Best of: Mutterschaft ist ein Gesundheitsrisiko
Es sind Sommerferien, auch für unsere Autorinnen und Autoren. Deshalb publizieren wir während zweier Wochen einige Beiträge, die besonders viel zu reden gaben. Dieses Posting erschien erstmals am 27. Januar 2017.

Die eigenen Bedürfnisse bleiben bei Müttern oft auf der Strecke. Foto: iStockphoto
Eine chronische Bronchitis. Die Grippe, allerdings nur halb auskuriert. Schlafstörungen, Niedergeschlagenheit – und seit mehreren Jahren immer am Rande der totalen Erschöpfung.
Sehe ich mich in meinem Umfeld um, habe ich es mit lauter ambitionierten Müttern kleiner Kinder zu tun, die so viel Tolles machen und schaffen – doch dabei auch immer kurz vor dem Kollaps stehen. Sie sind zwar erschöpft, können aber nicht schlafen: Weil die Kinder rufen oder die Gedanken kreisen (habe ich auch wirklich an alles gedacht für morgen?). Sie haben kaum mal eine Minute für sich, weil einfach immer etwas ist: Das Hin und Her zur Kita, der anspruchsvolle und stressige Job, der Haushalt, die Turbo-Kocherei, die Erziehungsarbeit, die verschiedenen Bedürfnisse der Kinder; deren Hobbys, Schularbeiten und so weiter. Ja, und da wären noch die eigene Partnerschaft, die Verwandtschaft und Freunde, die man auch noch irgendwann pflegen soll und will. Feierabend? Kennen sie kaum, sagte mir eine Mutter unlängst, «Schichtwechsel, das triffts eher».
Erschöpfung und Burn-outs nehmen zu
Mütter reiben sich auf zwischen Familie und Beruf. Die Doppel- und Dreifachbelastung heutiger Mütter strapaziert viele über Gebühr. Der Stress, Job und Familie zu vereinbaren, sowie der ständige Zeitdruck sind Gründe dafür. «Heute sind Kuren für Eltern wieder stark nachgefragt», berichtete die FAZ diese Woche.
Viele heutige Mütter und Väter betreiben zu sehr Raubbau an ihrer Gesundheit und Partnerschaft. Eine vor zwei Jahren publizierte Auswertung bestätigt diesen Trend: Die Zahl der Mütter mit Erschöpfungszuständen bis zum Burn-out ist innert zehn Jahren um fast 40 Prozent gestiegen. Die Zahlen stammen aus dem Jahresbericht des Müttergenesungswerks Deutschland.
Gerade so machbar
Denn meist ist es nach wie vor die Frau, die sich in den Dienst des Haushalts, der Kinder und der Familie stellt. Geht sie einer Arbeit nach, kommt diese Aufgabe noch dazu. Sie hat sich ein wachsendes Pensum an Aufgaben und Ansprüchen eingehandelt, die – wenn der Familienalltag schön flutscht und niemand krank ist – gerade so machbar sind. Ist das nicht der Fall, ist die Hölle los – und Mami hat es mal wieder zu richten. Das Ergebnis ist eine erschöpfte Gesellschaft aus Frauen und auch Männern, die verzweifelt versuchen, zwei oder drei Leben in einem zu führen.
Deswegen mal auf den Tisch zu hauen und sich zu wehren, tut Frau aber nicht: Meist ist sie froh, dass sie ihre lieben Kinder UND einen Teilzeitjob hat, der ihren Interessen und Fähigkeiten entspricht. Dass sie beides haben kann, war ihre Bedingung damals, als sie sich für Kinder entschieden hatten. Es gehört zu ihrem Selbstverständnis als Frau, weiter arbeitstätig zu sein – und käme einer Selbstaufgabe gleich, wäre es anders.
Klar aber ist: Viele Mütter sind mit der Situation überfordert. Sie verlangen viel zu viel von sich selbst und sagen viel zu selten auch mal Nein.
Lesen Sie dazu auch das Posting «Der Kinder-Karriere-Krampf».
25 Kommentare zu «Best of: Mutterschaft ist ein Gesundheitsrisiko»
Wenn so egoistische Menschen, für die es keine vollwertige Aufgabe ist, Kinder zu erziehen und in den ersten Lebensjahren für sie dazusein, Kinder wollen, obwohl sie lieber arbeiten gehen, statt sich um sie zu kümmern, fehlt mir jegliches Verständnis für diese „Eltern“.
Heute, da wir eine Massenproduktion an Menschen haben und eh schon viel zu viele auf Erden weilen und sämtliche Ressourcen zerstören, sehe ich überhaupt nicht ein, wieso man noch mehr Kinder auf die Welt stellen muss, obwohl man sie dann gleich dem Staat abgibt, kaum sind sie da.
