Wie gehe ich mit einem intersexuellen Kind um?

Junge oder Mädchen? Ein intersexuelles Neugeborenes ist für viele Eltern ein Schock. (Bild: Raisa Durandi)
Ich erwarte ein Baby und frage mich, was ich mache, wenn es intersexuell sein sollte. Was empfiehlt die Wissenschaft?
Als intersexuell bezeichnet man Personen, die mit einem biologisch uneindeutigen Geschlecht geboren werden. Aus genetischen, hormonellen oder anderen Gründen kommt es zu Abweichungen in der Ausprägung der Charakteristiken des Geschlechts. Das kann Gene, Chromosomen, Geschlechtsteile oder Fortpflanzungsorgane betreffen. So kann etwa keine Vagina oder kein Penis vorhanden sein, oder diese sind nur schwach entwickelt.
Intersexuell gilt es von transsexuell abzugrenzen. Transsexuelle Menschen sind mit einem biologisch eindeutigen Geschlecht geboren, fühlen sich aber dem anderen Geschlecht zugehörig. Man schätzt, dass ca. eines von 2000 Neugeborenen mit uneindeutigem biologischen Geschlecht zur Welt kommt. Noch bis etwa in den Neunzigerjahren war die verbreitete medizinische Meinung, das Kind so rasch wie möglich einem Geschlecht zuordnen zu müssen. Deswegen war es gang und gäbe, die genitalangleichenden Eingriffe an betroffenen Kindern bereits im Neugeborenenalter durchzuführen, damit das Kind von früh auf als Mädchen oder Junge erzogen werden konnte. Zu den Prozeduren gehörten schmerzhafte Massnahmen wie das Anlegen einer Neovagina oder die Entfernung vorhandener Hoden. Oft jedoch wurden diese Eingriffe ohne Einwilligung oder hinreichende Aufklärung der Eltern durchgeführt.
Eindeutige Erziehung
Seither haben zahlreiche Leidensberichte von Betroffenen sowie Studienergebnisse gezeigt, wie solch frühe Behandlungen viele Intersexuelle schwerwiegend traumatisiert haben. Dies hatte zur Folge, dass die Situation intersexueller Menschen zu einem politischen Thema geworden ist, welches einen fundamentalen Wandel in der Behandlungsweise von intersexuellen Neugeborenen provoziert hat. Heute müssen sie vor medizinischen Fehlentwicklungen und Diskriminierungen geschützt werden. Es wird empfohlen, ein Kind möglichst früh in die medizinischen Behandlungen einzubinden und mit einer Operation zu warten, bis es selbst darüber entscheiden kann. Nur in wenigen Ausnahmefällen sind Operationen aufgrund eines medizinischen Notfalls notwendig.
Leider ist die Aufteilung in Frau und Mann nach wie vor gesellschaftlich, kulturell und rechtlich tief verankert. Deswegen raten Experten, was das psychosoziale Geschlecht angeht, dies auf keinen Fall offenzulassen. Die Eltern sollen das Kind entweder als Junge oder Mädchen erziehen, damit es zum Beispiel weiss, auf welche Toilette es gehen kann. Dies ist für die Identitätsentwicklung des Kindes sehr wichtig. Für viele Eltern ist ein intersexuelles Neugeborenes nach wie vor ein grosser Schock. Deswegen ist Ihre Frage sehr berechtigt. Wichtig ist, dass sich die Eltern so früh wie möglich an einen Psychologen oder Interessenvertreter intersexueller Menschen wenden. Diese Person kann helfen, die Angst und Unsicherheit zu nehmen. Ferner empfehle ich die Beteiligung an Selbsthilfegruppen, die einem bei dieser Herausforderung tatkräftig zur Seite stehen können.
Sexualwissenschaftlerin Andrea Burri beantwortet einmal wöchentlich eine Leserfrage zum Thema Sexualität und Liebe. Diese wird vertraulich behandelt und ohne Namensnennung publiziert. Schreiben Sie uns auf sexologisch@tages-anzeiger.ch.
