Brauchen Mütter einen Mama-Stempel?

Family having lunch

Hier ist ein Mama-Stempel ganz sicher nicht notwendig. Foto: Getty Images

Es gibt ja Lebenslagen, in denen Menschen gern ihresgleichen erkennen möchten, um sich zusammen zu tun oder um sich einfach nicht einsam zu fühlen. Das leuchtet ein. Sei der gemeinsame Nenner die sexuelle Präferenz, eine Glaubenszugehörigkeit oder eine Nationalität, was auch immer. Einleuchtend, dass es je nach Thema gewisse Codes gibt, um sich gegenseitig zu erkennen. Ein Kreuz um den Hals, ein Fisch auf dem Auto etc.

In diesem Sinne möchte eine Mutter spezielle Buttons anbieten, damit sich Mütter gegenseitig finden. So nach dem Motto: «Ich bin auch ein Mami.» Nun, das erscheint mir ein bisschen gar schräg. Es gibt wohl kaum eine Menschengattung, die man einfacher erkennt, als Mütter – hat eines oder mehrere Kinder dabei. Wenn man sich nicht grad auf den Spielplätzen der Upper East Side von Manhattan herumtreibt, ist die Chance sehr gross, dass es sich bei Frau mit Kind nicht um eine Nanny handelt, sondern eben um eine Mutter. Das sollte man auch ohne Beschriftung hinkriegen.

Und wenn eine Frau ihre Kinder grad nicht dabei hat, möchte sie vielleicht in diesen Stunden auch nicht ins Mamikörbli geworfen werden.

Die Initiantin von Mamaconnect begründet ihre Idee damit, dass Mütter oft einsam seien und es schwer sei, seinesgleichen zu finden und sich zu vernetzen. Damit hat sie natürlich nicht unrecht. Einsamkeit ist tatsächlich ein grosses Problem vieler junger Mütter. Ich erinnere mich nur zu gut an die ewigen Nachmittage, die sich wie Kaugummi in die Länge zogen zwischen missratenen Mittagsschläfchen und Gugusdada.

Aber dass man sich deswegen grad einen Mami-Stempel auf die Stirn drücken soll, finde ich eine triste Vorstellung. Vor allem, weil man damit vermutlich vor allem Kampfmamis anzieht, die sich so sehr über ihre Aufgabe definieren, dass sie über rein gar nichts anderes reden wollen als über Catiminikleidchen und frühkriechende Söhnchen. Oder über die Vorzüge von Waldspielgruppen und Familienhotels mit lactosefreiem Buffet. In solchen Kreisen habe ich mich oft einsamer gefühlt, als wenn ich allein war mit den Kids.

Damit wir uns nicht falsch verstehen: Ich habe nichts gegen Mamis dieser Härtestufe. Aber die brauchen nun wahrlich keine Buttons, um sich zu finden. Sie wissen auch so, wie man sich zusammenrottet in Spielgruppen, Muki-Turnstunden etc. Wie gesagt, das mag für die einen wunderbar sein, entspricht aber keineswegs jederfraus Selbstverständnis.

Sehr viele Mamas sehen sich nämlich auch nach der Niederkunft gern vor allem als den Menschen, der sie seit jeher sind. Jetzt einfach mit Kind und entsprechenden zusätzlichen Sorgen und Freuden. Dass sich zwei solche Mamas treffen, ist tatsächlich nicht sehr einfach.

Ihnen empfehle ich deshalb, sich in einem gewissen Mass mit der Einsamkeit auszusöhnen. Sie geht vorüber. Mit einer Handarbeit oder bei Bedarf auch mit einer Zigi auf einer Spielplatzbank kann man drauf vertrauen, dass sich ähnlich geschaltete Mütter mit etwas Geduld schon finden. Diese Freundschaften sind dafür umso haltbarer auch über das Kleinkinderalter hinaus. Freundschaften eben, die auch andere Themen abdecken als Fortpflanzung.

Die Initiantin der Buttons hat übrigens noch eine weitere Idee, die ich tatsächlich sehr begrüssenswert finde: Einen Guide für mamafreundliche Restaurants und Cafés in Zürich. Zwar braucht es auch an solchen Orten Zeit, um herauszufinden, welche Mit-Mama einem auch als Mensch liegt. Aber es ist nicht nur genial, weil Mütter im Dienst wissen, wo man sich trifft. Nein, als ganz oder Teilzeit kinderfreier Mensch erfährt man so auch, in welches Café man sicher nicht hingehen soll, wenn man grad keinen Bock hat auf Bananen, Pancroc, Schnuddernasen und Feuchttücher.

