Hört auf, schlecht über eure Kinder zu reden
Stellen Sie sich mal vor, Sie gehen mit Ihrem Mann ins Kino und treffen ein befreundetes Paar. Auf die Frage, wie es denn so gehe, antwortet Ihr Mann: «Nicht schlecht. Aber es ist grad ein wenig mühsam mit Sabine. Wenn sie von der Arbeit kommt, ist sie immer total auf den Felgen und motzt mich an. Und im Bett lief auch schon mehr, gell Sabine?!»
Oder überlegen Sie mal, wie es wäre, wenn Ihre Chefin im Team-Meeting sagen würde: «Also die Sabine macht mir ein wenig Sorgen im Moment. Sie ist einfach eine Minimalistin. Sie könnte viel mehr, wenn sie sich mal anstrengen würde.» Und diese Sabine, das wären übrigens Sie.
Als wäre das Kind nicht da
Das, was Sabine passiert, widerfährt vielen Kindern regelmässig. Wir Erwachsenen – Mütter, Väter, Grosseltern und Lehrpersonen – sprechen in der dritten Person über die Kinder, auch wenn sie neben uns stehen. Wie unangenehm das ist, merkt man spätestens, wenn man sich Beispiele wie oben beschrieben überlegt. Mit anderen Erwachsenen so umzugehen, würden wir uns nie erlauben. Mit Kindern aber schon. Wieso eigentlich?
Wahrscheinlich beginnt das dann, wenn das Baby noch ganz klein ist und der Mann von der Arbeit nach Hause kommt. Dann erzählt man: «Lino konnte nach dem Stillen kein Görpsli machen und hat den ganzen Nachmittag nur geweint.» Ähnlich tönt es später, zum Beispiel bei der Übergabe in der Kita: «Am Morgen hat Luisa mit der Brio-Bahn gespielt, am Mittag hat sie nur wenig Ebly gegessen, und am Nachmittag hat sie auf dem Spielplatz die anderen Kinder mit Sand beworfen. Das Gaggi war gelblich und sehr weich.»
Peinlich und erniedrigend
Das ist ja alles okay, solange die Kinder klein sind und noch nicht wirklich selber erzählen können. Befremdend finde ich aber, wenn ich Eltern über ihre älteren Kinder reden höre: «Alessia muss noch Hausaufgaben machen. Das geht sicher eine Stunde, so langsam wie sie rechnet.» Oder: «Also Felix freut sich gar nicht aufs Schullager, gell Felix? Seit der Trennung macht er eben nachts wieder ins Bett.» Oder: «Wow, Timea geht ins Judo? Also unsere Fiona ist total unsportlich.» Und das alles im Beisein der Kinder, die meist betreten danebenstehen und auf ihre Schuhe starren.
Schlimm finde ich erstens die erniedrigende Situation, in der die Vertrauensperson des Kindes anderen Menschen einfach so von den Schwächen und vermeintlichen Unzulänglichkeiten erzählt. Zweitens glauben die Kinder leider auch, was die Erwachsenen sagen. Die unbedachten Sätze der Eltern werden für die Kinder zu Wahrheiten. Wenn Alessia nur oft genug hört, wie schlecht sie rechnet, dann wird das irgendwann auch tatsächlich so sein. Und Felix wird im Schullager den Schlafsack nass machen. Und womöglich auch das Kissen.
Schweigen ist Gold
Ich versuche mich deshalb an die einfache Regel zu halten: Wenn ich nichts Gutes über mein Kind zu sagen habe, dann sage ich nichts. Jedenfalls nicht, wenn das Kind dabei ist. Diese Regel habe ich übrigens vor einigen Jahren für mich aufgestellt, als mein Mann eines Abends nach Hause kam und fragte, ob wir einen guten Tag gehabt hätten. Noch bevor ich antworten konnte, rapportierte mein Sohn: «Also Mama hatte heute ganz schlechte Laune, vielleicht ist sie am Zahnen.»
67 Kommentare zu «Hört auf, schlecht über eure Kinder zu reden»
wenn ich die Kommentare lese, musste ich schon schmunzeln. So viele Kinder kommen in die Schule und berichten von der Familie “ Frau Sturm, s Mami het höt morge ganz schlechti Luune kha will de Yannik so täubelet het“ aber auch “ Frau Sturm wills so guet klappet het mit em is Bett gah darfi hüt mit em Mami id Ludothek“.
Die Kinder gucken sich also schon viel fleissig ab 😉 Ich denke aber eigentlich ist so ein Verhalten ein Ventil für positives und negatives. Man sollte aber wirklich negatives nicht in dieser Form über das Kind sprechen.
