Abschiedsblog
Herzlichen Dank, liebe Andrea, für die Jahre als Mamabloggerin. Wir wünschen dir und deiner Familie alles Gute und freuen uns, dennoch hin und wieder von dir lesen zu können.
Das Mamablog-Team

Künftig leider nur noch selten als Gastbloggerin im Einsatz: Andrea Fischer Schulthess. Foto: Nicola Pitaro
Guten Morgen, guten Mittag und gute Nacht.
Dies hier ist mein letzter regulärer Mamablog. Nach fast vier Jahren ist es Zeit, ein neues Kapitel aufzuschlagen.
Und Zeit, einzusehen, dass Mütter von Teenagern nicht mehr unbeschwert über Familienthemen bloggen können. Die Landkarte, auf der ich mich thematisch noch bewegen kann, ist in der letzten Zeit immer weisser geworden. Der Tabu-Radiergummi vernichtet mittlerweile ein rechtes Mass an Geschichten, über die ich gern geschrieben hätte. Zu Themen, bei denen ich sehr wohl verstehe, dass meine Kinder nicht wollen, dass ich mich öffentlich darüber auslasse. Das will ich gern respektieren.
Natürlich gibt es auch so noch vieles, über das ich schreiben kann und das mir am Herzen liegt, aber nur noch wenig, bei dem ich aus dem Nähkästchen plaudern kann. Darum ist es Zeit, aufzuhören.
Die Rolle des Bloggers
Ich habe diesen Blog sehr gern geschrieben. Auch wenn er mir anfänglich sprichwörtlich schlaflose Nächte bereitet hat, weil ich schon im Voraus wusste, dass es wieder heissen würde «Frau Fischer, Sie sind eine schlechte Mutter, dumm, verantwortungslos etc.» – und das manchmal in einem Ton, der gelinde gesagt gewöhnungsbedürftig war. Aber es gab auch Lob, das mich bestärkt und sehr glücklich gemacht hat.
Irgendwann habe ich dann kapiert, wie das mit den Blogs läuft: Es geht nicht wirklich darum, sich persönlich angegriffen oder bestätigt zu fühlen. Man ist mehr eine Art Animator. Oder jemand, der einen Brocken in die Arena schmeisst, Gott sei Dank nicht sich selbst, und schaut, was damit passiert. Wer sich darauf stürzt und wer lieber gleich direkt auf die anderen losgeht, egal was gerade geboten wird, wer dabei die Manieren behält und wer die Anonymität des Web nutzt und Dinge sagt, die er oder sie wohl kaum jemandem live ins Gesicht sagen würden.
Ab dann hat es mir zunehmend Spass gemacht, Themen zu suchen, die mich berühren, ärgern, freuen, verwirren oder verunsichern – und darum vermutlich auch andere. Ich habe sie gewürzt, ab und zu eine Prise Moralin dazugetan, weil das halt in meiner Natur liegt. Zum Schluss habe ich dann noch ein Quäntchen Privates beigemengt, was bekanntlich den gesunden Voyeurismus in uns allen befriedigt. Dann habe ich geschaut, was passiert. Und nicht selten gestaunt.
Immer wieder habe ich mich hinterfragt, ob ich nicht zu viel Persönliches preisgebe. Aber letztlich bin ich der Überzeugung: Nur wenn man mit Leib und Seele für ein Thema einsteht und sich damit (bis zu einem gewissen Grad) verletzlich macht, wird ein Blog zu einer Herzensangelegenheit und macht Sinn. Ein Blog ist ja ursprünglich eine Art Tagebucheintrag, eine stets subjektive Betrachtung.
Es ist normal, normal zu sein
Und von wegen Sinn: Ja, ich finde, ein Familien-Blog sollte einen Zweck erfüllen. Er darf unterhalten, soll dem Leser aber auch zeigen: Du bist nicht allein. So wie dir geht es ganz vielen anderen auch. Gerade beim Thema Elternschaft gibt es noch immensen Nachholbedarf, da fast alle Eltern sich unzulänglich fühlen, sich sorgen, dass sie es nicht gut genug hinkriegen und sich oft alleingelassen fühlen mit diesen Zweifeln.