Keine Angst: Man ist kein Kinderhasser, nur weil man nicht immer Lust auf Muki-Groove hat. Oder auf einen «Ich bin auch ein Mami-Button».

28 Kommentare zu «Brauchen Mütter einen Mama-Stempel?»

  • Mandy sagt:

    Liebe Frau Fischer Schulthess,
    sie schreiben mir wie immer aus der Seele:-)

  • mok2nd sagt:

    Für mich als junger, neuer Papi ist eher das Problem, dass ich jeweils befürchte, dass das Mami auf dem Spielplatz mein Smalltalk oder Lächeln als Flirt auffasst. Und ich mir nicht sicher bin, ob mein Smalltalk eigentlich eher ein Flirt ist….
    Männer gibts nicht so viele, und mit denen quatschen, einfach weil sie Männer sind, ist auch doof 🙂
    Aber wie schon angetönt von anderen Kommentierenden; Besucht man immer wieder die gleichen Plätze, enstehen aus Smalltalk (keine Flirts, sicher) Bekanntschaften (SMS-Nr. zum abklappern, ob zufällig auch gerade draussen) und von denen dann irgendwann bleibt vielleicht eine Freundschaft.

  • Kim Kim sagt:

    hmmm… also ich suche mir meine Freunde nach dem Charakter und nicht nach der Anzahl Kinder aus…

  • Samichlous sagt:

    Dass sich Eltern über Kinderthemen austauschen ist doch auch normal. Die kinderlosen Bekannten will man nicht langweilen, und ausserdem haben die ja auch keine Erfahrung und kaum Ahnung über welche Spielgruppe wo welches Konzept etc… Also werden solche Themen unter Eltern umso mehr besprochen, weil der restliche Teil des Alltags so familienfern organisiert ist.
    Heute leben ja irgendwie alle Altersgruppen von einander getrennt; in Ghettos. Kinder in Kitas, Alte im Altersheim. Familienrestaurants und kinderfreie Zonen. Da findet mancher nur noch „unter Seinesgleichen“ Verständnis.

  • Sportpapi sagt:

    Für die meisten Mamis und Papis sind gerade die erwähnten Angebote eine einfache Gelegenheit, andere Eltern kennenzulernen. Und die mag man dann, oder nicht, und macht häufiger etwas mit ihnen, oder nicht.
    Aber ich verstehe nicht, wieso man einerseits da nicht dazugehören möchte, sich abgrenzt von „Kampf“Müttern etc., aber andererseits dann über einsame Stunden mit den Kindern klagt.

    • 13 sagt:

      Vielleicht weil man die Einsamkeit doch dem Zusammensein mit Menschen, mit denen man nichts anfangen kann, vorzieht? Also, ich habe auch solche Tage, wo ich eigentlich gerne jemanden treffen würde, wenn aber diejenigen keine Zeit habe, bin ich lieber allein als mit anderen krampfhaft Smalltalk-Themen zu suchen….

      • Sportpapi sagt:

        Wie Sie oben selber schreiben, gibt es auch an solchen Orten ganz unterschiedliche Menschen. Ich habe jedenfalls spannende Eltern im VaKi oder in der Waldspielgruppe getroffen.

  • Brunhild Steiner sagt:

    „…Nein, als ganz oder Teilzeit kinderfreier Mensch erfährt man so auch, in welches Café man sicher nicht hingehen soll, …“
    🙂

    War nicht auf entsprechender Seite, aber wenn das Guide-Angebot für Zürich gedacht ist, dann die fehlenden Kontakmöglichkeiten ebenfalls in Zürich erlebt? Obwohl es von netzwerkfördernden Angeboten fast überfliesst? Säuglingskontrollen bei den Elternberatungen für die Erstkontakte, Quartierzentren mit Angeboten für alle Kinder-Alterstufen, Stillgruppen- und vieles mehr? Es tut mir leid wenn sich frischgebackene Eltern einsam fühlen, aber das wird mit einem Griff zu Adresslisten, die an babyspezifischen Orten überall aufliegen, schnellstens behoben; und eher nicht mit einem Button.

  • Klischée ? sagt:

    Bin noch nie einem Kampfmami begegnet. Weder bei Babymassage, ElternKindSingen, ElternKindtreff noch nicht mal beim Stilltreffen der La Leche Liga. Im Gegenteil, die teils engagiertesten Mütter, die wusste wo es laktosefreies Essen gibt, die wussten wieviele Inhaltstoffe Muttermilch hat oder welche Spielgruppe welches Konzept hatte, warenoft auch diejenigen, die wussten was kulturell grad läuft in der Stadt und konnten humorvoll über die nächsten Abstimmungsthemen reden. Negative Frauenbegriffe wie „Kampfmami“ ist wohl ein frauenfeindliches Konstrukt oder eine ausgestorbene Rasse. Zumindest der Sache der Frau nicht gerade dienlich.

