Nach Slow Food nun die Slow Family?

Slow Family, das heisst zum Beispiel: Nur eine Sache aufs Mal tun. Foto: Lorado (iStock)
Slow Food ist in aller Munde – verbal und kulinarisch. Wer über Geschmack und Gewissen verfügt, isst und köchelt bewusst. Doch nur am Herd steht die Slow-Food-Bewegung schon lange nicht mehr. Sie hat den Sprung aus der Küche in die grosse weite Welt geschafft und dort eine kleine Schwester gezeugt: Slow Family.
Die Anleitung dafür ist denkbar einfach: Man nehme ein paar Kinder, mische sie gut mit einer Handvoll ausgewählter Zutaten, und heraus kommt ein einfaches, glückliches Familienleben. Genau dies verspricht das Buch «Slow Family – Sieben Zutaten für ein einfaches Leben mit Kindern». Proklamiert wird in der Dauerhektik des 21. Jahrhunderts die Entdeckung der Langsamkeit, die familiäre Entschleunigung. Eine Phrase, die mehr an einen entspannten Kuraufenthalt erinnert als an ein hektisches Familien- und Berufsleben. Auch nach der Lektüre von «Slow Family» fragte ich mich immer noch: Ist das konstante Gefühl von Entschleunigung zwischen Windpocken, Mitarbeitergespräch und Kindergeburtstag wirklich möglich?
Dem System den Mittelfinger zeigen
Die beiden Autorinnen Julia Dibbern und Nicola Schmidt reagieren auf meine Frage mit einem überraschend ehrlichen Nein. «Denn Glück ist kein konstantes Gefühl. Entschleunigung auch nicht. Auch unsere Vorfahren mussten zwischendurch mal hektisch alles einpacken und vor dem Wetter fliehen. Darum geht es nicht. Es geht darum, immer wieder an diesen Punkt zu kommen, immer wieder Ruhe zu finden», erklärt Nicola Schmidt, und Julia Dibbern ergänzt: «Wir nennen das im Buch den ‹Jeden Tag ein kleines bisschen›-Effekt. Gönnen wir uns jeden Tag bewusst Pausen, Langsamkeit, Präsenz füreinander. Stillen oder Fläschchen geben nicht mit Blick aufs Handy, sondern mit Blick aufs Kind, mit Kommunikation. Lego spielen nicht mit dem Computer oder Smartphone daneben, um mal schnell die Mails zu checken, sondern mit Spass an dem grossen Turm, der da entsteht. Das hat auch etwas mit bewussten Entscheidungen für das Jetzt zu tun: langsam, achtsam, echt.»

Julia Dibbern, Nicola Schmidt: Slow Family. Beltz, 2017. Ca. 23 Fr.
Einfach fällt diese Slow-Family-Haltung nicht immer – auch den Autorinnen nicht. «Es gab eine Zeit, als wir beide absolut am Limit waren. Wir arbeiteten rund um die Uhr, sieben Tage die Woche. Und stellten irgendwann fest, dass unsere Kinder uns nur noch mit Computer vor der Nase kannten. Das wollten wir nicht. Wir haben uns als ersten Schritt gegenseitig verboten, uns am Wochenende anzurufen. Bei uns in der Familie gibt es zum Beispiel am Wochenende auch einen bildschirmfreien Tag. Und die Abende gehören der Familie und nicht der Abgabe, die wartet.» Egal, wie gross die Arbeitslast oder die familiären Verpflichtungen seien, im Zentrum stünden immer die gleichen Fragen, erklären die beiden Frauen: Macht das glücklich? Und warum tun wir das? Ihr Fazit ist klar: «Es braucht eine ganze Menge Mut, um diesem System manchmal den Mittelfinger zu zeigen und zu sagen: An der Stelle heute ohne mich. Aber es ist machbar.»
Vieles geht – aber nicht alles gleichzeitig
Und genau diese Machbarkeit erstaunt. Buchautorin Nicola Schmidt ist Journalistin, Unternehmerin, pädagogische Vordenkerin, Social-Media-Expertin, Familienfrau und Mutter in Personalunion. Wo bleibt bei so viel Engagement und Verpflichtung die «Slow Family»? Ist dies wirklich ein realistischer Ansatz oder nur ein gut verkäuflicher Modetrend?
«Ich habe herausgefunden, dass man vieles machen kann – aber nicht alles gleichzeitig. Ich leite im Sommer die Artgerecht-Camps, schreibe im Winter Bücher, halte ansonsten tageweise Social-Media-Seminare, und an anderen Tagen schreibe ich Artikel. Mein Jahr ist aufgeteilt zwischen all diesen Rollen. Meine Tage auch: morgens schreiben, dann Telefonate, nachmittags Kinder und abends oder nachts eben die Buchhaltung! Den Moment geniessen kann ich erst, seit ich nicht mehr perfekt sein muss. Seit ich akzeptiert habe, dass ich auch mal eine Deadline reisse oder zu spät bin oder etwas vergesse, weil das Lagerfeuer, das Vorlesen oder mein Mittagsschlaf einfach Vorrang hatten.»
83 Kommentare zu «Nach Slow Food nun die Slow Family?»
Dem „System“ den Stinkefinger zeigen in dem man mal nicht erreichbar ist? Die beiden sind echt süss. Dem „System“ zeigt man den Finger wenn man keine Steuern mehr zahlt, die Kinder nicht mehr zur Schule schickt, autark im Wald lebt etc. Aber nicht wenn man am Wochenende mal ein eMail nicht beantwortet. Die Autorinnen sind im Gegenteil die perfekten Vertreterinnen unseres auf Wertschöpfung basierenden „Systems“: sie schaffen neue Bedürfnisse und bieten die Befriedigung derselben gegen Geldleistungen an.