61 Kommentare zu «Wie gehe ich mit einem intersexuellen Kind um?»
Juristisch liessen sich diese- und weitere Problematiken vergleichsweise einfach lösen: Der Staat sollte die Rahmenbedingungen dafür schaffen. Australien, Nepal, Bangladesch und Indien haben entsprechenden Menschen bereits die Möglichkeit eröffnet, ein drittes Geschlecht im Pass eintragen zu lassen:
http://www.3sat.de/page/?source=/nano/gesellschaft/183413/index.html
Unspektakulär, einfach und pragmatisch, oder?
Wichtig ist aber auch dieser Aspekt:
‚In April 2015, Malta became the first country to outlaw non-consensual medical interventions in a Gender Identity Gender Expression and Sex Characteristics Act. The Act recognizes a right to bodily integrity and physical autonomy, explicitly prohibiting modifications to children’s sex characteristics for social factors:
It shall be unlawful for medical practitioners or other professionals to conduct any sex assignment treatment and/or surgical intervention on the sex characteristics of a minor which treatment and/or intervention can be deferred until the person to be treated can provide informed consent.‘
https://en.wikipedia.org/wiki/Intersex_human_rights#Jurisdictions
@Ka um 09:58
„woran knüpft sich den die sexuelle Identität?“
Das ist eine sehr gute Frage, ich wüsste es auch gern genauer.
„an die gesellschaftlichen Konventionen?“
Hoffentlich nicht nur. Kulturelle Vorstellungen tun uns vielleicht einschränken aber aus irgendeinen guten Grund gibt es diese Vorstellungen schon. Sie entsprechen der allgemeinen Meinung der Mehrheit der Menschen zu einer Sache. Betrachten aber leider nicht auch die Sonderfälle, wie zB die Intersexuelle.
Früher waren die Gemeinschaften isolierter und kleiner, heute leben wir im globalen Dorf und vielleicht deshalb fallen Sonderfälle eher auf.
Schon irgendwie lustig zu lesen, was die Experten raten. Eindeutige Erziehung zu Knabe oder Mädchen. Tja, und gleichzeitig versuchen einige „verstörte“ Eltern ihre Kinder zu Trans-Gender zu erziehen, damit sie auch aufs andere Klo dürfen?? Oder worum geht es?? Intersexuele leiden unter der Uneindeutigkeit ihres Geschlchtes meist sehr…und andere machen daraus offenbar einen „Spass“. Das ist abscheulich!
Das verkennt, dass das Leiden eigentlich fast durchwegs von aussen entsteht, also den Zwang, dass schon Kinder stark über ihr Geschlecht definiert werden und dementsprechend behandelt werden sowie sich geschlechtskonform anziehen, verhalten, etc. müssen. Jede Abweichung von der Norm führt fast unweigerlich zu starker Ausgrenzung – und damit eben dem Leiden. Das geht ja so weit, dass man mancherorts aufgrund des gesellschaftlichen Drucks schon Säuglinge mit Ohr-Piercings und pinker Kleidung versehen werden müssen um das Geschlecht eindeutig zu betonen..
Das geht ja so weit, dass man mancherorts aufgrund des gesellschaftlichen Drucks schon Säuglinge mit Ohr-Piercings und pinker Kleidung versehen werden müssen um das Geschlecht eindeutig zu betonen..
Das muss aber ein ferner Ort sein, Herr Bögli. Zumindest in der Schweiz habe ich so etwas noch nie gesehen.
Ööhm doch, ich begegne ziemlich oft Säuglingen in pink und lebe definitiv in der Schweiz. Ohrringe bei Säuglingen dagegen sind wohl eher nichtschweizerisch, mit Ausnahme bei Tessiner und Jenischen.
Herr Bögli spricht aber von Zwang, TvS. Allerdings ohne näher auszuführen, was genau alles unter Zwang verstanden werden muss: Gesetzlicher Zwang? Politischer? Familiärer oder gar gesellschaftlicher Zwang? Letzteren und Vorletzteren erschafft man sich vor allem selber, finde ich.
Korrektur: Er spricht explizit von gesellschaftlichem Druck.
Aber wie gesagt: Den schafft man sich vor allem selber.
