Soll mein Kind zurückschlagen?
Ein Papablog von Nils Pickert*

Darf mein Kind sich wehren, wenn es angegriffen wird? Foto: Akarkayu, Flickr.com
Es gibt nicht viele Punkte, in denen ich mich in Erziehungsfragen von der Mutter meiner Kinder und Frau meines Lebens unterscheide. Wir kennen uns seit mittlerweile zwei Jahrzehnten und haben seit einem Jahrzehnt Nachwuchs. Ausreichend Zeit also, um sich so ziemlich über jedes strittige Thema zu verständigen und gegebenenfalls zu einigen. Aber über diese eine Sache werden und werden wir uns einfach nicht einig: Dürfen Kinder zurückschlagen, und wenn ja, ab wann? Meine Frau ist der Meinung, dass Gewalt keine Option sein sollte. Niemals. Sie ist fest davon überzeugt, dass sich jeder Konflikt auch auf andere Weise lösen liesse und Gewalt ihn immer nur noch mehr eskalieren lasse.
Ich hingegen bin der Auffassung, dass das Einsetzen von körperlicher Gewalt schon eine Stufe der Eskalation darstellt, in der es in einigen Fällen nicht nur möglich sein sollte, sondern angebracht ist zurückzuschlagen. Wenn Kinder einfach nicht mit ihrem übergriffigen Verhalten aufhören. Wenn alles Reden, Klarstellen und Ermahnen nichts hilft und dem geschlagenen Kind nicht eine einzige Möglichkeit geboten wird, sich aus der Rolle des Opfers zu befreien.
Wahrscheinlich sehen wir das unterschiedlich, weil wir unterschiedlich aufgewachsen sind. Meine Frau ist nie in die Verlegenheit gekommen, auch nur darüber nachzudenken, sich körperlich zur Wehr setzen zu müssen. Eine Kindheit und Jugend in einer friedensbewegten Familie mit hohen Idealen und dem Willen, sie auch zu realisieren. Gewalt ist ihr zutiefst zuwider.
Ich wurde einige Male mit Situationen konfrontiert, in denen ich für mich keine andere Möglichkeit gesehen habe, als mich aus ihnen herauszuprügeln. Als man einfach nicht aufgehört hat, immer wieder Kämpfe mit mir zu suchen. Als es keinen anderen Fluchtweg gab als den durch die Person hindurch, die mir grinsend den Ausgang versperrte und vorhatte, mich auszurauben und zu schlagen. Ich bin nie zufrieden, wenn ich Gewalt anwende. Aber ich war mehr als einmal froh darüber, dass ich davor nicht zurückschrecke. Was bleibt, sind Fragen und Zweifel.
Was setzt man einem unbedingten Willen zur Gewaltanwendung entgegen? Für meine Frau ist die Antwort klar: den unbedingten Willen zur Gewaltlosigkeit. Für mich ist das deutlich schwieriger. Denn obwohl ich von meiner Position, dass man manchmal eben zurückschlagen muss, überzeugt bin, ringe ich um ein schlüssiges Konzept. Wenn man diese Büchse der Pandora einmal geöffnet hat, ist man für alle Folgen verantwortlich und muss auf alle Fragen eine Antwort haben:
- Wann sind Kinder alt genug, um einschätzen zu können, was adäquate Gegenwehr bedeutet?
- Darf ein Kind jemanden schlagen, der es verhöhnt? Bestiehlt? Bespuckt?
- Wie läuft das im Detail ab: Auge um Auge, Zahn um Zahn? So oft zuschlagen, wie man selbst geschlagen wurde? So heftig? Wie misst man eigentlich Heftigkeit? Und sollte jemand, der einen über Wochen gepeinigt hat, das Gleiche erfahren oder lieber eine Stunde lang exzessiv vermöbelt werden? Reicht vielleicht auch nur ein Verwarnungsrempler?
- Schlägt man auch Leute, die andere aufgefordert haben, einen zu schlagen?
Ich bin nicht einmal ansatzweise in der Lage, diese Fragen erschöpfend zu beantworten. Stattdessen ertappe ich mich bei Ausweichstrategien: je nachdem, wird man sehen, schauen wir mal, so weit kommt es ja vielleicht gar nicht. Das Ganze ist mir ziemlich unangenehm. Noch unangenehmer ist mir allerdings die Vorstellung, dass meine Kinder sich Gewalt in bestimmten Situationen als letzte Option versagen. Für mich ist der unbedingte Wille zur Gewaltlosigkeit in den meisten Fällen ein nobles Ziel, dem ich grundsätzlich gerne nacheifern möchte.
In einigen jedoch ist es die Zwangsverpflichtung, sich zum unbedingten Opfer zu machen. Das Bekenntnis zum Gewaltverzicht kommt in diesen Fällen einer Einladung zu mehr Gewalt gleich. «Du kannst mich ruhig weiter schlagen, ich werde mich sowieso nicht wehren.» Genau das ist es, was ich meinen Kindern ersparen will. Ich habe keine Antworten auf die Detailfragen. Ich will einfach nur, dass ihr Gegenüber sich das mit der Gewaltanwendung gut überlegt, weil es das Echo vertragen müsste.
Aber so einfach ist es wohl nicht.
*Nils Pickert lebt mit seiner Familie in Süddeutschland. Er hat eine monatliche Kolumne auf Standard.at, in der er sich mit den männlichen Seiten der weiblichen Emanzipation beschäftigt.
Dieser Beitrag ist neu unter www.tagesanzeiger.ch/soll-mein-kind-zurueckschlagen-864804373758 zu finden.
145 Kommentare zu «Soll mein Kind zurückschlagen?»
Ich wurde als Kind/Teenager gehänselt und beschimpft … ich war extrem traurig, verzweifelt und hoffnungslos. Sie hörten nie auf … bis ich einer von ihnen fest am Kragen gepackt habe, ihn an die Tafel gedrückt habe und gesagt habe, dass jetzt Schluss mit diesem Scheiss, sonst können er was erleben.
Ich glaube ich habe dabei ein sehr schlimmes und furchteinflössendes Gesicht gemacht, denn von diesem Moment an war Ruhe im Karton.
Auch als „Mädchen“ und nun Mutter einer Tochter sage ich, dass zurückgeschlagen werden darf. Die Opferrolle abzulegen ist für die Entwicklung extrem wichtig.
Gerade Mädchen müssen Nein sagen können und sich entsprechend durchsetzen. Grenzen setzten und grenzen der Anderen respektieren.
Ihre Frau lebt auf einer rosaroten Wolke; sorry.
Also aufgewacht, ihr Leute, die ihr immer noch denkt, Gewalt sei ein ganz normales, natürliches Mittel, um zwischen Menschen entstehende Probleme zu lösen. Gewalt ist feige und sie entsteht aus der Angst vor der Kritik an den Eltern, die einem Gewalt angetan haben. Dadurch wird nämlich die aufgestaute Wut (die eigentlich den Eltern gilt!), gegen andere gerichtet (vor allem auch gegen die eigenen Kinder!).
doch heute ist endlich die Zeit gekommen, mutig zu sein und eine unmenschliche, lieblose, achtlose Haltung von Eltern gegenüber ihren Kindern zu hinterfragen, ja zu kritisieren und zu verurteilen und allen neugeborenen Menschen mit einer anderen, einer natürlichen, Vertrauen und Achtung schenkenden, liebevollen Haltung zu begegnen und sie nicht mehr länger zu erziehen, sondern mit ihnen eine respektvolle Beziehung aufzubauen.
Gewalt kommt nämlich nicht durch die neugeborenen Menschen in diese Welt, sondern sie wird immer wieder neu erzeugt und „produziert“ durch Eltern und andere sog. Erwachsene, die ihre selbst erlittene Gewalt in der Kindheit verleugnen und dadurch weitergeben.
in welcher Form auch immer, haben dies in den Jahren ihres Aufwachsens gelernt und zwar dergestalt, dass sie selbst Gewalt ausgesetzt waren!
