Die «Jugi» ist auch ein Familienhotel

  • Blick aus dem Zimmer in der «Jugi». (Bilder: Jeanette Kuster)

  • Die Jugendherberge liegt in Scuol im Engadin.

  • Auf dem Bären-Wanderweg...

  • ... gibts vieles zu entdecken.

  • Viele Freiräume und...

  • .. Spielgspänli garantieren erholsame Ferien. (Foto: Jeanette Kuster)

Die «Jugi», das war für mich früher Synonym für grosse Schlafräume und das Teilen des Mehrbettzimmers mit Fremden. Etwas also, worauf ich heute definitiv keine Lust mehr habe. Die modernen Jugendherbergen sind aber viel mehr als das, nämlich auch Familienhotels, die private Zwei- und Vierbettzimmer inklusive Bad anbieten. In so einem Familienzimmer haben wir kürzlich ein Wochenende verbracht, in der 2007 neu gebauten Jugendherberge in Scuol im Engadin.

Während sich die Zimmer denen normaler Hotels angenähert haben, ist der ganze Rest immer noch Jugendherberge pur. Die Atmosphäre ist eindeutig lockerer und familiärer als in einem klassischen Hotel. Überall rennen Kinder herum – und keiner scheint sich daran zu stören. Kein Wunder, sind laut der Leitung der Jugendherberge Scuol doch sechzig Prozent der Gäste Familien: «Wenn das Haus voll ist, haben 160 Leute Platz. Circa fünfzig davon sind jeweils Kinder.»

Duplos statt Champagnergläser

An der Réception kann man Spielsachen ausleihen, in der Empfangslounge sitzen die Kleinen am Boden und bauen Duplo-Türme. Die Grösseren spielen unterdessen im Untergeschoss Tischtennis oder liefern sich am Töggelikasten ein Duell. Und wenn das Wetter mitspielt, wartet draussen sogar ein Sandkasten auf die Kleinsten.

Das Leben spielt sich allerdings sehr geballt am frühen Morgen und am Abend ab. Tagsüber ist es in der Jugi fast gespenstisch ruhig, weil alle draussen unterwegs sind. Am Wandern zum Beispiel im nahen Naturpark. Wer mit kleinen Kindern unterwegs ist, dem sei in Scuol der Bärenweg «Senda da l’Uors» empfohlen: Man spaziert neun Posten entlang, wobei die Kinder (und Eltern) an jedem Posten auf sehr anschauliche Art und Weise etwas Neues über den Bären lernen. Dass er bei Geburt so klein ist wie ein Meerschweinchen etwa. Wer danach noch Energie hat, erfährt in der Bären-Ausstellung im Museum Schmelzra noch mehr über Meister Petz und seine Geschichte in der Schweiz und kann sogar ein echtes Bärenfell anfassen.

Die kurze Wanderung lohnt sich schon allein der Anreise wegen: Man fährt mit dem Postauto nämlich zuerst vom Bahnhof Scuol-Tarasp nach Scuol Ravitschana dem Nationalpark entlang mit freier Sicht auf eine eindrückliche Landschaft. Ein kleiner Tipp für alle, die Mühe haben mit steilen Abhängen: besser in Fahrtrichtung links hinsetzen.

Hat man einen grauen Tag erwischt, ist ein Besuch des Bogn Engiadina eine tolle Alternative. Ich war mit meinem fünfjährigen Sohn dort und war positiv überrascht, ein so familienfreundliches Wellnessbad anzutreffen. Kinder haben am Morgen zwar erst ab 10.30 Uhr Zutritt, dafür ärgert sich nach dieser Zeit auch niemand, wenn sie mit ihrem Hundeschwumm für zusätzliche Wellen sorgen oder auch mal vor Freude kreischen.

Kantinen-Groove beim Essen

Gegen 18 Uhr sind dann allmählich alle Gäste wieder in der Jugendherberge und versammeln sich zum Essenfassen. In der Jugendherberge funktioniert das nämlich wie in der Kantine: Man holt sich sein Essen und Trinken selber und räumt das Tablett nachher auch wieder ab. Zudem muss danach wie zu Hause der Tisch kurz abgewischt werden. Immerhin, um die Brösel am Boden braucht man sich als Gast nicht zu kümmern.

