Wie laut schreien Sie Ihr Kind an?

Das Problem kennen alle Eltern: Was tun wenn das Kind nicht zuhört? Foto: iStock

Das Problem kennen alle Eltern: Was tun, wenn das Kind nicht zuhört? Foto: iStock

Klar, wir sind alle liebevolle Eltern, die sanft mit ihren Kindern sprechen und ihnen dabei zärtlich eine Haarsträhne hinters Ohr streichen. Trotzdem müssen wir ab und zu deutliche Worte anwenden. Und mit deutlich meine ich laut.

Die selbst gefassten Erziehungsgrundsätze differieren dabei je nach persönlichem Stil: Manch einer betrachtet seine laute Stimme als willkommenes Arbeitsinstrument. Andere wollen sich das Schreien für zwei, drei Notfälle während der Pubertät aufbewahren. Ich persönlich erlaube mir, lauter zu werden, wenn das Kind absichtlich nicht hört. Richtig schreien möchte ich eigentlich nur, wenn der Brecht taub der Gefahr ins Antlitz rennt: in der Stadt auf die Strasse, auf dem Land in den elektrischen Weidezaun.

Wunsch und Realität

So die Theorie. In der Praxis übermannt uns dann oft der Stress. Die Schimpfgelegenheiten kommen mit sicherer Regelmässigkeit, und die Stimme wird mit jeder Ermahnung etwas lauter. Unbemerkt wird die deutliche Wortwahl so zum Schrei. An schlechten Tagen faucht man sich so durch und denkt abends im Bett: «Ich sollte geduldiger sein.»

Jetzt könnte man meinen, dass gegen eine konsequente Erziehung nichts einzuwenden ist. Das Problem: Schreien hat wenig mit Konsequenz oder Strenge zu tun. Es ist im Alltag vielmehr ein Zeichen von kurzzeitiger Überforderung. Verziehen kann man sein Kind auch als Schreihals.

Und das Schreien hat als Erziehungsmethode ein weiteres Problem: Es ist etwa derselben Inflation unterworfen wie der venezolanische Bolívar. Mama schreit? Macht sie doch ständig. Weshalb sollte mich das als Kind noch kratzen? Da muss sie schon lauter schreien.

Testen Sie sich

Ich bin zu wenig Psychologe, um mich über die Auswirkungen auf das Kind auszulassen. Emotional stecken die Racker ja viel weg, da mache ich mir keine Sorgen. Aber ich will dem Brecht nicht vermitteln, dass man Konflikte mit Lautstärke löst. Und so sage ich immer wieder mein Mantra auf: «Bleib ruhig, erkläre, verhandle, probier etwas Neues aus!»

Das funktioniert meistens gut. Die folgenden Tests bestehe ich aber längst nicht immer. Wie sieht das bei Ihnen aus?

  • Fragen Sie sich nach jeder Auseinandersetzung zu Hause, ob Sie in der Öffentlichkeit gleich reagiert hätten. Wären Sie in der vollen Migros vielleicht ruhiger geblieben? Der unscheinbare Herr an der Gemüsewaage könnte ja Pädagoge sein und Sie schweigend verurteilen. Oder er ist von der Kesb und macht sich eine Notiz aufs Birnen-Aufkleberli.
  • Achten Sie ab und zu darauf, wie das Kind beim Spielen mit seinen Tieren, Puppen und Legofiguren spricht. Erkennen Sie sich wieder?

Der Brecht brüllte letzthin sein Schaf an, dem ein paar Gewichtskügelchen im Plüschhintern fehlen: ICH HAB DIR TAUSENDMAL GESAGT, DASS DU SITZEN SOLLST!

Meine Frau und ich haben uns geschämt und Besserung geschworen. Es hat auch geklappt. Bis der Brecht zwei Stunden später mit der Trinkflasche auf eine Glaswand einhämmerte.

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73 Kommentare zu «Wie laut schreien Sie Ihr Kind an?»

  • Sigi Neukomm sagt:

    Wer seine Kinder nicht ab und zu anschreit ist mir äusserst suspekt.

  • Seppi sagt:

    Bei meinem 6jährigen Sohn ist die Liebessprache „Zärtlichkeit“, und darum sind körperliche Strafen tabu. Dafür funktionieren „Lieblingssache wegnehmen“ (Geschenke) oder „ab ins Kinderzimmer“ (Zweisamkeit) perfekt.
    Bei meiner 4jährigen Tochter ist die Lieblingssprache „Zweisamkeit“, und darum funktioniert der Klaps nach „welche Hand war das?“ (Zärtlichkeit) oder Schimpfen (Lob & Anerkennung) gut. Das „ab ins Kinderzimmer“ funktioniert gar nicht.
    Dass die Erziehungsberater von Largo über Juul bis Bergmann sich beim Thema Strafe nicht die Finger verbrennen ist klar: Sie haben kein Konzept dafür, sondern straften durch tagelanges Ignorieren, cholerisches Anschreien, und das Einreden von schlechtem Gewissen. Um sich dann dafür selbst zu schämen. Schönwetterpädagogen halt.