Die beiden Damen verdienen tiefste Bewunderung. Nicht für ihre scheinbaren Erkenntnisse, sondern dass sie es schaffen mit warmer Luft Geld zu verdienen. Sie fassen Banalitäten und Selbstverständlichkeiten, in einer scheinbar neuen „Entwicklung“ zusammen, schreiben ein Buch und machen so Geld damit. Ich finde Leute die mit Nichts ein Einkommen generieren immer irgendwie genial. Das muss man erst mal können. Mir fehlt leider diese Kreativität. Die meisten von uns legen unsere Handys weg wenn wir mit den Kindern spielen, lesen ihnen in Ruhe Geschichten vor und gehen in die Natur. Sie aber fassen das in Buchform zusammen und präsentieren es dem staunenden Journalisten und Publikum als Konzept der „slow family“. Das muss man erst mal können!
Ja und in manchen Situationen erziehen die Kinder die Eltern, man erinnert sich dann ja so war das doch auch als ich ein Kind war. Slow-Familie die heutigen Ausdrücke zu ganz normalen Sachen sind gots no.
Ein Merkmal dieser ganzen Beratungsindustrie rund um die Familie ist, dass sie nichts auslassen, sei es auch noch so banal, um das als grosse Erkenntnis in einschlägigen Ratgebern auszubreiten. Und die journalistische Zweitverwertung dieses Nichts folgt dann auch noch.
Es ist schon erstaunlich, dass es tatsächlich Menschen gibt, die sich Bücher kaufen, in denen steht, dass man besser entspannen kann, wenn man sich (durch Wenigertun) entspannt.
Gut gesagt. Wesentlich ist auch, dass für den betreffenden ‚Trend‘ ein bescheuerter denglischer Ausdruck gefunden wird.
und ja: seit „gone girl“ begegnen wir Eltern, die ihr Geld mit den Geschichten ihrer Kinder verdienen, doch mit einer gewissen Skepsis …
Ernster Spass beiseite: Skepsis ist immer angebracht, wenn einer mit seinen Erfahrungen Geld verdient. Er ist immer ein Verkäufer. Und wir wollen ja eine Erfolgsstory hören.
Und noch was:
Wenn einer nach 5 Jahren Ehe ein Buch über den „Erfolg in der Ehe“ schreiben würde …. würde Frischverheirateten die Lektüre nur mit äusserster Vorsicht empfehlen und wäre sie noch so toll geschrieben. Den Erfolg einer Beziehungsarbeit kann man erst nach sehr langer Zeit verifizieren. Was sich supertoll anhört, kann sich in späteren Jahren als gravierender Fehler herausstellen.
sorry 13 meine Antwort sollte weiter unten an Sie gerichtet sein.
Trotz allem nichts für ungut. Ich kenne ja weder Bücher, noch Autorin, ich sage nur, wie die Werbung auf mich wirkt.
Für mich geht es vor allem um die Glaubwürdigkeit.
Ich sehe, die Frau hat bereits ein Babybuch geschrieben, das alle super fanden. Nun aber gesteht sie: „Wir arbeiteten rund um die Uhr, sieben Tage die Woche. Und stellten irgendwann fest, dass unsere Kinder uns nur noch mit Computer vor der Nase kannten.“
Im Babybuch wusste sie, wie man es richtig macht und heute sagt sie: „Damals lag ich völlig verkehrt, unsere Kinder kannten uns nur noch mit PC vor der Nase. (Was für ein Armutszeugnis!).
Das ist für mich einfach nicht glaubwürdig.
(Aber etwas neidisch bin ich schon, wenn man davon leben kann. 🙁 )
@ roxy
Ich habe das Babybuch gelesen und darin steht bestimmt nicht, dass es „artgerecht“ wäre, 24 Stunden am Tag um das Baby herumzuschwirren, sondern gerade, dass es a) das berühmte Dorf braucht, wo alle mit anpacken und b) das Baby in den Alltag der Mutter einbezogen wird, anstatt dass der Alltag sich v.a. auf das Baby fokussiert. Und wenn aus dieser „Vereinbarkeit im engeren Sinn“ die Erkenntnis erfolgt, dass das Pendel zu sehr in die eine Richtung ausgeschlagen hat und etwas Ruhe notwendig ist, dann ist das nicht unglaubwürdig, sondern nachvollziehbar.
@13: Man wundert sich einfach, dass es das berühmte Dorf braucht, aber nicht etwa den Vater. Dass das Baby in den Alltag der Mutter gehört, wobei die Alternative ja nicht nur ist, sich vor allem auf das Baby zu fokussieren, sondern auch einmal loszulassen. Und einen (Berufs-)Alltag ohne Kind zu haben. Keine halben Sachen!
Gerade wenn das Kind kein Baby mehr ist.
wenn ich mir das so anhöre 13, dann hört es sich für mich so an:
Baby-Mutter meint sie müsse ein Buch schreiben, da sie denkt, das Ei des Kolumbus neu entdeckt zu haben. So ganz im Sinne von: „Mach es wie die Naturvölker, die tragen die Babys auch überall rum bei ihrer Arbeitsbeschäftigung.“ Alle finden diese „neue“ Idee super toll. (Pädagogische Vordenkerin!)
Ein paar Jahre später: „Unsere Kinder sahen uns nur mit PC vor der Nase. So kann das nicht mehr weitergehen.“ = Ihr erster Rat war naiv und falsch – nun hat sie es selbst gemerkt und muss etwas ändern. Aber es wird nicht als ein selbstkritisch, bescheidenes Rückbuchstabieren verkauft, sondern wieder als Neu-Entdeckung des Ei des Kolumbus.
@ SP
Wer hat gesagt, dass es den Vater nicht braucht?
Es geht auch nicht ums loslassen, sondern eben darum, dass Kinder integriert werden können und es nicht unbedingt notwendig ist, dass die Familie den grössten Teil des Tages getrennt verbringt. Wären aber immer stets mehrere Leute da, dann müsste man eben das Kind nicht morgens in eine Einrichtung geben, wo eine künstliche extra auf die Kinder abgestimmte Welt errichtet wird, während die Eltern in der „echten“ Welt arbeiten. Auch ist es nicht nötig, dass sich das Mami aus der Welt zurückzieht, um ein Kind zu erziehen. Die Mutter als alleinige Bezugsperson ist nicht artgerecht. Eine lange Trennung aber auch nicht unbedingt. Ich habe nichts gegen Kitas, aber es gäbe eben auch Alternativen.
@13: Eine Alternative wäre ja, dass das Kind auch mal mit dem Vater unterwegs ist.
