Wenn das Baby im Bauch stirbt

«Gerade für grössere Geschwister ist es wichtig, dass sie das Kleine noch sehen können. Damit sie das Ganze besser verstehen»: Ein Bub trauert mit einer Kerze. Foto: Getty Images
Eineinhalb Jahre ist es her, seit Nadja Pallottas Sohn Aurelio zur Welt gekommen ist. Ihr zweites Kind. In ihrem Herzen trägt sie den Kleinen immer bei sich, in ihren Armen kann sie es nicht tun: Aurelio war bereits tot, als er das Licht der Welt erblickt hat.
Die sogenannte Stille Geburt, die Geburt ohne Babygeschrei, ist häufiger, als man bisweilen annimmt. Alleine vergangenes Jahr verzeichnete die Schweiz 357 Totgeburten. Von der Statistik erfasst werden nur diejenigen Babys, die nach der 22. Schwangerschaftswoche oder mit einem Gewicht von mindestens 500 Gramm zur Welt gekommen sind. Trotz mehr als 300 betroffener Elternpaare jährlich hört und liest man kaum über das Thema. Zu grausam ist die Vorstellung, sein Baby nur noch tot in die Arme schliessen zu können. Darüber will niemand nachdenken, geschweige denn reden. Was es den Betroffenen noch schwerer macht, ihr Schicksal zu verarbeiten.
Auch Nadja Pallottas Baby ist in ihrem Bauch gestorben, im neunten Monat. «Ich hatte ein ungutes Gefühl, trotzdem war es ein Riesenschock, als der Arzt mir meinen schlimmsten Verdacht bestätigt hat.» Die häufigste Erstreaktion betroffener Schwangerer sei, dass sie das Baby so schnell wie möglich loswerden wollten. «Es fühlt sich plötzlich an wie ein Fremdkörper und soll nur noch raus», sagt Pallotta. «Oft werden diese Gefühle begleitet von einem schlechten Gewissen, weil man sich so etwas nicht zu denken erlauben will.» Dabei pressiert es rein medizinisch gesehen in der Regel nicht: Solange die Fruchtblase intakt ist, kann man nach dem Befund nochmals nach Hause gehen und sich in Ruhe Gedanken darüber machen, wie man das Kind zur Welt bringen will.
Trotzdem natürlich gebären
Experten empfehlen, das Kind auf natürlichem Weg zu gebären, wenn es irgendwie möglich ist. Das mag für Aussenstehende grausam klingen: Welche Frau will noch die Strapazen einer stundenlangen Geburt auf sich nehmen, wenn das Kind bereits gestorben ist? Pallotta jedoch sagt, es sei wichtig, die Schwangerschaft so abzuschliessen. «Man hat Zeit und kann bei der Geburt durchaus auch noch schöne Momente erleben.» Sie räumt allerdings ein, dass der Vorgang psychisch auch sehr schmerzhaft sei. Und körperlich anstrengend, weil das tote Kind nicht mehr aktiv mithelfen kann.
Im Moment der Geburt starb Pallottas Baby gefühlsmässig noch einmal. «Man hofft bis zuletzt auf ein Wunder, fleht das Kind an, zu atmen.» Doch Aurelio atmete nicht. Und es galt, zum zweiten Mal Abschied zu nehmen.
Dieses Abschiednehmen kann einige Tage dauern. «Es kommt immer häufiger vor, dass die Eltern ihr tot geborenes Baby noch mit nach Hause nehmen», sagt Pallotta. Zwar brauche man dabei intensive professionelle Begleitung, doch dann sei das ein guter Weg, um sich gemeinsam mit der ganzen Familie vom Kind zu verabschieden. «Gerade für grössere Geschwister ist es wichtig, dass sie das Kleine noch sehen und spüren können. Damit sie den Tod besser verstehen.»
Macht dieses Nachhausenehmen den endgültigen Abschied und das Sichloslösen nicht noch schwieriger? «Da gibt es kein schwieriger oder weniger schwierig», sagt Pallotta, «der Zeitpunkt des endgültigen Abschieds ist sowieso brutal.»
Nadja Pallotta erzählt, dass sie nach der Totgeburt von Aurelio komplett überfordert gewesen sei, aber trotzdem irgendwie weiterfunktioniert habe. «Ich konnte allerdings gar nicht mehr wahrnehmen, was ich will und brauche.» Gerade deshalb sei es so wichtig, dass das Umfeld sich Gedanken mache. «Man kann etwas zu essen vorbeibringen oder anbieten, ein grösseres Geschwister zu hüten», sagt Pallotta. Und man dürfe ruhig auch offen sagen, dass man sprachlos sei und die richtigen Worte nicht finde. «Jede Art des Mitgefühls und Trosts tut gut. Nur den Satz ‹Du kannst ja wieder schwanger werden› will in dem Moment ganz sicher keine Frau hören.»
Gratulieren zum Elternsein
Was sie hingegen sehr schön gefunden habe: dass die Hebamme im Spital ihr und ihrem Mann zum Elternsein gratuliert habe. «Denn so war es ja: Wir sind zum zweiten Mal Eltern eines Sohnes geworden, auch wenn sein Geburts- zugleich sein Todestag war. Ich habe zwei Kinder und bin heute ein Erdenmami und ein Himmelsmami», sagt Pallotta. Deshalb ist es Nadja Pallotta auch wichtig, dass ihre Freunde und Bekannten Aurelio beim Namen nennen, «es geht dabei um Wertschätzung und Akzeptanz».
Die Gesellschaft solle anerkennen, dass auch Eltern von Sternenkindern Eltern sind. Pallotta ärgert es enorm, dass «die Behörden so blöd tun und Babys, die vor der 22. Woche geboren wurden oder unter 500 Gramm gewogen haben bei der Geburt, nicht als Totgeburt bezeichnen, sondern als Fehlgeburt.» Die Folge: Das Kind kann nicht im Familienbüchlein eingetragen werden, hat rechtlich gesehen nie als eigenständiger Mensch existiert.
Nicht nur die Behörden, auch Freunde sorgen bei Pallotta manchmal für Enttäuschung. So versteht sie nicht, weshalb ihr Umfeld die Geschichte so schnell abhaken kann, während diese für sie selber nach wie vor so präsent ist. Und sie fühlt sich im Stich gelassen, wenn Freunde nicht an die Feier zum ersten Todestag ihres Sohnes kommen wollen, weil es ihnen zu sehr weh tue. «Dabei tut es mir selber noch mehr weh, und ich habe sie doch eingeladen, weil es mir wichtig war, sie an diesem speziellen Tag in meiner Nähe zu haben», sagt Pallotta. Mittlerweile könne sie solche Reaktionen, die aus Überforderung geschehen, zwar etwas besser zur Seite schieben. «Aber im ersten Moment fand ich diese Hilfeverweigerung total daneben.»
Die Fachstelle Kindsverlust unterstützt Betroffene und deren Angehörige kostenlos per Mail und Telefon, vermittelt Fachpersonen und gibt Antworten auf rechtliche Fragen.
Nadja Pallotta unterrichtet Yoga für Mütter mit Sternenkindern. Ziel ist es, Körper, Geist und Seele wieder in Einklang zu bringen und sein Urvertrauen zurückzugewinnen.
Dieser Beitrag ist neu unter www.tagesanzeiger.ch/wenn-das-baby-im-bauch-stirbt-149165073076 zu finden.
100 Kommentare zu «Wenn das Baby im Bauch stirbt»
Sehr geehrte Frau Kuster
Vielen herzlichen Dank!