Darum braucht es meiner Meinung nach eben Leute, die hinstehen und sagen: Ja, ich habe abgetrieben, die Beherrschung verloren, mich über meine Kinder geärgert, auch schon meine Ehe vernachlässigt, bin zu einem Haushaltsmonster geworden oder zum Chaoten, mag nicht alle Kinder, die zu Besuch kommen, habe Angst vor dem Älterwerden, weiss nicht, wie ich die ersten drei Monate oder die Pubertät meiner Kinder durchstehe und so weiter und so fort.
Fehlt diese offene Note, bringt es wesentlich mehr, sich ein gutes Sachbuch zu kaufen. Da stehen viele schlaue Sachen drin. Nur meist nicht, wie normal es ist, normal zu sein. Am allermeisten hilft eh das Gespräch mit anderen, und zwar das schonungslos offene, selbstironische, liebevolle, in dem man sich gegenseitig auffängt. Gäbe es mehr davon, brauchte es vielleicht gar keinen Mamablog mehr und schlaue Ratgeber auch nicht.
In dem Sinn: Eltern aller Länder, vereinigt euch, redet, lacht, tröstet, beratet und unterstützt euch.
Danke, dass Sie meine Blogs gelesen haben, sie kommentiert, sich darüber geärgert, gefreut, ausgetauscht und hoffentlich auch mal gelacht haben.
Von Herzen alles Gute!
Andrea Fischer Schulthess
PS: Ich freue mich jetzt schon darauf, hier ab und zu einen Gastblog zu schreiben, wenn mich wieder mal etwas zu sehr juckt, als dass ich meine Klappe halten könnte.
27 Kommentare zu «Abschiedsblog»
Alles Gute Frau Fischer Schulthess. Ich habe den Mammablog noch nicht sehr lange mitverfolgt, eigentlich erst seit der Geburt meiner Tochter, aber Ihre Beiträge haben mich oftmals zum nachdenken angeregt. Insbesondere Ihre Beiträge Vorort mit den Flüchtlingen.
Liebe Frau Fischer
Sie werden mir tatsächlich fehlen – auch und gerade, weil ich mich an Ihren Texten manchmal gerieben habe, sie aber immer als authentisch und spannend empfunden habe.
Was Ihre Bemerkungen zum Umgang im Netz angeht: da steht es mir wirklich nicht zu, den Zeigefinger auszupacken, denn ich muss zu meiner Schande gestehen, dass ab und zu mein Temperament mit mir durchgeht. Vielleicht steht es noch nicht allzu schlimm, wenn man sich wenigstens im nachhinein für Fehler und Misstöne entschuldigen kann. Denn das sehe ich völlig gleich wie Sie: mir sind die authentischen, die fehlerhaften, die nicht so weisen und wissenden Eltern lieber als die, die alles zu wissen meinen, keine Fragen mehr zu haben scheinen etc. Und die ‚Mängelexemplare‘ (das ist liebevoll gemeint) lassen
/2 wir sicher ab und zu im Stich, denn am besten ist der MB, wenn man auf Augenhöhe neue Ideen bekommt, Anregungen, Kritik und – vor allem – Selbstironie.
Was die Teenager-Jahre angeht: wir haben bei zwei von diesen Exemplaren diese Zeit schon bestanden/manchmal überstanden – es ist machbar und wenn man eine gute Basis gelegt hat (und da bin ich mir bei Ihnen ziemlich sicher), auch durchaus eine lohnende Lernphase für die Eltern.
Alles erdenklich Gute für Sie!
Ich werden ihre blogs vermissen. Alles gute
Schade, Ihre Texte gehörten fast immer zu den besseren!
Mir wird der AF-Lesestoff aber vorerst nicht ausgehen; wir haben einen gemeinsamen Freund, und der hat mir kürzlich Ihren Roman „Motel Terminal“ geschenkt, den werde ich demnächst lesen.
Freue mich auf zukünftige Gastbeiträge!