Und wenn ein Mensch als Kind Gewalt ausgesetzt ist – egal welcher Art -, und wenn niemand diesem Kind beisteht, ihm hilft und es beschützt, so ist die Gefahr sehr gross, dass dieser Mensch später in verschiedenen Situationen ebenfalls zu Gewaltmassnahmen greift, um irgendein Problem zu lösen. Entscheidend dabei ist allerdings, ob dieser Mensch die selbst erlittene Gewalt verleugnet oder nicht! Wenn er sie nämlich NICHT verleugnet, was heisst, dass er sich selbst erlaubt, zu merken, was ihm alles angetan wurde, und auch den Mut aufbringt,
Grundsätzlich würde ich sagen, dass jeder Mensch, der angegriffen wird, selbstverständlich das Recht hat, sich zu verteidigen und sich also mit seiner Körperkraft wehren darf, wenn ein anderer Mensch ihn bedrängt und übergriffig wird, insbesondere, wenn er sich und sein Leben in Gefahr sieht.
Die Frage ist aber, woher kommt denn bei so manchen Menschen das Bedürfnis oder vielmehr der Zwang/der Drang, gegen andere Menschen Gewalt anwenden zu müssen bzw. zu wollen? Wo bzw. bei wem lernen diese Menschen dieses Verhalten?
Die Antwort ist ebenso einfach wie eindeutig: bei ihren Eltern bzw. bei denen, die sie erziehen! Alle Menschen, die später in ihrem Leben Gewalt anwenden,
45 jähriger Secondo. . Nach meinem Studium, 20 Jahre her, Eintritt in die Privatwirtschaft. Buchkauf: Sunzi – die Kunst des Krieges. Heute Vater zweier Kinder im Primarschulalter.
Ich teile die Meinung vieler Mitschreiber. Als Secondo hatte man es nicht immer leicht, sei es wegen Hänseleien auf dem Schulhof (Tchingg, Usländerpack…), sei es wegen des braunen Gedankengutes, das in der CH Gesellschaft verankert war und ist (Schwarzenbach-Initiative und wir Kinder mussten lernen, mit den vorsorglich gepackten Koffern in der Stube leben zu können…).
Ich habe meinen Kindern beigebracht, sich mit Worten und Fäusten wehren zu können, falls nötig (siehe Sunzi), aber dann mit voller Konsequenz. Zu unterscheiden, ob nun Ignorieren, das treffende Wort, die harte Faust (Brazilian Jujitsu), ein „netter“ Begleiter (zB der liebe und ruhige 150kg Onkel oder dessen lieber und ruhiger 50kg Hund…) oder der Anwalt die richtige anwendbare Taktik sei, muss im Verlaufe der Zeit gelernt werden. Alters-, stufen-, bildungs-, situations- und personengerecht. Das setzt voraus, dass man einen klaren, angstfreien Geist besitzt, und Situationen vor Eintreten des Ernstfalles in zig Varianten analysieren kann (Vor-Aussicht), statt sich, wie oft in der Schweiz üblich, sich dem „Schicksal“ „opfert“, weil „man es ja nicht so tut in der Schweiz“. Beim Erlangen eines solchen Geistes sind diverse Hilfsmittel und Coaches angebracht: bei mir war es mein Judo Sensei, bei anderen mögen es andere Wege sein. Das Ziel bleibt aber letztendlich, glücklich zu werden und zu bleiben, auch wenn der Angreifer eben mit einer gebrochenen Nase flennend zu Mami rennt oder der Betrüger für eine gewisse Zeit im Gefängnis leben darf. Darauf ein Zitat aus American Beauty „I’m just an ordinary guy with nothing to lose.“
Ich wurde in der Schule Jahrelang gemobbt und teils auch verhauen weil ich nicht wie der Rest der Klasse aus der „Rietlisidlig“ wohnte.
Die Lehrer unternahmen nichts. Gespräche mit den Eltern brachten genauso wenig. Das zog sich hin über Jahre, bis wir umzogen.
In der neuen Klasse hatte es aber auch drei Jungs die mich aufs Korn nahmen. Nur diesmal war ich schlau genug mich zu wehren.
Also kaufte ich mir ein paar Doc`Martens Stiefel mit Stahlkappe und passte einem der drei nach der Schule ab. Der bekam dann den Frust der letzten Jahre zu spüren.
Danach erklärte ich ihm, dass wenn ich nochmals Probleme mit ihm oder einem seiner Freunde bekomme, ich ihm alles drei-fach heimzahlen werde und dies nur ein Vorgeschmack gewesen sei auf das was ihm dann blühe.
Nun er hat`s kapiert und ich hatte von da an Ruhe.
Ich bin kein Fan von Körperlicher Gewalt. Aber es gibt leider Situationen wo es nicht anders geht. Wenn meine Kinder in spee diese Probleme auch haben sollten, werde ich ihnen genau dieses Vorgehen empfehlen. Genauso wie ich es auch einem meiner Pfadis vor Jahren empfohlen habe. Auch dort hat es Wunder gewirkt.
Ich bin Mutter eines 7jährigen Jungens. Da er immer etwas kleiner ist als seine Mitschüler meinen viele in der Schule mit ihm machen zu können was sie wollen. In den Schwitzkasten nehmen, mit den Daumen auf den Kehlkopf drücken, anrempeln usw.
Obwohl er seit 2 Jahren Taekwondo macht, traut er sich nicht, das Gelernte bei seinen Mitschülern anzuwenden aus Angst von den Lehrern bestraft zu werden.
Somit sitzt er oft abends beim zu Bett gehen in seinem Bett und erzählt mir was die Kinder mit ihm gemacht haben.
Es tut mir im Herzen weh, wenn ich die Geschichten höre.
Genau dass wollte ich meinem Kind ersparen. Ich wurde selber in der Grundschule wegen meines Übergewichts gehänselt und bekam oft mal ein Beinchen gestellt und das war 1984! Irgendwann in der 4ten Klasse hatte ich mal den Papp auf mich rumschubsen zu lassen und hab angefangen mich zu wehren. Ein doofer Spruch, schon war der andere in meinem Schwitzkasten bis er geweint hat. Wenn der andere am Boden liegt wird natürlich nicht nicht nochmal nachgetreten, aber er sollte schon merken, dass seine Taten Konsequenzen haben können!
Dieses Pazifistengerede ist der totale Schwachsinn, zumindest bei Kindern.
Kinder sind nicht bereit zu diskutieren, da gilt das Recht des Stärkeren und wer in der Schule ohne Auseinandersetzung klar gekommen ist, der hatte wohl pures Glück.
Jedenfalls hatte ich, nachdem sich das rumgesprochen hatte, dass ich mir nix mehr gefallen lass, endlich eine „normale“ Pause in der ich mit Freunden ungestört spielen konnte. Ja selbst ein paar von denen die mich immer geärgert haben wurden später Freunde von mir. Einfach weil ich Selbstbewusster aufgetreten bin und mir Respekt verschafft habe.
Das heißt nicht, dass ich Gewalt gut finde! Aber wenn man angegriffen und gemobbt wird, dann ist Gewalt ein Mittel dem anderen klar zumachen, dass die Grenze erreicht ist!
Ich wünsche meinem Kind, dass er endlich den Mut findet das Gelernte in der Selbstverteidigung anzuwenden, damit das endlich ein Ende hat.
Sport, Boxen ausgenommen, ist für Selbstverteidigung absolut nutzlos. Wenn es dann noch eine Pseudokampfsportart wie Taekwondo ist ist es umso nutzloser. Um Kämpfen zu lernen gibt es nur Boxen, Systema ode KravMaga.
Haben Sie schon die Lehrer kontaktiert? Wenn das nichts nützt die Schule wechseln, weg ziehen, damit ihr Sohn wieder Ruhe hat in der Schule. Solche Sachen kann man nicht aussitzen und muss handeln.
Ganz einfach, für normale Menschen jedenfalls:
1. Niemand hat das Recht die Freiheit, die Würde, das Eigentum sowie die körperliche und sexuelle Integrität anderer in Frage zu stellen.