Ansonsten sehe ich den Unterschied nicht, ob man das Kind in einer spezialisierten Einrichtung abgibt, oder von irgendwem im Büro betreuen lässt. Ausser das die spezialisierte Einrichtung besser auf die Bedürfnisse des Kindes eingerichtet ist…
Ausserdem zieht sich die Mutter nicht „aus der Welt“ zurück, wenn sie mit dem Kind im Dorf bleibt, statt extern in einem Büro die Zeit zu verbringen.
„spezialisierte Einrichtung besser auf die Bedürfnisse des Kindes eingerichtet ist…“
Und das zeigt, dass wir völlig aneinander vorbeireden. Die Betreuung im Büro ist ja nicht von irgendwem, sondern abwechselnd. Die Mutter quasi in Reichweite, ohne die ständige uneingeschränkte Verfügbarkeit. Ich finde das nicht so schlecht. Dass es nicht auch der Vater sein kann, sagt doch niemand. Wenn die Mutter nicht mehr das tut, was sie bisher in ihrem Leben getan hat, zieht sie sich durchaus zurück. Und wieviele sind tatsächlich isoliert und einerseits gelangweilt, gerade mit Babys, und gleichzeitig durch die dauerhafte alleinige Verantwortung überfordert?
@13: „Die Betreuung im Büro ist ja nicht von irgendwem, sondern abwechselnd.“ Lesen Sie meinen Link dazu: Dieses Modell hat offenbar nicht geklappt. Also mussten teilweise freiwillige ran, am Schluss doch Angestellte. Ausserdem haben Sie sich doch auch schon mehrfach gegen dieses abwechselnd ausgesprochen, oder?
„Und wieviele sind tatsächlich isoliert und einerseits gelangweilt, gerade mit Babys, und gleichzeitig durch die dauerhafte alleinige Verantwortung überfordert?“ Gute Frage. Kann ich nicht beantworten, ich kenne das nicht so. Aber wenn: Warum dann so ein künstliches neues Business, statt einfach in den alten Jo zurückkehren und die Kinder in der Zeit ganz regulär betreuen lassen?
Früher waren es die Pfarrer, die Rat gaben und eine Anzahl von Angeboten der Pfarrei, die gemeinsames Bewusstsein für artgerechte Haltung zu fördern suchten. Die modernen Pfarrer und Altäre sind bei Beratern und in der „Kirchgemeinde“ Internet zu suchen, nebst der vielen Katechismen und Bibeln.
Artgerechte und religionsgerechte Haltung sind zwei Paar ganz verschiedene Stiefel. In allen Buchtheokratien werden primitivste Grundbeduerfnisse unterdrueckt oder widernatuerlich scharf rationiert….
„Seit ich akzeptiert habe, dass ich auch mal eine Deadline reisse oder zu spät bin oder etwas vergesse, weil das Lagerfeuer, das Vorlesen oder mein Mittagsschlaf einfach Vorrang hatten.“
Ich mache jetzt einen auf Oberbünzli, aber ich finde, wenn man den Job vernachlässigt zugunsten eines Mittagschläfchens, dann sollte man ihn vielleicht reduzieren. Auf jeden Fall wäre ich doch… sagen wir mal „befremdet“, wenn jemand eine solche Arbeitsmoral an den Tag legen würde und ich mit dieser Person zusammenarbeiten müsste. „Sorry, han d’Unterlagä nöd parat, bi gester halt am Lagerfüür gsässe.“ Oder: „Äxgüsi, dass jetzt e Stund uf mich häsch müesä wartä. Mittagsschlaf, weisch. Bin halt nöd perfekt, stahne aber dezue!“
8-/
Zuerst „Coworking“, also Kind an den Arbeitsplatz mitnehmen, dann wieder entschleunigen. Vielleicht wäre es doch besser, Arbeit und Kinderbetreuung sauber zu trennen. Dabei muss man ja nicht von Quality-Time sprechen, aber dass man nicht zwei anspruchsvolleTätigkeiten gleichzeitig ausführen kann, sollte doch eigentlich klar sein.
http://www.zeit.de/gesellschaft/familie/2014-02/coworking-familie-und-beruf
Ha, ha – gut bemerkt, Susi.
Man muss natürlich bedenken, bei welcher Art Beruf man eine solche Mittagsschlaf-Priorität entwickeln kann:
Buchautorin, Journalistin, Unternehmerin (welches Unternehmen?), pädagogische Vordenkerin, Social-Media-Expertin, Familienfrau und Mutter in Personalunion.
Wenn jemand so viele Berufe ausübt, hätte man das früher in dem Wort „Lebenskünstlerin“ zusammengefasst.
Eher nicht, RoXY. Das scheint mir doch relativ gut organisiert: http://www.artgerecht-projekt.de/
Nebenbei noch eine Anstellung. Da ist wirklich etwas los!
Danke SP.
Ich bin beeindruckt.
Leider bin ich schon wieder aus dem Alter raus, um noch den Windel-Couch zu machen. Wirklich schade, dass ich nicht schon früher auf dieses Unternehmen aufmerksam wurde.
Vielleicht sollten wir zwei unseren Streit beilegen und selbst ein Unternehmen gründen. :)So für Väter-Couching …. das wär doch was. Meinen Sie nicht?
@RoXY: „Lebenskünstlerin“, hahaha!
@RoXY: Ich warte ja immer noch auf Ihre Erläuterungen zu einem erfüllenden Sexleben. Aber vermutlich wollten Sie dazu nicht in die Details gehen, weil Sie gerade am entsprechenden Ratgeber schreiben?
@Susi: Da haben sie m.M.n. durchaus recht. Ich finde es zwar grundsätzlich sehr gut, wenn Eltern (und auch Nicht-Eltern) ihr Familien-/Privatleben vor die Arbeit setzen bzw. die Arbeit nicht ganz so wichtig nehmen. Aber auch reduzierter Einsatz sollte organisiert sein und halbwegs klaren Regeln folgen. Abgemachte Termine und Leistungen einfach zu verschleppen oder gar vergessen, nur weil man sich gerade ein Wohlfühlprogramm gönnt, ist darum ziemlich daneben. Wenn schon muss man halt seinen Kalender grundsätzlich freier machen.