Oh nein, das wollte ich doch gar nicht, Kommentare in der Art von „Die Schweiz ist eine Neidgesellschaft“ auszulösen. Ich finde gar nicht dass die Schweiz eine Neidgesellschaft sei, Herr Frey, wenn Sie das meinen dann haben Sie Ihre Schweiz wohl niemals verlassen, oder?
Das einzige was ich über die Schweiz heute sagen würde ist: mich hat es gewundert wieviele Leute, bei denen ich hier mal nachgefragt hatte, es für OK halten wenn ein Kind mal als böse bezeichnet wird. Ob direkt oder indirekt, aber so, dass es das mitbekommt.
Also, meinem Grossen ist es leider eher peinlich, wenn ich erwähne, wie stolz ich auf ihn bin.
Wo Sie Recht haben, haben Sie einfach es wieder mal richtig beobachtet, Nadia Meier! Lieber sage ich mal Positives über meine drei Kinder, als dass ich etwas Negatives sage. Ich glaube, da bin ich mehrmals angeeckt, als ich einfach aus lauter Stolz auf sie Lobhudelei betrieben habe. Aber in Massen, nicht so übertrieben, versteht sich. Ich kann nicht anders, als einfach so fühlen, wie ich fühle. Die schwierigen Umstände ihres Aufwachsens in diversen familienergänzenden Betreuungshänden, die mit diesen drei Kindern in meinem bisherigen aufregenden Lebensmuster zusammen hängen, spielen dabei eine ziemlich wichtige Rolle. Es sind meine drei Kostbarkeiten, die ich unschätzbar finde. So bin ich halt: eine stolze Mama 😉
…als ich einfach aus lauter Stolz auf sie Lobhudelei betrieben habe. Aber in Massen, nicht so übertrieben, versteht sich.
Sie haben also, „in Massen, nicht so übertrieben, versteht sich“, übertriebenes, unberechtigtes Lob (Bedeutung von Lobhudelei, gemäss Duden) über ihre Söhne ausgeschüttet..?
Aha.
Huch! Sie schon wieder, Franzl! Ok, ich hätte das Wort so schreiben sollen: ‚Lobhudelei‘ in Anführungszeichen als Stilmittel der ironischen Überzeichnung eines emotionalen heftigen Gefühls in einem Text, verstehen Sie das überhaupt? Man kann das Wort auch überlesen oder einfach weglassen. Ich habe noch daran gekaut, bevor ich es auf ’senden‘ gab. Beruhigt Sie diese Einsicht ein wenig, Franzl?
WS – solche Eltern sind mir sympathisch.
Lieber ein Lob zu viel, als griesgrämige Verkorkstheit.
Allerdings sollte das Lob ja doch ans Kind gehen und eigentlich nur an dieses. Häufig ist aber eher das Gegenteil der Fall, dass halt jedem Dahergelaufenen erzählt wird, wie toll die Kinder in allem sind, nur diese selber kriegen davon nichts zu hören..
Das habe ich ausserhalb meiner Ursprungsfamilie gesehen und war beeindruckt über den respektvollen Umgang in der Thaifamilie meines Mannes. Ich spüre aber immer sofort, wie sich Neid aufbaut, wenn ich darüber berichte. Was nicht sein darf, ist nicht oder so ähnlich spüre ich dann eine Reflexabwehrhaltung. Es war für mich ein positiver Kulturschock und habe ich verinnerlicht, dass man auch so miteinander umgehen kann.
Nein, Christoph Bögli, das habe ich peu-à-peu meinen Kindern in jeweiligen Situationen auch direkt gesagt – eher als sie älter waren. Und nochmals nein! Niemals Dahergelaufenen einfach so erwähnt in einem Gespräch. Das kommt nur sehr dosiert über meine Lippen, jedoch wer es ehrlich meint mit einer entsprechenden Nachfrage, dann schon ziemlich enthusiastisch. 😀
Man kann das Wort auch überlesen oder einfach weglassen.
Wie bei den meisten Wörtern in ihren Texten, ich weiss… 😀
Franz Vontobel, was immer Sie geschluckt haben heute – nehmen Sie weniger davon, ok?! 😡
Gut, ich lasse, wie von ihnen angeraten, ein paar Wörter von ihrem Text weg.
Und es bleibt…
Franz Vontobel, … Sie … heute … ok …!
Tatsächlich! Es funktioniert! Grammatikalisch zwar noch immer etwas zweifelhaft, aber verständlich!
Danke für den Tipp. Ich werde ihre Texte von jetzt an alle so lesen!