2. Jeder hat das Recht sich bei der Verletzung dieser Grundsätze mit jedem ihm zur Verfügung stehenden Mittel dagegen zu wehren.
3. Gewehrt wird sich solange bis der Angreifer keine Gefahr mehr darstellt.
Selbstverteidigung ist ein natürliches Recht. Selbstverständlich sehen das die Anhänger von totalitären Staats- und Gesellschaftsformen anders, aber so ist das nunmal.
Wichtiges Thema, und ich verstehe Ihr Dilemma sehr gut. Am Ende müssen sich Ihre Kinder selbst entscheiden, ob sie auf ihre Mutter oder ihren Vater hören wollen. Wenn sie sich handgreiflich wehren wollen (was ich legitim finde), gibt es Methoden, das zu tun, ohne ihre Gegner nachhaltig zu verletzen. Ich empfehle IMPACT-Selbstsicherheit, Judo wäre etwas anderes. Wenn Ihre Kinder wissen, was sie tun, werden sie nicht nur sich und andere weniger verletzen, ihre Ausstrahlung wird sich ändern – oft werden sie gar nicht mehr belästigt werden. Viel Glück!
In der Schweiz kann man ja darüber streiten. Es gibt aber Orte an denen Gangs oder andere Verbrecher (in zum Teil jugendlichen Alter) einem keine Wahl lassen, da geht es ums Überleben. Dann stellt sich diese Frage nicht mehr. Da muss man nicht studieren ob man zuschlagen darf oder nicht… Da heißt es einfach Du ode er…
Ich denke, physische Gewalt rechtfertigt sich ausschliesslich als Gegewehr gegen physische Gewalt.
Wenn man verhöhnt wird, kann man zurückhöhnen (oder auch nicht).
Wenn man bestohlen wird, dann merkt man es meistens nicht. Falls man den gestohlenen Gegenstand bei einem Kind findet, kann man ihn zurück verlangen, wenn es sein muss mit Hilfe eines Erwachsenen…
Wenn kinder etwas wegnehmen, um einen zu ärgern (z.b. Mütze, die sie sich dann gegenseitig zuwerfen), ist die einfachste Lösung so zu tun, als läge einem an der Mütze überhaupt nichts, dann ist das Spiel für die Kinder nicht interessant, und sie werfen die Mütze auf den Boden. Falls man sie nicht wiederbekommt: zu Erwachsenem gehen, damit er sie zurück verlangt. Falls was kaputt gemacht wird: einen Erwachsenen Ersatz oder Schadenersatz verlangen lassen, gegebenenfalls bei den Eltern…
Sie müssen nicht zurückschlagen, sie müssen nur zurückschlagen LERNEN. Ein wenig Boxunterricht wirkt Wunder gegen Bullying, und zwar so, dass man das Gelernte meist gar nicht einsetzen muss. Das neue Selbstbewusstsein alleine kann schon ausreichen…
Ich wurde jahrelang von einem Klassenkameraden gehänselt und belästigt. Er hat mir meinen Schulweg zur Hölle gemacht. Eines Tages nahm ich seinen Finger und verdrehte ihn so stark, dass er danach zum Arzt musste. Dieses Erlebnis gibt mir heute noch als 31-jährigen Mann Zufriedenheit und Selbstvewusstsein. Es blieb übrigens seit 31 Jahren die einzige Art von körperlicher Gewalt in meinem Leben.
Ein einziges Mal nur habe ich als Fünftklässler zugeschlagen – nach wochenlangen, offenen und verdeckten Provokationen… Resultate: Nasenbluten beim Gegner, Massregelung durch den Lehrer – und an sofort Ruhe vor dem anderen Jungen…
Nein, Gewalt ist eigentlich nie eine Lösung. Für das Austragen von Konflikten haben wir die Sprache geschenkt bekommen… Und doch wars damals einfach nötig und richtig.
Meine Kinder versuche ich, von gewaltfreien Strategien mittels Kommunikation zu überzeugen (sie sind Teenager), bisher mit Erfolg. Aber sie kennen meine Story auch. Damit sie wissen, wenn alles nichts nützt, muss man halt mal handgreiflich werden… Aber: Ausschliesslich zur Verteidigung!
Als Kleinster in der Klasse und dazu anfangs der Siebzigerjahre noch mit einer hässlichen, lächerlichen Hornbrille verunstaltet wurde ich zum bevorzugten Opfer der großen und starken Klassensadisten. Auch Unterstützung von Lehrern und Eltern gab es überhaupt keine. So etwas vergisst man nicht, und es prägt einen lebenslang.
Ich wünschte, ich hätte mich damals besser gegen körperliche Angriffe und Beleidigungen wehren können, zum Beispiel mit einer paar besonders perfiden Selbstverteidigungstricks. Wer hier gutmenschlich-weltfremd und vom politisch korrekten Zeitgeist ferngesteuert weichlichen Pazifismus und „Versöhnungsarbeit“ (die Opfer werden abermals zutiefst gedemütigt, indem sie den Schlägern und Beleidigern auch noch verzeihen sollen) fordert, arbeitet nur auf dümmliche Weise den Tätern zu, die ganz genau wissen, was sie anrichten.
Ich kann dir gut nachfühlen. Auch einer der kleinsten, zwar ohne Hornbrille, aber mit anderen dankbaren „Spottmerkmalen“ kann ich mir vorstellen was du erlebt hast. Ich habe mich dann einmal entschieden, mir das nicht mehr gefallen zu lassen. „Gratis“ solle man sich über mich nicht mehr lustig machen können – weder verbal noch mit körperlichen Übergriffen. Nun ich mag mich nicht erinnern, dass ich je einen „Kampf“ gewonnen hätte… aber der Preis wurde ihnen schnell zu hoch und ich hatte noch viele friedliche Schuljahre.
Als kleine Schwester eines etwas aggresiven älteren Bruders, lernte ich bereits als kleines Kind mich zu verteidigen, wenn nötig auch mit physischer Gewalt. Dies hat mich als erwachsene Frau bereits zwei Mal vor einer Vergewaltigung bewahrt. Mein beherztes Zurückschlagen hat den Mann jeweils verjagt.
Bravo! …und da soll noch jemand sagen man solle sich nicht (physisch) wehren…
Ich hatte früher ebenfalls dieses Problem der Opferrolle. Ich habe nie mit Gewalt reagiert. Ich habe meist geschaut, dass ich den Täter verbal oder mit einem Glas Wasser „attakiere“. Und zwar genau dann, wenn es eine Lehrer- oder Aufsichtsperson gesehen hat. Dabei zeigt man, dass man mutiger ist als das Gegenüber. Natürlich birgt dies die Gefahr der Bestrafung. Jedoch kann man sich erklären gegenüber der Aufsichtsperson. Die Strafe ist meist ein viel kleineres Übel als sich weiter Hänseln zu lassen. Dies ist für mich der einzig moralisch richtige Weg.
Männer und Frauen sind nicht gleich, Männer verhalten sich gegenüber Frauen anders, daher ist es nur logisch das ihre Frau anders denkt. Ich denke gleich wie sie, aber eben Jungs leben in einer anderen Welt als Mädchen.
Soll mein Kind zurückschlagen? lautet die Frage. – Jawohl, es soll! lautet die Antwort.
„Wenn Dir jemand auf die linke Backe schlägt, dann haue ihm rechts eine runter, dass ihm der Kopf wackelt.“ Habe in meiner Jugend stets nach dieser, leicht modifizierten, biblischen Anweisung gehandelt und bin dabei immer gut gefahren. Gewaltsame Abwehr eines gewaltsamen Angriffs ist auch eine Wohltat für die Psyche. Nichts ist schlimmer, als in die Rolle eines wehrlosen Opfers gedrängt zu werden. Zurückschlagen wirkt auch präventiv: ein Schläger wird es sich künftig zweimal überlegen, ob es sich auszahlt, andere anzupöbeln, wenn er riskieren muss, selber eine Abreibung zu bekommen.