Ich wünsche Ihnen alles Gute
Ich lese gerade all die vielen Kommentare; unterschiedliche Emotionen und Gefühle. Wer Fragen hat und/oder nach Begleitungs- und Unterstützungsmöglichkeiten sucht, kann sich gerne an uns wenden (kostenlose Beratung für betroffene Eltern, Familienangehörige, Freunde und begleitende Fachpersonen). Sie erreichen die Beraterinnen von kindsverlust.ch jeweils Dienstag und Donnerstag von 08:30-11:30 Uhr unter 031/333’33’60. Wir sind gerne für Sie da. (Auch wenn (oder gerade dann erst recht) der Verlust des Kindes schon etwas länger her ist.)
Ana Todorović hat kürzlich für aeon in einem langen Artikel ihr eigenes Erlebnis verarbeitet: https://aeon.co/essays/my-daughter-came-out-they-handed-her-to-me-she-was-dead. Falls der Link hier zensuriert wird einfach nach „Nadia’s story“ und „Todorović“ suchen.
Der sehr persönliche und schonungslose Artikel ist nicht nur brillant geschrieben sondern leuchtet viele Aspekte eines solchen tragischen Erlebnisses aus, die für Unbeteiligte nicht offensichtlich sind. Wenn man selbst Kinder hat und ein wenig mitfühlen kann, sind die Qualen und die Vorstellung dieses gigantischen Schmerzes fast nicht auszuhalten während dem Lesen. Trotz den feuchten Augen eine gute Erfahrung.
Als betroffene Grosseltern konnten und können wir auch nach 12 Jahren die Trauer um eine totgeborene Enkelin schwer ertragen.
Aber mit der lebenden Mutter, eine unserer Töchter und ihrem Mann zu trauern bricht uns noch heute das Herz. Nicht nur an ihrem Geburts-/Todestag.
Wir alle, die ganze grosse Familie wurden um die Erfahrung reicher, dass man Trauern und Klagen muss um Leben zu können.
Ich (stolzer Vater wenn eines 11-jährigen wenn auch behinderten Sohnes) letztes Jahr in Pratteln mit meiner Schwiegermutter aus Südamerika auf einem Friedhofbesuch. Als ich Ihr den Zweck des entsprechenden Grabes dieser Kinder (auf spanisch) erklären sollte – ich konnte es nicht. Zu gross ist/war einerseits die Anteilnahme wie auch das schlechte Gewissen ein lebendes Kind zu haben. Es tut mir so leid für alle.
Ein weiteres Problem, das erst später kommt: Für mich ist es klar, dass ich zwei Kinder habe, ein totes und ein lebendes. Wenn ich danach gefragt werde, komme ich aber oft in ein Dilemma: Verschweige ich das Tote, fühlt es sich an, als würde ich es verleugnen, ich brings fast nicht über mich. Erwähne ich es, teile ich etwas sehr persönliches mit jemandem, den das erstens vielleicht gar nicht interessiert und den ich vielleicht gar nicht damit konfrontieren möchte. Meistens erwähne ich sie (meine Tochter) und sage gleichzeitig auch warum und dass wir jetzt nicht darüber sprechen müssen. fühlt sich aber auch komisch an…
Genau so geht es mir auch! Gerade gestern wurde ich wieder mal gefragt: „Wie viele Kinder hast du?“ Ich muss dann jedes Mal entscheiden, ob ich die zweite Tochter erwähne oder nicht und empfinde dabei gleich wie Sie.
Meine erste Tochter wehrt sich sehr gegen die Bezeichnung „Einzelkind“ und sagt immer geradeaus, dass sie eigentlich noch eine kleine Schwester habe.
Lange konnte ich mit der Frage „Wieviele Kinder hast Du?“ sehr schlecht umgehen. Unterdessen sage ich, dass ich 2 Söhne habe (und denke für mich: und eine Tochter)
Manchmal erwähnt auch der ältere Sohn seine Sternenschwester wenn er nach Geschwistern gefragt wird…….
Als Andenken an Sternenkinder bleibt meistens nicht viel ausser Erinnerungen.
Ich möchte darum an dieser Stelle auf die wunderbare Organisation „Herzensbilder“ hinweisen. Sie hat auch uns Fotos unseres Sohnes geschenkt, Fotos die zwar bei jedem Anblick wehtun, aber doch so wichtig sind. Denn er war da. Und das wünsche ich Sterneneltern; dass sie mit Stolz von ihren Sternenkindern erzählen können und die Erinnerung in Form von Bildern präsent bleibt. Sie mögen zwar nicht mit uns durchs Leben gehen, aber sie werden uns immer begleiten.
das mit den Bildern finde ich eine wunderbare Idee!
Das es immer wieder Weh tut, wie alle Fotos von Verstorbenen es tun, kann ich nachvollziehen.
Es kann aber, mit der Zeit, auch eine schöne Erinnerung sein und gehört zur Familie
Wie Susi schreibt, die stille Geburt im Krankenhaus zwischen den glücklichen Eltern usw. war sehr schlimm. Wir wurden jedoch so hervorragend von der Hebamme betreut, dass wir dies fast ein wenig ausblenden konnten. Auch würde für uns gekämpft, damit wir unser Baby beerdigen durften. So schlimm die damalige Situation war, so dankbar sind wir, dass wir so liebevolle Menschen kennengelernt haben.
Wir persönlich empfanden es „anstrengender“, wenn das gegenüber versuchte um jeden Preis verständnisvolle Aussage zu machen. Wir mochten es viel lieber, wenn jemand ehrlich war und sagte: „ich weiss nicht was ich sagen soll“. Daraus entstanden, für uns wichtige, Gespräche und wir lernten das das erlebte ein Teil von uns ist und für immer bleibt.
Ein Thema, das im Artikel nicht angesprochen wird, ist, welcher Impact so ein Schicksalsschlag auf die Beziehung der Eltern hat. Anscheinend trennen sich 3 von 4 Paaren im Verlauf der nächsten Jahre. Wir wurden im Spital „gewarnt“ bzw. darauf hingewiesen, dass das meist sehr problematisch ist, unter anderem deshalb, weil man unterschiedlich trauert und dann dem anderen das zum Vorwurf macht. Das kann wirklich sehr schwierig sein und braucht viel Toleranz von beiden Seiten.
Meinen Freund und mich hat es zusammengeschweisst. Am Anfang der Schwangerschaft hatten wir noch über Trennung gesprochen. Aber ich kenne auch andere Fälle.
Ich glaube, was vielen Aussenstehenden nicht bewusst ist (und warum auch?) ist, dass ein derart dramatischer Einschnitt ins Leben wirklich das gesamte Leben verändert, die Ansichten, Haltungen, die bisherige Ordnung völlig auf den Kopf steht. Man kann Menschen kaum darauf vorbereiten, dass in der Zukunft ihr Leben unter Umständen ganz anders aussehen wird – aber ich finde es gut, wie bei Ihnen, Susi, dass so etwas zum Thema gemacht wird. Ich wäre vielleicht etwas vorsichtiger und nicht so wild-um-mich-schlagend gewesen, wenn man mir das gesagt hätte. Hätte, wäre, könnte – letztlich ist heute, nach vielen Jahren Abstand, die Trauer immer noch da, jeder Geburtstag immer noch so präsent wie am Anfang: aber die Trauer ist jetzt ein Teil unseres Lebens, wir gehen unbefangen mit ihr um
/2 und sind sogar an ihr gewachsen, glaube ich. Aber unser Leben hat sich komplett verändert.
Bei uns war es schwierig, ähnlich, wie Carolina oben beschreibt. Mein Mann hat sich zurückgezogen und ich fand mich selbst „die Ärmste“ in der Geschichte, weil ich ja das Kind neun Monate im Bauch gehabt hatte und dann auch mit dem ganzen Körper betroffen war. Da war zeitweise von beiden Seiten wenig Verständnis vorhanden für den anderen. Aber wir haben immer wieder drüber geredet und die Beziehung hat sich jetzt nach drei Jahren auch wieder völlig stabilisiert.