WS, ich finde Ihr Statement sympathisch – und ausgeprochen gut nachvollziehbar.
Wieder so ein Thema, bei dem ich mich etwas ratlos am Kopf kratze und mich frage: „Hä?“
Ich scheine in einer anderen Realität zu leben – ich mache das nicht, habe es nie gemacht und kenne niemanden der das macht.
Was ich hin und wieder erlebe sind Eltern (v.a. Mütter, aber nicht nur), die mit all‘ den grossartigen Fähigkeiten ihres Nachwuchses angeben – aber auch die eher von Ferne, da dieser eher unsympathische Zug ja meist nicht alleine sondern zusammen mit anderen Charakterfehlern auftritt und ich mir solche Gestalten lieber auf Distanz halte…
…haben sie nicht noch etwas hausarbeit zu erledigen, herr vontobel?!
Sie sprechen eine unempathische und verletztende Gewohnheit an, die sich nur allzuschnell einschleicht… Und „13“ weist zu Recht auf den hierzulande (und meiner Meinung nach besonders unter Frauen grassierenden) Bescheidenheitstopos hin, dem wir uns keinesfalls auf Kosten unserer Kinder unterwerfen sollten.
Danke für den gelungenen Artikel und den wichtigen Apell, den ich mir sehr zu Herzen nehmen werde!
Ja Sandra, das ist auch mein Empfinden und ich sagte es in der jeweiligen Situation dem Arzt, dass der Patient das doch wohl besser nicht mithören sollte und wir gingen auf den Gang. Für diese ist es Alltag, für Angehörige und Patienten jedoch ein Ausnahmezustand! Da darf übrigens auch noch vermehrt psychologisches Feingefühl unterrichtet werden beim Medizinstudium wie auch PH-Ausbildung (Irrtum vorbehalten, dass dies inzwischen mehr Einfluss beim Studium geniesst).
Ich hab etwas Mühe damit, dass oft Lehrer und Kinderärzte vor dem Kind Diagnosen und Probleme besprechen, ohne das Kind miteinzubeziehen. Habe angefangen, sie dann einfach zu unterbrechen und zu bitten, dass mein Kind solange im Wartezimmer spielen darf. Nur finde ich, sie könnten sich das als Fachpersonen auch selber überlegen. Es gibt auch positive Ausnahmen, die das Kind automatisch einfach miteinbeziehen.
Den Kommentar wollte ich eigentlich bei Sina plazieren … *Kopfschüttel über diesen Vertipper
Ich habe bis jetzt eher die Erfahrung gemacht, dass die Eltern ihre Sprösslinge bis in den Himmel loben und bei jeder Schwierigkeit in der Schule eine Hochbegabung vermuten. Ich höre immer wieder Sätze wie „was? Unser Sohn/Tochter kann das schon längst und macht das noch viel besser/schneller usw“. Etwas mehr Objektivität ist gefragt. Meistens dann an der Gymi-Aufnahmeprüfung kommt dann das böse Erwachen. Ich halte es wie die Autorin. Wenn ich nichts Positives über meine Kids sagen kann, dann sage ich eben nichts. Ich mag es ja auch nicht, wenn ich bloss gestellt werde. Aber diese Lobhuddelei ist auch irgendwie krank und nicht richtig. Wie immer ist der goldene Mittelweg die Lösung, leider nicht immer so klar zu finden.
Das Kind als Vehikel zur Angeberei und letztlich elterlichen Profilierung zu missbrauchen, scheint mir auch die wesentlich penetrantere Unsitte. Es ist ja verständlich, dass die eigenen Kinder für einem im Mittelpunkt stehen und man auch stolz auf diese ist, aber diese zum primären oder gar einzigen Kommunikationsthema – inkl. Intimitäten, Übertreibungen und Peinliches – zu machen, ist trotzdem eher bedenklich. Auch weil Kinder sowas immer mitkriegen, egal obs in deren Anwesenheit oder hinten rum läuft..
Ich bin sehr einverstanden. Der Grund, wieso ich, wenn es denn mal vorkam, mit Erwachsenen und in Anwesenheit meines Kindes auf diese Art und Weise über dasselbe gesprochen habe, war: Ich wollte versteckten Druck auf das Kind ausüben und mich selbst durch eine weitere Erwachsenenmeinung bestärken. Bei meinen Kindern hat das nie funktioniert, im Gegenteil.
