Das einzige, was er zu Hause nie gelernt hat und er wohl in der Schule gelernt hätte, ist der Unterschied zwischen „spielen“ und „lernen“. Ich finde die Aussage spannend und wichtig. Alle höher entwickelten Tiere lernen durch das Spiel. Keine Löwenmutter geht hin und sagt zu den Jungen: Hört auf herumzutollen und kommt zu mir, jetzt lernen wir gegen den Kampf gegen einen anderen Löwen. Gerade das lernen sie durch das Herumtollen. So auch die Kinder. Sie saugen alles mögliche auf, wenn sie die Möglichkeit erhalten. Da wir das aber heute zu oft trennen, schauen wir das Lernen nicht als den Sinn des Spieles an und produzieren eben Digitalwaage für Kinder.

    • Reincarnation of XY sagt:

      Tja, jetzt ist nur noch die Frage: warum wir noch höher entwickelt sind, als die Löwen. Löwen lernen ja auch nichts, ausser fressen und überleben. Die werden niemals Ärzte oder Ingenieure.
      Nichts gegen spielerisches Lernen, aber ich habe immer etwas Mühe, wenn Beispiele aus dem Tierreich dafür herhalten sollen, irgendetwas als den richtigen oder natürlichen Weg zu legitimieren.
      Natur und Tierreich sind kein Argument. Sonst könnten wir auch wieder die schwächsten Kinder ausstossen, einen Harem halten, um Frauen kämpfen …. etc.

      Wir sollten überlegen: was können wir besser, effizienter machen? Welche Traditionen gehören in die Mülltonne? Über welche sollten wir wieder vermehrt nachdenken? –

    • Sama sagt:

      Möglicherweise ist das die Erklärung, warum Löwen im Gegensatz zum Menschen immer noch in der Steppe hocken und nichts anderes tun, als vor 50’000 Jahren?

    • Jänu sagt:

      Tiere auf der kognitiven(!) Ebene mit Menschen zu vergleichen und umgekehrt, erlaubt keine wirklichen Schlussfolgerungen bezüglich des Lernverhaltens von Menschen. Denn Tiere sind nie(!) bewusste Lehrer, da sie nicht zur Reflexion fähig sind. Darum können Tiere nur durch Erfahrung lernen und eben durch das Spiel.
      Es hat darum überhaupt keinen Sinn, 13, was Sie hier anführen. Erst beziehen Sie sich auf die Natur, dann interpretieren Sie einen (menschlichen) Sinn in das Spiel. Das ist ein Widerspruch.
      Spiel ist ausserdem nicht zweckgebunden (wenn es frei ist). Es dient auch zur Einübung und Verarbeitung von Erfahrungen. Sie geben einem Kind einen Stock, das benutzt in als Angel, geben Sie ihn einem anderen Kind, benutzt es ihn vielleicht als Krücke. Wenn es frei damit spielen darf.

    • Michael sagt:

      Homeschooling – bei solchen Anglizismen stellen sich mir immer die Nackenhaare auf. Tiere, auch die höher entwicklten müssen weder rechnen noch schreiben noch lesen lernen liebe/r 13. Das was die Tiere weitergeben, ist die Kunste des Beutefangs und ggf. wie man überlebt. Wesentlich komplizierte Dinge wie das Fliegen ist bei den Vögeln sogar genetisch festgelegt. Die stürzen sich aus dem Nest und können es. Wenn wir uns immer so als Krönung der Schöpfung betracheten muss ich bei solchen Dingen immer heftig schmunzeln.

    • 13 sagt:

      http://www.kindergartenpaedagogik.de/418.html

      Für die, die es wirklich interessiert 😉

      • Jänu sagt:

        Wenn man nicht weiss, was man Antworten soll, wirft man dem Forum einen Link hin, liebe 13? Habe den durchgelesen und konnte keinen Zusammenhang mit ihrem Ausgangsposting feststellen, dass Ihre gewagte Löwentheorie irgendwie stützen würde. – Und Ihre Bemerkung, die Sie unter den Link schreiben, ist anmassend, trotz und wegen des zwinkernden Emoticons.

  • Karl von Bruck sagt:

    Die Arbeitsteilung waere zum Segen der Menschen ausgegangen, wenn die Wirtschaft dem Volk, statt das Volk (dichtegestrest) der Wirtschaft angepasst worden waere. Nicht nur mit dem Kinder- sondern auch mit dem Hausfrauen“spielzeug“ gehen primiivste Kenntnisse und Fertigkeiten verloren. Vom einmaleins bis zum Kochen, Waschen und Putzen ohne Maschinen….

    • Reincarnation of XY sagt:

      Der Untergang! Der Untergang!!
      Nur, dass jede Generation, die vorangegangene an Innovation und Effektivität noch übertrifft.

      Allen Balkenwagen zum Trotz, wird die kommende Generation uns übertreffen. (Es sei denn, das ausgerechnet unsere Generation tatsächlich der Zenit der menschlichen Evolution war.)

  • Jänu sagt:

    Das ist jetzt aber etwas gar dünn geraten. Man wird auch ohne Balkenwaage ein ganz normaler Mensch werden. Und auch eine Digitalwaage vermag diese Entwicklung nicht aufzuhalten. Es ist egal, mit was Kinder spielen, Hauptsache, sie spielen. Aber das ist keine Weisheit, sondern einfach nur gesunder Menschenverstand.