Naja, bei den Ohrringen würde ich einen gesellschaftlich-kulturellen Druck nicht ausschliessen und bei der Mädchenkleidung war es jahrelang schwierig, eine andere Farbe zu finden, da waren die in den Läden die Gestelle mit Mädchenkleidung fast nur pink und rosa. Deswegen wollte ich ja auch ein Mädchen
Ich finde dieses Thema viel zu komplex für den Mamablog, aber warum kann nicht mittels Hormonmessungen eruirt werden, was für ein Geschlecht das Kind hat? Oder wird dies gemacht und bringt keine eindeutigen Ergebnisse?
Ist die Zahl nicht zu hoch gesetzt? 1:2000 dünkt mich recht viel.
soweit ich das verstehe, sind intersexuelle Menschen eben NICHT eindeutige einem Geschlecht zuzuordnen. Umso weniger verstehe ich den Rat der Experten, sie zwar nicht zu operieren, aber in der Erziehung eindeutig als Mädchen oder Junge zu behandeln. Also meiner Meinung nach ziemlich verlogen, damit die Gesellschaft kein Problem hat, soll nach aussen trotzdem ein Geschlecht kommuniziert werden?
Hormonwerte wären schon bei „normalen“ Menschen oft undeutlich, da sich die Verteilung bei Männern und Frauen in der Mitte überschneidet und damit keineswegs eindeutig wird. Erst recht da sich dies auch stark mit dem Alter verändern kann und erst recht bei hormonellen Störungen. Bei Intersexuellen ist das darum erst recht völlig unklar.
@ Ka
Finde das auch wiedersprüchlich, aber geht vielleicht auch irgendwie um die Alltagsbewältigung. Ich frage mich aber ebenso wie Sie, was für Auswirkungen es auf dss Kind haben kann, wenn es falschgeschlechtlich erzogen wird. Dazu kommt noch die Schwierigkeit mit dem Namen; man kann das Kind ja schlecht wochenweise Urs und Ursula rufen.
Meine Frage nach der Häugigkeit bleibt noch immer. Könnte es nicht ein Schreibfehler sein, indem ein paar Nullen vergessen wurden?
C. Bögli
Danke für Ihre Ausführung, ich war der Meinung, dass anhand von zB Blutproben das Geschlecht bestimmt werden könne, oder mittels Haarprobe, Speichel…
TvS: ‚Ist die Zahl nicht zu hoch gesetzt? 1:2000 dünkt mich recht viel.‘
Ja und Nein. Wie Du richtigerweise anmerkts, ist der Blog wie immer nur an der Oberfläche eines sehr komplexen Themas. Ich finde aber, das das Thema in den MB passen würde, weil es Eltern gibt, die mit Intersexualität eines Kindes umgehen lernen müssen.
Zu den Prozenten, lies hier nach. Da siehst Du auch, was alles medizinisch unter dem Oberbegriff Intersexualität zusammengefasst ist:
http://www.isna.org/faq/frequency
Ok, danke Kath. Ich bin ziemlich überrascht über diese Zahlen.
Sind diese Statistiken USA bezogen oder Global?
TvS: Es sind Zahlen aus USA, Kanada und europäischen Ländern.
Hier die Analyse selber:
https://www.researchgate.net/profile/Anne_Fausto-Sterling/publication/10929605_How_sexually_dimorphic_are_we_Review_and_synthesis/links/5411baa30cf264cee28b52fb.pdf?origin=publication_list
Ich bin fast überzeugt davon, dass die Zahlen aus (Südost)Asien ganz entschieden höher ausfallen würden! Aber die Zahlen hier sind auch sehr interessant.
Dass alle Beteiligten an den entsprechenden Diskussionen über die sexuelle Identität buchstäblich den Verstand verlieren können, zeigte der Fall David Reimer seinerzeit auf ausgesprochen tragische Art und Weise. Ich kopiere mal einen kontroversen Link dazu hier hin:
http://www.wiwo.de/politik/deutschland/bettina-roehl-direkt-alice-schwarzer-und-der-gelungene-beweis-dass-es-mann-und-frau-gar-nicht-gibt/10088332-3.html
Was mich bei dem Thema Wunder nimmt: Heisst dann Intersexuell unter Umständen auch, dass ein Kind einen Penis/Vagina haben kann und eine Gebährmutter? Dann müsste man sich ja danach richten, was in dem Körper des Kindes ist, oder? Also keine Gebährmutter= Junge, wenn Gebährmutter vorhanden dann Mädchen. Oder bietet sich hier in dem Thema keine Logik an, bzw besteht diese Vermischung gar nicht?