So bin ich dazu übergegangen, die Kinder direkt ins Gespräch einzubeziehen. Dadurch können sie sich öffnen, wenn sie denn wollen (und wenn nicht, ist das auch ok). Ebenso ein gutes Beispiel ist, dem Kind das „Säg schön danke!“ diskret ins Ohr zu flüstern, statt es laut in die Runde zu werfen. Klappt ziemlich gut und gibt allen Beteiligten ein besseres Gefühl.
«Also Mama hatte heute ganz schlechte Laune, vielleicht ist sie am Zahnen.»
Super! Ein schlaues Kerlchen. Ich gebe Ihnen völlig recht. Ich versuche das auch zu vermeiden, ausser es hat direkt etwas mit der Situation zu tun. Das Problem ist halt eher die übertriebene Bescheidenheit in der Gesellschaft. Wer etwas positives über sein Kind sagt, gilt schnell als Angeber oder so ein überengagierter Elternteil, der seine Kinder pusht, damit sie die Besten sind. Also halten es viele für besser, sich auf das Negative zu konzentrieren. Zum Leidwesen der Kinder.
Ich denke, die Stossrichtung des Artikels geht dahin, dass wir weniger über unsere Kinder als tendentiell mehr mit unseren Kindern reden sollen. Egal ob positiv oder negativ. Denn Kinder kriegen bereits sehr früh sehr viel mit. Sowieso sollten wir Erwachsene eigentlich etwas mehr Themen haben als nur die Görpsli und Gaggi unseres Nachwuchses. Aber da beginnt das Problem ja bereits.
Das Verhalten vieler Eltern ist in solchen Dingen oft unsäglich, da pflichte ich der Autorin völlig bei.
Noch schlimmer finde ich lediglich die Eltern, deren Indiskretionen in Sachen Nachwuchs sich bis in deren Erwachsenenalter erstrecken.
@ 13: „übertriebene Bescheidenheit“??! Oder eher Angst vor dem Neid der anderen?… Leider!
13 – schiesst schon in die richtige Richtung.
In der Schweiz ist „prahlen“ ganz schlecht angesehen. ErfolgREICH sein wird mit Skepsis angesehen. (Natürlich spielt hier Neid eine gewisse Rolle.)
Sich negativ äussern, ist dann allerdings eine Tugend der allgemein gefrönt wird.
So auch hier. Wurde hier nicht auch schon über Eltern gelästert, die ihre Kinder loben und in Gesprächen ihre positive Seiten hervorheben? Gelästert über Eltern, welche ihren Kindern falsche Namen geben, falsche Freude zeigen.
Ja – wie mühsam sind doch solche Eltern!
Heute wiederum stört es, weil die Eltern so negativ sind. Aber wenn sie nicht loben dürfen, bleibt ihnen doch nicht mehr viel anderes übrig, als sich auf die Schwächen zu konzentrieren.
„In der Schweiz ist „prahlen“ ganz schlecht angesehen. ErfolgREICH sein wird mit Skepsis angesehen.“
Ich glaube eher, dass Erfolg ein Problem darstellt, Roxy. Alles was sich irgendwie abhebt vom Durchschnitt ist bei uns suspekt, auch Glamour, Brillianz, Genialität jeglicher Art. Die Schweiz ist eine Neidgesellschaft, was ja auch immer wieder tatkräftig befeuert wird. In anderen Ländern wäre man stolz auf Leute die es „irgendwie geschafft“ haben, bei uns fängt man sich lediglich das Label „meeebesser“ ein. Und zwar völlig unabhängig davon, wie man sich selber im direkten Kontakt verhält.
Und der Bruder des Neides ist natürlich das Lästern.
Woher kommt es eigentlich, dass seit geraumer Zeit jegliche Kritik an den neuen Feudalschichten mit „Ihr seid ja bloss neidisch!“ niedergeschrien wird – jede. Ob man sich gegen Auspuffklappen äussert oder sich gegen (Steuer-)privilegien für Superreiche einsetzt…
Genau, roxy, so habe ich das gemeint. Gerade vor wenigen Tagen war ich bei einer Familie zu Besuch und dort hing eine wirklich schöne Zeichnung der Tochter an der Wand. Ich habe sie mir angeschaut und auch ganz ehrlich gesagt: „Wow, Deine Tochter zeichnet ja wirklich toll.“ Da kommt als Antwort: „Ja, da ist sie nicht schlecht. Dafür dürfte sie sich beim Schreiben wirklich mehr Mühe geben. Da sind wir am kämpfen.“ Das finde ich einfach schade. Ich war auch nicht neidisch, habe die Kunst lediglich bewundert, weil sie wirklich schön war. Aber Komplimente anzunehmen, scheint heute auch irgendwie schwierig…
Ja MF das ist das währschafte Bünzlitum, das uns (zugegeben dennoch) relativ weit gebracht hat.