Wobei der spezifische Fall hier wohl nicht auf das normale Arbeitsleben übertragbar ist. Wenn man gemütlich daheim am eigenen Buch schreibt, ist es natürlich einfach, die nur mit sich selbst gemachte Deadline für ein Mittagsschläfchen zu verschieben..
@Ch.B.: Ja, klar kann (oder von mir aus soll) man die Familie vor die Arbeit setzen, aber eben, dann sollte man das Pensum so wählen, dass es zuverlässig machbar ist.
Aber ja, für gewisse Tätigkeiten funktioniert es vielleicht, wie Sie beschreiben.
Als Mutter sehe ich im Vergleich mit den „Perfect Moms“ eher auf der Bohème-Seite. Aber was den Job angeht, kann ich Susi nur beipflichten. Diese Haltung wurde und wird übrigens sehr geschätzt, weshalb in weniger struben Zeiten – quasi als Bonus – durchaus mal ein paar freie Stunden fürs Lagerfeuer rausspringen.
Dass die Au torin nicht gerade der lebende Beweis für die propagierte Einstellung ist, da haben Sie natürlich völlig Recht, RoXY.
Sorry, gehört nach unten…
Slow down everyone
You’re moving too fast
Frames can’t catch you when
You’re moving like that
In diesem Sinne: es entspannts Tägli, Ihnen allen 😉
Ich nehme Zufferey mal vorweg: „Wir arbeiteten rund um die Uhr, sieben Tage die Woche. Und stellten irgendwann fest, dass unsere Kinder uns nur noch mit Computer vor der Nase kannten.“
Die meisten Menschen gehen ja morgens zur Arbeit, und kommen abends wieder. Und manche haben nicht einmal einen Computer zu Hause. Jedenfalls nicht zur Arbeit.
Die Familien, in denen bei den Eltern Beruf und Privatleben völlig ineinander verfliessen sind auch heute noch selten. Entsprechend taugen sie auch nicht als Beispiel.
Auf der anderen Seite erlebe ich immer wieder, wie Eltern an den Wochenenden „entschleunigen“ wollen. Das heisst, die Kinder dürfen nicht ihren Hobbies nachgehen, weil die Eltern jetzt mal Zeit für Familie haben möchten. Bzw. ihre Hobbies.
Ich hau gleich noch einen drauf… wer nach Entschleunigung sucht, hat so einige Möglichkeiten; Kinder gehören aber ganz sicher nicht dazu 😉
Resp. natürlich sind Kinder wahre Lehrmeister der Entschleunigung…. aber ich glaube, es ist klar, was ich meine. 🙂
Entschleunigung ist: wenn ich neben meiner vielen Arbeit – gleich auch noch ein Buch schreibe.
DANN habe ich ganz bestimmt keine Zeit mehr für meine Kinder.
Wettkämpfe und keine Meisterschaften.
@RoXY: Definitiv ein Widerspruch, wobei sich bei genauerer Betrachtung die ganze Arbeit eher als hohle Schlagwörter entpuppen. Im Grunde scheint die Frau eigentlich kaum was gemacht zu haben ausser dieses Buch zu schreiben und sich an ein paar Tagen bei irgendeinem „Seminar“ oder „Camp“ wichtig zu machen. Also halb so tragisch. Was aber auch die Frage aufwirft: Was weiss jemand, der solch einen atypischen, wohl grösstenteils fremdfinanzierten Lebensstil pflegt, über das Leben einer Durchschnittsfamilie mit arbeitenden Eltern..
Hr. Bögli, jetzt sind Sie aber arg gemein… Woher wollen Sie wissen, wie genau der Alltag dieser Familie aussieht…
„fremdfinanzierten Lebensstil“ Wieso? Drucken Sie Ihr Geld selber? 😉 🙂 🙂
@tststs: Aber natürlich, was die Nationalbank, kann ich schon lange..;)
Aber ok war natürlich überspitzt. Der springende Punkt ist aber, dass all die beschriebenen „Berufe“ bei genauer Betrachtung zur selbstständigen, flexiblen Arbeit am gleichen Thema eindampfen, die sich relativ locker mit der Familie verbinden lässt. Das „fremdfinanziert“ bezog sich darauf, dass ich bezweifle, dass sich mit etwas Bloggen und ein paar dünnen Sachbüchern eine Familie ernähren lässt. Aber da liege ich vielleicht falsch, das ganze Eltern-Ratgeber-Business scheint zumindest recht zu brummen. Auffällig ist aber, dass die Autorin bei allen Selbstbeschreibungen auf ihrer Website und sonst wo den Vater der Kinder nie erwähnt und was der so macht..
@Hr. Bögli: Ja, das frage ich mich auch oft, ob da genügend Stutz zusammen kommt…
Aaaber ich muss zugeben, vor 2 Jahren ist meine Mama zu reiner „Berater-Tätigkeit“ übergegangen… und irgendwie verdient sie mittlerweilen fast mehr Geld 🙂
@tststs: Entschleunigungs-Weltmeister sind die gerade dem Kinderwagen Entstiegenen. Auf Spaziergängen ertrotzen sie lange Pausen, indem sie für Erwachsene recht banale Dinge völlig fasziniert betrachten. Aber wer sich darauf einlässt, kommt evtl. auch entspannter nach Hause. Kann man alles lernen.
Das kann man so sehen. Wenn ich aber auf der anderen Seite sehe, wie mein Kind unter der Woche für einen 2-stündigen Spielplatzbesuch damit bezahlt, dass es wieder einmal bis nach 21.00 Uhr an den Hausaufgaben sitzt, dann braucht es am Wochenende bestimmt eher Entschleunigung als noch ein Hobby. Solange die Schule bereits in der Unterstufe die Kinder im Rahmen eines 70-80% Arbeitspensums in Beschlag nimmt, einen Teil zu Hause, was die ganze Familie mitträgt, kann man es kaum jemanden verübeln, wenn er am Wochenende nicht ach noch jeden Hype mitmacht, sondern halt einfach mal etwas durchatmet. Aber selbstverständlich sind da auch wieder Kritiker, die finden, was man noch alles könnte. Vielleicht braucht es genau deshalb solche Bücher.