Was tun Sie denn so schwierig? Heute braucht man keine Gründe mehr, heute darf sich jeder Frau oder Mann oder sonstwie nennen. Hauptsache im Kopf stimmt’s irgendwie, gell. Mit freundlichen Grüssen, Ihre Frau Schneider.
Danke für ihren wertvollen Beitrag Herr Schneider. *mit den Augen roll*. Meine Frage war aber wirklich ernst gemeint. Scheinbar gibt es wohl doch dumme Frage, aber diese stelle ich mir und habe keine Antwort darauf. (Noch nicht, aber heute Abend wird es mir Google sicher mitteilen)
Lieber Dani. Intersexuell kann sehr vieles bedeuten. Unter Umständen auch, dass ein Kind einen Penis/Vagina haben kann und eine Gebärmutter. Oder auf einer Seite einen Hoden, auf der anderen Seite einen Eierstock. Aber ihre Theorie «Gebärmutter ja/nein» verhebt eben leider auch nicht. Es kann ja z.B. auch eine verkümmerte Gebärmutter vorhanden sein. Äussere Geschlechtsmerkmale eignen sich bei intersexuellen Menschen nicht um sie in das Schema Mann/Frau zu zwängen. Aber auch Chromosomen sind nicht das Mass aller Dinge. So gibt es auch Menschen bei denen ein Teil der Geschlechts-Chromosomen X (=Frau) sind, der andere Teil XY (=Mann). Zusammengefasst: Alles ist möglich.
Hallo Nadja, danke für deine Antwort :o)
ja das ist eine sehr gute Frage !1942 wurden wir einfach Operiert ?da Krähte kein Hahn danch ob man Mädchen oder Junge sein wollte man Lebte einfach im Falsche Körper. aber Heute soll das ein Thema sein!also ich bin dafür dass man Abwartet und dem Kind ?Mensch die Entscheidung übernimmt und Die Eltern oder der Arzt soll es langsam Aufklären !denn man merkt selber dass was nicht Hockey ist !Wünsche keinem Kind mehr so einen Stress
„Leider ist die Aufteilung in Frau und Mann nach wie vor gesellschaftlich, kulturell und rechtlich tief verankert.“
Na ja, wie Frau Burri selbst sagt: 1999 von 2000 Menschen sind biologisch klar Mann oder Frau. Dass vor diesem Hintergrund eine klare Distinktion in zwei biologische Geschlechter (Mann/Frau) entsteht, ist ja klar. Es ist nicht alles „konstruiert“: Die biologischen Geschlechter haben in 99.95 % der Fälle ein eindeutiges Fundament. Dass dann „Mann“ und „Frau“ im Laufe der Geschichte und in verschiedenen Kulturen eine Vielzahl an Rollen und Wertvorstellungen zugeschrieben wurden und werden, ist ein anderes Paar Schuhe. Um diese Rollenzuschreibung zu dekonstruieren, brauchen wir nicht die Existenz einer biologischen Dichotomie von Mann und Frau zu leugnen.
Das geht m.E. am Problem vorbei. Sämtliche Menschen lassen sich auch einer spezifischen Blutgruppe zuordnen, trotzdem wird diese nirgends als definierendes, trennendes Merkmal verwendet, ausser wo unbedingt erforderlich und darum sinnvoll. Die Existenz von zwei biologischen Geschlechtern, die bei einem Grossteil der Menschen klar zuzuordnen ist, bedeutet darum nicht, dass dies zwangsweise dazu dienen muss, die Gesellschaft in diese zu kategorisieren und aufzuteilen. Nur weil etwas existiert muss man es noch lange nicht benutzen. Der springende Punkt ist darum, dass es in den meisten Situationen eigentlich keinen Grund gibt, die Geschlechtszuordnung zu betonen. Dass z.B. viele WCs, selbst Einzel-WCs, nach Geschlechtern aufgetrennt sind, ist völlig überflüssig.