Auch im Zimmer muss mit angepackt werden: Beim Ankommen bezieht man sein Bett selber, vor der Abreise zieht man die Bettwäsche wieder ab und wirft sie in eine Holzkiste im Gang. Seife sucht man auch im Zimmer mit eigenem Bad vergeblich, Handtücher ebenfalls. Beides muss selber mitgebracht werden.

Wer also Luxus sucht, der wird in der Jugi nicht fündig. Ganz billig ist die Unterkunft dennoch nicht, mit etwa 200 Franken muss man rechnen für eine vierköpfige Familie pro Nacht, allerdings inklusive Frühstück und Abendessen. Dafür gibt es ganz viele Spielgspänlis gratis dazu, sodass den Kindern garantiert nie langweilig ist. Und wir Eltern wissen: Das bedeutet mindestens so viel Entspannung wie eine luxuriöse Wellnessoase.

Die Reise nach Scuol wurde unterstützt von den Schweizer Jugendherbergen und Engadin Tourismus. Mehr zu den 52 Schweizer Jugendherbergen sowie weitere Infos zu Scuol gibts auf der Website.

13 Kommentare zu «Die «Jugi» ist auch ein Familienhotel»

  • Sportpapi sagt:

    Grosse Mehrbettschlafzimmer sind aber auch abenteuerlich und vor allem eigentlich billiger. Aber für eine Woche wünscht man sich das wirklich nicht mehr.

  • Stephan Baumann sagt:

    Jugendherbergen sind sehr unterschiedlich, es gibt topp familienfreundliche und dann gibt es die, die fast ausschliesslich von asiatischen Reisegruppen und amerikanischen Rentner besucht werden.
    Beim Essen gibt es auch riesige Unterschiede, ich war, berufsbedingt, längere Zeit Gast in einer Jugendherberge, deren einziges vegetarisches Angebot Tiefkühlpizzamargeritha war, in anderen gibt es eine tolle Auswahl.
    Manchmal lohnt es sich auch die Preise zu vergleichen, habe schon öfters günstiger in Hotels übernachtet und bekam auch den besseren Service als in der benachbarten Jugi.
    Fazit: Manche Jugis sind wirklich toll und jeden Rappen wert, andere sind echt zum Abgewöhnen

  • Daniela sagt:

    Der Preis stimmt leider nicht!! Das verzerrrt das Bild. 200 Franken inkl. Nachtessen für 2 Erw. und 2 Kinder pro Nacht reicht bei weitem nicht aus .

    • Schweizer Jugendherbergen sagt:

      Liebe Daniela

      Der Preis für ein Familienzimmer (Vierbett-Zimmer mit eigener Dusche/WC) beträgt in der Jugendherberge Scuol am Wochenende CHF 56.- pro Erwachsenem und Nacht, Frühstück ist inklusive. Unabhängig von der gewählten Zimmerkategorie bezahlen Kinder von 2 bis 5 Jahren nur CHF 15.- und von 6 bis 12 Jahren nur CHF 25.- pro Nacht im Zimmer der Eltern. Babys von 0 bis 1 übernachten im Babybett, wo verfügbar, gratis. Das 3-Gang-Abendessen kostet für Erwachsene CHF 17.50, für Kinder von 2 bis 5 Jahren CHF 8.50 und für Kinder von 6 bis 12 Jahren CHF 14.50.

      Abhängig vom Alter der Kinder ist die Preisangabe von „etwa 200 Franken“ damit durchaus zutreffend.

      Herzliche Grüsse, deine Schweizer Jugendherbergen

  • Max Melchlin sagt:

    Wenn nur das alles nicht so penetrant pädagogisch wäre. Da wird eine neue Generation von Oberlehrer/innen und Besserwisser/innen herangezogen. Genau davon haben wir keinen Bedarf in der Schweiz.