Gehen Sie jetzt aber nicht irrtümlicherweise davon aus, dass so was wie ein Normmass an Beschäftigung gibt (alles darunter ist Entschleunigung, alles darüber ist Stress)?
Ich denke einmal mehr, ist eine Frage des Charakters. So empfinde ich mich selber als ziemlicher Faulpelz (ich muss weder mit dem Velo auf einen Berg, noch mit einem Paddel über den See; das Tram zur Badi reicht mir vollkommen); aber mein Schatz findet, ich sei ständig unterwegs und habe immer „öpis oob“… 😉
„Vielleicht braucht es genau deshalb solche Bücher.“
Jup, einige BRAUCHEN sicher solche Bücher, und für alle anderen sollte gelten: Nützt’s nüt, so schadt’s nüt…
@13: Meine zwei Unterstüfler sitzen selten länger als 5-10min an den Hausaufgaben. Die Empfehlung wäre maximal 30min, die sicherlich bei manchen Klassenkameraden auch mal erreicht werden. Schule ist nach 15 Uhr fertig. Will das Kind dann lieber auf den Spielplatz, macht es die Hausaufgaben halt über Mittag, zwischen 18-21 Uhr, in den zwei Stunden Wachzeit vor Schule am Morgen…
Aber gut, ich nehme zur Kenntnis, dass andere Kinder sehr viel mehr Hausaufgaben haben.
Am Wochenende gibt es Pfadfinder, zudem Wettkämpfe, Turniere, Meisterschaften, auf die die Kinder unter der Woche trainieren. Und dabei wäre etwas Begleitung und Unterstützung sinnvoll, aber zumindest der Freiraum, wenigstens teilnehmen zu dürfen, und nicht jedes Wochenende z.B. in der Ferienwohnung zu verbringen.
@Sportpapi: Wir achten darauf, dass wir an einem Tag pro Wochenende nichts geplant haben. Wir können dann spontan Rollerbladen, spazieren, Grillieren, einen Bach stauen, im Garten herumsitzen (Kinder: herumklettern, wässerlen, ). Im Winter sind sie im Skiclub (haben letzten Winter gelernt zu Snowboarden in der Snowboardanfängergruppe, kein Wettkampfdenken). Die Tochter war mal in der Wettkampfgruppe im Schwimmen. Sonntags um 05:00 aufzustehen, durch die halbe Schweiz zu fahren um den ganzen Tag in einem Hallenbad herumzusitzen (und Tochter 3 mal kurz zu schwimmen) um um 19:00 Uhr ermattet wieder zu Hause zu sein, war dann aber weder unsere noch ihre Welt… Jetzt schwimmt sie zufrieden in einer Plauschgruppe. Ich finde die Schule und das Leben sind Wettkampf genug. Freizeit braucht keine
„Ich finde die Schule und das Leben sind Wettkampf genug. Freizeit braucht keine.“
Gut, wenn das für Sie so stimmt. Noch besser, wenn es auch für Ihre Kinder stimmt. Nur: Wenn sie Fussball oder Eishockey spielen wollen, wie viele ihrer Freunde, wenn Sie Leichtathletik machen oder sonst eine Sportart, wie die meisten Kinder, dann gehören Wettkämpfe dazu.
Schön, wenn es im Schwimmen eine Plauschgruppe gibt. In einem Umfeld, das sowieso eine Vermischung mit professionellem Angebot hat, ist das vermutlich auch kein Problem.
Viele anderen Sportvereine haben keine Plauschgruppe. Unter anderem aus dem Grund, dass die Erfahrung (und entsprechende Studien) zeigen, dass diese Pläuschler sich nicht für den Verein einsetzen werden, wenn Leiter oder Vorstandsmitglieder gesucht sind.
Also: Jedem das seine.
Was aber gar nicht geht, und was ich aber leider viel zu häufig schon angetroffen habe, ist: An einem Wettkampftraining teilnehmen, ehrenamtliches Engagement nutzen, dann aber die Wettkampfteilnahme (und damit den „Lohn“ der Leiter) zu verweigern.
Danke, Papperlappapi für den Satz, das Gleiche habe ich auch gerade gedacht. Nachdem man sich die ganze Woche abgestrampelt hat, um mitzuhalten oder zu den Besseren zu gehören (je nach Fähigkeiten und Zielen) soll man am Wochenende an Wettkämpfen teilnehmen? Ich bin wirklich glücklich darüber, dass meine Kinder weder solche Ambitionen noch Interessen haben.
@ SP
Mit 30 Min kommen wir nicht durch, es ist häufig über eine Stunde, man sollte sich vielleicht nicht nur an den Besten orientieren. Und dann soll es ja noch Kinder geben, die weitere Bedürfnisse haben, wie z. Bsp. Essen oder Schlafen. 2 Stunden Wachzeit morgens? Ich bitte Sie…Hier ist es eher: 15.30 heimkommen, ZVieri, 30 Min Hausaufgaben, 16.30-18.30 Spielplatz, Abendessen, Pause mit duschen etc., Hausaufgaben…
Muss mich kurz einmischen, meine lieben Papis…
1. Selbst „Wettkampf-Sportarten“ bestehen hauptsächlich aus Training.
2. Solche Turniere bestehen ja aus mehr als nur 3x schwimmen (oder 3x tschutten oder…) Ich bin immer gerne mitgegangen, wenn ein Bruder ein Fussballturnier hatte. Den ganzen Tag auf einem fremden Sportplatz herumstrielen, Pommes den ganzen Tag, „Feindschaften“ mit den Geschwistern anderer Teams pflegen… herrlich
3. Wieso finden Sie es störend, SP, wenn nur trainiert, aber nicht gewettkämpft wird? (Und wenn schon betrügt sich das Kind um den eigenen Lohn, nicht um denjenigen des Trainers 😉 )
@tststs: 1) Muss nicht sein, 2) ja. ausser bei Eltern, die am Wochenende ausschliesslich eigene Pläne verfolgen. Genau das war ja das Thema. 3) Weil ich als Trainer formuliere, was mein Lohn ist, wenn ich schon keine Entschädigung erhalte. Reine Pläuschler zu trainieren habe ich genauso wenig Lust wie praktisch alle Trainerkollegen, die ich kenne.
