Warum ich es liebe, Mutter eines Teenagers zu sein
Die Journalistin Sandra Casalini hat letzte Woche im Elternblog der «Schweizer Illustrierten» eine Liste veröffentlicht: «10 Dinge, die ich daran hasse, Mutter eines Teenies zu sein». Punkt zehn – dass man an die eigene Teenager-Zeit erinnert wird und sich bei der eigenen Mutter entschuldigen möchte – kann ich sehr gut nachvollziehen. Aber eigentlich sehe ich die Sache anders. Der Spruch «kleine Kinder, kleine Sorgen, grosse Kinder, grosse Sorgen» hat mich bis heute nicht überzeugt. Vielleicht habe ich bis jetzt ja einfach Schwein gehabt.
Wie auch immer, ich finde es wunderbar, Mutter von zwei Teenagern zu sein. Nicht immer, aber grundsätzlich. Offen gestanden, finde ich es spannender und bereichernder, als Mutter von zwei noch so bezaubernden Kleinkindern zu sein. Gründe dafür gibt es unzählige:
- Weil man mit intelligenten Menschen debattieren kann, die noch Ideale haben und einen an die eigenen erinnern.
- Weil niemand sonst so schonungslos ehrlich mit einem ist und einen trotzdem unverbrüchlich liebt, oft heimlich, aber eben dennoch.
- Weil man mit kaum jemand anderem so herzlich über sich und das Leben lachen kann.
- Weil man sie nicht wickeln und füttern muss und für sie denken und atmen.
- Weil man spürt, dass sie langsam auf eigenen Beinen stehen können und man bald die gröbste Pflicht geschafft hat. Was nun kommt, ist reine Beziehung.
- Weil sie vor allem in Gruppen super unterhaltsam sind und man ständig neue Musik, Filme und andere Dinge kennen lernt.
- Weil sie einen so scharf beobachten, dass es einfacher wird, den eigenen inneren Schweinehund zu bändigen. Aus Scham, angeschickert oder sonst wie daneben erwischt zu werden, fällt vernünftig leben ein Quäntchen einfacher.
- Weil sie einen bei Weltschmerz brauchen und man alles Verfügbare hervorkramen muss, um ihnen zu zeigen, dass das Leben lebenswert ist. Und einen diese Zuversicht selbst ansteckt und stärkt.
- Weil sie sich selbst anziehen, aufstehen, zu Bett gehen.
- Weil sie je länger, je mehr selbst auslöffeln, was sie sich eingebrockt haben: müde sein vom Spät-ins-Bett-Gehen, erkältet sein, weil bauchfrei einfach sein musste für einen bestimmten Anlass etc.
- Weil sie so schön sind und wir es drum nicht mehr so verkrampft selbst sein müssen. Zumindest nur noch in machbaren Massen. Their time to shine!
Ja, natürlich habe ich auch Angst. Vor dem ersten Vollsuff, vor Drogen, vor K.-o.-Topfen, Arschlöchern, Mobbing, Autostopp und all so was.
Aber nicht mehr, als ich es vor Erdnüssen in der Luftröhre, Ausbüchsen in den See ohne Flügeli, offenen Fenstern, rücksichtslosen Autofahrern, hohen Bäumen, Pädophilen und Pausenplatzplagereien hatte.
PS: Einen Punkt hatte ich noch vergessen. Mein Sohn hat mich darauf hingewiesen: Teenager machen weniger Puff als Kleinkinder und helfen mehr. Ergo hat man weniger zu tun. Recht hat er.
35 Kommentare zu «Warum ich es liebe, Mutter eines Teenagers zu sein»
Auch ich bin der Meinung, dass die Sorgen nicht grösser sind, sondern einfach andere. Der grosse Vorteil von Teenagern liegt aber darin, dass man wieder viel mehr Zeit für sich hat und dementsprechend auch mehr Erholung von den Sorgen. Zu sehen, wie sie selbstständig werden, ist einfach fantastisch (auch wenn man selbst manchmal eine abdere Vorstellung davon hat). Irgendwas scheint man doch richtig gemacht zu haben.
Was bin ich froh, dass die anstrengende Kleinkinderzeit vorrüber ist. Teenager sind viel interessanter.