    • Rotzgöre sagt:

      Sie haben wohl noch nie Juul gelesen. Ihre Behauptung entbehrt jedenfalls jeglicher Grundlage. Strafen sind sinnlos & machen aus trotzigen Kindern trotzige Jugendliche. Viel Spass mit ihren Teenagern…

      • Seppi sagt:

        Ich habe Jesper Juul gelesen. Und ich weiss auch, dass er jähzornig ist, seine Kinder angeschrieen, mit Sachen beworfen und sie damit auch verletzt hat. Wer als Eltern die Strafen als sinnlos betrachtet, muss dann wohl ansehen, wie die Kinder als Erwachsene von Lehrmeister, Chef, Gesellschaft und Justiz die Lektion lernen wird. Auf die harte Tour, aber dann können Sie ja über die böse Gesellschaft, welche Ihr Wunderkind nicht mit der notwendigen Güte behandelt, welche es verdient.

  • Seppi sagt:

    Wer wissen will, welche Art von Strafe die richtige ist, dem sei das Buch „Die fünf Sprachen der Liebe“ von Chapman/Campbell ans Herz gelegt. Schreien (bzw. Schimpfen) funktioniert gut, sofern das Kind seine Liebe nicht über Lob und Anerkennung wahrnimmt. Je nach Sprache der Liebe ist die jeweilige Strafe ein Tabu, da sie unnötig traumatisiert: Lob & Anerkennung / Schimpfen, Zweisamkeit / Isolation, Zärtlichkeit / körperliche Strafen, Hilfsbereitschaft / Abwendung, Geschenke / Wegnehmen. Besonders effektiv ist die Strafe, wenn 1. das Kind sich der Liebe der Eltern bewusst und sicher ist (z.B. durch Liebesbekundung) und 2. die Strafe umgehend, emotionslos, stufengerecht und angemessen erfolgt. Die meisten Erziehungsberater schweigen zu diesem Thema, schade.

  • trudi Frey sagt:

    Also mein Sohn war hochintelligent, er hat mich oft ausgetrickst und ich bin auch nicht dumm aber er hat es jedesmal geschafft mich zum schreien zu, bringen er hörte sonst nicht auf. Beispiel er ass seinen Griessbrei und plötzlich lag der Teller mit dem Griessbrei auf dem Boden. Ich sagte was hast du da gemacht, er ich weiss nicht ich war es nicht. Ja da habe ich laut geschrien meinst du ich bin blöd ist ja sonst keiner da, ja auch das weiss ich nicht.
    Es waren turbulente Zeiten aber auch sehr schön und ich habe meinen Sohn immer geliebt und ihm das auch gesagt bis heute er ist ein toller Mann geworden.

  • Samichlous sagt:

    Denke, viel ist eine Frage des Temperaments. Für gelassene Typen ist es kaum schwer, ein Kind nie anzuschreien. Für „Hitzköpfe“, ist es bedeutend harter. Kenne so einen temperamentvollen Vater, der sich auch sonst im Leben schnell nervt, der hat eine tolle Lösung für sich gefunden: Wenn er sich übers Kind aufregt, dann sagt er laut und aus voller Brust „OHHHHHMMMMMM“ – mit der herrlichen Selbstironie (er würde nie freiwillig in einen Yogakurs gehen – das sei bloss was für seine Frau meint er). Und allein das laute seufzen entspannt ihn sichtlich, und sich selbst „OHMMMM“ sagen hören bringt ihn meistens schon wieder zum Schmunzeln, und er findet dann eine bessere Lösung anstatt laut zu werden.

    • Sisifee sagt:

      Das mit dem Temperament finde ich schon auch eine interessante Sache. In unseren Ferien in Italien beobachte ich jeweils, das die Leute eigentlich eher lauter mit den Kindern umgehen als wir. Und man rufte durchaus auch häufiger aus. Ich empfinde es aber als ein viel liebevolleres Schimpfen oder Lautwerden, als zB bei mir selbst. Vielleicht liegt’s auch an der klingenden Sprache.

      • Melody sagt:

        Vielleicht liegts daran, dass Südländer auch ihre Liebe oft lauthals kundtun, so verliert das Schreien etwas an Härte, wenn man es aus Wut macht.