@13: Die 30min (10min pro Schuljahr) sind eine Richtzeit und keineswegs an den besten orientiert. Wie gesagt, meine Kinder kommen in der Regel mit 5-10min aus. Ausser es handelt sich um reine Fleissaufgaben. Da brauchen sie schon länger, um überhaupt zu starten…
Und ja, morgens stehen sie vielfach um 6 Uhr auf der Matte. Aber ich weiss schon, auch hier: nicht jeder braucht gleich viel Schlaf.
Und zu den Wettkämpfen: Es geht um die Interessen der Kinder, nicht der Eltern. Es ist ja bezeichnend (und genau das, was ich gemeint hatte), dass Papperlapapi bezüglich der langen Schwimmwettkampftage der Tochter reagierte mit „nicht unsere Welt“. Was, wenn es aber die Welt der Tochter wäre? Und die Eltern aber ihre Bedürfnisse höher gewichten? Solche Fälle kenne ich zur Genüge!
@SP: Natürlich haben Wettkampforientierte Trainer keine Lust eine Plauschgruppe zu trainieren. Aber wir haben nun einen Verein gefunden, der den Plausch, die Freude am Wasser und an der Bewegung (durchaus auch mal Kondition und Längen schwimmen, aber auch mal Wasserball) in den Vordergrund stellt. Und den Leitern macht’s offensichtlich auch Spass. Die Tochter ist in die Wettkampfgruppe „reingerutscht“ weil sie mehr als einmal pro Woche schwimmen wollte und das gabs nur dort. Wettkampforientiert war sie nie, aber da prägt vielleicht schon auch das Umfeld. Ich hasse es, wenn aus allem Spass ein Wettkampf werden muss.
Und es sei versichert: die Bedürfnisse der Kinder werden bei uns hoch gewichtet. Alleine ginge ich nicht in den Kletterpark, nicht ins Freibad, nicht an Jahrmärkte, etc….
@SP&PPP: Jetzt verstehe ich es besser… (analog würde ich über mich schreiben: ich könnte nie Kinder unterrichten, da fehlt mir die Geduld/zu wenig Herausforderung)
Bin eben so gar kein Sporttalent und habe alles in der Pläuschlerliga gemacht und hatte nie das Gefühl, meine Trainer vermissen ihren Lohn.
Gut. Ich wiederhole mich: Jedem das Seine. Und wenn es ein Angebot gibt, umso besser. Meistens gibt es keines, bzw. nur ein professionelles.
@SP: ein Wort noch zum ehrenamtlichen/ gesellschaftlichen Engagement: Schwierig! Ich bin Präsident eines Chors, meine Frau hat ein Amt in der Gemeinde, war lange im Vorstand des Frauenvereins, ist im Vorstand einer Ortspartei. Sie brauchen uns nicht zu sagen, wie aufreibend es ist, Leute zu suchen, die sich engagieren. Auch für die Vereine der Kinder bringen wir unsere Frontarbeit stets (wenn auch die Zeit für ein weiteres Vorstandsamt fehlt und für eine Leitungsfunktion das Können fehlt). Den Schuh brauche ich mir nicht anzuziehen.
Fronarbeit…nicht Front…
@Papperlapapi: Sie müssen sich gar keinen Schuh anziehen. Ich habe ganz nüchtern von meinen Erfahrungen und meinem Wissen bezüglich Vereinsengagement berichtet. Und davon, dass doch einige Eltern nicht bereit sind, ihre Kinder an den Wochenenden zu unterstützen, weil sie eigene Pläne haben, wie die Wochenenden aussehen sollen. Obwohl die Kinder gerne in den entsprechenden Vereinen dabei wären.
Das ist, wie wenn in einem Chor viele mitsingen, aber nur wenige (und die allenfalls noch wechselnd) an den Auftritten dabei sind. Die Musikvereine und Chöre, die ich kenne, finden das auch nicht so toll…
Und vermutlich findet man auch hier die Ehrenamtlichen nicht unter denen, die an Auftritten (und Gesangsfesten) nie dabei sind.
„Und zu den Wettkämpfen: Es geht um die Interessen der Kinder, nicht der Eltern.“
Hahaha, Sie meinen so Interessen, die Kinder entwickeln, wenn Sie sich als 2-jährige sportliche Aufgaben üben müssen, um Bildschirmzeit zu verdienen 😉 Oder Kinder, die zu Hause lernen, dass Sie zum Wettkampf müssen, weil das der Lohn des Trainers sei? Ich würde das „vielleicht“ bei Papperlapapi streichen. Das Umfeld färbt sehr. Ich halte es nicht für einen Zufall, dass meine Tochter lieber Hiphop tanzt und es geniesst, wenn alle zusammen eine Aufführung haben, ganz ohne Konkurrenz und ein Turnier verliert, weil sie einem Kind der anderen Mannschaft die Schuhe binden musste. Oder dass mein Sohn findet, er habe keine Lust auf Matches, sondern macht lieber gemeinsame Velotouren.
PS: Ich habe mich auch jahrelang in verschiedenen Vereinen ehrenamtlich engagiert, tue es auch heute noch, wenn auch im kleineren Umfang, aber ich habe es noch nie so betrachtet, dass irgendein Wettkampf mein Lohn wäre, den die Teilnehmer mir durch ihre Präsenz (und vermutlich gute Leistung) schulden. Im Gegenteil war es meine Aufgabe, die Anlässe so attraktiv zu machen, dass möglichst viele kommen WOLLEN! Das ist es, was Spass machte.
Zweijähriger? Haben Sie das gerade erfunden?
Hm, wenn Sie selber sich nicht für Wettkämpfe interessieren, vermutlich auch keinen Wettkampfsport angeleitet haben, dann wundert es wohl nicht, dass Sie Wettkämpfe nicht als Belohnung gesehen haben. Habe ich im Vaki-Turnen oder früher in der Pfadi auch nicht – sehr wohl aber hat es mich geärgert, wenn Kinder nicht ins Lager mitkommen durften.