Also ich übernehme lieber die Sorge und Verantwortung für angelegte Flügeli und um die hohen Bäume, als mit doppel geschminkten Tussis und sich permanent selbst filmenden Gören Zeit zu verbringen. Dass man sich über Instagram und Snapchat dann auch noch quasi selbst vervielfältigt erhöht den Stress beträchtlich. Ist aber auch vielleicht eine Frage der Dosis, Prägung, Herkunft und Kultur.
Unsere Tochter ist inzwischen erwachsen, aber ich denke gerne an die Teenager-Zeit zurück, die neben allen Auseinandersetzungen eben auch viel Schönes bereit hielt. Ich erinnere mich mit Freude, wie wir zum ersten Mal gemeinsam in Zürich in den Ausgang gingen und im Terrasse einen Cocktail tranken – die 16jährige einen ohne Alkohol – und es war einfach schön und cool !
Schöner Beitrag. Ich hoffe, ich werde das mit meinem ADHS-Kind auch so erleben können. Bis dahin tu ich, was ich kann, um – wie das weiter unten so schön einfach platziert wurde – eine gute Basis aufzubauen, auf der mein Teenie dann mal weiterbauen kann…
Toller Text!
Ich weiss schon, weshalb ich Teenies als Arbeitsgspändli gewählt habe… 😉
Ein schöner Artikel über die Sonnenseiten der Teenies, merci! Wenn wir dann mal so weit sind werd ich die Liste hervor kramen und abhaken.
Ich glaube ich wage meine persönliche Prognose, dass die Zeit der Pubertät einfacher wird als die Kleinkind Zeit. Eigenverantwortung sei Dank.
So ein schöner Artikel Frau Fischer! Ich freue mich schon auf die Teenagerzeit!
kinder zwischen 13…18 sind generell und per se mühsam. ohne wenn und aber. das ist normal und man muss damit leben. danach legt sich das dann wieder einigermassen. wichtig ist, dass sie arbeitsmässig gut ausgelastet sind. dann sind sie wenigstens abends müde. kinder haben mag befriedigend sein. sie zu erziehen – (und währen der pubertät zu ertragen) – ist arbeit-arbeit-arbeit.
Können Sie Gedanken lesen, liebe Frau Fischer? Heute Morgen noch habe ich mich ausführlich ausgeweint bei einer Bekannten über die vor den Sommerferien gezündete Phase 2 der Pubertät. Und nun das. Merci. Sie lassen meine kleine Welt heute strahlen.
Was ist die Phase 2?
Wenn sich nur alle Teenager so über einen Leisten schlagen liessen… Und sich eine fortgeschrittene 11-jährige mit einer 15jährigen vergleichen liesse. Bei der 15jährigen spüre ich z.Zt. tatsächlich eine merkliche Erholung – sie hört gelegentlich wieder, dass ich etwas sage, entfernt die Schokoladeschichten aus der Küche nach dem Backen und teilt sogar manchmal mit, wohin sie zu gehen gedenkt. Die bislang meist brave, ausgeglichene 11jährige beginnt dafür mit ihrer Figur/Haarfarbe/Nase/Fussform zu hadern und zeigt eine bislang unbekannte Tendenz zur Kratzbürste. Ich hoffe nun, dass ich bei Nr. 2 die Sache gelassener angehe. Bezüglich der übermässigen Besetzungsdauer des Badezimmers mit anschliessender Überschwemmung habe ich allerdings alle Hoffnungen begraben.
„Weil man mit intelligenten Menschen debattieren kann, die noch Ideale haben und einen an die eigenen erinnern. “
🙂 allerdings ist es schon übel ernüchternd, wenn man feststellt, dass man gar nicht mehr weiss, wieso man gewisse ideale hat, weil man sie schon so lang gar nichtmehr begründen musste. und dass die teenager besser informiert sind und einem die argumente ausgehen. dann muss ich mir jeweils selber vor augen halten, wie es dazu kam, dass ich so ticke wie ich ticke. aber diese dinge sind heute nicht mehr so und darum ticken die teenager von heute anders als wir
„Weil sie einen so scharf beobachten, dass es einfacher wird, den eigenen inneren Schweinehund zu bändigen. Aus Scham, angeschickert oder sonst wie daneben erwischt zu werden, fällt vernünftig leben ein Quäntchen einfacher.“
hahaha wie wahr. muss ich ihnen mal so sagen und mich bedanken
„suscht rauchsch wenigstens nume wänns niemer gseht“
Liebe Frau Fischer Schulthess, das unterschreibe ich (Vater von 2 männlichen Teenagern) alles sofort – vielen Dank!