  • Dodimi sagt:

    Find den Artikel gut, aus dem Leben gegriffen und menschlich. Je nach Situation wähle ich jede Variante, wobei die mit dem schrillen kurzen Pfeiffen die häufigste, eindrücklichste und wirkungsvollste ist, auch wenn ich sagen darf, dass ich dies alles nicht so häufig zu benutzen habe. Meist genügt ein strenger Blick, Senkung der Stimme um eine Oktav und ihn mit seinem Namen akzentuiert anzurufen.

  • Susanne sagt:

    Bei mir ist es genau umgekehrt. Ich kann der Versuchung meine Kinder anzuschreien meistens IN der Öffentlichkeit nicht widerstehen. Das ist wohl der zusätzliche Druck „Nicht zu schreien in der Öffentlichkeit“ der dann das Fass zum überlaufen bringt.
    Ich muss zugeben es beruhigt mich auch immer wenn ich andere Eltern ihre Kinder anschreien sehe. Wir sind ja doch alle nur Menschen mit Fehlern.

    Ich finde die Kommentare hier heute übrigens alle so sehr nett – ungewöhnlich loyal :).

    • Dani sagt:

      Warten Sie nur, bis die ersten Forentrolle vom Trailer rechts ins Bild hüpfen und einige Leute anheizen ;o) Dann fliegen die fetzen auch hier UND WIR SCHREIBEN IN CAPSLOCK!!! (was ja auch als schreien interpretiert wird)

  • Coffee Toffee sagt:

    Wow dieser Blog passt wunderbar zu meinem heutigen Tag. Es war ein sehr unschöner Migros Morgen- Herbstferien, Chindsgi Kind muss auch mit einkaufen neben 4-Jährigen, mit dem immer alles reibungslos (also im Migros) läuft, Zoff ohne Ende. Ich war auf Rückfahrt im Auto immernoch so auf 180 dass nur ziemlich laute Musik half zum ‚runter kommen‘. Und ja, etwas mehr als Stimme erheben wars wohl auch. So das war mein Strip des Tages. Freue mich auf die Arbeit heute

  • Sven Örensohn sagt:

    Mein Gott was sind das für Familienverhältnisse? Man schreit doch keine Kinder an, sowas geht gar nicht und es zeigt das dem Herrn die intulektuelle Reife fehlt, sowie das Verständnis für das Kind. Meine Tochter im selben Alter folgt meinen Anweisungen dadurch ist schreien auch nicht notwendig. Aber gut wir sind eine Intulektuelle Familie und unsere Tochter kann schon bis 15 zählen, wahrscheinlich wurde bei uns auch der Intulekt vererbt, was schreien natürlich überflüssig macht. Schreien tun wir nur beim Spielen.

  • tststs sagt:

    Kleine Ergänzung:
    Es gibt wohl einen Unterschied zwischen „schreien“ und „Stimme erheben“. Ersteres ist IMHO, wie auch andere bereits beschrieben haben, ein Anzeichen von Kontrollverlust. Zweiteres ist deutliches Aufzeigen, wer die Kontrolle/Macht/Autorität/Stärke hat.
    Passender Vergleich finde ich hier den Blick ins Schulzimmer: Einige Lehrer müssen bei Tumult nur ein wenig die Stimme erheben und schon ist Ruhe im Raum. Andere verfallen in – hysterisches – Kreischen, das die Lernenden meist noch mehr anstachelt…

    • Dani sagt:

      Andere Lehrer stellen sich einfach hin und reden leise vor sich hin, bis die ersten Schüler die anderen darauf aufmerksam machen, dass sie den Lehrer gerne verstehen möchten ;o)) Auf einmal ist es still und der Lehrer kann normal sprechen.

      • Seppi sagt:

        Das ist „Peer Pressure“ und fördert Mobbing. Statt dass sich die Autoritätsperson selbst Autorität verschafft, lässt es seine Lakaien für einen selbst Autorität verschaffen. So werden Mittäter und Mitläufer erzogen. Finde ich gar nicht in Ordnung.

    • Es ist definitiv ein Unterschied. Allerdings meines Erachtens einer mit fliessenden Grenzen, die man gerne auch mal in der Eile des Gefechts übertritt, wenn man das eigentlich nicht wollte.

