Erziehen via Instagram

Original und Kopie: Cassie und ihr Vater Chris «Burr» Martin. Screenshot: Instagram therealburrmartin
Stellen Sie sich vor, Ihre Teenie-Tochter postet ein Selfie auf Facebook, auf dem sie im bauchfreien Top im Badezimmer steht und leicht lasziv in die Kamera blickt. Wie würden Sie reagieren? Sie bitten, es zu löschen? Wütend ausrufen, dass sie sich nicht so sexy inszenieren soll? Oder mit ihr ganz seriös und gelassen über die Wirkung solcher Bilder diskutieren?
Der Amerikaner Chris «Burr» Martin hat einen anderen, ganz eigenen Weg gefunden, auf solche Fotos seiner 19-jährigen Tochter Cassie zu reagieren: Er stellt ihre Selfies nach und postet sein Bild zusammen mit dem der Tochter auf seinem Instagram-Account. Was als witziger, aber doch ernst gemeinter Hinweis an den Nachwuchs gedacht war, über solche Bilder nachzudenken und gewisse Grenzen nicht zu überschreiten, hat sich mittlerweile zu einem richtigen Hype entwickelt: Medien auf der ganzen Welt haben über den «Selfie-Dad» berichtet, und Martin hat mittlerweile mehr als 42’000 Follower auf Instagram.

Sinnvoll oder nicht? Chris «Burr» Martin imitiert seine Tochter. Screenshot: Instagram therealburrmartin
Während die einen ihn und seine selbstironischen Bilder lieben, sind die anderen entsetzt ob seiner Erziehungsmethoden. Als ich die Fotos das erste Mal gesehen habe, habe ich mir auch an den Kopf gefasst und die Tochter bedauert, die sich mit einem solchen Witzbold als Vater herumschlagen muss. Und das während der Teenagerzeit, die sowieso schon herausfordernd genug ist, auch ohne dass die Freunde einen wegen des Papas auslachen.
Gleichzeitig hatte ich aber auch ein kleines bisschen Verständnis für den Vater. Klar hat man als Elternteil Mühe mit solchen Inszenierungen. Hat Angst davor, dass das Kind zu weit geht, sich zu sexy gibt. Und damit womöglich Leute anzieht, die man nicht in seiner Nähe wissen will. Oder sich später einmal selber über die eigene Naivität ärgert, weil die Bilder nicht mehr ungeschehen gemacht werden können.
Teenies wollen verschiedene Rollen ausprobieren
Auch Thomas Brunner, Leiter Beratung bei Pro Juventute, findet es grundsätzlich verständlich, dass Eltern wegen solcher Fotos irritiert sind. «In den meisten Fällen ist der Antrieb dahinter aber, sich selbst auszuprobieren und auszuloten, was und wie man auch noch sein könnte und wie nahe man an seine Vorbilder herankommt», sagt er. So gesehen seien die Bilder bloss ein Versuch, mit der Umwelt zu interagieren und sich in der Lebenswelt zu behaupten. «Also ein normaler Vorgang in der Entwicklung der eigenen Persönlichkeit.»
Als Vater die Bilder der eigenen Kinder nachzustellen und so seiner Irritation Ausdruck zu verleihen, sei eine Möglichkeit, um eine Diskussion anzustossen. «Der Vater hätte diese der Tochter zeigen können, um mit ihr darüber zu reden, was ihn genau irritiert und was seine Ängste schürt.» Die Bilder öffentlich zu posten, ist aus Brunners Sicht aber ein No-go: «Das zieht die Versuche des Mädchens, sich selber zu definieren, ins Lächerliche.»
Einfache Fragen stellen
Wie aber verhält man sich denn als Mutter oder Vater in solchen Momenten richtig? Was spricht man an und vor allem wie? Brunner rät, Fragen zu stellen. Ganz simple, fast naive Fragen wie «Was möchtest du mit den geschürzten Lippen aussagen?» oder «Warum macht eigentlich heutzutage jeder einen solchen Mund auf seinem Profilbild?». Darauf bekäme man manchmal ganz überraschende Antworten. «Meine 14-jährige Nichte zum Beispiel meinte auf die Fragen bloss, dass es doch spannender sei, auf dem Profilbild nicht sein wahres Selbst zu zeigen, sondern eben nur ein Bild von sich», so Brunner.