Oh, danke für Ihre Gedanken, Andrea Fischer Schulthess! Vorallem unvergessen wird mir Ihr Einsatz im Flüchtlingscamp bleiben, der meine Erwartungen übertroffen hat. Danke für Ihre Erzählkunst und das Hinsehen. Bitte mehr davon. 😀 😉 😆
Ich kann mich nur als weitere Stimme im „schade, Frau Fischer“ Chor einreihen, liebe Andrea. Durch deinen Blog habe ich weitere andere spannende entdeckt! Es ist mein erster und wohl auch letzter Kommentar, gelesen habe ich nur die Allerersten, zu viele fand ich derart beleidigend, dass ich mich zu sehr aufgeregt habe. Das Bild mit dem „Brocken in die Arena“ verändert meine Betrachtungsweise, zack, schon wieder was von dir glernt 🙂 Freu mich schon auf den ersten Gastbeitrag! Herzlichen Gruss
Danke für Ihre Zeilen, die ich immer wieder gerne gelesen haben. Ich wünsche Ihnen alles Gute.
Obwohl, das mit der Ehrlichkeit stimmt nicht vorbehaltslos. Ihren letzten Beitrag zum Thema Strafe fand ich schon etwas provokativ, übertrieben und nicht ganz nachvollziebar. Jetzt geben Sie zu, dass Sie auch gerne mit uns gespielt haben („Brocken in Arena und schauen“). Mir lag es damals sehr am Herzen, mit einem persönlichen Beispiel aufzuzeigen, dass verhaltensauffällige Kinder nicht noch mehr Stress, sondern vielleicht eher jemanden brauchen, der sie zur Seite zieht und endlich mal fragt, ob alles in Ordnung ist. Für mich ein sehr ernstes und emotionales Thema. Und jetzt stelle ich mir vor, wie Sie sich beim Lesen unserer Reaktionen und Gegenreaktionen köstlich amüsierten.
Na, sei Ihnen gegönnt. Bleibe trotzdem bei meiner ersten Aussage und stufe das Vorgehen als „Theater“ ein.
Liebe Lucretia, ich darf und möchte Ihnen gern versichern, dass ich alle ernstgemeinten, sachlichen Kommentare durchaus als solche begriffen habe. Ganz herzlich, Andrea
Alles Gute!
Ganz toll finde ich Ihr Fazit: „fehlt diese offene Note, bringt es wesentlich mehr, sich ein gutes Sachbuch zu kaufen. Da stehen viele schlaue Sachen drin. Nur meist nicht, wie normal es ist, normal zu sein. Am allermeisten hilft eh das Gespräch mit anderen, und zwar das schonungslos offene, selbstironische, liebevolle, in dem man sich gegenseitig auffängt. Gäbe es mehr davon, brauchte es vielleicht gar keinen Mamablog mehr und schlaue Ratgeber auch nicht.
In dem Sinn: Eltern aller Länder, vereinigt euch, redet, lacht, tröstet, beratet und unterstützt euch.“
Genauso erlebe ich das: Helfen tun offene, ehrliche Gespräche mit anderen ehrlichen Eltern. Und dabei kann man auch gleich Wissenswertes aus guten Sachbüchern austauschen 🙂
Danke! Ihr Texte habe ich immer und gern gelesen, oft sprachen Sie mir aus dem Herzen, obwohl ich mittlerweile Mutter einer erwachsenen Tochter bin, aber keine Grossmutter und von daher im mamablog sonst eher weniger Interessantes finde.
Viel Freude und Erfolg in Ihrer Zukunft! Ich hoffe, man wird ab und an noch etwas von Ihnen lesen können.
Liebe Frau Fischer Schulthess,
danke für all die klugen, witzigen, informativen, nachdenklich machenden Beiträge! Oft habe ich Tränen gelacht und manchmal mit Ihnen gelitten, viele Beiträge vielfach geteilt. Viel Glück, gute Nerven und eine Prise Humor mit den Teenies sowie Spass an Ihren anderen Projekten. Ich freue mich schon auf Ihr nächstes Buch 🙂
Würde sonst nie ein Blog lesen. Habe auch noch nie etwas komentiert.