  • mira sagt:

    Dieser Artikel ist der Highlight des Tages :)))

  • tamburini sagt:

    1x bisher wurde meine Stimme gegenüber dem 3-jährigen Enkel lauter. Dabei ist er wohl so erschrocken, weil ich das noch nie tat, dass er zu weinen begann. Das ist mir dann ganz schön eingefahren. Ich mags als Nonna gaaar nicht, wenn meine Tochter gegenüber dem Enkel lauter wird. Meist sehe ich auch, dass ihre Nervösität mit Zeitdruck etwas zu tun hat oder sonstigem Ärger, also nicht mal unbedingt mit dem Tun des Kleinen. Wir sprechen in der Fam. sehr offen miteinander und ich sage ihr dann auch gleich: schreie das Kind nicht an, nur weil dir das und das nicht passt! Von ihr kommt dann auch an mich die Retourkutsche, also sie erklärt mir, weshalb sie so sauer ist und das ist gut. Die Fam. lebt nicht in einer rosa Wolke, da fliegen die Emotionen von Gross und Klein.

  • Adrian sagt:

    Ganz genau. Kinder darf man nicht anschreien. Das ist wohl jetzt das neueste nach dem dass man Kinder nicht mal mehr ohrfeigen darf?! Zum Glück komme ich nicht erst auf die Welt…

    • Alpöhi sagt:

      Man darf schon. Aber — Möchten Sie selber denn angeschrieen werden, wenn es auch ohne ginge?

      Eben.

      • Tamar von Siebenthal sagt:

        Selbstverständlich darf man keine Ohrfeigen austeilen. Versuchen Sie es doch mit jemanden, der Ihnen kräftemässig ebenbürtig ist, oder sind Sie zu feige dafür?

        Übrigens: Ohrfeigen versetzen das Kind nicht nur in Angst und erniedrigt es auf schlimmste Art und Weise, es kann auch zu schweren Hirnschäden und bis zum Tod führen. Echt gschämig, dass solche Neandertaler noch immer Kinder gross ziehen.

      • Alpöhi sagt:

        TvS,
        äh, wir haben es vom Anschreien, oder?

      • Seppi sagt:

        @TvS: Wie viel Kraft braucht es, dass eine Ohrfeige einen Hirnschaden oder den Tod verursachen kann? Diese Theorie ist entweder frei erfunden, oder es wird eine Straftat herangezogen um normale Handlungen zu verunglimpfen. Es sagt niemand, dass man sein Kind verprügeln muss. Allerdings lasse ich mir den Klaps auf die Hand bzw. den Hintern nicht nehmen. Die Art der Strafe muss zum Kind passen, und bei manchen Kindern ist das Schimpfen, Ignorieren, oder Ausgrenzen traumatischer als ein Klaps auf den Hintern. Und ich rede von einem Klaps mit der flachen Hand mit 10cm Anlauf, so wie beim Klatschen.

      • Tamar von Siebenthal sagt:

        Und Adrian hats von Ohrfeigen, oder?

        Soso Sepp, den Klaps lassen Sie sich nicht nehmen. Bei Ihrer Partnerin auch? Und anschreien auch? Nun, solange sie sich das gefallen lässt….

      • Seppi sagt:

        @TvS: Ich rede von Erziehung von Kindern, nicht von Erwachsenen. Auch wenn ich das Gefühl habe, dass auch manch einem Erwachsenen einen Tritt in den Hintern gut tun würde. Und gegenüber den eigenen Kindern hat man einen Erziehungsauftrag. Wenn Sie ihre Kinder ohne Strafen erziehen wollen, so dürfen Sie das. Dann erledigt diesen Teil der Erziehung halt der Lehrmeister, der Chef, oder die Justiz.

  • Daniel Castro sagt:

    Ich bin Mensch und entschuldige mich nicht dafür, dass ich gelegentlich laut werde. Es ist Teil meines Charakters. Mein Kind weiss, dass ich es über alles liebe und es weis auch, dass wenn ich laut werde, es für sie wie ein Signal ist „bis hierhin und nicht weiter“ bzw. „ich toleriere dein Verhalten nicht“. Aber jeder muss mit sich selbst klar kommen und sich dabei auch wohl fühlen, wenn er gegenüber seinem Kind laut wird.
    Aber gleich sagen, dass man mehr Geduld möchte oder sich schlecht dabei zu fühlen, ist für mich wie ein Zeichen, dass man mit sich selber nicht im Gleichgewicht ist.