Aber natürlich. Jeder der da nicht beherzt zurückschlägt ist schlicht ein Weichling, der die Prügel verdient. Die Prügelnden haben irgend ein Defizit zu verbergen. Das weiss der Juvenile aber nicht. Also heisst es entweder schwach sein (halte die andere Backe etc) oder mah haut zurück. Dann ist Ruhe im Karton.
Das haben die naiven Schweizer zur noch nicht verstanden. Hier lässt man sich lieber prügeln.
agressives Verhalten kommt nicht in Frage und ein Beschützen von Schwächeren wird als heroische Tat angesehen. Soweit die Ausgangslage.
Aber, .. wenn jemand auf meinen Jungen losgeht, und dies passiert durchaus, so hat er nicht nur das Recht sondern die Pflicht sich adäquat zu wehren. Dies ist Gang und Gäbe und gehört zur Jugendzeit wie das Rüberschauen zu den weiblichen Klassenmitgliedern.
Das heisst wenn die Agression mit Worten ist – so wehrt er sich mit Worten, kommt der Andere mit körperlicher Gewalt oder mit starken Beleidungen dann setzts was aufs Maul und die Grenzen werden aufgezeigt. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.
ich war während der primarschule opfer… tschinggen-witze und schläge waren fast an der tagesordnung. mein vater hat mir immer gesagt „geh denen aus dem weg“. als er merkte dass es so nicht mehr weitergeht (ich wollte nicht mehr in die schule), meldete er mich ins judo an. hat mir aber nie gesagt wieso. ich hatte freude daran, wechselte bald ins karate, dann ins kickboxen und endete mein hobby-sport erst kürzlich mit thai-boxen. die situation verbesserte sich fast sofort, ich wurde selbstbewusster, hatte keine angst mehr und setzte mich zur wehr. kinder streiten „easy“, da muss man keine angst haben. ich würde die kinder nicht zur gewalt animieren, man soll mit ihnen reden und nach lösungen suchen welche „friedlich“ sind. gleichzeitig aber, sollte man als eltern den kindern helfen selbstbewusster zu werden. irgendwann wehrt man sich automatisch/instinktiv, das ist in uns ingeboren. als vater oder mutter solltest du aber nie „bravo“ zu deinem kind sagen wenn es sich gestritten hat, nie. sonst fühlt es sich irgendwann noch legitiemiert, alles mit den fäusten zu lösen. leider muss man manchmal schon als kind signalisieren, dass man wenn es sein muss, bereit ist „in den ring zu steigen“. nochmals kurz zu mir… ich musste nach dieser phase in der primarschule mit einer ausnahme in der sekundarschule mich nie mehr wehren, ein böser blick genügte!
Ein weiser Vater!
Ja Francesco, solange Du es nur als Notwehr im äussersten Fall siehst, ist es gut so. Auch wir haben unsere zwei Söhne und Tochter noch in der Grundschule in den Kampfsport angemeldet und sie gingen mehrere Jahre gerne hin. Eine äusserst effiziente Charakterschule in Disziplin, Selbstbewusstsein und Deeskalationsübung. Kein einziges der drei Kinder wurde je attakiert während der Schule, obwohl in Aussehen und mit Namen Ausländer (mit Schweizer Pass).
So gesehen ist es eine sehr gute Prävention und haben sie von ihrem thailändischen Vater mitbekommen. Die Thais gelten als ‚Die Freien‘ und sind bekannt für ihre mehrheitlich friedliche Gesinnung und sie lernen früh, sich zu verteidigen. Sie wurden übrigens als einziges Land in Südostasien während dem Vietnamkrieg in den 1970er Jahren nicht in den Krieg hineingezogen und dienten nur als Rückzugsort für die Amis. Wer von einem Thai-Kick getroffen wird, steht nicht mehr so schnell auf. Dieses Wissen macht stark und fast unbesiegbar im Nahkampf. Aber eben: nur als Einschüchterung für mögliche Angriffe im Alltagsleben gut und niemals einfach im Affekt anwenden.
„Die Thais gelten als ‚Die Freien‘ und sind bekannt für ihre mehrheitlich friedliche Gesinnung“
Sind das die gleichen Thais die ständig blutigste Staatsstreiche haben, ihre indigene Bevölkerung bis heute brutalst verfolgen und ermorden?
„Sie wurden übrigens als einziges Land in Südostasien während dem Vietnamkrieg in den 1970er Jahren nicht in den Krieg hineingezogen“
dann
„dienten nur als Rückzugsort für die Amis“
Ob das wohl der Grund dafür gewesen ist? Oder vielleicht die absolute unterwürfigkeit gegenüber den Amerikanern?
Liebe Redaktion: Weshalb wird mein Pazifismus Kommentar nicht veröffentlicht und auch nicht als freizuschaltend angezeigt?
Ich als Frau reagiere auf schlagen, schubsen, prügeln viel stärker als auf verbal ausgetragene Konflikte. Ich lerne aber mehr und mehr, dass es weniger um den Ausdruck geht als um die Aggression an sich. Es ist die Aggression, die verletzend ist, und sie ist es auch in verbaler Form.
Auch meine Söhne und ihre Kollegen tragen Konflikte eher körperlich aus, während meine Tochter schon sehr früh wusste, wie sie die Jungs gegen einander ausspielen oder sich verbal zur Wehr setzen kann. Ich versuche deshalb, meinen Kindern beizubringen, im Streit fair zu bleiben:
– Stop zu sagen, wenn es einem zu viel wird, egal, ob man körperlich geplagt oder verbal gehänselt wird
– wenn 3maliges, lautes, deutliches „Stop“ nicht hilft: zurückzugeben, so wie man sich am besten wehren kann
– aufhören, wenn sich der andere nicht mehr wehren kann, wenn er (verbal oder körperlich) schwächer ist, wenn er Schmerzen hat oder wenn das gegenüber weint
– nicht alle gegen einen/eine; nie auf den Kopf schlagen
– manchmal hilft auch einfach weglaufen
– Erwachsene zu Hilfe holen, wenn es nicht mehr geht
Ich kann meinen jüngeren, sehr körperlichen Sohn nicht zu einem eloquenten Streiter umerziehen, ebenso wenig kann ich meinen sehr ruhigen älteren Sohn dazu erziehen, dem Streit nicht aus dem Weg zu gehen. Und ich will meine Tochter nicht dazu bringen, dreinzuschlagen, wenn es ihr nicht liegt. Ebenso finde ich es falsch, wenn die Jungs ständig drankommen, weil sie schubsen, stöckeln, schlagen – während die Mädchen hänseln, ausgrenzen, etc. und dabei nicht bemerkt werden. Die richtige Form der Konfliktlösung und der richtige Umgang mit Aggression zu finden ist ein Prozess, der bis ins Erwachsenenalter andauert. Erwarten wir also nicht zu viel von unseren Kindern. Und mischen wir uns nicht allzu sehr ein.
Ich bringe meinen Kindern bei, dass wir nie als erste Gewalt anwenden oder welche akzeptieren. ABER: Werden sie geschlagen, sollen sie zurückhauen, auf jeden Fall. Ich will nicht, dass meine Kinder zu denen werden, mit denen „man es ja machen kann“. Keiner macht uns zu Idioten, basta.
Gewalt ist (leider) manchmal eben doch die Lösung, nämlich dann, wenn sie weitere Gewalt stoppt und Schlimmeres verhindert. Ich finde zudem, man soll vor allem Mädchen beibringen, nicht zu lange zu nett zu sein. Es geht mir hier nicht um Gewalt, aber generell um Druck seitens der Gesellschaft. Frauen und Mädchen werden darauf getrimmt, stets lieb und nett zu sein mit dem Effekt, dass sie sich später im Erwachsenenleben nicht mehr wehren können, wenn sie zu kurz kommen. Deshalb verdienen sie noch heute deutlich weniger als männliche Kollegen im gleichen Job.
„Wenn alles Reden, Klarstellen und Ermahnen nichts hilft und dem geschlagenen Kind nicht eine einzige Möglichkeit geboten wird, sich aus der Rolle des Opfers zu befreien.“
Wie wär’s z.B. mit einer anderen Sicht: Versuchen Sie dem Kind beizubringen, dass andere, gewaltätige Kind eigentlich eine arme Sau ist; es ist Opfer; es weiss sich nicht besser zu helfen.