Übrigens: Cassie selber hat offenbar kein Problem mit den Bildern ihres Vaters. Er sei der grösste Komiker in der Familie, verriet sie «Us Weekly», und sie hätten sich alle sehr amüsiert ob der Selfies. In der Familie Martin scheint es Usus zu sein, sich gegenseitig zu veräppeln und gemeinsam darüber zu lachen. Auch wenn das für die meisten von uns in dem öffentlichen Ausmass nicht nachvollziehbar ist: Das klingt für mich nach einem ziemlich guten Papa-Tochter-Verhältnis. Und einer guten Basis dafür, über Probleme offen diskutieren zu können.
34 Kommentare zu «Erziehen via Instagram»
Schimpfen, ignorieren, nachäffen (das ist mir peinlich, also mach ich es jetzt für dich auch peinlich), dumme Fragen stellen oder wischi-waschi Interpretatinen, dass junge Menschen einfach nur verschiedene Rollen ausprobieren wollen, also eigentlich nur spielen wollen – ganz egal: all das dient dem Zweck, etwas nicht wahrhaben zu wollen. Was nicht sein darf, kann nicht sein. Wie wäre es damit, einfach mal zur Kenntnis zu nehmen, dass diese jungen Menschen sexuell attraktiv sein wollen? Kommt damit klar oder nicht, es ist wohl die schlichte Wahrheit. Brodelt es da jetzt in einigen Gehirnen? Gut so.
Ich hätte da schon noch ein, zwei kritische Anmerkungen:
1. Sei die Tochter 19, unabhängig davon wo man lebt sollte man dann alt genug sein, um selbst zu wissen was und wie man es tut – auch im Internet. Da braucht es keine Erziehung mehr, da ist man(n) dann definitiv zu spät.
2. Der Vater „en geile SIech“: Völliger Blödsinn, er ist nur peinlich! Als ich so jung war und die „Alten“ uns „Jungen“ Imitierten – nur peinlich und wenn’s dann noch die eigenen Eltern waren – voll peinlich! Die vorwiegend positiven Kommentare kommen alle von Männern (die sich ev. selbst so sehen oder sehen möchten). Natürlich nimmt’s die Tochter „humorvoll“ auf, was bleibt ihr anderes übrig wenn’s dann noch zu einem Hype kommt… ausserdem hat sie mindestens ein Ziel erreicht, nämlich Aufmerksamkeit.
Bin eine Frau und finde die Bilder ebenfalls toll!
Man kann das natürlich alles aus pädagogischer und psychologischer Sicht analysieren und hinterfragen. Dazu hab ich aber keine Lust und begnüge mich damit, festzuhalten, dass dieser Vater schlicht und einfach „en geile Siech“ ist. 😉
Neben dem witzigen Aspekt war das Ziel des Herrn Papa wohl auch ein didaktisches, nämlich der Tochter (und anderen Beobachtern) vor Augen zu führen, wie lächerlich und übertrieben der ganzen Selbstdarstellungswahn der Jugendlichen im Internet wirkt. Ob ihm das wohl gelungen ist?
…nicht nur der jugendlichen. dieses privileg erlauben sich mindestens so viele sog. erwachsene 😉
Wenn ich mich nicht trumpiere, haben wir hier schon wieder einen Hinweis auf Donald Trump. Schön geschrieben, marie 🙂
Typischer Schweizer Reflex: anstatt zu Grinsen regt man sich auf, weil der Vater die Tochter lächerlich machen würde. Wie ja aus dem Artikel hervorgeht, ist genau das Gegenteil geschehen. Bestimmte Entwicklungsschritte im Teenageralter kann man durchaus auch von einer witzigen Seite betrachten. Nicht alles ist blutiger Ernst und könnte mein Kind nachhaltig gefährden wenn ich jetzt nicht nach Büchlein auf eine Situation reagiere. Ich finde die Idee und die schauspielerische Umsetzung inklusive Requisiten und aufgemalte Tatoos des Vaters hervorragend.
sehe ich auch so. ein touch comedy + ein wenig witzeln ist doch prima, 🙂
.