Dasselbe gilt für Alleinerziehende. Wenn man nicht imstande ist, eine Partnerschaft zu führen, die auch den Alltag übersteht, muss man nicht noch Kinder in die Welt setzen.
Ohne eigene Zimmer, Ferien…gehts auch meist finanziell.
Das ist Ihre Meinung. Ich persönlich freue mich mehr ab den Kindern, die 2-3 Tage pro Woche in der Kita sind, ansonsten liebevoll von den Eltern oder auch nur einem Elternteil betreut werden und an beiden Orten Liebe und Respekt gegenüber anderen lernen, als ab Kindern, die zwar Vollzeit zu Hause betreut werden, aber dafür dort mit einem derartig intoleranten und respektlosem Gedankengut indoktriniert werden und leider dann häufig auch zu solchen Erwachsenen heranwachsen.
Ich wünsche Ihnen sehr, dass Sie mit dieser Arroganz nicht einmal böse auf die Nase fallen. Leider erlebe ich solche Fälle im beruflichen Alltag täglich und alle waren sie davon überzeugt, dass Trennungen etwas sind, das nur anderen, völlig inkompetenten, Mitmenschen passieren…
Zustimmendes Nicken, Anna.
Ein Paar, Mitte 30, erwartet ein Baby. Das Kind ist noch nicht geboren und man diskutiert, dass es bald nach der Geburt weg muss, in staatliche Betreuung. Geplant war mit 3 Monaten.
Als die künftige Oma mir dies erzählte, konnte ich nicht mehr an mich halten. Kind noch nicht mal da und schon soll es wieder weg? Das Baby kriegt das natürlich nicht mit, meinen diese akademischen Trolls. Künftiger Vater wohnt in Zürich, künftige Mutter in München. Weihnachten verbrachte das Ehepaar getrennt, jeder bei seinen Eltern, Entfernung voneinander – 700 km.
Die Oma hält Distanz zu mir, mein Bedauern hält sich in Grenzen.
Warum nicht Entlastung suchen durch eine Haushaltshilfe/Familienpraktikantin? In der Generation meiner Grosseltern war das normal.
Darum keine Kinder. Ich hatte Partnerschaften – beide arbeiteten 100% – und trotz Abmachungen und Gesprächen blieb 80% des Haushaltes an mir hängen. Da war mir klar: Keine Kinder, keine gemeinsame Wohnung.
Grundsätzlich alles richtig, die Frage die sich aber als erstes stellt: Was können wir tun, um das zu ändern? Sowohl gesellschaftlich wie auch privat.
Ich bin nachwievor davon überzeugt, dass zwei (auch hochprozentige, also 70-100%) Arbeitsstellen, Familie und Haushalt von einem Paar geleistet werden können, auch ohne Burnout oder dass die Partnerschaft und die Zeit für sich zu kurz kommt und ich sehe in meinem Umfeld mehrere Familien, die mir das Tag für Tag bestätigen. Dazu gehört aber eben, dass Verantwortlichkeiten wie auch die Arbeit an sich entsprechend gleichwertig verteilt werden. Es kann nicht sein, dass die Mütter, auch während sie im Büro sitzen, für alles zu Hause verantwortlich sind, also nicht nur vieles wirklich machen, sondern eben die Verantwortung tragen.
Holt einer (Elternteil A) das Kind aus der Kita, kocht der andere (Elternteil B) das Abendessen und zwar eigenständig, ohne A zu fragen, wo die Pfannen stehen oder was gekocht werden soll. Und ohne dass B A daran erinnern muss auch die Gummistiefeln aus der Kita mitzunehmen. So wird der Stress automatisch kleiner.
Dies gilt aber zwingend auch umgekehrt: Sind beide für den Erwerb verantwortlich kann es nicht sein, dass die Frau bei ihren beruflichen Entscheidungen den finanziellen Aspekt ausblendet, da ja der Mann dann schon schaut.
So kann es klappen. Wenn man überhaupt will, wer sich ohnehin anders entscheidet, für den gilt das Gesagte nicht.
Klappen kann es schon ja. Die Frage ist nur, warum ist es nötig, dass für diese „kurze“ Zeit, wo die Kinder so klein sind beide Elternteilen so viel arbeiten müssen? Geht es da nicht oft auch darum, dass wir dem Materialismus fröhnen und das Gefühl haben, wir müssten uns dieses und jenes leisten können? Oder um Gedanken wie: „Ich könnte etwas verpassen, wenn ich nicht so häufig präsent bin bei der Arbeit“
Hat nicht alles seine Zeit im Leben?