  • Dani sagt:

    Also ich finde nicht, dass jemand sein Schreien verstecken muss, solange es nicht ins cholerische Ausartet und seine Berechtigung hat. Vor allem berechtigt ist es auch halt mal ruhig zu zeigen, dass einem der Kleine einfach mal gehörig gegen den Strich geht, wenn er dann zum dreißigsten Mal das Gefühl hat, dass sein Gerotze am Tisch noch lustig sein soll. Da reisst mir auch mal der Geduldsfaden. Als ich ihm auf sein Brot gespuckt habe, fand er es dann nicht mehr so lustig. Manchmal laut werden gehört einfach auch in eine Familie. Jeder der gegen sein Wesen ankämpft, darf sich dann gerne mit 50 um sein Magengeschwür oder seine versteckten Aggressionen kümmern ;o)

    • Sisifee sagt:

      ;-)))))
      Ich habe meinem Sohn mal ein Glas Wasser über den Kopf geleert, weil er nicht aufhören konnte, mich über den Tisch hinweg anzuspucken. Ich nenne das „paradoxe Intervention“.
      Ich denke, alle, die nicht nur ruhige, hochanständge Kinder daheim haben wissen, dass manchmal der Geduldsfaden reissen kann. Wir sind ja keine Übermenschen.

  • Sisifee sagt:

    1) Das schätze ich am Mamablog: Oft erwischt einem Thema mitten im Erziehungsalltag und lässt einen innehalten. Schön!
    Als Kind einer Mutter, bei der sich Anschreien und Anschweigen abgewechselt haben, finde Schreien weit weniger schlimm. Auch mir passiert es, dass ich laut werde meinen Kindern gegenüber, obwohl ich sonst eher ruhig bin.
    Wichtig ist, dass man sich als Eltern nicht zu sehr unter Druck setzt, das Schreien ist ja oft ein Ventil und zudem abhängig vom Temperament.
    Zweitens ist Anschreien eine Grenzüberschreitung, die geklärt gehört. Wenn’s mir passiert, so erkläre ich später, wieso: Weil ich frustriert oder wütend war, weil das Kind nicht zugehört hat, weil ich einen miesen Tag hatte. Das Kind soll wissen, ob es ein Anteil an meiner Überforderung hat oder nicht.

    • Sisifee sagt:

      2) Ein weiterer Punkt finde ich wichtig: Zwar sollen meine Kinder lernen, Konflikte fair auszutragen. Ebenso wichtig ist aber, dass man auch mal wütend sein und dies zeigen darf. Heute Morgen ist meinem Sohn ein Buch auf den Fuss gefallen, seinem Ärger hat er lautstark Ausdruck gegeben. Ich musste sehr lachen, da der Titel des Buches „Stilleübungen für Kinder“ hiess. Worauf er mich angebrüllt hat, wieso ich eigentlich lache, wenn er sich weh tue… Ich hab’s ihm erklärt und ihn getröstet und gut war’s. Ich finde, so ein richtiges Wut- oder Angstgebrüll muss Platz haben und ist mir lieber, als wenn die Emotionen gegen innen gerichtet werden. Und auch wenn ich mich seit Jahren in Zen-Meditation übe: Innere Ruhe als Dauerzustand kann ich weder von mir noch von anderen erwarten!

      • Brunhild Steiner sagt:

        @Sisifee

        wirklich doof wenn einem ausgerechnet ein Buch aus der Themaecke „tiefenentspannt“ auf den Fuss knallt… 😉
        ich finde Ihre Statements erfrischend unaufgeregt und bodenverhaftet!
        Insbesondere die Angst vor Kontrollverlust, oder das dies ein totales no-go sei, meistens findet dann kein Weltuntergang statt, ausser ich hätte den roten Knopf erwischt. Es gibt da eine Spannbreite, welche wir auch unsren Kindern zugestehen, je nach Umständen/Befindlichkeiten ist die mal enger, mal weiter.
        Ein gutes Fundament verträgt mehr Einschläge als brüchige Bausubstanz- das soll kein Plädoyer für Egalhaltung sein, aber für weniger Selbstverurteilung wenns mit den guten Vorsätzen mal nicht geklappt hat.
        Auch das sind wichtige Lerngelegenheiten und können „lebens-fit“ machen.

      • Ich schliesse mich an: Finde das eine sehr gesunde, realitätsbezogene Einstellung, Sisifee. Es kommt nicht nur aufs Schreien an sich an, sondern wie man danach damit umgeht.

    • tststs sagt:

      „…Das Kind soll wissen, ob es ein Anteil an meiner Überforderung hat oder nicht.“
      Sauber auf den Punkt gebracht!

      • Tamar von Siebenthal sagt:

        Ist heikel. Wenn Sisifee sagt, dass sie von ihrer Mutter entweder angeschrien oder angeschwiegen wurde, war doch nicht Sisifee die Ursache, sondern deren Mutter. Klar darf man auch mal sagen, dass es einem jetzt gerade zuviel ist, aber im Grunde genommen, ist der Anteil der Kinder, an der Überforderung der Eltern gering bis nicht vorhanden. Sonst könnte man ja auch den Kindern Schuld geben, wenn das Geld knapp ist und keine Flugreisen drin liegen z.B

        Bei mir waren jahrelang Existenzängste und Butnout ein Thema, da darf man einfach nicht vermischen, wenn das Kind einen fordert. Mir war es immer wichtig meinen Kinder zu verstehen zu geben, dass sie keinen Anteil daran haben, wenn ich müde und gestresst war.