    • gabi sagt:

      So lange sie tatsächlich selber spielen. Also die Fantasie einbringen.

      Bei vielem chinesischen Plastickramsch scheint´s ja wirklich nur drum zu gehen, ein oder zwei Knöpfli zu drücken, um damit ein Fiepen oder Leuchten in Gang zu setzen.

      Das Zeug ist dann meistens nach spätestens zwei Wochen hin und dann darf man sich höchstens noch spielerisch mit der Entsorgung beschäftigen.

      Ich versteh den Artikel (auch) als Aufforderung einfacheren Spielzeugen eine höhere Wertschätzung zukommen zu lassen. Da kann ich gut mit. Selbst die angehäufte Sammlung an – nicht entsorgten – Weinkorken leistet da Grossartiges.

    • Christoph Bögli sagt:

      Die Balkenwaage entscheidet natürlich nicht über das Schicksal eines Kindes, aber als einfache Illustration fand ich das Beispiel jetzt nicht verkehrt. Denn völlig egal, mit was oder wie Kinder spielen, ist es eben doch nicht. Spielerisch kann durchaus Verständnis gefördert, Wissen vermittelt und das Denken geschult werden. Oder eben nicht. Ob ein Spiel nur banaler Konsum und sinnfreie Beschäftigungstherapie ist oder die intellektuelle Kapazität oder Kreativität fordert und fördert macht langfristig wohl schon einen Unterschied.

      • Jänu sagt:

        Kinder, jedenfalls meine, lassen sich nicht vorschreiben, wie sie mit den Sachen spielen. Es liegt am Begriff ‚Spiel‘: Es geht hier ums Vergnügen, um den Gebrauch irgendeiner Sache, durchaus auch durch Zweckentfremdung.
        Die Autorin sieht das Spielen hier als pädagogisches Mittel. Das ist aber nicht freies Spielen, sondern spielerisches Lehren aus Sicht einer Lehrperson.

      • Reincarnation of XY sagt:

        Bravo Jänu – genau so ist es.
        Meine Kinder interessiert es nicht, was ich für ein gutes Spielzeug halte. Sie finden ihre Sachen und – oh Wunder – ihre „modernen“ Sachen inspirieren sie, ihre Fähigkeiten zu entwickeln.
        Der Mensch ist nämlich intelligent. Er ist nicht im Niedergang, sondern er entwickelt sich. Selbst wenn jede Generation wieder denkt, die Nachfolgende sei hoffnungslos dem Untergang der modernen Zeiten ausgeliefert.

        Wir haben einfach Mühe, zu begreifen, dass unsere Zeit nicht das Gelbe vom Ei war, sondern nur 1 von Mio Möglichkeiten. Und dass für neue Generationen ganz Anderes wichtig sein wird, als es für uns war.

      • Christoph Bögli sagt:

        @Jänu: Wie gesagt, das ist zum Teil sicher richtig, aber halt eben nur die halbe Wahrheit. Denn eine gekaufte Spielsache ist erstens ja immer eine direkte Beeinflussung und zweitens wie frei und zweckentfremdend sich mit etwas spielen lässt, hängt eben auch damit zusammen, wie viel Freiraum ein Spiel oder Gegenstand lässt. Und darauf zielte die Kritik letztlich ab, dass in ihrer Funktionsweise überaus limitierte Spielsachen den Freiraum unnötig verknappen.

        Kinder mögen zwar z.T. Wege darum herum finden (oder dann einfach das Spielzeug links liegen lassen), aber dann stellt sich trotzdem die Frage, wieso man überhaupt ein solches übersimplifiziertes, weitgehend sinnfreies Produkt kauft.

  • Frank Sinatra sagt:

    Zwar eine gute Sache die alte Balkenwaage, viel entscheidender ist jedoch ob sich die Eltern mit den Kindern überhaupt abgeben. Ich behaupte sogar das 99% aller Kinder nicht verstehen was die Dichte ist, folglich glauben sie das Co2 welches schwerer ist als Luft am Himmel die Erdabstrshlung blockiert. So viel zur Physik.

    • Christoph Bögli sagt:

      Ja genau, darum ersticken die Flachländler ja ständig in den riesigen CO2-Seen am Boden, während bei den Berglern regelmässig der Atemreflex aussetzt aufgrund fehlendem CO2. Und dass in der Stratosphäre CO2 vorhanden ist liegt sicher nur an den bösen Chemtrails, gell?

      Aber in einem gebe ich Ihnen recht, Bildung tut wirklich not. Denn auch ein Grossteil der Erwachsenen versteht leider nichts von Physik, der Zusammensetzung der Atmosphäre oder dem Verhalten von Gasen, wie Sie hier eindrücklich belegen.

      • Frank Sinatra sagt:

        Trotzdem hat Co2 die Tendenz auf den Boden zu sinken und je weiter sie nach oben gehen desto geringer ist der CO2 anteil.

    • Cybot sagt:

      Dann kann Wasser ebenfalls unmöglich oberhalb des Bodens vorkommen, richtig? Schon gar nicht in fester Form wie z.B. die Cirrus-Wolken aus Eiskristallen? Auch die Ozonschicht ist nur ein Märchen, Ozon ist ja ebenfalls schwerer als Luft. Über fliegenden Staub wollen wir erst gar nicht nachdenken, z.B. Saharastaub aus festem Silizium, wie sollte der bloss fliegen können…

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