@Carolina: Ich war in der Rückbildung mit drei anderen betroffenen Frauen. Wir waren alle sehr offen und haben viel geredet, auch über Probleme in der Beziehung. Ich sah dann, dass es anderen ähnlich geht, das hat irgendwie auch geholfen.
Ja, das verstehe ich; es hat eine Weile gebraucht, bis ich mir Hilfe von anderen Betroffenen gesucht habe – auch weil wir kurz danach in die Schweiz gezügelt sind. Meine Familie war keine so wahnsinnig grosse Hilfe (dachte ich anfangs), weil alle Aerzte sind und ich annahm, dass sie denken, so etwas passiere halt – get over it. Später dann war es auch gut für mich, dass mich eine eher rationale Haltung von anderen mal wieder von meiner Ich-Arme-Wolke runtergeholt hat. Und vor allem sind wir wieder zusammengekommen, weil ich die unterschiedlichen Trauerformen begriffen habe.
Der Abbruch einer ursprünglich erwünschten – manchmal lang ersehnten – Schwangerschaft auf Grund einer pränatalen Untersuchung, meist Trisomie 21, bezeichnet man ebenso als „stille Geburt“. Sie wird durch wehenauslösende Medikamente in Gang gesetzt und kann Stunden, manchmal Tage dauern. Es kommt vor, dass das Kind lebend zur Welt kommt. Will man das verhindern, muss das Ungeborene mittels einer Spritze ins Herz noch im Mutterleib abgetötet werden.
Ein traumatisches Erlebnis. Da macht die Seele einfach nicht mehr mit.
Meist wird der sogenannte selektive Schwangerschaftsabbruch nach einer Fruchtwasseruntersuchung vorgenommen. Bis das Resultat der Punktion vorliegt, ist die Frau im 5. Schwangerschaftsmonat. Ein Tabu in der ärztlichen Beratung.
Es existiert auch keine Statistik dazu.
das treibt mir die Tränen in die Augen und mir stellt sich nur eine Frage: WARUM, warum muss man das tun?
Wichtig ist das Betroffene jemanden haben der für sie da ist.
Zum Reden aber auch zum Schweigen!
Und das sie ernst genommen werden mit ihrer Trauer.
Das sie Raum und Zeit haben zu trauern.
Auch ein Paar selber muss einen Weg finden damit gemeinsam fertig zu werden und umzugehen.
„So versteht sie nicht, weshalb ihr Umfeld die Geschichte so schnell abhaken kann, während diese für sie selber nach wie vor so präsent ist.“
Das ist doch eigentlich bei allen Todesfällen von Angehörigen so: Für das weitere Umfeld geht das Leben weiter, während man selber sich noch in tiefster Trauer befindet.
Bei unserer zweiten Tochter passierte es zwei Tage vor dem Geburtstermin. Und es kann halt wirklich niemand nachfühlen, wie es ist, wenn man nicht selbst eine Stunde nach dem Befund mit Formalitäten konfrontiert wird, wo das Baby beerdigt werden soll. Wenn man einem toten Kind im Bauch nachhause gehen muss, eine Nacht lang wach liegt, um am nächsten Tag für die Geburtseinleitung zu erscheinen, nachdem man der älteren Schwester erzählen musste, dass ihr Geschwisterchen tot ist.
Wenn man auf der Geburtsabteilung euphorischen Vätern begegnet, die einem überschwenglich „viel Glück“ für die Geburt wünschen, wenn man dann in den Wehen liegt, links und rechts erste Neugeborene schreien hört und weiss, dass das eigene still bleiben wird. Es dann im Arm hält, sieht, wie wunderschön es ist und daran zerbricht.
Da ist es doch irgendwie nachvollziehbar, dass kaum eine Reaktion vom Umfeld „angemessen“ sein kann bei einer solchen Katastrophe. Ich habe es mehrfach erlebt, dass Leute nicht reagiert haben, aber ich habe es verstanden und war gleichzeitig froh und dankbar über die immense Anteilnahme, die uns von der Mehrheit entgegen kam.
Danke Susi.
Und erneut meine Hochachtung für Sie als Mensch.
Danke, RoXY
Auch von mir eine Dankeschön für Ihre Offenheit. Und das ist es genau, was es so schwierig macht. eine angemessene Reaktion ist kaum möglich und das letzte, was man will, ist eine unangemessene Reaktion zeigen. Ich kann gut nachvollziehen, dass jemand schweigt.
Auch bei anderen Todesfällen: Eine Freundin von mir hat in jungen Jahren innert kurzer Zeit beide Elternteile verloren. Sie lebt weit weg und ich war beide Male nicht an der Beerdigung. Beim ersten Mal steckte ich mitten in Prüfungen, für ich mich unter grossen Entbehrungen meiner Familie monatelange vorbereitete und nicht einfach absagen konnte. Beim zweiten wurde ich kurz zuvor Mutter. Sie wirft es mir heute noch stillschweigend vor, ich bin enttäuscht über das mangelnde Verständnis. Es steht immer zwischen uns.
genau. bloss nicht noch etwas falsches sagen. man könnte also schweigen auch als rücksicht interpretieren
Dem bleibt nichts mehr hinzuzufügen, Susi.
Schliesse mich ganz Roxy an.
Meine Gedanken und mein ganzes Mitgefühl sind bei Nadja Pallottas und ihrem Mann – ich wünsche den beiden ganz viel Kraft und Zuversicht für die Zukunft.
Ich glaube niemand, der das nicht selbst durchgemacht hat, kann verstehen und mitfühlen was das bedeutet.
Ich denke nur der Verlust einen schon geborenen Kindes ist damit in etwas vergleichbar.
Und wenn ich daran denke wie viel Schmerz und Leid so etwas mit sich bringt, für beide Direktbetroffen – dann kann ich umso weniger verstehen das es Frauen gibt die ihre Kinder abtreiben.. tut mir leid so etwas zu sagen, aber ist stehe zu dieser Aussage
es ist doch keine Hilfeverweigerung, wenn Freunde nicht zur Feier des ersten Todestages kommen. Einige mögen es als pietätslos ansehen, dies zu feiern, andere sind damit komplett überfordert und wollen es der Mutter mit ihrer Hilflosigkeit nicht noch schwerer machen.
Sehe ich auch so. Ich kann mit einer „Todestagfeier“ auch überhaupt nichts anfangen. Ich halte nichts von solchen Ritualen und kann mir auch nicht vorstellen, dass solche Rituale irgendjemandem helfen.
Ich habe einen Angehörigen verloren. Ich habe seit seiner Beerdigung nie sein Grab besucht und nie eine Kerze für ihn angezündet. Ich erinnere mich jedoch oft an ihn, er ist ein Teil von mir und meinem Leben. Ich kann über ihn sprechen im Guten, wie im Schlechten.
Soll ich das einem Menschen erzählen, der an Ritualen hängt? Aus meiner Sicht schaden diese mehr, als sie nützen. Dem anderen hingegen mag meine Sicht pietätlos erscheinen.
Deshalb braucht es Verständnis.