      • Sisifee sagt:

        @ Tamar v. S.: Vielleicht muss ich da präzisieren. Natürlich haben die Kinder keine Schuld, wenn man übermüdet ist, im Büro einen schlechten Tag oder Eheprobleme hat. Es tut ihnen dannl auch gut, wenn man sich entschuldigt (ich tue das in solchen Fällen) und ihnen sagt, dass man überreagiert hat aus Gründen, die nichts mit ihnen zu tun haben.
        Wenn ich aber zB abends meine Kinder in der Kita abhole und sie brauchen trotz mehrmaliger Ermahnung 25 Minuten bis sie parat sind – dann, finde ich, sind sie nicht ganz unbeteiligt, wenn ich dann irgendwann lauter werde. Sie sind in der 3. und 4. Klasse und wissen, dass man halt manchmal etwas in nützlicher Frist getan haben – oder einfach mal gehorchen sollte.

      • Sisifee sagt:

        PS Und ja. Schreit man zu viel, liegt das in der Regel definitiv nicht an den Kindern, die halt einfach sind wie sie sind. Stelle ich das bei mir fest, hole ich mir in der Regel Hilfe oder schaue zu, dass ich mal wieder so richtig viel schlafe – oder dass ich einen Tag frei bzw. nur für mich habe.

      • Adina sagt:

        @Tamar von S.
        Doch, die Kinder haben ihr Anteil an unsere Überforderung, ich schreie eigentlich sehr, sehr ungern (laut sein bedeutet für mich was anderes: vor allem bestimmt sein, zeigen wer das Sagen hat).
        Aber Babys schreien nun mal sehr viel, ein Kind was einen Trotzanfall hat sowieso, und ich hatte vorher die Spiegelneuronen aus gutem Grund erwähnt: Wer stets so viel Geschrei hört, der schreit irgendwann auch selber.

  • Andrea sagt:

    Sagt kürzlich der Playmobil Löwenritter-König meines Sohnes zu seinem Playmobil Astronautenfreund: „Nei, es git hüt nöd scho wieder es Glacé“!

  • Arianna sagt:

    Einfach köstlich!
    Ehrlich, treffend und höchst amüsant. DANKE von einem gleichgesinnten Mami

  • Romeo sagt:

    Der unscheinbare Herr an der Gemüsewaage verunsichert also? Ich glaube eher, Brechts Vater braucht einen Kurs in Selbstbewusstsein…

    • Tamar von Siebenthal sagt:

      Ich finde es eher bedenklich, dass man nicht zum Wohle des Kindes auf anschreien verzichtet, sondern aus Angst vor der KESB. Für mich macht das den Anschein, dass man auswärts auf ruhig macht, Zuhause dann aber ungehemmt rumschreit.

      • Sisifee sagt:

        Es ist doch komplett normal, dass man sich in der Öffentlichkeit etwas mehr zusammenreisst als zu Hause.
        Der Artikel von Herr Tschannen macht ist ja kein Plädoyer fürs ungehemmte Rumschreien daheim, im Gegenteil.

      • Tamar von Siebenthal sagt:

        Normal?

        Also, ich möchte meine Kinder nicht anschreien, auch Zuhause nicht. Sie haben es nicht verdient, angeschrien zu werden.

      • Sisifee sagt:

        Ja, ich finde es normal, ist man in der Öffentlichkeit kontrollierter und zu Hause entspannter. Daran ist nichts falsch.

        Natürlich soll man seine Kinder nicht anschreien. Den meisten von uns passiert es halt doch ab und zu, auch wenn wir dies nicht möchten. Ihnen nicht?

      • Tamar von Siebenthal sagt:

        Ja, ich wurde auch schon laut (leider), aber zum Glück selten. Ich selber mag auch nicht angeschrien werden, also vermeide ich das tunlichst. Meine Leben bestand viel zuviel aus angeschrien werden.

        Gerade heute Mittag habe ich kurz losgepoltert, weil sich die Buben wieder einmal ums Tischdecken gedrückt haben und ich mich deswegen genervt habe, aber ohne poltern wäre es such gegangen.