Veraltete und gegenüber Trans- und Intersex-Menschen verletzende Terminologie, die Frau Burri hier benutzt. Transsexuell ist ein von vielen verpönter Begriff, da das Trans-Sein rein gar nichts mit Sexualität zu tun hat, ebenso das Intersex-Sein. Auch die geschlechtsgerechte Sprache einer ProfessorIN lässt zu wünschen übrig: überall nur PsychologEN, Experten, VertretER… schon etwas traurig.
Es gibt keine verletzenden Terminologien. Die Sprache, welche Sie präferieren, nennt der Psychiater und Psychotherapeut Manfred Lütz Ausdruck einer Persönlichkeitsstörung.
‚Psychologe‘, ‚Experte‘, usw. sind Rollenbezeichner, welche wie alle Neutrums geschlechtslos sind. Nur die Menschen, welche eine Rolle einnehmen, haben ein Geschlecht. Deshalb ist eine einzelne Dame eine ‚Professorin‘, aber deren Rolle heisst dennoch ‚Professor‘, weil es die Rolle ‚Professorin‘ nicht gibt.
Ich muss in Wort und Schrift unterscheiden, ob ich über die Rolle, oder den Rolleninhaber reden will. Im Allgemeinen meine ich immer die Rolle, nicht den eher zufällig dahinter auftretenden Menschen.
Oh, die Sprachpolizei ist unterwegs. Wie hätten Sie es denn gerne, welche Begrifflichkeiten soll Frau Burri denn verwenden die Ihnen genehm sind? Hermaphroditen; Pseudohermaphroditen u.ä? DSD? Aber daran wäre wohl auch etwas auszusetzen, nicht wahr?
Wissen Sie, die Aufgabe von Fr. Burri ist es, teils komplexe Themen so herunterzubrechen dass es für eine breite Masse verständlich und nachvollziehbar ist. Da dafür nur wenige Zeilen zur Verfügung stehen, hat es für political correctness Akrobatik und feministische Sprachperversionen eigentlich keinen Platz, dies wäre letztendlich auch am Thema vorbei. Dieses nämlich heisst: wie gehen Eltern mit einem intersexuellen Kind um. Da derartige Fragen wohl häufiger sind als die meisten von uns annehmen, ist dies sehr wohl ein Thema für den MB.
Ich sehe vor allem nicht ein, warum hunderttausend neue Wörter erfinden werden müssen, wenn einfach ein unheilbarer Defekt vorliegt. Ist es heute einfach nicht mehr Mode, den Problemen ins Auge zu schauen? Es reicht doch, wenn das Kind seinen eigenen Namen bekommt, es braucht doch nicht auch noch jeder seine eigene Krankheit.
Liebe Aline Demayer
Ich empfehle Ihnen wärmstens, einmal eine Reise nach Südostasien zu tätigen. Die lockere und spielerische Art und Weise, wie da mit den unterschiedlichsten sexuellen Identitäten und Orientierungen umgegangen wird, kann geradezu heilend wirken! Da braucht es keine über politisierte Menschen, die Sprache als zentrales Machtinstrument (des Patriarchats) begreifen, da wird einfach ausgelebt, wonach dem einzelnen Individuum der Sinn steht.
Der Auftakt ist sehr schlecht gewählt, aber das Thema ist schon interessant. Immerhin besteht einen Bezug zur Elternschaft im Gegensatz zu der furchtbaren Sex vs Selbstbefriedigungsdebatte.
Das hier finde ich aber noch spannend:
„Leider ist die Aufteilung in Frau und Mann nach wie vor gesellschaftlich, kulturell und rechtlich tief verankert. Deswegen raten Experten, was das psychosoziale Geschlecht angeht, dies auf keinen Fall offenzulassen. Die Eltern sollen das Kind entweder als Junge oder Mädchen erziehen…. Dies ist für die Identitätsentwicklung des Kindes sehr wichtig.“
Und was ist nun, wenn man das „falsche“ Geschlecht wählt, also nicht dasjenige, zu welchem sich das Kind zugehörig fühlt?