Ich weiss, was Sie meinen RoXY, aber ich sehe schon auch, dass viele Menschen mit einer solchen Situation in der Familie, bei Bekannten etc sehr, sehr merkwürdig umgehen. Ich war ja auch betroffen und ich habe mich nie wieder in meinem Leben so verwundbar, so empfindsam, so verletzlich gefühlt. Alles, aber auch alles wurde von mir auf die Goldwaage gelegt, jeder Satz daraufhin geprüft, ob ich ihn als Beleidigung auffassen sollte oder nicht. Dieses Verhalten, von dem ich heute weiss, dass es oft zur Trauer dazugehört, denn Trauer ist die komplette Neuordnung der eigenen kleinen Welt, ist mir erst sehr viel später klargeworden, konnte ich erst viel später reflektieren. Erst dann wurde mir völlig klar, dass man einerseits nicht das Einfühlvermögen verlangen kann, dass man eigentlich
/2 Einfühlungsvermögen verlangen kann, das man im gleichen Atemzug nur Direktbetroffenen zugesteht. Aber wir alle können mit solchen Situationen besser umgehen lernen – es wäre schon viel getan, wenn die Platitüden (à la Du kannst ja noch mehr Kinder kriegen, Du bist ja noch jung, es sollte so sein etc etc) weggelassen würden; oder man so empathisch sein könnte, zu einer Feier zu gehen, die einem selber nichts bedeutet, von der man aber annehmen kann, dass sie für den Betroffenen wichtig ist; oder dass wir alle lernen, zu schweigen; dass Hilflosigkeit irgendwann verstanden wird, man aber trotzdem ab und zu ein Zeichen geben kann, dass man an den anderen denkt und die Tür offen ist. Das ist nicht so schwierig und es würde manches einfacher machen für Menschen in solchen
/3 Ausnahmesituationen (die uns ja auch selber befallen könnten und der Tod in der einen oder anderen Form wird uns mit 100%er Sicherheit begegnen, also könnte man ja mal einen Gedanken daran verschwenden, wie man selber dann behandelt werden möchte).
Ja, ich finde auch einiges komisch, das Menschen in ihrer Trauer so tun, besonders wenn es religiös und/oder esoterisch wird. Wenn es einem selber einigermassen gut geht, kann man sich doch aber auch mal so ein Ritual „antun“, wenn einen Freunde dazu einladen. Geht ja dann explizit nicht um meine Wünsche, sondern um die der Trauernden. Wenns „ausartet“ mit den Ritualen kann man ja, wenn es gute Freunde sind, auch mal nachfragen, ob sie denken, es tut ihnen wirklich gut. Aber einfach nicht gehen, nur weils nicht die eigene Art ist mit Sachen umzugehen? Das ist kleinlich.
Wem sagen sie das Carolina?
natürlich gebe ich ihnen recht – ich bin stets für mehr Offenheit, mehr Nähe und Menschlichkeit.
Allerdings haben wir oft genug erlebt, wie viele sich nur schon daran stören, wenn man Freude mit seinen Mitmenschen teilt, oder verurteilt wird, wenn man ein anderes Modeempfinden hat.
Wenn schon bei solchen Kleinigkeiten Offenheit unerwünscht ist, wie soll da die Atmosphäre entstehen beim Tod eine gesunde Nähe zu leben?
Was nun die Pietät zu Ritualen angeht. Natürlich war ich immer pietätsvoll. Aber dabei verstelle auch ich mich. Auch ich sage dann nicht, was ich denke. Nonverbale Signale senden wir aber immer. Das ist das Dilemma. Es wird reden und schweigen zugleich erwartet.
@Carolina: „Alles, aber auch alles wurde von mir auf die Goldwaage gelegt, jeder Satz daraufhin geprüft, ob ich ihn als Beleidigung auffassen sollte oder nicht.“
Ich habe das auch erlebt, nicht bei mir selber, sondern bei anderen betroffenen Frauen. Dass man mit allem, was man sagt, ins Wespennest sticht. Das ist dann auch sehr schwierig, weil man sich gar nicht mehr unterhalten kann, ohne immer auf der Hut zu sein.
Jane – natürlich. Ich bin ja auch immer hingegangen. und sehe das genauso wie sie. Bei wirklich guten Freunden, in wirklich ernsten Fällen, würde ich zu gegebener Zeit nachfragen.
Aber das nicht hingehen. Das Schweigen. Das hier thematisiert wird, widerspiegelt mMn
1. die Hilflosigkeit derer, die den Tod nie gesehen haben
2. die Oberflächlichkeit der meisten „Freundschaften“ – der Wille zu echter Nähe ist bei vielen Menschen nicht vorhanden
Nähe ist vielen Menschen unangenehm, aus verschiedensten Gründen
Und zur Trauerfeier: Ich finde es sehr seltsam, an so etwas nicht hinzugehen, wenn man doch weiss, dass den Gastgebern sehr viel daran liegt, dass es Teil des Verarbeitungsprozesses ist. Und es ist doch schön, wenn man gemeinsam des kleinen Menschlein gedenkt. Mich selbst würde eine solche Feier für mein eigenes Baby zu sehr belasten, aber die Leute ticken da unterschiedlich, und ich fände es schön, hingehen zu können und zu wissen, dass es den Eltern etwas bringt.
RoXY: Ich hätte, ehrlich gesagt, nicht gedacht, dass Sie sich von solchen Mitmenschen in irgendeiner Form beeinflussen lassen? Ich denke mir, je mehr man im Leben erlebt hat, je näher man Schmerz, Verlust, Trauer, Krankheit an sich heranlassen musste, desto stärker kann man die Oberflächlichkeiten, mit denen manche Menschen sich ausschliesslich befassen und mit denen sie anderen begegnen, auch hinter sich lassen. Bei allem Leid: dieses alte Klischee, dass man seine wahren Freunde (und übrigens auch die eigene Familie) in solchen Situationen kennenlernt, dass man wirklich Ueberraschungen überleben kann, wer da im Stillen für einen da ist (oder eben nicht), kann eben auch eine Freude bzw ein Schock sein – aber ich habe es im Nachhinein als Bereicherung empfunden. Nähe ist ein Thema,
/2 das letztlich unsere Ehe damals (für eine Weile) unterbrochen hat. Mein Mann wollte keine Nähe, seine Trauerbewältigung bestand darin, mit sich selber klarzukommen. Ewige Gespräche haben ihn weggetrieben. Bei mir war es das Gegenteil und ich war so dumm/naiv/bedürftig, dass ich ihm das als mangelnde Trauer ausgelegt habe (weil er nicht auf dieselbe Weise trauerte wie ich). Auch beim Thema Nähe hat jeweils der Einzelne die Entscheidungshoheit, wieviel er zulassen kann/will – das gilt es auch in einer Beziehung auszuhalten (bzw zu bearbeiten, wenn nicht aushaltbar). Das gilt für alle Emotionen, ob Freude oder Schmerz.
Ich habe übrigens gelernt, Trauernde, die ich begleite, ganz offen zu fragen, was ihnen gut tut und was nicht und das ab und zu wieder wieder abzugleichen, denn
/3 die Dinge ändern sich im Laufe der Zeit. Aber niemandem nimmt es einem übel, wenn man fragt oder – eben – einfach ab und zu ein Lebenszeichen gibt und an ihn denkt; dann ist es auch einfacher, um Hilfe zu fragen.
Carolina – mich beeinflussen die Menschen um mich herum. Das ist ein Fakt, dem ich mich nicht entziehen kann.
Aber vielleicht haben sie mich nicht ganz richtig verstanden. Es ging mir um die „allgemeine Erfahrung“ des Schweigens. Ich sagte in etwa: „was kann man anderes erwarten von Menschen die, auch sonst so sind“
Das Verhalten widerspiegelt – neben dem ersten Grund der Hilflosigkeit ! – eben auch die fehlende (und meist auch nicht erwünschte) Nähe.
Ich selbst verhalte mich in solchen Fällen im Grade der von mir empfundenen Nähe.
Leute die ich (vorher) nicht mochte z.B., vermag ich nicht zu trösten. Leute von denen ich das Gefühl habe, ich sei ihnen lästig auch nicht. Mit Menschen mit denen eine Offenheit vorher da war, werde ich auch dann reden.