Davonlaufen ist immerimmerimmer die korrekte Lösung; wenn Gewalt dazu nötig ist, spricht man ja von Notwehr (das ist aber einmal schupsen und nicht fünf Mal dreinschlagen)
das ist die lehrer-version :). leider hilft die kindern überhaupt nicht. ich wollte es auch nicht wahr haben.
am lächerlichsten ist die „STOOOOOOP“ version.
und es sind eben nicht immer arme schweine, sondern einfach nur kinder, die nicht verstehen was gerade abgeht oder die grenzen nicht kennen, die auch mal drein schlagen oder sonst gewalt anwenden, wenn man das so ausdrücken will. und dass die kinder die grenzen nicht kennen liegt einfach nur daran, dass es noch kinder sind, die noch nicht alle erfahrungen machten
leider auch völlig untauglich die version dass der lehrer die beiden involvierten antraben lässt und beide ihre version sagen dürfen. das macht es nur schlimmer.
es ist in ordnung, wenn lehrer und eltern nicht helfen können. nicht in ordnung ist es, so zu tun, als ob das eine lösung wäre. dafür haben meine kinder nur noch verachtung übrig, gegenüber den lehrern der primarschule, die das so brachten. für die lehrer war die sache dann abgehakt! für die kinder war es hinterher noch schlimmer
@tina
oh ja, die Stop-Regel, ich hab sie heiss und innig geliebt, oder die Ampelfarben…,
meine Güte, ja, das funktioniert perfekt bei den Kindern welche das einfach schon unter anderen Bezeichnungen im Repetoire des gegenseitigen Umgangs haben, die anderen beeindruckt es nur mässig.
Nützt Ihrem Kind sicher viel, wenn es weiss, dass das andere Kind eigentlich ein armes ist und es deswegen irgendwie in Ordnung ist, dass es andere drangsaliert…
1 mal schupsen, lach…
@tststs:
Davonlaufen mag in gewissen Fällen (überlegener Gegener) tatsächlich die vernünftigste Lösung sein, allerdings keine auf die man im Nachhinein besonders stolz sein kann.
Deshalb empfehle ich meinen Kindern zurückzuschlagen, wenn dies aufgrund der Kräfteverhältnisse einigermassen sinnvoll erscheint.
Es bleibt letztendlich sicher eine Frage des eigenen Wertesystems, welche Reaktion man für die bessere hält. In meinem Wertesystem jedenfalls nehmen Wehrhaftigkeit und Selbstbehauptung einen hohen Stellenwert ein, und ich kann nicht nachvollziehen wie man im Täter ein Opfer sehen kann (der Täter wählt seine Handlungsweise aus freiem Willen).
@tststs 14:47
hier mal sehr anderer Ansicht, meiner Meinung nach ist genau das einer der Gründe wenn es so läuft wie es eben nicht sollte!
Man geht (bewusst-unbewusst) davon aus, dass die Täter eigentlich die wahren Opfer wären. Und die Opfer in ihrer Grossmut darüber hinwegsehen sollten, bitte sehr genug Einsicht und Verständnis aufbringen, und ach ja, schneller rennen wär auch noch ein Vorteil… .
Und sorry, aber mit schubsen kommen Sie da nirgendwo hin, respektive bloss auf den Boden, denken Sie ernsthaft die wirklichen „Problemträger“ liessen sich durch ein „schubsen“ beeindrucken?
Hatten Sie schon mal mit Betroffenen zu tun, und hat es da mit davonlaufen funktioniert? Auf Dauer? (Oder sind die einfach immer noch am rennen und schon relativ am Ende ihrer Atemkapazität?)
Wie kann man sich diese Frage überhaupt stellen? Persönlich ermutige ich meine Kinder (auch entgegen Anweisung gewisser Lehr-/Betreuungspersonen) zurückzuschlagen, wenn sie körperlich angegriffen werden.
Natürlich gilt es, Verhältnismässigkeit zu wahren (wegen einem Rempler die Zähne ausschlagen geht nicht) und Rücksicht auf Jüngere/Schwächere zu nehmen (bei einem deutlich unterlegenen Aggressor reicht vermutlich schon ein kräftiges Durchschütteln). Es gibt wie vom Autor erwähnt sicher auch Grenzsituationen, wo die Antwort weniger klar ist, ob Gewalt zur Gegenwehr legitimiert ist (wenn der Aggressor keine explizite körperliche Gewalt ausübt, wie bei einem Diebstahl). Weiter gibt es natürlich auch Situationen wo es zum Selbstschutz des Kindes sinnvoller ist wegzulaufen als zu kämpfen
Grundsätzlich aber besteht ein naturgegebenes und unverhandelbares Recht zurückzuschlagen!
Mir wurd noch beigebracht zuerst zu Schlagen, WENN ich merke, dass es zur Auseinandersetzung kommen wird. Dann hat 1 mal dann auch jeweils gereicht unds war wieder Ruhe.
Von mir aus bin ich ziemlich friedfertig, liess mir aber nichts viel gefallen (tu ich jetzt eigentlich auch noch nicht) und hab daher auch ein paar mal kassiert. Gehört(e) halt dazu.
Davonlaufen soll die bessere Lösung sein? Ja, genau. Demnächst empfehlen Sie Ihrem Kind noch sich tot zu stellen…
@Lala:
Meinem Kommentar können Sie entnehmen, dass auch ich nicht der Meinung bin, man müsse sich etwas gefallen lassen.
Es gibt aber Situationen, wo Gegenwehr aufgrund des Kräfteverhältnisses schlicht keinen Sinn macht, weil man beim Gegner mit Gewalt nicht einmal einen signifikanten Schaden anrichten kann (geschweige den, Schaden von sich selber abwenden kann).
In solchen Situationen scheint mir Davonlaufen tatsächlich sinnvoller und zwar nicht aufgrund irgendwelcher pazifistischer Gefühlsdusselei, sondern schlicht aus Eigeninteresse und zum Selbstschutz.
Empfehlen Sie Ihrem Kind tatsächlich zurückzuschlagen, wenn es von vier älteren Kindern angegriffen wird und die Möglichkeit hätte wegzulaufen?
Jeder vernünftige Feldherr weiss, dass es Situationen gibt, wo Rückzug die vernünftigste Option ist.
Mir fehlt hier völlig die Sichtweise bzw. die Persönlichkeit der Kinder. Es ist als könnte man jedes Kind so formen, wie man es gerne haben würde. Wäre der Titel: „Darf mein Kind zurückschlagen?“ wäre meine Antwort ja. Wer angegriffen wird, darf sich auch wehren. Das Problem dabei ist, dass das nicht allen liegt. Ich habe das bei meiner Tochter erlebt.. Wie oft haben wir ihr gesagt, dass sie sich auf den Spielplatz etc. auch wehren darf, zurückschubsen etc. Es brachte nichts, denn sie wollte nie ein anderes Kind hauen oder ihm weh tun. Das hätte sie nie über sich gebracht. Ziemlich schnell merkte sie aber, dass ihre Stärke darin liegt, dass sie halt verbal eher frühreif und sehr geschickt ist. Ab ca. 4-5 Jahren konnte ich immer wieder Situationen beobachten, wo sie hinsteht und verbal einen Angriff zurückschlägt oder einen Kampf verhindert. Handelt es sich um einen Freund oder den Bruder, straft sie einen Angriff mit konsequenten Ignorieren, was den anderen jeweils wahnsinnig macht. Das ist ihre Art und ich würde nicht versuchen, sie da zu ändern. Mein Sohn ist anders (vielleicht doch ein Mädchen-Jungs-Ding), er greift sehr selten an, aber wehrt sich. Auch das unterbinde ich nicht, es ist wie gesagt legitim.