Eine Spur Langeweile, eine Spur Neid und dazu noch das ganz menschliche Laster, dass man sich sicher fühlt, solange man der Gemeinschaft der Lästerer beipflichten kann. So gehört man dazu.
Es geht dann nicht nur um Glamour und Genialität, sondern soweit, dass über jede Auffälligkeit die Nase gerümpft wird. Der, der mehr lobt, als der Durchschnitt ist verkehrt, und wer im Gegenteil und auch mal von Pannen erzählt, auch.
Wer sich äussert/wer auffällt muss kritisiert werden. Er stört die Harmonie der Duckmäuser.
13 – soweit ich mich erinnern kann, kommen sie nicht aus der CH. Richtig?
Ich habe viele Jahre im Ausland verbracht. Als ich zurückkam, fiel mir dieses Bünzlitum erst so richtig auf.
Gewisse Marotten sind schwer zu durchschauen, wenn man stets in ihnen gelebt hat.
Was wir hier kritisieren fällt Ihnen nie stark auf wie wenn Sie aus dem Ausland kommen, Roxy. Ich würde sogar noch weitergehen und sagen, Lob ist in der Schweiz grundsätzlich suspekt. Die Leute werden (wie übrigens auch bei Grosszügigkeit) sofort misstrauisch weil sie immer einen Hintergedanken vermuten. Und Schweizer wollen va eines: nie irgendwie in der Schuld einer anderen Person stehen. Darum können sie mit Lästern besser umgehen als mit Lob, darum ist Neid vertrauter als Grosszügigkeit, letztendlich auch besser akzeptiert. Letztendlich ist bei uns Mittelmass Trumpf, alles was davon abweicht ist potentiell schon mal suspekt.
Im positiven wie auch negativen Sinne: wir können unsere Wurzeln als Berg- und Bauernvolk nicht verleugnen. Auch wenn viele das gerne würden. 🙂
Und Schweizer wollen va eines…
Echt jetzt, Herr Frey? Alle Schweizer? Also sind sie kein Schweizer?
Tönt alles etwas sehr klischiert und v.a. auch ziemlich selbstgerecht…
Und das mit dem Neid und der mangelnden Grosszügigkeit – das kommt auch oft aus derselben Ecke, die gegen Sozialhilfeempfänger, Asylbewerber und alles, was links von der SVP ist pöbelt, die alle nur an ihr sauer verdientes Geld wollen…
Und darin dann keinen Widerspruch entdecken kann.
Ich glaube, lieber Herr Vontobel, heute pflegen wir alle mal ein wenig die Stereotypen. Seien es Turnlehrer, Schweizer oder Eltern ganz allgemein. Dass das teils sehr pauschalisierend daherkommt, dazu kann ich für meinen Teil stehen, obwohl natürlich keine Regel und schon gar keine Stereotypen ohne Ausnahmen.
Sie können das Bild, das ich und andere heute gezeichnet haben, selbstredend völlig anders sehen. Aber dann würde mich interessieren wie Sie das sehen. Bin insofern gespannt auf Ihre inhaltlichen Ausführungen.
Herr Frey, es geht mir noch nicht mal so sehr um die Klischees – es geht mir darum, dass man mit diesen Klischees (und man selber ist ja immer die Ausnahme davon) jede andere Meinung totzuschlagen versucht (klassisch: das Neid-„Argument“) – das verhindert wunderbar, dass man sich damit auf inhaltlicher Ebene auseinandersetzen muss.
Diese Selbstgerechtigkeit, die von einigen Blogkommentierern zelebriert wird empfinde ich jeweils irgendwo zwischen lächerlich bis widerwärtig.
In meiner Erfahrung: die grössten Bünzlis sind meist diejenigen, die andere als Bünzlis beschimpfen.
Ich kann da nur für mich sprechen, Herr Vontobel. Aber ich nehme mich hinsichtlich Klischees keinesfalls aus. Ich denke sogar, dass wir alle dem mehr oder weniger unterworfen sind. Wichtig scheint mir dabei, dass wir uns dessen bewusst sind, und wir uns dadurch nicht Meinung und Handeln diktieren lassen.
Und diskutieren können Sie mit mir über fast alles. Wenn möglich sachlich, ganz ohne Totschlagargumente (die ich genauso wenig mag wie Sie), dies nur als Bitte.