Ich habe das schon so verstanden, RoXY: für mich persönlich stellt sich diese Frage nach dem Tod unseres Kindes so nicht mehr (aber natürlich dürfen Sie schalten und walten, wie Sie wollen) auf diese Weise. Ich gehe immer davon aus, dass, egal wie die Beziehung ‚vorher‘ war, ich vielleicht in irgendeiner Weise helfen kann (ja, ein gewisses Helfersyndrom spielt da auch eine Rolle, gebe ich zu 😉 – und habe eben in diesen Jahren festgestellt, dass oft alles anders wird, dass die Nicht-so-Dollen sich als die wirklich Hilfreichen herausstellen, die Knorzigen, mit denen ich eher Mühe hatte, als die Bedürftigsten.
Aber auch hier gilt das Prinzip: jeder, wie er kann und will, ist alles auf der Lernkurve.
Zu ihrer Situation: die kann ich sehr gut nachvollziehen. Wahrscheinlich wäre es bei uns sehr ähnlich.
Wir alle sind anders und fühlen auf eine andere weise. Aber aufhorchen lässt mich, wenn sie von „mangelnder Trauer“ sprechen.
Die Menschen auferlegen einander eine „Trauerschuld“, in gewissen Kulturen sogar ganz offiziell. Viele Rituale sind diesem Gefühl geschuldet, dass man (dem Toten gegenüber) zur Trauer und schuldbewusstem(!) Andenken verpflichtet ist.
Ich halte das für komplett verkehrt. Man soll Trauer nicht leugnen, ist ihr aber niemals verpflichtet. Sie nützt niemandem. Ihr einziger Nutzen besteht darin, dass sie uns hilft den Verlust (positiv) zu verarbeiten.
Wenn das jemand leichter verarbeiten kann, als jemand anders, ist dies kein Makel.
Carolina 13:01 – ich war auch mal so wie sie.
Hatte ein ausgeprägtes Helfersyndrom.
Kann das gut verstehen.
Warum das heute bei mir schon fast ins Gegenteil umgeschlagen hat, hat sehr spezifische Gründe, die ich leider nicht in diesem Forum ausbreiten kann.
RoXY: Genau das meinte ich ja: ich war dumm/naiv und viel zu sehr auf mich bezogen und das, was ich für die einzig ‚richtige‘ Art zu trauern hielt – nur aus dieser Haltung heraus konnte ich meinem Mann ‚mangelnde Trauer‘ vorwerfen – völlig falsch, verwerflich und extrem verletzend für ihn. Aber ja, so war ich damals und ich hatte das grosse Glück, das wir wieder zusammenfanden, weil er diese absolute Ausnahmesituation in unserem Leben mit mir und nicht gegen mich bewältigen wollte und konnte. Aber ich habe nach wie vor Verständnis für die persönlichen Abgründe, die sich da auftun können……
wer wollte nicht Verständnis dafür haben…
Ich verstehe Sie und ihren Mann beide sehr gut.
Aber das war nicht der Punkt. Man spürt es auch in vielen Kommentaren hier: dieses Schuldbewusstsein. Man hat das Gefühl man sei dem Verstorbenen etwas schuldig. Man hat ein schlechtes Gewissen, dass man selbst noch lebt und „glücklich“ ist. Dass man lacht, obwohl der andere nicht so viel Glück gehabt hat, es erscheint einem pietätslos.
Ein Bekannter zündete einmal während eines Konzerts das wir gemeinsam besuchten eine Kerze für seinen verstorbenen Bruder an. Als ob der Tote von einer unglückseligen Wolke aus zusehen würde und deswegen so etwas Trost über diesen Liebesbeweis findet.
Ich denke, diese Art zu denken sollten wir überwinden. Wir sollten alle Energie für die Lebenden haben.
Verstehen sie mich nicht falsch.
Ich habe auch jemanden verloren und wenn ich über die ganze Tragödie nachdenke, werde ich sozusagen auf Abruf von tiefstem Schmerz, Trauer und Wut heimgesucht.
Aber ich bin dieser Person nichts schuldig. Falls sie jetzt noch ein Bewusstsein hätte, wollte sie nichts anderes, als dass ich mein Leben geniesse und meine Liebe denen widme die noch leben.
Meine Erinnerung an sie soll mich froh machen oder weise. Sie bleibt ein Teil meiner selbst, aber ist nicht mehr Teil der Lebenden. Und allein die Lebenden sind die, die meine Aufmerksamkeit verdienen. Denn ist es nicht tragisch, dass viele Menschen um so sehr die Gegangenen trauern, dass sie die Lebenden vernachlässigen, die vielleicht morgen schon tot sein können?
RoXY: Ihre Haltung dazu in allen Ehren, aber ich sehe das anders: Rituale, die (meistens ja nur für eine Weile) die Verstorbenen ‚ehren‘ bzw an sie erinnern, sind für viele Menschen wichtig – sie mögen anderen gar nichts sagen, können aber einen wirklichen Trost für die Betroffenen darstellen. In der Regel kann ich darin kein Schuldbewusstsein entdecken, sondern den Wunsch, jemandem, den man verloren hat, nah zu sein. Zumindest in den vielen Fällen, die ich begleitet habe, ist diese Sehnsucht nur sehr selten auf Kosten der Lebenden gegangen – ich persönlich erinnere mich daran, dass gewisse Rituale mir anfangs Halt gegeben haben und es mir ein echter Trost war, wenn andere daran teilhaben konnten (auch wenn sie wahrscheinlich manchmal dachten, ich spinne).
Danke Carolina –
in meiner selektiven Wahrnehmung sind mir bis anhin nur die negativen Beispiele aufgefallen. Ist aber auch logisch, dass positive Beispiele, wie Sie sie beschreiben eben auch nicht auffallen.
Jeder Mensch empfindet anders und der Verlust eines Menschen ist auch nicht immer gleich. Es ist nicht das Gleiche einen Menschen „schmerzlos“ von einer Sekunde auf die andere zu verlieren, oder ihm über Jahre dabei zusehen zu müssen, wie er degeneriert und stirbt. Was ist schlimmer?
Man kann das Leid wohl nicht wägen.
Aber wahrscheinlich haben diejenigen, die plötzlich eines geliebten Menschen beraubt werden, mehr Bedarf ihn „zurückzuholen“ bzw. noch länger da zu behalten.
Ja, ich habe immer ähnlich gedacht – und dann starb mein Vater. Er war alt, starb relativ schnell, wie er es sich immer gewünscht hatte und gab uns noch mit, dass er ein gutes Leben gehabt hatte. Ich hatte immer angenommen, da trauert man um seine Eltern oder andere alte Menschen, aber da man weiss, dass sie ein Leben gehabt haben, ist dann auch irgendwann Schluss. Es war zu meiner Ueberraschung überhaupt nicht so – obwohl wir miteinander im Reinen waren. Ich konnte mir anfangs ein Leben ohne ihn kaum vorstellen, mein Verstand war ausgeschaltet und die Trauer übernahm mein Leben. Daraus habe ich gelernt, auch mit den Menschen, die ich betreue, vorurteilsfreier umzugehen und keine Sätze abzulassen wie ‚er war ja schon alt‘, ‚er hatte ja ein schönes Leben‘, ‚es war eine Erlösung‘ etc.
/2 Auch das gehört, wie Sie sagen, zu dem riesigen Spektrum, das Trauer sein kann. Für manche ist es grauenhaft, wenn der Tod plötzlich eintritt, für manche fast eine Erleichterung. Ich habe wirklich gedacht, nach dem Tod des Kindes kann es nichts wirklich Schlimmes mehr in meinem Leben geben – wenn jemand alt ist und stirbt, egal wie sehr ich ihn liebe, wahrt das wenigstens die biologische Ordnung. Aber ich habe mich geirrt! Und bin heute sehr, sehr vorsichtig geworden und warte immer erst mal ab, welche Signale die Zurückgebliebenen aussenden. Wahrscheinlich habe ich über die Jahre viele mit meinem nassforschen Mir-kannst-Du-nichts-mehr-vormachen verletzt…….
Danke auch für diese Gedanken.