Das Kind entscheidet ja später selbst, ob es Bub oder Mädchen sein möchte.
Das tun ja auch diejenigen, die sich irgendwann als homosexuell oder transgender empfinden. Also alles klar.
Hauptsache, es wird nicht mehr schon im Baby-Alter operativ eingegriffen, diese Entwicklung ist schon sehr gut.
interessant an der Aussage ist ja, dass anscheinend die Aufteilung in Mann Frau kulturell und gesellschaftlich so tief verankert ist, und die Eltern deswegen die Kinder auch so erziehen sollten. Da frage ich mich schon, weshalb wir die Kinder nicht weniger in der in der jeweiligen Rolle verankert erziehen können? Käme ja auch den homosexuellen und transgender Menschen entgegen.
@ka: Es geht auch um ganz einfache Fragen: In welche Toilette, in welchen Umkleideraum.
Ach ja, und im Sport wird die Frage aktuell sehr intensiv geführt, um die Gerichtsurteile zu Caster Semenya und ihren Kolleginnen.
@Ka: Also, ich persönlich bin mit Gender- oder Gesellschaftliche-Fragen überfordert, komme ich doch aus der mathematischen Ecke.
Was ich sagen kann ist: die Kinder brauchen den Raum, sich selbst zu entdecken.
Ich zeige meiner Töchter nicht wie man den Haushalt macht, ich warte ob sie Interesse daran zeigen.
Und selbstverständlich dürfen sie mit dem Buben den Ball kicken, wenn es ihnen danach ist.
Ich weiss nicht wie gross der Einfluss der Gesellschaft auf sie ist oder noch wird (Aaah, wir Mädchen tragen NUUUR Kleider!) aber ich versuche ihnen gerne den Freiraum zu lassen, ihre (auch sexuelle) Identität zu entwickeln, also sich selbst zu entdecken, oder so… Bin eben selber keine Expertin.
@sportpapi, ich ging mit meiner Tochter in die Mädchenkabine, die Tochter einer Freundin bestand aber darauf, in die Knabenkabine zu gehen (auch WC). Das ging etwa drei Jahre so, dann beschloss sie, doch ein Mädchen zu sein. Sie ist nun auch eine sehr weibliche junge Frau. Geht also alles.
zum Sport: da geht es halt um Wettbewerb, und gegen das Testosteron haben wir Frauen einfach keine Stich. Da müsste man fast eine eigene Kategorie für intersexuelle einführen.
@Adina. woran knüpft sich den die sexuelle Identität? an die gesellschaftlichen Konventionen? Nur weiblich, wenn ich auch gerne mit Puppen spiele, genügend männlich, wenn ich Fussball spiele? Das sind kulturelle Vorstellungen, die uns sehr einschränken. Gemäss Aussage von Frau Burri empfehlen die Experten eine solche Zuteilung. Das hinterfrage ich?
@Sportpapi: Wie sehen Sie denn diese Problematik im Sport? Es ist ja müssig zu erwähnen, dass es im Sport massive Partikularinteressen gibt, etwaig abnorme Testosteronwerte erklären zu können. Wie soll dieses Dilemma gelöst werden, ohne den Betroffenen Unrecht zu tun?
@Ka sie vermischen da jetzt Intersexuell mit Transexuell. Und ein Mädchen welches gerne tschuttet oder nicht so feminim ist, ist noch lange nicht Transexuell.
@Martin Frey: Hier die Begründung, warum Caster Semenya ihre Hormonkur abbrechen durfte und jetzt wieder den Frauen davonläuft (wobei der Fall gleich die drei schnellsten Frauen dieses Jahres über 800m betrifft): https://www.iaaf.org/news/press-release/hyperandrogenism-regulations-cas-dutee-chand
@Rut: nein natürlich nicht. Ich nahm ja auch nur die Aussage auf, dass Eltern ihre Kinder als Mädchen oder Jungen erziehen sollten. Da stelle ich mir dann die Frage, was das genau heisst? Welche gesellschaftlichen Erwartungen müssen wir da erfüllen, damit wir dem Kinde das Geschlecht richtig anerziehen? Das sei für die Identitätsentwicklung des Kindes sehr wichtig. Ist das nicht gerade das Dilemma eines intersexuellen Kindes, dass es sich nicht genau einem Geschlecht zugehörig fühlt? Wäre es nicht interessanter, wenn wir die Kinder in erster Linie als Menschen sehen, das Geschlecht eher als Nebensache? Würde das nicht allgemein viel mehr Möglichkeiten zulassen?