Ist es wirklich nötig dass wir unsere Babies nach gerade Mal 3 Monaten Schwangerschaftsurlaub für 5 Tage pro Woche in eine Kinderkrippe geben müssen? Als Alleinerziehende oder bei sehr geringem Einommen ist das teilweise unumgänglich. Aber die meisten von uns haben die Wahl.
Und die meisten von uns haben sich bewusst für Kinder entschieden
„Nötig“ und „kurz“ sind relativ. Ich erachte 10-15 Jahre nicht als kurz. Und wenn man einen qualifizierten Job hat (und will), dann ist sowohl ein gewisses Pensum wie auch das Vermeiden so langer Pausen nötig. 5 Tage Kita werden es ja auch in den wenigsten Fällen. Bei 2x 80% sind es drei Tage und häufig übernehmen Grosseltern einen davon. Oder man gönnt sich eine Nanny, was dann bei gutem Einkommen auch drinliegt.
die Hinterfragerin 3. August 2017 um 20:56
Dankk. sie schreiben mir aus dem Herzen!
Den Druck, das Gesundheitsisio machen wir uns selber! Wer zwingt uns denn dazu? Von wem lassen wir usn dazu zwingen? Weshab stellen wir unser ganze Tun immer, in erster Linie, selber in Frage?
@ Flo
Sie sprechen von Zwang, ich sprach von den Eltern, die das wollen. Das ist ein himmelweiter Unterschied. Können Sie sich denn nicht vorstellen, dass es Menschen gibt, denen es wichtig ist, auch neben der Familie ein Leben zu führen und die nicht einfach einen Job haben, um Geld zu verdienen, sondern hier einen Ehrgeiz haben? Meine Aussage war nie, dass es alle tun sollen, sondern dass, wenn man es will, es eben auch möglich ist, ohne dass man seine Gesundheit riskiert.
Mütter – was für verkannte Heldinnen!
Wenn man bedenkt was Mütter früher für eine Flohnerleben geführt haben – hockten den lieben langen Tag zu Haus, spielten ein bisschen Mami,Hausfrauchen und Gemahlin und verprassten das Geld das der arme Mann nach Hause bringen musste!!
Die Mütter zu bemitleiden, wäre meiner Ansicht nach falsch.
Wir Frauen täten besser daran uns selbstkritisch zu reflektieren. Jede Frau/jedes Paar setzt die Prioritäten für ihr Leben selbst. Wenn ich mich also für hochprozentige externe Arbeit, neben Kids usw. entscheide , dann auch mit all den Konsequenzen und ohne sich zu beklagen.
Anstatt ständig zerrissen zwischen all den Anspruchsgruppen (Kinder, Job, Partnerschaft, Haushalt, Hobby usw), meist unausgeglich und sogar chronisch krank sollten wir Frauen lieber weniger anpacken, dafür das mit Leidenschaft und Überzeugung. Wir sollten aufhören, unser Leben nach den Erwartungen der Gesellschaft zu leben. Ganz nach dem Motto: „Weniger ist mehr.“ Auch ich als Mami mit 20% Teilzeit-Arbeit muss mir das immer wieder sagen.
Genau.
Ergänzend: Nicht-Mutterschaft ist auch ein Gesundheitsrisiko. Und Vaterschaft auch.
Das Leben ist überhaupt ein Risiko. Aber es ist alles, was wir haben.
Negativer Stress entsteht erst durch das Gefühl, nicht zu genügen. Selber zu definieren, wann „genug“ ist, macht Kräfte frei, auch für Mutterschaft MIT Karriere. Also, vor allem am Selbstwertgefühl arbeiten. Und natürlich schon etwas tüchtig und diszipliniert sein – und manchmal für etwas kämpfen – geschenkt ist nur das Leben. Aber wichtig ist auch, laufend fixe Vorstellungen zu entlarven und loslassen lernen, die sind immer paar Nummern zu gross und unrealistisch.
Ich würde unterstellen, dass Sie nicht wissen was Gesundheit und Gesundheitsrisiken sind. Ein Gesundheitsrisiko erkennt man daran, dass die betroffene Bevölkerungsgruppe, nicht der Einzelne, deutlich früher als die Anderen stirbt. Umgekehrt gilt, wer nicht früher stirbt, hatte kein Gesundheitsrisiko.
Befindlichkeitsstörungen von Müttern werden Sie, wenn Sie suchen, nur in einem ganz kleinen Teil der Welt und nur in einem ganz kurzen Zeitraum finden. Gesundheitlich völlig irrelevant.