@13
solange die Wehrstrategie aufgeht, ob nun verbal oder wie auch immer (und mit angemessenen Verlusten, respektive nicht überbordernd) ist ja alles bestens- für mich liegt das Problem eher dort wo es Kindern weder verbal noch wie auch immer liegt sich zu Wehr zu setzen (selbstverständlich kann/soll man auch hier Trainings versuchen etc) und besonders dort, wo sich die Angreifenden durch die verbale und wie auch immer Gegenwehr nicht beeindrucken lassen.
Das gibts halt leider auch.
Und wenn ich dann Verhaltensänderung nur durch Sanktionsdruck hinbekomme, und nicht aufgrund einer echten Gesinnungsänderung der Ausübenden, bin ich nur zur Hälfte glücklich. Denn sobald der Sanktionsdruck entfällt gehts womöglich woanders wieder los.
Als Kind waren über 97% in meinem Alter grösser und schwerer als ich. Da ich zudem meine Meinung klar sage und darauf beharre, wurde ich in der Primarschule anfangs oft verprügelt. Bis dies eine Krankenschwester bemerkte und mir beibrachte mich wirkungvoll zu wehren. Danach genügte es, wenn ich in neuen Gruppen oder Klassen anfangs zeigte, dass ich mich auch körperlich wehren kann.
Schlagen halte ich jedoch für kontraproduktiv, da es eskalierend wirkt, da ich als Aggressor wahrgenommen werde, da das Verletzungsrisiko (für beide) gross ist, da die Wirkung sehr schwer abschätzbar ist und weil beim Schlagen leichtgewichte deutlich im Nachteil sind.
Den Angreifer zufall zu bringen oder wenn möglich sogar im stehen solange festzuhalten bis er aufgibt, halte ich für wesentlich wirkungsvoller.
Dem anderen kurzzeitig starke Schmerzen zuzufügen halte ich nur für sinnvoll, wenn es keine andere Möglichkeit gibt. Beispielsweise wenn die Situation gefährlich ist weil mehrere Angreifen oder wenn der Angreifer ausser sich ist. Bleibende Schmerzen zu verursachen halte ich für kontraproduktiv. .
Natürlich darf man zurückschlagen wenn man Angegriffen wird und zwar so hart und heftig wie es nur geht. Ich denke nicht, dass ein Angreifer sich in der akuten Situation zum Sitzkreis einladen lässt.
Also zum Thema Gewalt & Aggression hab ich ebenfalls eine eher unweibliche Einstellung: ich finde, die gehören beide zum Menschsein dazu, und das kann man nunmal nicht abstreiten. Also sollte man lernen, damit umzugehen. Vermeidung halte ich ebenfalls in den allermeisten Fällen angemessen – wo Gewalt & Aggression zulässig und tolerierbar, das ist aber schlussendlich eine Glaubens- und Wertefrage. Nichts desto trotz denke ich, dass jeder Mensch in extremen (oder einige auch in wesentlich weniger extremen) Situationen die Kontrolle verliert oder Gewalt/Aggression sogar für bewusst angemessen hält… An jedem selbst und der Gesellschaft als Ganzes zu entscheiden, wo die Schmerzgrenze liegt.
@Nina
warum deklarieren Sie die sachliche Feststellung, respektive Anerkennung dass Menschen zu gewalttätig sein können, als „unweiblich“?
Zum anderen, wer genau sollte denn lernen damit umzugehen? Und mit was genau sollte man umgehen können?
Dass Gewalt (jeglicher Art) an einem ausgeübt wird?
Ich wünschte mir dass Menschen von klein auf lernen den Wunsch/Drang nach Gewaltausübung (ebenfalls jeglicher Art) so zu kanalisieren dass keine Dritten, im Idealfall auch sie selber, nicht darunter leiden müssen.
genau brunhild. kanalisieren, das ist umgehen damit. was kann man tun, um nicht gewalt über sich ergehen lassen zu müssen und was kann man tun, dass man nicht unkontrolliert explodiert, weil man aggressionen krampfhaft verdrängt
Nina, Gewaltbereitschaft ist testosterongeleitet und weniger östrogengeleitet, ok? Hingegen die mildere Form davon wie zB Aggressivität ist beiden Geschlechtern in etwa gleichem Verhältnis in gewissen Situationen zuzuordnen. Mit Gewalt ist Schlagen gemeint, damit es dem Geschlagenen Schmerzen bereitet und gedemütigt wird. Psychische Gewalt äussert sich anders und ist beiden Geschlechtern zuzuordnen. Das ein essentieller Einschub und Differenzierung. Frauen reagieren anders auf Angriffe als Männer, was auch heute hier im Kommentarverlauf gut sichtbar wird.
Jeder Mensch hat ein Recht darauf, sich selbst zu verteidigen, wenn er angegriffen wird. Das ist aber etwas anderes als Vergeltung (die ich nicht beführworte). Das ist in etwa das, was ich meiner Tochter sage. Wenn sie körperlich angegriffen wird, und nicht aus der Situation flüchten kann, soll und darf sie sich auch körperlich zur Wehr setzen. Sie ist jetzt in der 2. Klasse und macht Judo – das klappt wunderbar.
Trifft.
Manche Eltern sollten einen Anti-Gewalt-Kurs besuchen und manche einen Notwehr-Kurs. Die ersten damit sie ihre Gewalttätigkeit nicht an ihre Kinder weitergeben und die zweiten ihre Hilflosigkeit…
Mit dem Risiko als einfältig oder Pazifistin bezeichnet zu werden, nichtsdetotrotz, es gibt viele Wege gegen Gewalt vorzugehen ohne selber Gewalt anzuwenden. Mag sein, dass viele diese Handlungsmöglichkeiten nicht kennen oder nicht wissen wie diese im Fall anzuwenden wären, es ist ganz einfach so, auch wenn nicht jede/r ein/e Gandhi ist. Wo Gewalt in Gegengewalt mündet, resultiert eigentlich immer Krieg, auch im Kleinen. Ich würde meine Energie eher darauf verwenden mit meinem Kind Alternativen zur Gewalt zu suchen, als es zu ermutigen, auch mal zurückzuschlagen. Wer weiss, wann dann als nächstes das Messer an der Reihe ist.
Gewalt ist der letzte Teil dieser Handlungsmöglichkeit. Gewalt gutzuheissen heisst ja nicht sie grenzenlos gutzuheissen. Sie muss (und kann!) verhältnismässig sein. Es reicht ja z.B., dass man die Gewalt unschädlich macht und muss nicht noch gleich den Gewaltausübenden unschädlich machen. Lernen kann man dieses beschützende „Extremverhalten“ am besten in einem praktischen Notwehrkurs.
Genau, Felicitas! Um solche Strategien geht es eigentlich im Artikel heute und ab wann welche Strategie angewendet werden darf/sollte/muss. Das heraus zu finden ist das Zünglein an der Waage zur Deeskalation. Wer diese Kunst beherrscht, darf mit sich zufrieden sein.
@Felicitas Beck
bloss blendet das aus, dass es eben nicht nur am Verhalten des „Opfers“ liegt ob Gewaltanwendung weiter läuft oder nicht.
Wir müssen zur Kenntnis nehmen dass es Menschen gibt die sich von diesen „Handlungsmöglichkeiten“ nicht beeindrucken lassen.
Da bräuchte es teilweise enorm viel Aufwand um das innere Setting neu zu strukturieren, damit diese nicht bloss aufgrund äusserer Bedingungen (bspw Sanktionen) ihr Verhalten ändern, sondern aus echter Überzeugung.
Erst bei Verhaltensänderung aufgrund echter Überzeugung ist Nachhaltigkeit bezüglich Gewaltverzicht gegeben.
Ich hatte auch zahlreiche Schlägereien in meiner Kindheit und Jugend. Aber aus meiner Erfahrung heraus kann ich sagen, dass sich jemandem unterzuordnen, und Tag ein und Tag aus immer gehänselt zu werden, auf die langen Jahre viel mehr Zorn und Wut verursacht, als dass man sich eben mal eine blutige Nase holt. Den Kleinen muss man auch die Art und Weise beibringen, um mit der Wut und Kraft umgehen zu können. Mir hat Kampftraining immer gut getan, und was weiss ich, die Streite sind NIE eskaliert. Es gab keine Messer, es gab keine Elterntreffen, es gab keine Polizei, sondern in der Regel danach oftmals nur Freundschaft oder aber Respekt und man liess sich gegenseitig in Ruhe. Schon alleine weil man als Kind es dem Peiniger nicht einfach macht, wendet er sich einem leichteren Opfer zu. So ist eben die Natur. Nichts zu machen und sich vor allen zu bücken, ist garantiert keine Option.