Und hier eine Diskussion zum Thema: http://leichtathletikforum.com/showthread.php?tid=1848&page=8
Letztlich geht es gerade darum, was denn eigentlich der Unterschied zwischen Mann und Frau ist. Offenbar reicht es hier nicht, dass Semenya eine massiv höhere Testosteronproduktion hat, weil sie über Hoden verfügt…
Eine ähnliche Diskussion findet übrigens statt bei der Integration von Behinderten – beinamputierten -Leichtathleten. Und bei den Klasseneinteilungen im Behindertensport allgemein.
Die moderne Lösung wäre natürlich, die Kategorie Frauen einfach wegzulassen…
@Ka: Ja, geht alles. Bis zu einem gewissen Alter. Ich nehme an, wenn ich mich als Primarschüler im Schwimmen oder Turnen lieber bei den Mädchen umgezogen hätte, wäre das wohl nicht gegangen…
@sportpapi: vielleicht sollten wir die Kateforie Mann/Frau aufheben und die Sportler nach deren Testosteronwerten einteilen. Dann könnte ein Mann mit tiefen Werten doch noch Spitzensport betreiben 😉
@MF: Ich wäre da immer noch für einen radikalen Ansatz: Die Geschlechteraufteilung im Sport einfach aufheben. Natürlich unrealistisch, aber im Prinzip wäre damit die ganze Gleichberechtigungsdebatte zu Ende gedacht und das Problem fliessender Grenzen erledigt..
„Die Geschlechteraufteilung im Sport einfach aufheben. “
Dann würde aber Frau Williams auf einen Schlag keine Tennisturniere mehr gewinnen, Herr Bögli. Keine Preisgelder, mit entsprechenden Konsequenzen für Sponsoring und Werbeverträge. Um nur ein Beispiel zu nennen.
Ich glaube, da würde die weibliche Sportwelt nicht mitmachen. Sportlich würde dies in diversen Sportarten wenig Sinn machen.
@Martin Frey: Das wäre doch die konsequente Umsetzung von gleichem Lohn für gleiche Leistung, oder?
@sportpapi: im Sport wird ja doch schon seit längerem nicht mehr die Leistung bezahlt, sondern der Unterhaltswert und somit die Vermarktung. Leistung im Sport lässt sich auch nur in Einzelsportarten vergleichen, in den Mannschaftssportarten ist das ja immer auch von den Mitspielern, der Taktik und dem Trainer abhängig.
@MF: Nun, mir schiene das ein kleiner Preis für etwas weniger Geschlechtertrennung. Ansonsten müsste man mit dem gleichen Argument Kategorien für alle möglichen erfinden, damit jeder mal einen Grand Slam gewinnen kann.
Frau Williams sieht das vielleicht anders, aber der Sinn von Sport ist ja nicht, dass Frau Williams möglichst viele Millionen verdient. Mal davon abgesehen, dass man sich auch gut vermarkten kann, ohne etwas nennenswertes zu gewinnen, eine Kurnikova lässt grüssen..
13: Was Burri schreibt und als Expertenmeinung hier wiedergibt, entspricht nicht dem Wissensstand. Weiter widerspricht es dem, was Kommissionen medizinischer Ethik dazu sagen und weiter widerspricht es den Menschenrechten.
Es muss aber gesagt werden, dass Intersexualität in erster Linie ein medizinisches Phänomen ist (genetik ist nur eine der Ausprägungen) und dass Interseualität auch medizinische Probleme bedeuten kann. Siehe links an andere Leute, denen ich antwortete. Es hat nichts mit LGBT Identität und Orientierung zu tun.