      • Sisifee sagt:

        Ja, im Nachhinein geht es ohne Poltern, Schimpfen, Schreien – und man würde sich besser fühlen als Mutter, keine Frage. In Situationen, wie sie es beschreiben, spielt aber oft auch der Zeitfaktor eine Rolle: Die Kinder müssen wieder in die Schule, das Essen ist wird kalt, man braucht tatsächlich schnell Hilfe, weil man keine Hände frei hat, etc. etc.
        Da die Stimme zu erheben geht in der Regel schneller, als zu Diskutieren. Und die „logische Konsequenz“ kommt einem meist gerade dann nicht in den Sinn, wenn man sie braucht.
        Die Kinder haben den Tisch in nützlicher Frist gedeckt und erfahren, dass sie sich nicht drücken können. Dieses – ebenso wichtige – Ziel haben Sie erreicht, wenn vielleicht auch nicht in der perfekten Tonlage. Das ist doch auch gut und wertvoll.

      • tststs sagt:

        „Da die Stimme zu erheben geht in der Regel schneller, als zu Diskutieren.“ Vor allem ist es – je nach Alter natürlich – auch einiges kindgerechter.
        Ein 3jähriger wird eher auf eine „Tat“ verzichten, weil er Mami/Papi nicht zum Schreien bringen will, als dass er der „Logik des Verletzens“ (wenn du das machts, gibt es Aua und dann musst du zum Doktor) folgen könnte.
        Ausserdem finde ich diese Authentizität (ja, auch Mami/Papi verliert mal die Nerven) für die Erziehung eher nützlich denn schädlich!

    • Romeo: Brechts Vater braucht einen Kurs in so vielem. Mit dem Selbstbewusstsein ist es aber immer so eine Sache: Manchmal hat man zu viel, manchmal zu wenig. Mehr als ich habe, brauche ich eigentlich wirklich selten.

      Tamar: Ja, der Test mit der Gemüsewaage soll ja genau das zeigen. Wenn man zu Hause lauter wird als unterwegs unter sozialer Beobachtung, sollte man eventuell über die Bücher.

      • Tamar von Siebenthal sagt:

        Ah sorry Herr Tschannen, das habe ich falsch aufgefasst.

        Nun, meine Kinder sind 14 und 17. Beim Kleinen war es aber infolge seiner Hirnverletzung lange sehr schwierig. Er ertrug keinen laute Stimme (auch weit entfernt von schreien) und musste immer direkt angesprochen werden, damit er überhaupt wahrgenommen hat, dass man mit ihm spricht. Auch heute noch, ist es teilweise schwierig in zu rufen, wenn er in einem anderem Raum ist. Im Grunde genommen wissen meine Buben ja, dass sie selbstständig für den Tisch zuständig sind, am Abend und an freien Tagen, aber irgendwie finde ich es trotzdem unfair, wenn ich dann lospoltere, wenn dass Essen fertig ist und der Tisch noch leer. Ist ja nicht ihre Schuld, wenn mich das stresst. In der Regel mahne ich sie ja auch in freundlichem Ton.

  • Alpöhi sagt:

    Wer schreit, hat die Situation nicht mehr unter Kontrolle.

    Soweit die Theorie. Die Praxis ist: Ich schreie auch amigs… 🙁 und möchte geduldiger sein

    • Sisifee sagt:

      Alpöhi: Genau. Es ist ein Kontrollverlust. Ich frage mich nur, woher die Norm kommt, dass wir Eltern immer alles unter Kontrolle haben sollten? Ist das wirklich das, was wir den Kindern vorleben möchten?
      Ich möchte auch geduldiger sein. Am liebsten möchte ich ständig gelassen und liebevoll über allem stehen. Ich schaffe es nicht, und ich denke auch, dass es halt einfach „menschlich allzu menschlich“ ist, wenn zwischendurch die Emotionen hochgehen.

      • tststs sagt:

        „Ich frage mich nur, woher die Norm kommt, dass wir Eltern immer alles unter Kontrolle haben sollten?“
        Deshalb: „Schlaue“ Kontrolle gibt dem Kind eben nicht das Gefühl von Kontrolle, sondern von Geborgenheit/Sicherheit.

    • Adina sagt:

      Oder wer schreit, hat einfach Angst davor dass die Situation aus der Kontrolle geraten könnte. Was in der Tat etwas übertrieben ist.
      Aber manchmals hilft es eine Sekunde früher als eine zu spät zu reagieren: ein etwas grösserer Bub hat mal unter unserem Augen eine Glasflasche im Sandkasten auf dem Spielplatz kaputgeschlagen. Ich dachte mir schon, das könnte passieren, war aber ruhig geblieben.
      Als überall im Sand Scherben waren bin ich sofort aufgestanden und mit Hilfe anderer diese aufgeräumt. Aber da hatten wir alle eben diese eine Sekunde zu spät reagiert.