Für meine Erfahrungen ist wohl dieses öffentliche Forum der falsche Platz.
Aber ihre Erfahrungen helfen mir hoffentlich einfühlsamer zu sein. Das Leid hat viele Schattierungen, ist individuell, und schwer zu wägen oder vergleichen.
Ja, das verstehe ich. Auch das ist eine ganz individuelle Sache. Uebrigens: das wirklich Allerletzte, was ich Ihnen vorwerfen würde, vor allem aus der Ferne, wäre mangelndes Einfühlungsvermögen! Dazu bin ich viel zu sehr gebranntes Kind! Sie werden schon Ihre Gründe haben…..
Danke für diesen Artikel. Ich war 2x betroffen von einer frühen und einer späten Fehlgeburt (hintereinander, in der Hoffnung auf das 1. Kind) und fand es v.a. bei Letzterer schmerzhaft, dass diese einfach mit dem medizinischen Abfall wegkam. Und die Reaktionen des Umfeldes waren sehr schwierig, aber man darf das auch nicht übel nehmen – auch Das Umfeld ist mit dem Umgang in solchen Situationen nicht gewohnt. Eins möchte ich dennoch schreiben: Bitte lasst den Frauen Zeit zu trauern, egal, wie lange die Schwangerschaft dauerte. Es ist nicht hilfreich, zu hören, man solle nach 4 Mte nach vorne schauen und nicht mehr trauern, denn dies braucht unterschiedlich viel Zeit.
Die Sternenkinder gehören genauso zu uns wie unser Sohn, den wir jetzt in den Armen halten dürfen.
Das ist es ja genau. Das Umfeld kann nicht mehr sagen, als das was es denkt und fühlt.
Wenn es nicht sicher ist, ob das nun erlaubt ist, dann müsste es etwas sagen, was es nicht denkt und fühlt. Und das ist selten gut.
Wünscht man sich mehr Offenheit, dann muss man auch damit umgehen können, dass einem nicht jeder Kommentar gefällt oder gut tut. Denn wenn nur noch stereotype Sätze kommen, ist das ja auch keine persönliche Anteilnahme mehr.
Ja, sehe ich auch so. Eine Arbeitskollegin von bringt bei dem Thema immer den Vergleich zu ihrem Hund, der gestorben ist. Stört mich nicht. Es ist ihre Anteilnahme und wir wissen ja beide, dass es nicht exakt dasselbe ist. Immer lieber etwas als nichts!
Wenn alle Menschen so verständnisvoll wie sie wären, würden wir sicher offener reden.
Reden ist ein guter Tipp, aber hilft oft nicht, wenn man doch nicht weiss, was sagen. Ich bin sonst nicht auf den Mund gefallen, aber gebe zu, dass es mir bei solchen Geschehnissen sehr schwer fällt. Wenn ich immer wieder lese, wie schnell sich so mancher durch eine einfache Frage angegriffen fühlt, dann ist die Verlockung gross gerade bei solchen sensiblen Themen, einfach die Klappe zu halten. Es ist im Normalfall nicht böse gemeint oder ein Zeichen, dass es dem anderen egal ist, sondern schlicht ein Zeichen von Überforderung und Angst, etwas falsches zu sagen. Eine Bekannte hat ihr Baby auch im 7. Monat verloren. Sie lebt im Ausland, ich hatte keine Ahnung, da wir aber bereits das erste gleichzeitig bekommen haben und wir gleichzeitig das zweite erwarteten, schrieb ich ihr
einfach eine E-Mail und fragte, wie es ihr gehe, ob sie sich auch auf die Geburt vorbereitet etc. und erzählte halt auch von meiner Schwangerschaft. Dann schrieb sie zurück, ihr Kind sei vor 3 Wochen verstorben. Darauf eine Antwort zu finden, wenn man selber mit einem gesunden Babybauch dasitzt und sie das ja auch weiss, war das Schwerste, was ich je tun musste.
Generell schweigen wir zu viel und sind zu ratlos in solchen Situationen. Wäre es jedoch anders herum, und jeder würde etwas sagen, bin ich überzeugt, das schnell mal der Ruf kommen würde, man solle etwas weniger reden und weniger Fragen stellen.
Deshalb ist die Verunsicherung auch verständlich. Auch der Trauernde sollte dafür Verständnis haben.
Das Problem ist doch viel eher, dass sich die meisten Leute trotz eigener Verunsicherung sich für besserwisserische Ratschläge trotzdem nicht zu schade sind. Und das kann in solchen Situationen schlicht niemand gebrauchen.
Nie falsch dürfte sein, einfach von der eigenen Betroffenheit zu reden, auch mal von der eigenen Überforderung. Trauernde kennen das, und haben sicher auch Verständnis dafür.
Die Trauerarbeit muss jede/r selber leisten, und zwar auf die jeweils eigene, ganz individuelle Art. Wichtig wäre es trotzdem, sich nicht dabei ganz allein gelassen zu fühlen. Nur darum geht es.
@ MF
Ich schätze das Problem ist auch, dass man nicht als egoistisch rüberkommen will, wenn man über seine eigenen Gefühle spricht, während es den Eltern ja wohl viel schlechter geht als einem selber. Ich habe damals nach Langem überlegen ehrlich geschrieben, ich hätte keine Ahnung gehabt und es täte mir sehr leid. Ich könne mir nur in etwa vorstellen, was sie nun durchmacht. Und Worte können das Leid gar nicht auffangen. Das ist anscheinend gut angekommen.
Ich bin überzeugt, das ist Ihnen so sicher gelungen, 13.
@13, 11:13
ich denke so viel mehr braucht es gar nicht, respektive wenn die Betroffenen dann vertieft austauschen wollen würden, hat man ihnen so die Türe dazu geöffnet.
Aber ein simples „das wusste ich nicht, tut mir von Herzen leid, mir fehlen die Worte“, also irgendwie gehört das doch ins soziale Einmaleins des Miteinander-leben.
ah, normal? nun sind leute nichtmal mehr normal, die eine floskel nicht über die lippen kriegen? aus lauter betroffenheit.
ich finde es zwar normal, aber wirklich unangebracht, dass nicht akzeptiert wird, dass leute verschieden sind. ich bin auch recht sicher, dass diese floskel längst nicht alle betroffenen so gut finden
PS: Das gilt auch für viele anderen Unglücke. z.B. schwere Krankheiten. Der Gedanke „Ich will die Person nicht daran erinnern, sondern lieber etwas ablebnken, wo sie sich sonst schon immer damit beschäftigen muss“ ist in 99 Prozent der Fälle grundfalsch. Man kann immer davon ausgehen, dass auch (fast) alle anderen Leute nicht darüber sprechen, dass die unglückliche Person sowieso daran denkt und dass es ihr folglich gut tut, es mit jemandem zu teilen. Ich fand die Fragen am Wichtigsten: Was ist passiert, warum, wie geht es weiter?
Einfach die Unsicherheit und Scham vergessen und auf die Person zugehen! Sagen, dass man überfordert ist, ist keine Schande. Aber aus Überforderung nichts sagen schon. Das ist feige.
ich würde mich nie getrauen, genau diese fragen zu stellen. das ist doch wahnsinnig persönlich. ich wäre auch mit den antworten überfordert. und mit einem fest, anlässlich des todestages des im mutterbauch verstorbenen kindes auch.
aus überforderung nichts zu sagen ist einfach symptom der überforderung. in den meisten fällen ist ansonsten doch nichts sagen immer noch besser als irgendeine floskel. nicht?
ich finds nun auch wieder nicht nötig, leute, die überfordert sind mit etwas wirklich tragischem, als feige zu bezeichnen
nicht alle menschen erleben die selben tragischen schicksale.
ich habe das selbe problem mit vielen depressiven bekannten. sie nerven sich, dass die leute überfordert sind mit dem leiden depressiver menschen. dabei ist depression doch auch nicht selten eine überforderung. warum erwarten menschen, die überfordert sind, dass ihr umfeld das bezüglich ihrer eigenen überforderung nicht sind?
leute, die so ein heftiges problem haben, die wollen ja verständnis. aber sie selber haben dann keins?