    • 13 sagt:

      Da haben Sie zu 100% recht, ich erlebe es auch so. In meinem Umfeld finden sich viele Mütter, die Gordon zitieren können und zwei Jahre stillen, aber gleichzeitig einen mind. 60%-Job in einer Kaderposition haben. Das zeigt mir halt auch, dass man sich nicht so sehr verändert, wie einem einige einreden wollen. Diejenigen, die gerne informiert sind, gerne lesen, diskutieren und sich interessieren, die tun das in „Mütterthemen“ genau gleich wie in anderen. Wer nicht der Typ dafür ist, wird auch hier nicht plötzlich Tausende Bücher lesen. Wem vorher der Umweltschutz nichts sagte, der wird sich auch mit Kind nicht darum kümmern, ob eine Pampers ökologisch abbaubar ist. Mütter (wie auch Väter ;-)) sind doch in erster Linie einfach Menschen.

  • 13 sagt:

    Klar gäbe es auch noch die Möglichkeit, einfach mit anderen Menschen zu kommunizieren, ein Gespräch anfangen und dabei einander kennenzulernen und zu erfahren, ob die Frau gegenüber auch Mutter ist, ob man auf einer Wellenlänge schwimmt etc. Aber das wäre ja wirklich sehr old school, nicht wahr?

  • mia sagt:

    „Mama-Stempel“???!!!! Der Schwachsinn nimmt erschreckende Formen an.

    • Lichtblau sagt:

      Mir ist Punkrock lieber als „Pancroc“. Und klar gibt es Mamas, die ähnlich empfinden. Ich habe die immer zuverlässig erkannt, auch wenn es – je länger, je mehr? – Nadeln im Heuhaufen sind.

    • Ulrich Gassner sagt:

      Ich finde, sie brauchen tatsächlich einen Stempel. Nein, wirklich.

  • Hp sagt:

    ES gibt mütterliche Frauen und andere Frauen (nicht mütterliche Frauen).

  • Jürg. sagt:

    Ich staune immer wie ihr euch in der Vergangenheit bewegt, wieso wollt ihr die Väter immer ausgrenzen?

  • LoriLo sagt:

    Ich finde es war noch nie so einfach Kontakt mit anderen zu knüpfen wie jetzt, seit ich ein Kind habe. Das beginnt ja schon im Geburtsvorbereitungskurs und geht dann weiter mit all diesen Kursangeboten überall oder einfach auf dem Spielplatz. Ich muss eher schauen, dass ich nicht zu viele Mamis treffe, denn mit Teilzeitjob Ist die freie Zeit schnell wieder vorbei. Umso mehr geniesse ich diese herrlichen, terminfreien Stunden, in denen man den Tag einfach mal auf sich zukommen lassen kann und schauen, was er so bringt…

  • alam sagt:

    Also ich war froh, andere Mütter kennenzulernen im Zusammenhang mit Waldspielgruppe, Muki-Turnen, etc.

  • Severina sagt:

    „Kampfmami“, ich weiss nicht, ist dies nicht ein Konstrukt? Ich kenne jedenfalls keine. Das Sich-alleine-Fühlen mit Baby hingegen habe ich selbst phasenweise erlebt. Nun, auch das Sich-alleine-Fühlen ohne Baby … Brauchen wir denn jeweils die Gesellschaft solcher, die Ähnliches erleben – z.B. die Gesellschaft einer weiteren Geschiedenen, eines weiteren „Kampfmamis“, einer weiteren Neuen im Quartier etc.? Mein Freundeskreis besteht aus einem guten Mix: aus Ähnlichen zum gemeinsam lachen und weinen, aus Verschiedenen, um sich gegenseitig zu inspirieren und herauszufordern.

  • Malena sagt:

    Vielleicht braucht es ja einfach zwei verschiedene Buttons, damit wir uns nicht irrtümlicherweise falsch befreunden:
    Mutter Typ 1 (definiert sich so sehr über ihre Aufgabe, dass sie über rein gar nichts anderes reden will als über Catiminikleidchen und frühkriechende Söhnchen)
    Mutter Typ 2 (sieht sich auch nach der Niederkunft gern vor allem als den Menschen, der sie seit jeher ist)

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