@ ML: falsch. Das Gesundheitsrisiko beschreibt eine statistische Eintrittswahrscheinlichkeit eines Krankheitsbildes. Das Risiko besteht für alle in dieser Population, das Ereignis (Erkrankung) tritt aber nicht bei jedem auf.
@ML – Laut von der Schweiz ratifizierten WGO-Abkommen haben Menschen nicht nur Anspruch auf ganze Knochen, sondern auch auf optimales Wohlbefinden. Auch wenn sich versicherungshoerige Politiker und Richter darum futieren, bis sie von internationalen Gerichten abgewatscht werden…..
@second step
Das wäre ein Krankheits-, kein Gesundheitsrisiko. Gesundheit hat mit Krankheit nur am Rande zu tun. Man schlage die WHO- Definition nach, welche immerhin schon 70 Jahre alt ist und sich langsam herum gesprochen haben sollte.
Wenn die Autorin meint, Mutterschaft würde Krankheit begünstigen, was ich auch in Abrede stellen würde, muss sie dass so schreiben und nicht den im Kontext falschen Begriff ‚Gesundheit‘ einführen.
Gesundheitsrisiko: statistische Häufigkeit, mit der bezogen auf eine Population unter Einwirkung eines schädigenden Umwelteinflusses ein bestimmtes Krankheitsbild auftritt. (Roche Lexikon der Medizin).
Zudem ist im Kontext völlig klar was die Autorin meint – Sie betreiben eine Scheindiskussion. Wenn Sie finden es gibt dieses Risiko für die Gesundheit nicht sollten Sie dies so formulieren, aber nicht medizinische Laien mit Ihren Spitzfindigkeiten vorführen.
Ich kann das nicht mehr hören, von wegen für Kinder und Arbeit „entscheiden“, den „Föifer unds Weggli wollen“. Sorry, aber die Mütter, welche ich kenne, arbeiten, weil sie das Geld brauchen und nicht zum Spass oder zur Selbstverwirklichung! Wenn Sie sich nur 20% zu arbeiten leisten können, weil Ihr Mann gut verdient, schön für Sie, aber den meisten andern geht es nicht so, also kommen Sie bitte vom hohen Ross herunter!
Ja,sie haben völlig Recht!Viele Leute hier im Mamablog scheinen vollkommen realitätsfremd.Nur weil man in einer guten finanziellen Lage ist,wo man entscheiden kann ,wann und wieviel man arbeitet und sich alles mit dem Partner aufteilt ( ha,ha… wer’s glaubt) sollte man sich doch bewusst sein,zu einer eherr kleinen Menge anzugehören!
‚Die Zahl der Mütter mit Erschöpfungszuständen bis zum Burn-out ist innert zehn Jahren um fast 40 Prozent gestiegen.‘
Das dürfte auf alle anderen Bevölkerungsgruppen, ob mit oder ohne Kind, auch zutreffen und fällt eher in die Rubrik ‚Erfundene Krankheiten‘. Gesundheitlich völlig irrelevant.
Auch wenn das „Burn out“ keine eigene ICD 10 -Diagnose ist scheint es mir etwas ignorant zu sein, dies als „Erfundene Krankeit“ und „Gesundheitlich völlig irrelevant“ zu sein. Das widerspiegelt nicht die therapeutische Realität. Es bringt nicht viel, ein real existierendes Krankheitsbild ins Lächerliche zu ziehen, weil man sich nicht auf eine eindeutige Kodierung einigen kann.
Es gibt im DSM und im ICD die Kriterien für 3 Schweregrade von Depression. Mit denen kann man alle Zustände klassifizieren und der Modebegriff Burn-Out wird überflüssig.
Meist handelt es sich dabei um eine leichte Depression, also ein gesundheitsirrelevanten Zustand auf der Befindlichkeitsebene.
Wenn jemand wegen einem sogenannten „Burn out“ nicht mehr zu Arbeit geht oder gar ein Klinikaufenthalt nötig ist – so kann man dies als Arzt schon als einen gesundheitsirrelevanten Zustand auf Befindlichkeitsebene bezeichnen. Nur ändert das für den Patienten nichts, er kann trotzdem nicht zur Arbeit geben oder benötigt einen Klinikaufenthalt zur Behandlung seiner Erkrankung.
Hier scheint mir eher eine Befindlichkeitsstörung des Kollegen ML vorzuliegen, wenn er den Begriff „Burn out“ hört. Nennen Sie es halt Erschöpfungsdepression oder reaktive Depression oder nur Depression, was auch immer. Aber hören Sie auf den ICD-10 zu behandeln sondern den Patienten je nach Schweregrad der Symptomatik.