„Wie man schwangere verunsichert“ hiess es hier kürzlich, und dabei ging es nur um selbst gewählte Lebensformen. Ich frage mich allerdings, ob Schwangere sich wirklich mit allen Eventualitäten beschäftigen müssen, die sie doch gar nicht beeinflussen können. Kann man das Kind nicht annehmen, wie es ist, und dann weiter schauen?
eben, eine ziemlich gesuchte Fragen. Die meisten Eltern sorgen sich einfach, ob das Kind gesund ist oder nicht.
Medizinethisch stellt sich die Frage, ob Intersexualität eine Krankheit, oder eine seltene Formvariante darstellt. Nur eine Krankheit würde chirurgische oder systemische (hormonale) Eingriffe rechtfertigen.
Die Interpretation als Krankheit scheint zumindest in unserem Kulturkreis vom Tisch zu sein, wie das mit der Homosexualität vor 50 Jahren der Fall war. Damit wird eine medizinische Therapie obsolet.
Psychologische Unterstützung erscheint mir machbar und sinnvoll, setzt aber ein hohes spezifisches Qualifikationsniveau voraus. Wovon ich aber dringend abrate sind Selbsthilfegruppen und Interessenvertreter. In allen Situationen, also auch bei Krebs, Sucht oder psych. Störung. Alle die sind längst von der Krankheitsbewirtschaftung übersteuert.
Finde ich nicht, dass es unbedingt gesucht ist.
Sollte ein Kind (1 in 2000 ist eigentlich erstaunlich viel, hätte ich für dieses Phänomen eine deutlich kleinere Wahrscheinlichkeit erwartet) Intersexuell auf der Welt kommen, dann ist das fast wie ein Verdikt.
Allein schon etwas wie ein Muskulärenschiefhals (der keine Krankheit ist!) hört sich wie ein Verdikt an: Das Kind könnte später in der Schule gehänselt werden usw.
Die sexuelle Identitätsentwicklung eines Kindes ist wichtig, wie die Autorin das auch andeutet, und ich freue mich dass es endlich auch darüber geredet wird.
(siehe manche sexuell völlig eindeutig Mädchen die mit 7 Jahre voll-bubenhaft rumlaufen, um nur ein Beispiel zu nennen… Das sind Fragen…)
@ Adina: wie meinen Sie das: (siehe manche sexuell völlig eindeutig Mädchen die mit 7 Jahre voll-bubenhaft rumlaufen, um nur ein Beispiel zu nennen… Das sind Fragen…)
Ich hatte auch so ein Mädchen, war bis etwa 10 jährig sehr bubenhaft, durfte nur Jungen Kleider kaufen, nun ist sie eine hübsche junge Frau und hat überhaupt kein Identität- Problem.
Meine Beobachtung: bubige Mädchen sind toll, mädchenhafte Jungs sind ein no go!
Liebe Ka, ich mach’s mal kurz weil mir leider schon wieder die Zeit fehlt: diese meine Bemerkung zum 7 Jährigen ist eigentlich off-topic, die Frage die ich mir eigentlich dabei stelle ist genau folgende:
Welchen Einfluss hat narzisstischen Missbrauch in der Kindheit auf die sexuelle Identitätsentwicklungs des Kindes? Ist nur so eine Frage die mir immer wieder durch den Kopf ging.
Bubige Mädchen finde ich persönlich etwas angestrengt (sie wollen taff sein) und mädchenhafte Buben sind bestimmt irgendwie hochinteressant 🙂
Die Leute sind ja nur schockiert, weil sie sich mit der Möglichkeit vorher gar nie befasst haben. Wenn man weiss, was Intersexualität ist, fällt es auch wesentlich leichter, damit umzugehen. Deshalb ist das durchaus sinnvoll, solche Dinge zu thematisieren, auch wenn es für die anderen 1999 Fälle eben nicht relevant ist.
1:2000 ist um ein x-Faches wahrscheinlicher als ein Lottogewinn. Darüber machen sich viele Gedanken. Warum sich also nicht mit dieser lange totgeschwiegenen Realität auseinandersetzen? Etwas Öffentlichkeitsarbeit ist sicher ok.
Schon wieder Freitag? Neuseeland ist uns einen Tag voraus