@ MF
Also, dann haben wir den Artikel nicht gleich gelesen. Aus meiner Sicht, geht es um beides: nicht in der 3. Person über das Kind sprechen und auch nicht grundsätzlich schlecht über das Kind sprechen:
„Schlimm finde ich erstens die erniedrigende Situation, in der die Vertrauensperson des Kindes anderen Menschen einfach so von den Schwächen und vermeintlichen Unzulänglichkeiten erzählt. “
„Wenn ich nichts Gutes über mein Kind zu sagen habe, dann sage ich nichts.“
Aber aus irgendeinem Grund fällt es vielen einfacher, Unzulänglichkeiten des Kindes zu erwähnen, als seine Stärken und Vorzüge.
Grundproblem ist das ständige Reden in Anwesenheit respektive in Hörweite, also das was Sie mit 3. Person bezeichnen. Wir alle schätzen das ja auch nicht besonders, wenn wir bemerken dass über uns gesprochen wird. Egal ob es sich um positive oder negative Themen handelt, wir sind auch jeweils peinlich berührt wenn wir ehrlich sein wollen. Weshalb soll es Kindern anders gehen?
Gerne nochmal: Das interpretieren Sie als Grundproblem, was auch legitim ist. Im Text (eigentlich bereits schon im Titel) steht etwas anderes.
Ich habe das nicht überlesen, 13. Nur denke ich, bezieht sich das Thema nicht nur auf negative Kritiken. Wie Sie selber dargestellt haben, besteht in unserem Land auch eine weitverbreitete Unfähigkeit, mit Lob (wie übrigens auch Komplimenten) umzugehen. Das schliesst positive Kritiken mit ein. Wie oft hört man nur negative Kritiken begleitet von Bemerkungen à la „wenn ich nichts sage, geh davon aus dass es ok ist“. Dabei wären echt positive Kritiken mindestens so wichtig wie negative.
Nochmals, für Kinder wie auch erwachsene Personen ist einfach schon der Umstand unangenehm, dass offen über sie geredet wird. Dass dieses Gerede zumeist negativ ausfällt macht das Ganze natürlich schlimmer, da dies mit einem Vertrauensverlust und ggf. Entwertungen einhergeht. Das geht Hand in Hand.
Noch mehr, als dass in meiner Anwesenheit über mich gesprochen wird, schätze ich es, wenn das in meiner Abwesenheit, also hinter meinem Rücken passiert. Schöner ist es natürlich, wenn mit mir gesprochen wird…
Das Problem ist halt eher die übertriebene Bescheidenheit in der Gesellschaft.
Haha, genau. Scheint mir auch eines der Hauptprobleme der heutigen Zeit zu sein, „übertriebene Bescheidenheit“. Nicht umsonst gilt diese ja auch als „die 8. Todsünde“! 😀
Ach, Herr Vontobel
Herr Frey schrieb es doch ganz treffend: „Und der Bruder des Neides ist natürlich das Lästern.“
Wer also neidisch ist, weil er keine eigenen Beiträge verfassen kann, zieht über diejenigen her, die es hinbekommen 😉
Was für ein wunderbares Totschlagargument, liebe 13!
Und da sie gerade über meinen Beitrag gelästert haben, fallen sie wohl auch in die Kategorie der Neider…
Eine ernstgemeinte Frage: sind sie tatsächlich Anwältin? Kommt man an Schweizer Gerichten mit dieser, sagen wir mal, originellen Art der „Argumentation“ durch?
Das erstaunt, und entsetzt, mich nun doch ein wenig…
13:Gerade vor wenigen Tagen war ich bei einer Familie zu Besuch und …
Duden – lästern: sich über jemanden der abwesend ist mit kritischen oder ein wenig boshaften Kommentaren äußern
@13: Es ist ein Unterschied, ob ich mich zB in einer Unterhaltung mit meiner Nachbarin positiv über meinen Sohn äussere, weil er seine Hausaufgaben zuverlässig und diskussionslos erledigt, oder ob ich ein Kind in den Himmel und übertrieben lobe.
Ich kann mich gut an meine Kindheit erinnern, mein Vater war unglaublich stolz auf unsere musikalischen Fähigkeiten. Es tat durchaus mir gut, wenn er seiner Freude darüber Ausdruck gab. Dass er aber herumposaunte, ich hätte das „absolute Musikgehör“ fand ich schon mit 8 total peinlich, weil es nämlich einfach nicht zutraf. Ich spielte einfach gut Violine, weil ich früh damit begann, mehr nicht.