‚…aus Ueberforderung nichts zu sagen ist einfach symptom der überforderung…‘
Klar, stimmt. Kommt aber (in der Regel, natürlich auch nicht immer) beim Trauernden an als: ‚jetzt bräuchte ich sie und sie lässt mich links liegen‘.
Und ist vielleicht nicht feige (solche Verurteilungen verbieten sich), kommt aber so an, denn es geht in diesen Momenten mal nicht um sich selber, sondern um den anderen. Nur weil es Ueberwindung kostet und an eigene Aengste anrührt, dann lieber zu schweigen und/oder wegzubleiben, kann und ist extrem verletzend.
man kann sich so schlecht selber ausweichen darum geht es doch immer auch um einen selber, wenn man ehrlich ist. auch dieses „es geht mal nicht um einen selber“ finde ich, klingt wie ein enormer vorwurf. man reagiert nicht deswegen nicht, weil man mal wieder lieber um sich als seine eigene sonne kreist, sondern eben weil man überfordert ist. wie die eltern des verstorbenen kindes ja auch.
ich plädiere einfach für mehr verständnis von leute, die überfordert sind, anderen überforderten gegenüber
@tina
wenn man sich im näheren Umfeld, familiär, wohnmässig oder beruflich befindet und so eine Geschichte mitbekommt- und weiss dass man genau diese Fragen nicht stellen will, in der Lage ist zu formulieren dass man sich überfordert fühlt-
was sollte dann diesen Menschen daran hindern dies zum Ausdruck zu bringen? Einfach als Zeichen, dass man es mitbekommen hat, es einem leid tut, aber man keine Ahnung hat was man sonst dazu sagen soll? Inneres Wachstum und Vorwärtskommen ist bis ans Lebensende möglich.
ja natürlich. wer sagt denn, dass jemand nicht wächst, nur weil er mit einer sehr tragischen angelegenheit total überfordert ist. es gibt viele arten von sehr tragischen angelegenheiten. vielleicht ist derjenige ja in anderen dingen besser. vielleicht kriegt ers aber hier einfach nicht besser auf die reihe. und zwar nicht weil er feige ist, sondern weil niemand alles gut kann.
was ich eben einfach nicht verstehen kann, ist, wie erwähnt, dass leute gerne verstanden werden wollen, selber überfordert sind mit der lage, aber dann nicht verstehen wenn andere überfordert sind.
stell es dir doch mal vor tina: du verlierst dein kind, bist unermesslich traurig und überfordert mit der situation. du bräuchtest dringend menschen, freunde, familie, die dir beistehen und mit denen du sprechen kannst. aber niemand sagt etwas dazu. würdest du dann ernsthaft denken „ach ja, diese leute sind wohl überfordert mit der situation, das verstehe ich jetzt sehr gut“. vermutlich nicht…
natürlich kathy, dafür habe ich verständnis im moment des dramas. gerade das erleben von harten schicksalsschlägen führt oft dazu, dass man mehr verständnis hat für leute, die anders reagieren.
ich würde einfach empfehlen, dass man versucht, zu verstehen, dass die einen eben aus überforderung in eine art schockstarre verfallen. das ist auch eine form der anteilnahme. anstatt ihnen negatives zu unterstellen. ich glaube, das tut einem selber auch besser
Ich finde feige zwar nach wie vor das passende Wort (schliesse mich da auch nicht einfach aus, bin auch oft feiger als ich mir wünschen würde) aber Carolines Formulierung ist wohl schon anständiger.
mir geht das hier nicht um anstand, ich möchte schon wissen was die leute denken, unverblümt, ich bin ja auch nicht direkt vom thema betroffen und vertrage das gut.
aber es schockiert mich doch, wie hart die meinung von betroffenen zum teil ist. dabei stellen doch gerade beim verarbeiten von trauer viele fest, dass die menschen total verschieden reagieren (bei schweren krankheiten verhält es sich ganz ähnlich).
wie man es dann unter einen hut kriegt, verständnis zu wünschen aber nicht zu haben, ist wohl menschlich aber trotzdem widersprüchlich
Ich kann, ehrlich gesagt, Ihre ‚Fragen‘ nicht verstehen, tina. Für mich ist es relativ einfach (war es auch schon, bevor wir das Kind verloren hatten): es gibt Ausnahmesituationen, in denen ich und meine Befindlichkeiten hintan stehen müssen – da konzentriere ich mich darauf, wie ich jemand anderem helfen kann bzw ihm/ihr wenigstens das Gefühl geben kann, das man da wäre für sie, wenn gewünscht.
Habe ich keine Worte, überwältigen mich die Gefühle, weiss ich nicht, wie die Situation angehen, habe aber trotzdem das Gefühl, dass ich der anderen Person etwas Gutes tun könnte, überwinde ich diese Aengste (die ja nun im Vergleich mit dem Leid des Gegenübers oft wirklich lächerlich sind) und frage oder schreibe, dass ich da bin, dass ich an sie denke, mehr nicht. Und nach einer Weile
/2 wiederhole ich das und sage nur, dass ich an sie denke. Sie werden nicht glauben – das können wahrscheinlich alle Betroffenen bestätigen – wie schnell anfängliche Hilfeangebote und Sympathiekundgebungen verschwinden können, was wiederum den Trauernden den Eindruck vermittelt (wohlbemerkt, die immer noch in einer neuen Weltordnung versuchen, wieder Fuss zu fassen), man erwarte jetzt von ihnen, dass alles wieder sei wie vorher.
DAS kann man Menschen relativ leicht vermitteln (13 hat es erklärt): dass man selber nicht weiss, wie der Betroffene sich fühlen muss, aber für ihn da ist, wenn erwünscht. Es geht darum, dass man sich in einer völlig unfassbaren emotionalen (!) Ausnahmesituation, durch die man letztlich allein durchkommen muss, nicht ganz mutterseelenallein fühlt. Und das
/3 kann jeder mit ein wenig Empathie.
@Carolina
das beschreibt sehr schön was ich unter „das soziale Einmaleins des Miteinanders“ gemeint habe- zugegeben, es fällt vielleicht einfacher wenn man es vorgelebt bekam; aber ich finde auch dass man den Menschen etwas zutrauen/zumuten können dürfte.
ich hatte gar keine frage carolina. ich habe eingebracht, dass es mir nicht selten erscheint, dass menschen, die schwere schicksalsschläge erlitten mit denen sie nicht klarkommen, nicht selten dazu neigen, vom umfeld zu erwarten, dass dieses richtig reagiert. sogar nichtmal den schicksalsschlag betreffend.
die menschen sind mit verschiedenen dingen überfordert. gerade wenn man selber mit seinen grenzen konfrontiert ist, könnte man doch verständnis aufbringen für die, die das anderswo sind.
meine güte, ich sprach doch nicht von mir.
mit dem thema hat das nur insofern zutun, dass mich störte, wie wenig verständnis leuten entgegengebracht wird, die an grenzen stossen und nicht bringen, was wünschenswert ist.
oder anders: kennt ihr tatsächlich niemanden, der wirklich froh wäre, wenn er nicht angesprochen würde auf sein leiden?
ich glaube euch ja, dass ihr es nicht floskelartig bringt und sicher gut seid in sozialen dingen, so dass ihr feingefühl hat, wen man was fragt oder was sagt. trotzdem gibt es doch menschen, die möchten nicht in jeder lage von jedem angesprochen werden, und kriegen auch den eindruck, man müsse die leute fast noch selber trösten, die einem sagen es fehlen ihnen die worte.
es gibt eine reihe leute, die meiden allerlei anlässe, bloss um fragen von leuten auszuweichen. die sind dann froh um diejenigen, die so tun als ob nichts wäre.