Vielen Dank
Animator! Das sehe ich auch so, darum lese ich auch mit grossem Interesse die Meinungen der Leser zum Artikel. Diese Diskussion, dieses Spektrum macht solche Beiträge spannend, und dies ist etwas, das wir zur Zeit des Papiers ohne Elektronik nicht hatten. Da liegt m.E. auch die Zukunft des Journalismus.
Darum werden Sie uns auch in Zukunft wieder animieren, womöglich öfter als Sie jetzt denken. Nicht zuletzt weil es Sie wahrscheinlich auch dann und wann juckt zu wissen, was denn die Leser zu einem Thema denken.
Danke für die offenen Worte! Alles erdenklich Gute, Ihnen und Ihrer Familie!
Mit Respekt und Anerkennung,
Cornelia Kafka
Wie schön, Frau Fischer! Schreiben Sie bald wieder, und alles Gute für Ihre Mama-von-Teenies Zeit!
Oh wie schade, ich habe immer nach ihren Blogs gesucht, wenn ich mal am lesen war.
Ihre Offenheit, Ehrlichkeit und Selbsterkenntnis habe ich besonders geschätzt, sie haben das Thema jeweils auf den Punkt gebracht, und das in einem super Schreibstil.
Hoffentlich können wir bald wieder etwas von Ihnen lesen.
Oh nein, die beste geht von Bord…
Besten Dank für alles, Fr. Fischer, und Ihnen alles Gute.
Seconded.
Da kann ich nur zustimmen!
Ihre Texte, wie könnte es anders sein als Theaterschaffende, haben mich immer auch durch ihre Ästhetik angesprochen.
Danke für poetische Momente und Ihnen alles Gute!
wunderschön geschrieben frau fischer, sie sprechen mir aus dem herzen. schön gibt es leute wie sie, die formulieren können, was einem beschäftigt und dies mit „normalen“ wie mir teilen.
ich werde ihre Beiträge vermissen, alles Gute!
Liebe Frau Fischer
Ihnen sei an dieser Stelle herzlich für ihre interessanten und manchmal unkonventionellen Beiträge gedankt.
Auch ich als nicht-Mutter aber pädagogisch interessierte habe sie immer sehr gerne gelesen und bereichernd gefunden.
Ich wünsche ihnen für ihr neues Kapitel viel Inspiration und von Herzen alles Gute!!!
have a good one – frau fischer! man merke. auch in zeiten der konventionen muss nicht immer alles „politisch korrekt“ sein. all the best.
Liebe Frau Fischer,
Wie schade!
Mir haben Ihre Bescheidenheit, Ihre Ehrlichkeit, Ihr Zivilcourage (indem Sie bewusst etwas preisgeben, was andere heftig kritisieren werden, damit Betroffene sich weniger allein fühlen) und nicht zuletzt Ihre Schreibkunst sehr gefallen. Nein, ich will nicht in Vergangenheit sprechen! Mir gefallen Ihre Beiträge immer sehr, menschlich wie litterarisch, und ich hoffe, wir dürfen bald wieder etwas von Ihnen lesen.
Interessant, was Sie zur Dynamik der Community sagen. Gestern habe ich mich auch darüber Gedanken gemacht. Sie haben völlig Recht: Egal was kritisiert wird, es geht nicht um den Verfasser.
Wenn mich etwas wütend macht, dann ist es meist so, dass es direkt oder indirekt schmerzhafte Erinnerungen hervorbringt. Und manchmal verletze ich andere, die sich durch meine Äusserungen persönlich angegriffen und hinterfragt fühlen. Auch, weil ich dann mitunter unsachlich bin (d.h. nicht ganz treu vereinfache, was zB in einem Beitrag steht – mea culpa).
In der letzten Zeit fand ich übrigens die Gespräche zw. Lersern angenehm und kooperativer. Kommentar für Kommentar lernt man sich (anonym, aber gerade deshalb) kennen und auch schätzen (selbst bei Uneinigkeit!).