(sie wird auch kaum ein lebenslages trauma davontragen, lach. Evt bleibt sogar was hängen, von der Ironie)
Ich finde, der Vater macht dies annähernd perfekt:
a) zeigt er durch die eigene Nutzung, dass er die genutzen Medien nicht per se verteufelt
b) regt er auf humorvolle und vor allem alters/soziogerechte Weise eine Diskussion über den Inhalt an.
Und bitteeee: «Das zieht die Versuche des Mädchens, sich selber zu definieren, ins Lächerliche.»
Das gehört halt auch zur ERZIEHUNG!
Absolut, stimme Ihnen und marie unbedingt zu: zum Sich-selbst-defininieren gehört nun mal auch, dass man an Hindernisse stösst, aufläuft, Grenzen bei anderen erreicht – hätte dieser Vater der Tochter wortreiche Predigten gehalten, hätte sie ihn als alten langweiligen Sack abtun können. Einen Vater, der über Humor und eine gehörige Selbstironie verfügt, kann man nicht einfach beiseite schieben; da besteht Hoffnung, dass sie über das Thema nachdenkt.
Ich finde die Reaktion des Vaters brilliant!
Seine Bilder offenbaren die Lächerlichkeit der Photos der Tochter, ohne Worte, ohne Diskussion – er hätte es perfid durch eine Drittperson organisieren können, hat aber Charakter bewiesen und es selber gemacht. So stellt er sich auch der Diskussion mit der Tochter. Super. Gut gemacht!
…es ist eben mehr als nur die photos der tochter ohne worte, ohne diskussion der lächelichkeit preis zu geben. es ist schlicht das offenlegen des grotesken posens grundsätzlich! 😉
Finde ich auch. Besonders witzig kommen die Bilder ja auch wegen der Ähnlichkeit der beiden rüber. Auch wenn sie jung und hübsch ist und er – naja, eher weniger, sieht man doch sofort, dass das Vater und Tochter sind. Und als engagierter Papa darf er das, was die Tochter ja auch bestätigt.
Sex sells, aber die erotischen Fotos der Tochter sind lächerlich? Gratuliere. An Heuchelei und Doppelmoral nicht mehr zu überbieten. Werfen wir doch mal einen Blick auf die Logik hinter Tom Gyger’s Reaktion. Was führt zu seiner Schlussfolgerung? 1. Er findet seine Tochter selber nicht erotisch (gesund), und kann sich auch nicht vorstellen, dass andere das finden könnten (nicht korrekt). 2. Er sieht die Transformation mit Schrecken – da steht sie vor ihm, die Ablösung, der Machtverlust. 3. Verwirrung. Da hat sich etwas verändert, also muss er sich auch verändern, aber wie? Welchen Kommentar nun abgeben? Mit welchen Augen nun seine Tochter betrachten? Da hätte dieser Artikel ansetzen können und etwas Kluges daraus machen können. Leider verpasst.
„Wie aber verhält man sich denn als Mutter oder Vater in solchen Momenten richtig? Was spricht man an und vor allem wie? “ Das ist ja jetzt nicht wirklich im Ernst eine Frauge – oder? Man/Frau spricht darüber und zwar schon lange bevor die Kinder auf sozialen Netzwerken aktiv werden. Auch über Befürchtungen, wie die Bilder auf einem selber wirken und und und……
„Man/Frau “ was ist das, die neue politisch korrekte und gendersensible Schreibweise? „Man“ stammt nicht von „Mann“, wie einige Feministinnen fälschlicherweise immer wieder propagieren: Im ursprünglichen Altnordischen bedeutete “man” „Mensch“ vgl. auch engl. wo-man = wif-man = Frau-Mensch. Das Wort für „Mann“ war nicht man sondern „wer“, vgl. z.B. die Sanskritwurzel „vIr“, wie in wer-wulf, dem Wolfsmann. Die Sanskritwurzel „man“ bedeutet hingegen “denken” und bezeichnet mit “manuSya” die denkenden Lebewesen, die Menschen (Mensch= sanskr. manuSya”).
Genau, da sollte man/frau/werwolf/vampir wirklich drauf achten!