@ Sisifee
Alles richtig, aber ich erlebe das so selten, dass ich es so ein bisschen zur Abwechslung schön fände, von jemanden zu hören, dass sein Kind perfekt ist. Als Eltern muss man auch nicht objektiv sein, man darf sich auch mal einfach ab dem Kind freuen. Natürlich sollte Lobdudelei kein Dauerzustand darstellen, aber doch so zwischendurch fände ich es toll, einfach etwas elterlichen Stolz zu spüren.
@13: Da gehe ich einig mit Ihnen. Vielleicht liegt das ganz einfach daran, dass wir Eltern grundsätzlich zu wenig fröhlich durchs Leben gehen. (Nicht, dass ich ständig Trübsal blase, aber wäre ich mein Kind, würde ich mir mich manchmal etwas unbeschwerter wünschen.)
Die negativen Dinge wiegen so oft schwerer, als die positiven, die wir doch gerne als selbstverständlich nehmen.
guter artikel. und stimmt schon. in anwesenheit der kinder macht es sinn, auch bezüglich deren selbstwertgefühl, entweder direkt zu ihnen zu sprechen, oder halt auch gegebenenfalls bei „erwachsenen-gesprächen“ diese zu informieren, dass sie bitte nicht dreinreden sollen und somit die aufmerksamkeitsbezeugungen auf „danach“ verschoben werden. klassisches beispiel – esstisch.
Warum all das relativieren und den Brei verdrehen. Warum nicht einfach sagen Ja es stimmt es ist total daneben von Kindern schlecht zu reden wenn sie dabeistehen. Danke.
Verhalten darf man kritisieren, denn Verhalten kann man noch anpassen: „Du bist gerade boshaft zu deiner Schwester, mach das bitte nicht mehr“ oder „Mama, du bist viel zu langsam, komm jetzt“.
Die Person angreifen geht nicht und darf nicht sein: „Kind, du bist böse!“ oder „Du bist so dick“.
Das finde ich so schlimm, weil mit mancher Veranlagung kommt man einfach auf der Welt, dafür kann das Kind nichts.
Aber wenn man jedes kleines Defekt immer wieder hervorhebt und kritisiert, dann wird es immer grösser und zu einem festen Bestandteil der Persönlichkeit. Und das wäre so Schade!
Oft äussert man sich ja negativ, weil man ein Ventil für den eigenen Unmut braucht. Gerade wenn ich sehr genervt bin, ist es schwierig, immer so genau zwischen Charakter und Verhalten zu unterscheiden. Und es gibt ja auch einen Graubereich, den man „schlechte Gewohnheiten“ nennen könnte.
Hier geht es ja darum, dass Personen mithören, die nicht zur Familie gehören. Und die Öffentlichkeit ist nun mal kein Ort für Kritik.
„Oft äussert man sich ja negativ, weil man ein Ventil für den eigenen Unmut braucht.“
Und das passiert ja nicht einmal so oft! Und passiert jeder/m von uns.
Schlimm wird es wenn es regelmässig passiert, wenn das Kind sozusagen geradezu gemobbt wird durch Eltern oder Geschwistern (was Esmeralda oben erzählt über ihren Vater macht mich richtig sauer).
„Hier geht es ja darum, dass Personen mithören, die nicht zur Familie gehören.“ Den Eindruck hatte ich beim lesen nicht, aber ok. Man erzählt ja auch nicht jedem wildfremden Menschen einfach so über seinem Kind.
Wie Recht Sie haben! Und so ein toller Schluss.
Ansonsten bin ich äusserst kritisch, wenn Eltern meinen, sie könnten es an so einfachen Dingen, wie „nicht in der 3. Person reden“ aufhängen. Es geht um Respekt und Liebe – diese vermittelt man, oder eben nicht.
Wichtiger ist, eine gewisse Lockerheit. Z.B. dass eine Atmosphäre herrscht, wo sich das Kind herausnimmt, auch mal in der 3.Person vom Papi zu reden. Was nützen korrekte Anreden und verbotene Wörter, wenn nicht Liebe, Vertrautheit, Lockerheit und Offenheit spürbar gelebt werden?
Also was ist jetzt das Problem? Das Reden in der 3. Person oder das schlecht reden?
In der 3. Person reden ist nicht schlimm. Beim Baby ist es völlig normal und dann wächst es sich mehr und mehr aus, so wie halt andere Dinge auch füttern, Schuhe anziehen etc. – mal schneller, mal langsamer, das ist nicht das Problem.
Das schlecht reden hingegen schon. Aber nicht nur, wenn man über die Kinder schlecht redet, sondern auch über die Nachbarn, Lehrer, Politiker etc.
Wir sollten nicht respektlos über andere reden. Das Lästern über Dritte, nagt über kurz oder lang am eigenen Selbstwertgefühl.