Der Blog aus der SI hat mich überhaupt nicht überzeugt.
So ein schöner Artikel. Danke! Mein Kind ist inzwischen erwachsen und auch diese Zeit liebe ich sehr.
@Colisa
Die Auswüchse von Verfehlungen können möglicherweise dramatischer sein, doch die Konsequenzen nicht.
Teenager können die Konsequenzen ihres Handelns grundsätzlich einigermassen abschätzen. Kleinkinder nicht.
Ein Kleinkind rennt voller Freude in den See ohne die Gefahr zu kennen.
Teenager machen irgendwelches blödes Zeugs weil sie die Gefahr kennen.
Da wäre ich vorsichtig, Herr Müller.
Bei Teenagern neigt man dazu zu glauben, sie könnten die Konsequenzen ihres Handelns grundsätzlich einigermassen abschätzen. Dies nicht zuletzt auch darum, weil sie selber dieser felsenfesten Ueberzeugung sind.
Daher machen Teenager irgendwelches blödes Zeugs, weil sie die Gefahr zu kennen glauben. Was nicht immer der Fall ist. Denn Teenager sind eben nicht einfach jung aussehende Erwachsene. Wenn es anders wäre, gäbe es keinen Grund für Schutzalter, Jugendstrafrecht, Fahrausweis ab 18 LJ,. usw.
Sie sind in dieser Zeit wirklich ein wenig wir Schrödigers Katze
Sie können mit Vernunft und Logik argumentieren und gleichzeitig sämtliche Vernunft und Logik über Bord werfen….
Sagen wir mal so, ob die Vernunftsschranke oben oder unten ist, ist sehr willkürlich (und das deutlichste Zeichen, dass das Hirn sich in der pubertären Umbruchphase befindet)
ich persönlich hielt mich ja für unverletzlich im alter zwischen 13 und 18. ich hielt es für „autofahrerschocken“ und nölte „die können ja bremsen“, wenn ich unvermittelt auf die strasse lief oder mit dem töffli einfach schräg über grosse kreuzungen fuhr. bremsen hielt ich für feiglingkram. ach lieber nicht dran denken….
@tina: Ich winde mich Bis heute, wenn ich an die Gefahren denke, die ich selbst als Teenager nonchalant eingegangen bin – nicht nur mit dem „Töffli“. Und weil ich mich so gut daran erinnere, habe ich bei meinem Teenie völlig unerwartet gröbere Ängste ausgestanden. So zwischen 15 und 17 hat sie mich schon hart geprüft. Die Rettungsauto-Sirenen der nahen Uniklinik habe ich weder vorher noch nachher so intensiv wahrgenommen. Anstelle des extremen Partyangebots der Ausgangsmeile habe ich mir die „Polizeistunde“ zurückgewünscht. Ein über Stunden nicht abgenommenes Handy hat mir schwer zugesetzt. Sogar wenn sie sich heute (mit 20) über eine gewisse „bünzlige Vorsichtigkeit“ ihres Freundes beklagt, denke ich heimlich: besser als umgekehrt. Aber klar gab’s auch viel Schönes.
hihi
ja, die polizeitstunde wäre für eltern von teenagern wirklich eine grosse erleichterung. und die nachtbusse auch gleich streichen bitte ;-). wobei ich hier sagen darf, dass mich meine jungs wirklich nervlich schonen, und inzwischen sind sie alt genug und haben sich als vernünftig erwiesen, dass ich diese phase vielleicht gar nicht mehr durchstehen muss *holz klopf
gewisse dinge sind vielleicht ja doch nicht erblich 🙂
ich tue mich da gerade schwerer damit, dass ich permanent das gefühl habe, permanent auf der falschen seite des grates (überbemuttern, schleifen lassen) zu wandern :S
aber eigentlich geht es mir eher wie AF: es ist schön, grosse kinder zu haben, es ist interessant und ich fühle mich eher entlastet, da die verantwortung eigentlich bei den kindern liegt und ich eher für den support zuständig bin. zum glück finden sie mich nur punktuell blöd und peinlich (und dann bin ichs auch)
Ein Bericht von der Sonnenseite des Lebens. Ansonsten ein normaler Bericht, wenn der Nachwuchs beginnt, sich abzunabeln.