VT, ich finde den Hinweis von HH hilfreich. Die Sprache verändert sich dauernd, und mensch ist ja nicht gezwungen, feministischen Sprach-Unsinn zu übernehmen. 😉
Nö, weder Mensch noch Menschin sind dazu gezwungen, „feministischen Sprach-Unsinn“ zu übernehmen. Sie sind aber auch nicht dazu gezwungen, sich in ebenso empörten wie lächerlichen Ergüssen darüber aufzuregen…
weshalb hackt man über eine bagatelle auf maia rum? sie schreibt doch etwas ausschalggebendes.
o_O
@marie: War nicht als „Rumhacken“ gedacht, sondern mehr als Gedankenanstoss.
Rumhacken wäre: „Das ist ja jetzt nicht wirklich im Ernst eine Frauge – oder? Man/Frau spricht darüber und zwar schon lange bevor die Kinder auf sozialen Netzwerken aktiv werden“. –> Vielleicht haben das die Eltern auch gemacht? Nützt es denn immer, wenn man mit Teenagern „vorher“ darüber spricht (schön wäre es!). Und ja, ich finde die Frage sehr legitim: „Wie aber verhält man sich denn als Mutter oder Vater in solchen Momenten richtig? Was spricht man an und vor allem wie? “ und und und
nicht alle eltern sind mit ausgeprägtem humor sowie selbstironie ausgestattet. diesen eltern ist vor solchen massnahmen dringendst abzuraten. das würde mit grösster wahrscheinlichkeit schief gehen.
also bleibt diesen eltern nichts anderes, als darüber zu sprechen. und kindern/pubertierenden ist der vorwurf der lächerlichkeit zu zumuten – insofern er berechtigt ist.
…die massnahme burrs hält die tochter ja ganz offensichtlich auch nicht davon ab, weiterhin grotesk zu posen. aber sie schätzt den vater und seinen humor; da hat der vater als vater und mensch offenbar alles richtig gemacht – deshalb bin ich bei dieser tochter zuversichtlich.
[doch ihr hackt auf eine bagatelle maias rum!]
Also empfinden Sie die Frage auch als legitim: „Wie aber verhält man sich denn als Mutter oder Vater in solchen Momenten richtig? Was spricht man an und vor allem wie? “
wie von MIR erwähnt: maia hat etwas ausschlaggebendes gepostet.
und ich füge auch noch etwas hinzu: sich als eltern entsprechend vorbildlich zu verhalten (bsp.: nicht grotesk zu posten, oder wenn man es selbst schon getan hat, das eigene verhalten mit entsprechenden begründungen kritisieren).
…und die aufzählung kann definitiv noch erweitert werden.
ähm… ich meinte „grotesk zu posen“ aber posten geht natürlich auch 😉
Ja, die Vorbildfunktion der Eltern ist sicherlich zentral, so sollte man zum Beispiel nicht wie Geri aus seinem Büro Selfies machen respeltive „posen/posten“ 😉
hh: bingo oder „cartong im sääli“!
😀
@H.H/Alpöhi
dass es ein simpler Verschreiber sein könnte, und eigentlich Mann/Frau hätte heissen sollen ist vielleicht die naheliegendere Erklärung…
aber warum heisst es denn überhaupt kinder und nicht kindsie? und solange maia doch mit ihren kindern redet, ist alles paletti.
„Das klingt für mich nach einem ziemlich guten Papa-Tochter-Verhältnis. Und einer guten Basis dafür, über Probleme offen diskutieren zu können.“ nicht nur: es zeigt, dass humor und selbstironie verdammt wichtige eigenschaften in einer funktionierenden beziehung sein können und hoffe, dass es auf die tochter abfärbt – bin da zuversichtlich.
ich gehöre zu denen die burr (und celeste barber) klasse finden.
Naja, das Mädel ist 19 und damit eine erwachsene, wenn auch junge Frau. Ich finde es immer problematisch, wenn die jungen Leute abstimmen und die vollen Rechte plus Pflichten haben, aber trotzdem als „Kind“ betitelt werden.
Wenn sie sich so zeigen will, ihre Entscheidung. Da htte das Reden darüber wohl früher anfangen müssen……..
Wenn ich mich richtig irre, wird man in Amiland erst mit 21 erwachsen.
Wenn ich mich nicht irre, wird man im Amiland nie erwachsen (siehe Donald Trump)