Die Erwachsenen wissen es, und dennoch wird über andere gelästert, geflucht und gemobbt. Egal ob es nun über andere Eltern ist, oder eben dann über denn Nachbarn oder an der Arbeit über die Kollegen. Es ist eine traurige Eigenschaft des Menschen, aber egal wie sehr man es will, den Missmut und diesen Kund zu tun, ist nicht zwingend nur schlecht. Ich kenne auch Kinder die auf dem Schulhof erzählen, dass sie eine Rabenmutter hätten, nur weil sie am Vortag etwas nicht erhalten haben. Was sie damit anrichten (Rufmord und so) ist eine Sache, aber der Grund und damit umzugehen ein völlig anderer. Fehler machen wir alle, also seht das Leben nicht zu eng und hört auf irgendwelche Verhaltensregeln aufzutischen. Es ist eben nun mal menschlich.
Hinzu kommen all die „Kosenamen“ mit denen Kinder gern bedacht werden. Goofen, Knirps, Dreikäsehoch, Zwerg, Kleine/r, die Liste liesse sich fortsetzen. Oder „lustige“ Spielchen bei denen Kinder aufgefordert werden, etwas zu sagen, was sie (noch) falsch aussprechen. Das ist ja soooooo herzig. Evtl. für die lachenden Erwachsenen. Aber bestimmt nicht für das ausgelachte Kind.
Also, liebe Eltern und andere Erwachsene: Auch ein Kind hat sowas wie Menschenwürde und bekommt schon sehr früh mit, wenn diese verletzt wird. Lasst es einfach.
Dieses unüberlegte Verhalten meiner Eltern sah bei uns so aus: damit meine massiv übergewichtige Schwester sich nicht schlecht fühlte, machte man in Gesellschaft immer auf meinen dicken Hintern aufmerksam. Dieser war nichts anderes, als die sich weiblich breit entwickelnden Hüften einer 16-jährigen – ich wog bei 1,78m gerade mal 59kg und war in unserer Familie die einzig Schlanke. Zitat:“ Sie ist halt „heimlifeiss“, bei ihr sieht man es nicht so, aber sie hat einen dicken Arsch“. Bei einer 16-Jährigen absolut verheerend – ich hielt mich natürlich für dick, versuchte abzunehmen, entwickelte ein langanhaltendes gestörtes Selbstbild und Bulimie, beides begleitete mich über Jahre.
Heute weiss ich, ich es stand keine böse Absicht dahinter sondern eben nur „unüberlegtes Verhalten“.
hat eigentlich nichts damit zu tun, dass sie in der 3. Person über sie geredet haben, sondern WAS sie geredet haben
Liebe Lina
Das tut mir sehr sehr sehr leid. Ich weiss aus eigener Erfahrung, was solche Aussagen ausrichten können. Ich dachte auch, dass ich von meinem Vater nur geliebt werde, wenn ich dünn bin. Daraus resultierte dann eine Magersucht, die ich heute glücklicherweise im Griff habe. Aber es gab viele hässliche Momente. Wie die Aussage meines Vaters, ich sei ein Stück Fleisch. Das konnte ich nie vergessen.
Ich wünsche Ihnen, dass sie darüber hinwegkommen und dass sie voller Selbstvertrauen ihr Leben geniessen können.
Schlimm und absolut unentschuldbar. Meine Mutter war und ist auch so eine Spezialistin. Seit ich sie aber in so einer Situation als senil, sabbernd und windeltragend bezeichnet habe, lässt sie es bei mir sein.
@Lina: Böse Absicht vielleicht nicht, jedoch scheinen Intelligenz und Empathie nicht gerade in reichem Masse vorhanden gewesen zu sein, was schon aus der ordinären Wortwahl zu schliessen ist.
Und, war Nadia am Zahnen?
Stellen sie sich vor ihr Mann würde ihnen sagen: Sabine es ist Zeit ins Bett zu gehen. Sabine Zähneputzen!
Stellen Sie sich vor, Sabine würde dann in Tränen ausbrechen, sich auf den Boden werfen und brüllen: „Neeeeein, noch nicht ins Bett gehen!!“
Na?
Liebe Frau Meier
Sie haben so recht. Ich habe das schon so oft getan und für das Kind ist es wirklich sehr unangenehm und beschämend. Bei mir war es sicher so, dass ich meine „Sorgen“ auch einmal loswerden wollte, da kleinere Kinder meist dabei sind, sprach ich mit ihm daneben, darüber – was natürlich keine Entschuldigung ist, und es trotz eigenen Bedürfnissen hätte lassen sollen.