In dunklen Stunden zeigen sich die wahren Freunde, da trennt sich die Spreu vom Weizen.
Ein sehr schwieriges Thema…
Auch ich habe meine Zwillinge im 9. Monat stillgeboren…
Leider war das Krankenhaus damals so ziemlich überfordert damit und die Hebamme erst recht…
Richtig verabschieden konnte ich mich damals nicht, das tut nach mittlerweile fast 10 Jahren immernoch sehr weh….
Das von Ihnen zu lesen tut mir weh. In den letzten Jahren hat sich enorm viel verändert im Umgang mit Fehl- und Totgeburten im Spital, zumindest in den Grossen. Abschiede werden gefördert, man macht Fotos und Fussabdrücke und ermutigt die Eltern, lieber etwas „zu viel“ zu machen als zu wenig. Zwei meiner Grossmütter haben auch spät ein Kind verloren. Sie wurden einfach betäubt und als sie aufwachten war das Kind weg. Das ist so unendlich traurig! Zumindest eine davon hat ihrem Bübchen dann aber trotzdem einen Namen gegeben und spricht auch ab und zu, selten, davon. Ich verstehe, dass Ihnen der fehlende Abschied immer noch weh tut! Mir tut auch manches noch weh, das ich unterlassen habe, weil ich nach der Geburt zu erschöpft war.
Vor kurzem habe ich in den Staaten über sogenannte „cuddle cots“ gelesen. Das sind gekühlte Baby-Bettchen die den betroffenen Eltern ein bisschen mehr Zeit mit dem Baby geben. Zeit zum kennen lernen. Zeit zum Abschied nehmen.
Für einige Familien wäre das bestimmt eine Möglichkeit, für andere eher nicht. Aber allein die Möglichkeit dazu zu haben finde ich schön. Neben einer guten und sorgsamen Betreuung unter und nach der Geburt.
Wir durften das Kind im Kinder-Kühlraum (genannt Regenbogenzimmer) auf der Geburtsabteilung Tag und Nacht besuchen, wenn wir wollten. Eine Freundin hat ihr Kindchen, noch ganz, ganz klein, in einem Körbchen nach Hause genommen bis zur Beerdigung. Ich weiss nicht, ob es für alle das richtige ist. Mir hat die Beschäftigung mit dem toten Körperchen geholfen, den Tod zu akzeptieren. Neugeboren sah es noch fast aus, als schlafe es. Mit jedem Tag sah es dann toter aus und so konnte ich es am Tag der Beerdigung geben. Es tat trotzdem noch wahnsinnig weh, als ich es das letzte Mal aus der Hand gab. Aber die völlig irre Hoffnung, es wache vielleicht doch noch auf war nicht mehr sehr gross.
Genau meine Geschichte.
@ML: Meinen Sie sensibel genug, um nicht mit den trauernden Eltern zu sprechen? Durch meine Geschichte habe ich ganz viele Eltern kennengelernt mit Fehgeburten und Totgeburten von der 8. bis zur 38. Schwangerschaftswoche. Alle (ALLE!) sagen, das Schlimmste ist, wenn jemand nichts sagt, nicht reagiert. Dabei stellt man seine eigene Unsicherheit, vielleicht auch die Angst abgewiesen zu werden, vor das Bedürfnis der Eltern nach Anerkennung ihres Schmerzes und ihres Kinds. „Unangemessene“ Reaktionen habe ich kaum je erlebt. Aber das Schweigen und nicht Fragen tut weh. Es ist ja nicht so, dass ich pausenlos davon reden wollte. aber Interesse und Beileid zeigen machen den Weg zu anderen Gesprächen, und vielleicht Ablenkung, überhaupt erst möglich.
Ich finde auch, dass reden hilft. Ich hatte meine Schwangerschaft in der Arbeit damals früh mitgeteilt, weil ich mit Chemikalien arbeitete, sodass darauf Rücksicht genommen werden konnte. Als Folge wurde dann auch die Fehlgeburt in der 8. SSW allgemein bekannt. Ich war überrascht, wie viele, auch ältere Kolleginnen und Firmenangehörige, mit denen ich nie zu tun hatte, mich danach angesprochen haben und mir ihre Fehlgeburtserlebnisse erzäht haben. Es hat mir geholfen zu sehen, dass ich damit nicht alleine war. Andererseits hatte ich das Gefühl, dass diese Frauen froh waren, ihrerseits darüber reden zu können. Es ist eben immer noch ein Tabu. Und seine Sternenkinder vergisst man nicht, egal wie kurz die Schwangerschaft war.
Es war eine sehr schwierige Zeit. Uns traf es auch unerwartet im achten Monat.
Bis dahin waren alle üblichen Kontrollen in Ordnung.
Ein Ereignis danach war sehr ärgerlich. Wochen nach dem ursprünglichen Geburtstermin bekamen wir ein Gratulationsschreiben von der Firma MILUPA.
Zum Glück bekam ich es in die Finger und konnte meine Frau vor dieser Taktlosigkeit in dieser schweren Zeit schützen. Bevor ich jetzt einen Shitstorm ernte, es war das einzige mal, dass ich eine Sendung abgefangen habe. Ich weiss nicht wie verbreitet dies Praxis der Firmen ist, ungeachtet der Situation ihre Werbeaktion fortzusetzen.
Die Wahrheit ist leider, dass niemand einem die Last der Trauer abnehmen kann.
… abnehmen wohl nicht,
aber mit-tragen-helfen und immer wieder zusprechen, dass man nicht vergisst!
… aber daran teilnehmen kann und darf man
Das stimmt sicher, Eisenbahner. Tatsache ist aber auch, dass Menschen auf ganz unterschiedliche Art trauern – keiner verlangt von den Freunden oder der Familie Coaching oder perfektes Verhalten, aber ab und zu ein Zeichen geben, dass man da wäre, wenn gewünscht, reicht völlig. Mein Mann und ich sind auf komplett unterschiedliche Weise mit unserer Trauer umgegangen, wir haben uns sogar für eine Weile getrennt – wofür ich mich heute noch schäme. Denn es hat diese weitere ‚Tragödie‘ gebraucht, bis ich erkennen konnte, dass Menschen nicht nach Schema F funktionieren, dass ihnen am besten geholfen ist, wenn man sie nicht be- oder verurteilt oder Erwartungen an sie hat, sondern einfach für sie da ist, wenn gewünscht. Und da muss man auch ein ‚Nein, jetzt nicht‘ ertragen können….
Man sollte sensibel genug sein, alles zu bemerken. Man sollte aber auch sensibel genug sein, nicht über alles zu reden.
Ja, stimmt!
Ist das jetzt ein „altes chinesisches Sprichwort“, oder stammt das von Ihnen?
Ich finde schon, dass man auch über derartige menschliche Grenzerfahrungen reden soll und kann, Frau Pallotta tut das nach meinem Empfinden auf sehr gefühlvolle, nachvollziehbare Art und Weise.
Dass nicht betroffene Leute nicht immer empathisch damit umzugehen wissen steht selbstredend auf einem anderen Blatt.
ich denke das sie damit auch anderen Paaren die in dieser Situation sind/gewesen sind etwas Mut zum „darüber reden“ gemacht haben. Manchmal kann über etwas reden sehr helfen – in einer solchen Lage ist es legitim sich jede nur erdenkliche Hilfe zu holen. Es gehört auch viel Mut dazu sich so zu öffnen – Danke Familie Pallottas für ihren Mut und ihr Vertrauen, dass das was ihnen passiert ist von uns allen mit Respekt wahrgenommen wird.