Mir ist es sehr recht, wenn alle andern solch wunderbaren Zeiten erleben und geniessesen; ich brauch sie nicht, denn ich will nie ein voll peinliches Mami sein.
Teenager können einem grössere Sorgen bereiten als Kleinkinder, weil die Auswüchse ihrer Verfehlungen viel dramatischer sind. Manche Eltern haben Glück, andere haben schwere Zeiten mit ihren Teenagern. Und: Es kommt nicht immer alles gut. Manchmal eben nicht, so ist da Leben.
Etwas oberflächlich der Artikel. Einige Zitate kann ich jedoch unterschreiben.
Glück….. es ist Glück respektive verschont sein von Pech, wenn uns kein schlimmer Unfall oder keine schlimme Krankheit trifft. Aber wie sich ein Kind in der Pubertät entwickelt, ist vor allem eine logische Konsequenz, von dem, wie es aufgewachsen ist.
Oberflächlich sind die Menschen, die meinen das alles sei Glück (sprich zufällig).
Nein, der Beitrag ist gut. Positiv und zukunftsorientiert. Wer richtig mit seinen Kindern umgeht, der kann das auch sein.
„Aber wie sich ein Kind in der Pubertät entwickelt, ist vor allem eine logische Konsequenz, von dem, wie es aufgewachsen ist.“
Nicht nur, RoXy. Klar, legen wir die Basis unserer Erziehung in den ersten Jahren. Aber umso älter unsere Sprösslinge werden, umso weniger haben wir diese Entwicklung in der Hand, zig von uns kaum beeinflussbare Faktoren spielen da eine zunehmende Rolle. Und diesbezüglich braucht es durchaus auch Glück, wie auch sonst im Leben ab und an.
in die rechnung gehören aber schon auch andere faktoren, ausserdem ist es auch mit glück/pech verbunden, wie man aufwächst. das ist nicht alles kalkulierbar und steuerbar. beispielsweise führt pech möglicherweise zu brauchbaren bewältigungsstrategien, aber das ist nicht planbar
wie man selbst aufwächst ist glück oder Pech – aber wie die eigenen Kinder aufwachsen nicht unbedingt
Da könnte man jetzt lange philosophieren über Zufall, Schicksal, Erziehung, … es ist wohl immer ein Sammelsurium von allem. Wenn das Verhalten kein Zufall ist sondern logische Konsequenz der Erziehung, muss man im Falle des Fehlverhaltens den Schuldigen suchen, sprich die Eltern. So einfach ist das Leben aber nicht. Geschwister können können sich ganz unterschiedlich entwickeln etc.
@tina & Colisa: RoXY schreibt explizit von „von dem, wie es aufgewachsen ist.“
Und ich verstehe das eben so, dass er sämtliche Faktoren meint, die in der Zeit des Aufwachsens wirken. (Und da ist vllt auch mal zu erwähnen, dass die Eltern eben nicht alleinig den Hauptteil ausmachen! Ich würde sogar sagen, sie machen „nur“ die Hälfte der Prägung aus)
tsts, ah stimmt, ich habe roxy tatsächlich ohne es zu merken so interpretiert, dass er mit „so wie es aufwächst“ das meinte, was die eltern in der hand haben. also erziehungsform, umgang in der familie miteinander, wohnort. seine antwort deutet allerdings auch darauf hin, dass er es wirklich so meint. oder wie meinst du es denn roxy? ich jedenfalls meine dass man zwar vielleicht wählen kann, wo man wohnt, aber man weiss dann eben doch nicht, wie die klassenkonstellation ist. glücksache. oder wie es mit den eltern läuft: vielleicht wird einer krank und damit einher geht vielleicht verschuldung usw. glücksache. und wie das kind damit klar kommt ist dann eben nochmals glücksache, auch wenn man es natürlich in der hand hat, sich förderlich zu verhalten
naja, ein Kleinkind, das ohne Flügeli in den See abhaut und dann ertrinkt, ist ja wohl auch ziemlich dramatisch, oder? und das kommt eben auch nicht mehr gut.
Stimmt, manche haben Glück, bei anderen gibt’s wilde, anstrengende, schädliche Sachen. Trotzdem hat dieser Blog im Prinzip recht, finde ich.