    • Lichtblau sagt:

      @Max Melchlin: Das hat was. In solcher Gesellschaft könnte ich mich nur schwer entspannen. Und dann der Aspekt „Essenfassen wie in der Kantine“: Ist das nicht Alltag sowohl für die arbeitenden Eltern als auch die Hort oder Krippe besuchenden Kinder? Wo bleibt da die Auszeit vom Gewohnten? Es müssen ja nicht immer fünf Sterne-Hotels in angesagten Destinationen sein, aber da stelle ich mir sogar Camping an einem Schweizer See weit aufregender vor.

  • Amanda sagt:

    Leider werden die meisten Jugis in der Schweiz ihrem Namen längst mehr gerecht. Sie sind zu reinen Hostels mutiert. Das ursprünglich einfache Angebot einer sicheren und kostengünstigen Übernachtungsmöglichkeit für Jugendliche, wurde derart optimiert, dass sich viele „youthhostels“ kaum mehr von Hotels unterscheiden. Gemäss Beobachterartikel „Von der Absteige zur Edelloge“ sind heute 40% der Zimmer von Gästen im Alter von 45+ belegt, „die sich auch ein teures Hotel leisten könnten“. Auf Platz zwei folgen junge Familien. Da wäre es ehrlicher, auf die Begriffe „youth“ und „Gemeinnützigkeit“ zu verzichten und die Unterkünfte einfach „hostels“ nennen. Treffpunkte für reisende Jugendliche sind sie schon längst nicht mehr.

    • Dinah sagt:

      Da stimme ich Ihnen voll und ganz zu. Vor ein paar Jahren, so Anfang 20, war ich das letzte mal in einer „Jugendherberge“. Jeder, und zwar wirklich jeder Ecken war entweder voller schreienden Kinder (morgens…), Tonnen von Spielzeugs und Rentner (diese habe ich zwar noch gemocht). Und natürlich muss man verstehen, dass Kinder halt laut am Morgen sind. Aber wehe Dir, du kamst um 4 Uhr morgens betrunken in dein Bett und hast evtl. einen kicher- Anfall gehabt… Da stand schon die bös schauende Übermutter und schnauzte Dich in einem harschen Ton an, Du sollst doch leise sein, ihre Kinder schlafen…….
      Also lasst der Jugend doch die Jugis und geht in ein Familienhotel oder auf einen Zeltplatz oder sonst was!

  • 13 sagt:

    Jugis sind eine tolle Mischung zwischen Hotel und Ferienwohnung und als Familie ein gute Wahl. Ich kann die Jugi in Lugano für Familien auch sehr empfehlen. Ein toller Garten, Pool und Spielplatz. Daneben gute Infrastruktur.

  • Doria Gray sagt:

    Gerade wer in der Schweiz Familienferien macht, findet in den Jugis eine gute und preiswerte Alternative zum Hotel. Wir machen schon seit vielen Jahren Jugi-Ferien und wurden bisher noch nie enttäuscht. Übrigens kann ich auch die skandinavischen Jugis sehr weiterempfehlen, die ich schon während meiner Zeit als Interrail-Rucksackreisende schätzengelernt und als zweifache Mutter wiederentdeckt habe.

  • mila sagt:

    Wobei ich hier nun doch noch einem bestimmten ‚Luxusspa‘ ein Kränzchen winden muss: als wir vor kurzem ein Paar Tage in der Nähe von Laax verbracht haben, war am Sonntag die gesamte Gegend derart von Wochenendausflüglern überlaufen, dass wir uns kurzerhand zu einem Badenesuch im Kurhotel Flims entschlossen haben. Kein schiefer Blick, weder vom Personal noch sonst. Wir wurden ausnehmend freundlich und zuvorkommend behandelt, auch wenn durch unsere Tochter der Laustärkepegel zumindest phasenweise um einiges aufgedreht wurde. Denn ja, ruhig und va touristen-frei war es in der Tat. Ein wunderbarer Nachmittag, dank(e) Kurhotel!

  • Hans Koller sagt:

    200 Stutz zum Vergleich Frankreich oder Spanien, Zimmer für 4Personen 100-135Euro. Pro Nacht.

    • k. miller sagt:

      Mit dem Ausland vergleichen ist sinnlos, in der Schweiz ist alles teurer.
      Interessanter wäre der Vergleich mit einem Viererzimmer in einem Hotel in Scuol.

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