Und ich nehme an, wenn Sie Aufführungen vorbereiten, freut es Sie auch nicht, wenn dann ein paar Kinder fehlen, weil die Eltern spontan lieber einen Familienausflug planen.
Worum es mir geht: Es gibt Hobbies, die erfordern Unterstützung durch die Eltern. Und sei es nur, dass die Kinder am Wochenende mitmachen dürfen.
Wenn die Eltern für die Kinder obsolet werden.. dabei haben sie sich doch darauf gefreut.
Einfach das Handy weglegen oder ausschalten und schon ist man Slow Family. Und dies ganz ohne Anleitung…
„Ich habe herausgefunden, dass man vieles machen kann – aber nicht alles gleichzeitig“ – hmmm, gibt es tatsächlich Menschen, die das „herausfinden“ müssen?
Schöner und differenzierter Artikel.
Es geht m.M.n. letzten Endes um eine innere Haltung, sich immer wieder diesem Zustand annähern zu wollen, kleine Inseln zu schaffen. Ganz bei sich selbst zu sein und somit dann auch wirklich bei den anderen. Die konstante Fragmentierung des Alltages/Wahrnehmung birgt die Gefahr einer Selbstentfremdung, kleine Inseln zu schaffen, ist hingegen eine Energiequelle. Gerade Kinder spüren, wenn man punktuell ganz bei ihnen ist. Und ich denke sie haben das auch verdient, respektive sollten es uns wert sein. Ich meine, was für eine Botschaft senden wir sonst an die Kinder aus: das Handy ist das Wichtigste im Leben? Wichtiger als du?Dann müssen wir uns auch nicht wundern, wenn sie dann auch ständig vor dem Handy sitzen wollen.
Ich staune einfach immer noch, dass man darüber ein Buch schreiben/lesen muss. Für mich ist das selbstverständlich, dass wenn ich mit den Kindern spiele – ich mit den Kindern spiele und nicht noch nebenher meine Mails checke. Ist jetzt eine Gute Nacht Geschichte Vorlesen auch ein „neuer“ Trend? „Slow Family“?
Was kommt als nächstes? Eine Anleitung wie man mit Messer und Gabel isst? Eine Gesprächsanleitung, worüber man mit den Kindern beim Würste braten reden könnte? Ein Kapitel für 2-4 jährige, ein Kapitel für 4-6, eines für 6-8 etc.?
Liege ich jetzt daneben? Oder braucht es tatsächlich solche Bücher? Sind die Menschen tatsächlich so digital Dement, dass sie solche Anleitungen brauchen?
Als Vater entsprechen sie nicht der Zielgruppe, sie sind nicht dem Zwang ausgesetzt perfekt sein zu müssen..
Ist es nicht eher, dass in einer Welt wo das „Man kann alles schaffen, wenn man sich nur genug anstrengt“ gut tu, mal zu hören „Du kannst alles schaffen, musst es aber nicht.“? Ich kann nur von mir reden, aber ich tappe allzu häufig in die Falle mehrere Projekte gleichzeitig laufen zu lassen und freigewordene Ressourcen gleich wieder zu verplanen, anstatt einfach mal etwas auf die Bremse zu drücken. Und merken tue ich es dann, wenn es mir (und/oder der Familie) zu viel wird…
„Sind die Menschen tatsächlich so digital Dement, dass sie solche Anleitungen brauchen?“
Nope, nur ein weiterer Beweis, dass die Menschen für wirklich jeden Kack Geld ausgeben 😉
Ja aber in „dieser Welt“ – wo man sich in seiner Geschäftigkeit so gefällt, wo es zum guten Ton gehört, dass man in den nächsten 3 Monaten schon jedes WE verplant hat und es absolut hip ist, wenn man viel arbeitet… wenn man „in dieser Welt“ noch ein Buch schreibt, noch ein Buch liest zum ach so wichtigen Slow down, hat man ja noch weniger Zeit.
Ich frage mich einfach, wie glaubwürdig das ist. Sowohl von der Schreiber- wie der Leser Seite her.
Will man damit nicht einfach vermitteln: Schaut ich bin so hip, so beschäftigt, dass ich mir jetzt Gedanken mache zu: nimm dir auch mal 5 Minuten Zeit? Sind solche Bücher nicht eben gerade der Beweis, dass man sich in dieser Geschäftigkeitsneurose gefällt?
Verstehen Sie was ich meine?
„noch ein Buch liest zum ach so wichtigen Slow down“
Aber RoXY, sind Sie nicht auch der Ansicht, dass kaum etwas so dermassen entschleunigt, wie das Lesen eines Buches?
Und wenn schon, denn schon… 😉
Dass die Autorin nicht gerade der lebende Beweis für die propagierte Einstellung ist, da haben Sie natürlich völlig Recht, RoXY.
Aber in diesem Fall – wie so oft, wenn im MB von arbeitenden Müttern/Unternehmerinnen die Rede ist, geht es doch um eine Frau, die Ihre Mutterschaft auf vielfältig kreative Art zum Business gemacht hat. Mit Büchern, Arti keln, Kursen, Camps zum Thema „artgerecht“. Da gehört das Buch schreiben sicherlich mehr dazu, als zuletzt beim anderen Beispiel das angeblich unumgängliche FB und Instragramm checken und posten.
@ roxy
Ja, ich weiss, was Sie meinen und Sie haben natürlich teilweise recht. Kennen Sie ein Buch von Nicola Schmid? Wenn man das Buch „artgerecht“ liest, sind das eigentlich alles Dinge, die einfach von selbst uns natürlich vonstatten gehen sollten (stillen, ein Kind tragen, sich um die Bedürfnisse kümmern) etc. und doch fällt den meisten einiges davon schwer, weil es eben nicht immer einfach ist, es in unsere moderne Welt zu integrieren. Ich kenne das obengenannte Buch nicht, aber vielleicht ist genau das das Ziel. Ok, wir wissen, was wir tun sollten, wie setzen wir es um? Und wenn sie es durch das „co-working“ versucht, hagelt es ja schon Kritik.