Mein Kind wird ab der ersten Klasse zu einer Kampfsportart angemeldet. Ich will ganz einfach, dass es, wenn er nicht mehr deeskalierend kann, auch andere Mittel zur Verfügung hat um sich zu wehren (notabene „wehren“ und nicht „angreifen“). Denn für ein Kind ist es wichtig zu wissen, dass es Älteren^, „Grösseren“ und „Stärkeren“ nicht schutzlos ausgeliefert ist. In den guten Kampfsportschulen bekommen die Kinder auch einen Verhaltenskodex vermittelt ab wann es akzeptabel ist sich physisch zu wehren.
Ein paar Kategorien höher heisst die Frage dann: Darf ein Staat mit der Armee zurückschiessen, wenn er von einem anderen Staat angegriffen wird? Die Antwort liegt darin, dass ein Staat überhaupt eine Armee hat. – In einem Land, wo die Frauen nicht wehrpflichtig sind, haben diese es leicht, von „Gewaltfrei“ zu schwadronieren.
Und auch in dieser Kategorie vermeiden es die Bullies tunlichst, sich mit gleichstarken anzulegen.
Ein ungemein schwieriges Thema.
Denn vieles ist dabei in Schieflage, beim Verursacher angefangen der/die sich in der Regel kein ebenbürtiges Opfer sucht.
Beim Mantra: es gibt gar keine Täter/Opfer, das Opfer hat das irgendwie mitverursacht (ja, sinngemäss schon zu oft gehört).
Bei der Vorstellung, Menschen die Gewalt anwenden, könne man mit „Fairness“ kommen (bspw aufhören wenn der Unterlegene auf dem Boden liegt, 1 gegen 1 und nicht im Anschluss 3 oder mehr gegen 1)
Und noch so einigem mehr.
Mit gemischten Gefühlen stehe ich ausformulierten Schulregeln und schulinternen Präventionsprogrammen gegenüber und bedaure, dass dies überhaupt erst nötig sein muss um ein einigermassen erträgliches Miteinander hinzubekommen.
Woher kommen denn diese Bedürfnisse sich über Ungerechtigkeit Geltung zu verschaffen, sich besser zu fühlen, zufrieden zu sein?
Und nein, es tröstet mich überhaupt dann zu hören, dass die Gewaltanwender ja eigentlich im Innersten gar nicht zufrieden seien, und sie eigentlich die armen und zu bedauernden… .
Eigentlich sehe ich das als eine der Primäraufgaben von Eltern, dafür zu sorgen und vorzuleben, dass es genauso eben nicht geht.
2/ Verbesserung:
es tröstet mich überhaupt n i c h t-
im Gegenteil es k o t z t mich allmählich an sowas zu hören, auch wenn ich mir der ungünstigen Hintergründe die meist vorliegen sehr wohl bewusst bin, und mir die Betroffenen leid tun.
Aber ich habe es zunehmend satt dass Unbeteiligte dafür den Preis bezahlen müssen.
„Woher kommen denn diese Bedürfnisse sich über Ungerechtigkeit Geltung zu verschaffen, sich besser zu fühlen, zufrieden zu sein?“
Die Antwort darauf ist leider ziemlich simpel: der klassische Bully kennt keine anderen Mittel, um sich Geltung zu verschaffen. Die ‚Hackordnung‘, die ihm zuhause physisch oder psychisch beigebracht wird, trägt er in die Gesellschaft. Durch Körpereinsatz verschafft er sich ‚Freunde‘ und ‚Bewunderung‘, beziehungsweise ‚Respekt‘ (basierende auf der Angst der Unbeteiligten, selbst ein potentielles Opfer zu werden). Kinder durchschauen diese Mechanismen leider (noch) nicht, daher wäre es in meinen Augen die primäre Aufgabe der Eltern, ihren Kindern beizubringen, dass solche armen Würstchen in der Tat nur eins sind: bemitleidenswert. Die Bewunderung der einen würde damit mehr oder weniger schlagartig nachlassen, ebenso die Angst der anderen – weil der Bully keine ‚Hausmacht‘ (aktive Unterstützer und Mitläufer) mehr hätte, auf die er zählen kann. Vielmehr würde er vom Kollektiv ausgegrenzt, bis er sein Verhalten ändert. Oder anders formuliert: die Geltung, um die er ‚ringt‘, bliebe aus. Und damit der ‚Nutzen‘ von Gewalt.
Selbstredend trifft das nicht auf jeden raufenden Bub (bzw. jedes raufende Mädchen) zu. Manchmal eskaliert ein Streit unter mehr oder weniger gleich starken Kindern, und vielleicht gehören solche Auseinandersetzungen auch ein Stückweit zur frühen Kindheit dazu. Was explizit nicht dazu gehört: eine Verklärung von Gewalt als (männliche) Durchsetzungsfähigkeit. Entsprechend würde ich einem Kind – unabhängig vom Geschlecht – vermitteln, dass es ok ist, sich zu wehren, notfalls auch körperlich. Aber das es sehr viel eindrücklicher ist, wenn man es ohne ‚Fausteinsatz‘ schafft – respektive, dass darin wahre Stärke und Durchsetzungskraft liegt. Ich denke auch, dass Kinder, die in einem solchen ‚Geist‘ der Wahrung von persönlicher (körperlicher wie psychischer) Integrität erzogen werden, weniger Gefahr laufen, Bully-Opfer zu werden, und umgekehrt auch mehr auf Kollektiv-Fairness gegenüber Schwächeren achten. Denn Bullies fokussieren sich nicht nur auf körperlich schwache, sondern explizit auch auf unsichere und schüchterne Kinder. Und zumindest an den letzten beiden Punkten kann man mit einem Kind ‚arbeiten‘.
Ergänzend liesse sich noch sagen, dass diese Täter oft eine innere Hilflosigkeit verspüren (z.B. Überforderung mit Schule uvm) und deshalb ein beschädigtes Selbtswertgefühl haben. Diese innere Hilflosigkeit wird unbewusst oft abgespalten und nach aussen projiziert und dort an einem anderen Opfer „bekämpft“. So kann der Täter vermeintlich aus seiner „Hilflosigkeit“ aussteigen und wieder so etwas wie Selbstwirksamkeit verspüren. Dies erklärt auch, weshalb die Jugendlichen noch weiter auf das Opfer einprügeln, obwohl es bereits am Boden liegt:–> es wird die Hilflosigkeit verachtet/ bekämpft, die nach aussen projiziert wurde, das Opfer wird nicht mehr als Mensch wahrgenommen, sonder ist nur Abstraktion.
Dies kann helfen, die sinnlose Gewalt zu erklären, respektive an der Wurzel anzupacken (z.B. funktionale Äquivalente entwickeln um Selbstwert herstellen zu können). Es soll aber keine Entschuldigung sein für Gewalt.
Leider sind auch Täter und Tatmotive nicht immer so einfach gestrickt. Ich habe -ich muss mir das heute ganz klar eingestehen- in der Primarschule auch ein Mädchen massiv gemobbt (physisch). Einfach so, einfach weil ich es konnte. Sie war weder ein typisches Opfer noch sonstwie unbeliebt, aber mir hat sie einfach nicht gepasst. Ich selber habe mich damals durchaus für andere eingesetzt, die von anderen gemobbt wurden, war breit akzeptiert, hatte prächtige Eltern, kein Stress mit der Schule und eigentlich wirklich keinen Grund, irgendetwas an irgendjemandem auszulassen. Trotzdem habe ich es getan, aus was für Gründen auch immer. Das Mädchen hat sich immer tatkräftig gewehrt, aber ich war einfach stärker. Ich bin aber sicher, dass ich sofort damit aufgehört hätte, wenn sich jemand für das andere Mädchen gewehrt hätte. Wenn meine Freunde gesagt hätten, halt, das geht nicht. Deshalb glaube ich, dass es das wichtigste ist, den Kindern beizubringen, dass man Ungerechtigkeiten nicht einfach hinnehmen darf, auch wenn sie einen nicht selber betreffen. Und auch wenn sie von den eigenen Freunden begangen werden.