      • Sisifee sagt:

        Ja, manchmal ist die impulsive Reaktion auch wirklich berechtigt – und die Angst auch! Ich kann mich gut erinnern, dass ich meinem Sohn mal zugeschaut habe, wie er auf einem „Gumpi-Ross“ balanciert ist und mir überlegt habe, ob ich jetzt zum xten Mal etwas sagen soll oder ob ich zu ängstlich bin…
        Er hat das Gleichgewicht verloren, ist mit dem Kopf hart auf den Boden aufgeprallt und hat eine leichte Gehirnerschütterung davon getragen. Eine impulsivere Reaktion hätte ihn davor bewahrt.

      • Adina sagt:

        Mensch, Sisifee, es tut mir so leid! Hoffentlich hat er sich schnell gut davon erholt.

      • Sisifee sagt:

        Adina: Das war 2011, er hat sich bestens erholt, geblieben ist eine kleine, haarlose Stelle am Hinterkopf…
        Das Gumpiross wurde auf die Wiese verbannt. Draufgestanden ist er nicht mehr… 😉

      • Alpöhi sagt:

        Na also: Lernziel erreicht 😉

  • Cybot sagt:

    Mit der Trinkflasche auf eine Glaswand einhämmerte – und was wäre da so schwer, ihm die Flasche einfach aus der Hand zu nehmen? Dafür braucht man doch keine Schreie, noch nicht einmal Worte. Übrigens auch beim Weidezaun nicht, da läuft er nur einmal rein. Viel passiert da nicht – wir haben die Zäune als Kind ja sogar absichtlich angefasst um zu sehen, wie sich das anfühlt. Das einzige was generell hilft, ist mehr innere Gelassenheit, vielleicht mal mit Yoga oder Meditation versuchen, wenn es anders nicht klappt. Oder Kampfsport ist auch sehr gut dafür.

    • Kommt immer auf die Distanz an. Wenn Sie 10 Meter weit weg stehen und Angst haben, dass das Glas gleich bricht, dann kommt schon mal ein Schrei raus, bis Sie dort sind und die Flasche wegnehmen können.

      Beim Weidezaun bin ich selber geschädigt. Ich habe den als Kleinkind angefasst und konnte nicht mehr loslassen. Es dauerte eine Weile, bis mich jemand befreien konnte. Aber keine Sorge, so oft wie man es aus dem Text rauslesen könnte, werde ich dann auch wieder nicht laut. Vielleicht schriebe ich beim nächsten Mal einfach über meine ruhige, gelassene Seite. Die gibt es auch.

      • Madeleine sagt:

        In der Öffentlichkeit benutze ich oft einen lauten Pfiff durch die Finger, der mir nicht nur die Aufmerksamkeit meiner Kinder schenkt… so hab ich denn auch letzhin den Kauf einer einzigen Kaugummizigarette für (Wucher!!) CHF 1.20 verhindern können, den ein Nachbarsjunge versucht hat meinem Sohn an zu drehen. 🙂

      • Veronica sagt:

        Einfach schreien wenn notwendig. Da hören die Kinder unterschiede in Ernst oder sehr Ernst, in sahen, schreien, brüllen und vielleicht erkennen sie auch kleinlaut. Kinder sind nicht von Zucker gemacht, sie schreien und prügeln selber auch.
        Ja, sich selber brüllen hören via die Kinder. Einmal brüllte bei Bekannten von mir das Kleinkind zum älteren Brüderchen und die beschämte Eltern erkannten ihr eigenes Befehl. Habe in mich selbst gelacht. Beide die Eltern und die Kinder schadet es nicht. Nur soll man nicht um alles schreien, denn dann wird es schädlich, wenn nicht traumatisch.

    • Adina sagt:

      Man kann innerlich relativ gelassen sein und trotzdem gerne laut werden.
      Warum soll ich stets ruhig bleiben, bin ich Angelina Jolie oder was?
      Sorry, aber wenn mein Kind über die Strasse rennen will weil Papi auf der andere Seite ist und ein Auto gerade auf sie kommt, dann kommt mein Geschrei schneller zu ihr an als ich selbst (mit zweiten Kind an der Hand) es kann. Dann sieht sie sich um und merkt mindestens dass ein Auto auf sie kommt.

      Ich geb’s zu, überstrapazierte Spiegelneuronen hin oder her (nach 2 Baby- und Trotzphasen): Ich bin gerne laut, so fühle ich mich lebendig.

    • Müde Mama sagt:

      Sie haben wohl keine Kinder, oder?

  • Dark Vater sagt:

    Ich benutze ein Megaphon.

  • Mascha sagt:

    Hahaha, you made my day! Wie immer… 🙂

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