Für Sie ist das selbstverständlich, Sie sind auch ein hoch selbstreflexiver Mensch. Ich denke, dass Beschleunigung jedoch eine treffende Zeitdiagnose ist und wir alle davon mehr oder weniger (bewusst) in verschiedenen Bereichen erfasst werden. Da dies m.M. nach ein gesellschaftliches Phänomen ist, braucht es heute eher eine bewusste Anstrengung, sich dem Entziehen zu können ( oder sich dem nur so weit auszusetzen, wie es einem gut tut). Insofern finde ich solche Bücher sinnvoll, die Frau weiss wenigstens wovon sie spricht. Zur Zeitdiagnose vgl. Hartmut Rosa „Beschleunigung und Entfremdung: Entwurf einer kritischen Theorie spätmoderner Zeitlichkeit“
@13: Hat es irgendwo Kritik „gehagelt“? Ich sehe nur, dass jemand intensiv und ambitioniert berufstätig sein will, andererseits aber gleichzeitig die beste Mutter der Welt mit allen möglichen Spezialmassnahmen, die zwar schön, immer aber äusserst intensiv sind. Und dieser Spagat geht nun mal in der Regel nicht auf. Dass dann Entschleunigung propagiert wird, nachdem man zuvor noch quasi mehr Leistung durch Synergie angestrebt hat, buche ich mal unter Lernprozess ab. Denn ein Widerspruch bleibt es allemal.
HH/13 ja ich geb ihnen schon recht, aber ich habe es oben schon geschrieben (ist allerdings in Schlaufe), das störendste an diesen Ratgebern ist doch, dass sie zuerst ein Buch über den natürlichen Umgang mit Babys schreibt und danach bekennt, ihre Kinder hätten sie nie ohne PC gesehen, und wie sie nun das gelernt hätte.
Wenn jemand von Berufes wegen Ratgeber schreibt ist das einfach nicht glaubwürdig. Entweder hat sie schon zur Babyzeit Slow-Family gelebt oder ihr damaliger Ratgeber war nicht authentisch. Es ist nicht glaubwürdig.
Wenn schon müsste eine echte Unternehmrin, die nicht im Beratungs-Couching Business tätig ist ein solches Buch schreiben.
@ SP
Ich sehe keinen Widerspruch und bin eigentlich auch sonst anderer Meinung. Erstens widerspreche ich Ihnen vehement, wenn Sie denken, dass N.S. Ratschlägen zu folgen, irgendwelche Spezialmassnahmen erfordern. Eher das Gegenteil ist der Fall. Und zweitens was bedeutet denn Leistung? Und intensiv? Aus allem das Beste rausholen kann auch eine Leistung sein, sie muss sich nicht eindimensional auf eine Sache beziehen.
@13: „Aus allem das Beste rausholen kann auch eine Leistung sein.“ vs. „Den Moment geniessen kann ich erst, seit ich nicht mehr perfekt sein muss.“
Ich sehe da den Widerspruch.
Und: „«Ich habe herausgefunden, dass man vieles machen kann – aber nicht alles gleichzeitig.“
Eben nicht Kinder betreuen und arbeiten gleichzeitig. Sonst hat man am Schluss beides nicht richtig getan und weniger davon, als wenn man zuerst das eine, dann das andere tut.
@13: Und auch sonst erscheint es klar, dass Sie nicht gleicher Meinung sind, haben wir darüber doch schon mehrfach diskutiert.
Ist es als berufstätige Mutter nötig, die Kinder ausschliesslich zu tragen, im Familienbett schlafen zu lassen, windelfrei (!) zu halten, ja kein Schlaftraining durchführen, ja, sich Durchschlafen nicht einmal zu wünschen, langzeitstillen, usw.? Ernsthaft? Kann man alles machen, wenn man (zu) viel Energie und Zeit hat, aber den Kindern schadet auch eine etwas ökonomischere Betreuung sicherlich nicht.
Und dass bei Nicola Schmidt nie und in keinem Zusammenhang der Vater erwähnt wird, wie auch Co-Working ein Mutter-Kind-Arbeitsprojekt ist, bestätigt alles, was ich diesbezüglich schon gesagt habe.
@ SP
Nötig ist ein grosses Wort, mir gefiel es, es bieten zu können. Was ich aber damit sagen wollte: Ich sehe den von Ihnen geltend gemachten Mehraufwand nicht.
Tragen: Mein Tuch ist schneller gebunden, als das Kind anzuziehen und in den Wagen zu gurten.
Familienbett: Ist doch einfacher als nachts aufzustehen.
Windelfrei: Habe ich nicht gemacht, nur mit Stoff gewickelt, was einen Aufwand von max. 30 Min pro Woche ausmachte.
Schlaftraining: Wozu der Aufwand? Gerade als berufstätige Mutter will ich doch die Zeit mit meinem Kind geniessen.
Durchschlafen: Wünschen kann man sich vieles, vieles fällt einem aber auch einfacher, wenn man die Situation akzeptiert.
Langzeitstillen: Der Aufwand zum Schoppen geben ist doch x-fach grösser.
Unter dem Strich ist das ökonomischer.
Im Artgerecht-Buch kommt übrigens der Vater durchaus vor.
„Nötig ist ein grosses Wort, mir gefiel es, es bieten zu können.“ Und das ehrt Sie. Aber dennoch muss man sich den Aufwand auch leisten können. Und da bin ich nicht gleicher Meinung: Dieser ist durchaus vorhanden.
Nebenbei: Schlaftraining macht man kaum zum Spass. Sondern weil man mit den Kräften am Ende ist.
Ups falsche Kolonne. Ging an Roxy
@HH: Genau. Diese „kleinen Inseln im Alltag“ von damals sind mir noch heute in schönster Erinnerung: Das Stadt-Picknick im Schnee, das Sammeln der Delikatesse „Dent de Lion“ im Frühling, die Altstadt-Exkursionen (Katakomben! Türme!) und sogar die Friedhofsbesuche bei Thomas Mann und Mascha Kaleko inkl. der entsprechenden Geschichten. Haben wir später modifiziert in unser eigenes „Entschleunigungs-Programm“ einfliessen lassen – und natürlich mit Neuem gepimpt. Aber stimmt schon, im Schwimmen wäre wohl Wettkampfpotenzial dagewesen. Da wurde evtl. wirklich was verpasst?