Da möchte ich mich unbedingt anschliessen: zu verstehen, woher sinnlose Gewalt rührt, bedeutet keineswegs, diese zu entschuldigen, zu ‚verniedlichen‘ oder gar zu akzeptieren. Es geht allein darum, durch Einsicht in die psychische Verfasstheit eines Gewalttäters das Rüstzeug zu bekommen, diesem adäquat beizukommen. Man kann ihm dann zwar in der Grund-Einstellung begegnen, dass auch er ein Opfer ist: seiner Verhältnisse, und seiner selbst. Aber allein mit Verständnis für diese Gegebenheit(en) ist das Problem, das er für seine Umwelt darstellt, nicht gelöst.
Wohlgemerkt: sozio- bzw. psychopathische Störungen sind ein noch einmal anders gelagertes Problemfeld. Aber diese Täter sind im Allgemeinen raffinierter, respektive gehen anders (weniger offensichtlich) vor.
wir können ja unsere kinder alle nicht den ganzen tag beobachten. ich weiss nur, ich war selber ein ganz angepasstes braves kind im chindsgi und primarschulalter, hatte aber meeeega angst vor einer gruppe jungs, die mir einfach aus mir inzwischen unerfindlichen gründen gefährlich vor kamen. ich machte riesen umwegen wegen denen und weinte, wenn ich auf sie traf. aber in meiner klasse war ein junge, der mir wohl schwach schien, auf dem trampelte ich verbal übelst herum. als eine von vielen. ich merkte das nichtmal! erst als ich vor der ganzen klasse als „anführerin“ grade stehen musste (die lehrerin nahm mich in die zange) realisierte ich, was ich da machte (hinterher kam zwar raus, dass der junge sich nur nicht traute den richtigen anführer zu nennen. ich wars gar nicht).
sprich: kindern sind die mechanismen gar nicht bewusst. sie müssen dreinlaufen, um zu verstehen. ein bully ist nicht einfach ein verkorkstes kind, bestimmt von bildungsfernen eltern, der eine gewaltige macke hat. zum bully wird man noch schnell mal, und das muss keine charakterstörung sein, die man therapieren muss. kinder müssen das alles lernen. respekt, grenzen usw und zwar auch mal so dass es wirklich weh tut. daran wächst man. der junge war da mein opfer weil er es zuliess, nur dadurch, dass er nicht so hart war. an ihm war gar nichts falsch. und an mir eigentlich auch nicht, ich nutzte nur die gelegenheit, mich mal überlegen zu fühlen, aber mir war das erst bewusst, als ich schmerzhaft konfrontiert wurde
@sonic: Danke für Ihre Ehrlichkeit. Für mich ist (wird) es ebenfalls entscheidend sein, meinem Kind beizubringen, dass es keine frei flottierende Insel ist, sondern Teil eines grösseren (sozialen) Ganzen. Aber verzeihen Sie mir doch eine Bemerkung, oder eher Nachfrage: wirklich niemand hat sich für dieses Mädchen eingesetzt, im ganzen Klassenverband nicht?
Im Übrigen sehe ich Sie aufgrund Ihrer Schilderung nicht in der Rolle des ‚klassischen‘ (durchgängigen), oben beschriebenen Bully/Mobbers. Die kleineren oder grösseren Bösartigkeiten, zu denen Menschen fähig sind, weil (respektive wenn) sie es können, stehen psychologisch betrachtet auf einem eigenen Blatt. Auch in meiner Kindheit und Jugend, und ja, auch in meinem Erwachsenenleben, gibt es ‚zwischenmenschliche‘ Episoden, auf die ich nicht stolz bin. Das gehört (zwangsläufig) zum Mensch-Sein dazu, die Frage ist lediglich, was man daraus lernt.
@sonic:
„Einfach so, einfach weil ich es konnte.“ Das ist ein ganz entscheidender Satz. Wenn man die Abgründe der menschlichen Existenz etwas studiert, sieht man oft dass die Decke der Zivilisation dünn ist. Das Böse ist eben auch im Menschen drin, und es braucht u. U. nicht viel um es abzurufen. Wenn man über andere Leute verfügen kann, ihnen Leid antun kann, wird es ein Teil der Leute tun wenn sie keine Konsequenzen zu befürchten haben. Ganz unabhängig davon, ob einem die andere Religion, die Hautfarbe oder einfach nur die Nase nicht passt. Und der Effekt, diese Macht kann für die Täter durchaus berauschend sein.
@sonic
grosses Danke für Ihre Ehrlichkeit!
Es ist nicht immer so simpel, wir sind alle zu Gewalt fähig, das wäre meiner Ansicht mal der erste Punkt. Denn erst wenn wir uns eingestehen, dass wir diesen Teil in uns tragen sind wir auch ehrlich genug hinzusehen, wo wir es allenfalls ausüben. Oder können mit unseren Kindern praxisbezogener darüber sprechen.
Respektive fordern dass grundsätzlich darüber gesprochen werden muss und dass es nicht einfach Privatsache ist wie das in den Familien gehandhabt wird, da die Folgen immer alle betreffen.
Vielleicht sollte man es (grundsätzlicher) so ausdrücken: es gibt Menschen, die aufgrund von Veranlagung und/oder Entwicklung krankhaft un-, a- oder antisozial gestört sind. Welche (gesellschaftlichen bzw. therapeutischen) Massnahmen angebracht sind, hängt von der spezifischen Falllage ab. Aber das bedeutet keineswegs, dass wir, die wir uns gemeinhin als ’normal‘ bezeichnen würden, dieses Potenzial nicht ebenfalls – situativ – in uns tragen. Wer vor dieser anthropologischen Konstante, gerade auch im Hinblick auf das eigene Kind, die Augen verschliesst, löst keine Probleme, sondern ist selbst Teil davon. Zumindest in der einen oder anderen Lebenslage.
@mila
@Hans Hintermeier
bei den von Ihnen angesprochenen Szenarien vermisse ich halt sehr dass es immer erst heftig knallen muss bis mal was geht.
Da würde ich mir anstelle von rundum Präventionsaktionen gezieltes Angehen von Familien mit diesbezüglich auffallenden Kindern wünschen. In Form von Weiterbildung, Familienbegleitung oder sonstigem. Die Kosten spielen eigentlich keine Rolle, da sie ohnehin entstehen- einfach auf Geschädigtenseite wenn nur zugesehen/zugeredet, aber nicht wirklich eingegriffen wird.
@Brunhild, eine Antwort an Sie und sonic wurde geschluckt – ich wollte mich Ihnen anschliessen, dass wir natürlich auch in erster Linie bei uns selbst (und unseren Kindern) hinschauen sollten, bezüglich ‚inhärentem‘ (menschlichen) Gewaltpotenzial. Krankhafte un-, a- oder antisoziale Störung aufgrund von Veranlagung oder Entwicklung sind jedoch ein anderes Kaliber, und da denke ich eben auch, dass gezielte/konsequente individuelle Eingriffe und Massnahmen weit mehr bewirken würden als pauschale Präventionskampagnen, die zwar niemanden ‚blossstellen‘ – aber auch entsprechend wenig nützen.
@mila: Das Mädchen war in einer Parallelklasse. Ich kann mich wirklich nicht erinnern, dass jemals jemand etwas gesagt hat.
Tatsache ist jedenfalls, dass nicht nur psychisch gestörte Kinder aus schwierigen Verhältnissen, anderen Kulturen etc.. Bullies sein können. Es kann auch mein immer so nettes, freundliches, empathisches Kind sein.
Übrigens ist mir ein solches Verhalten heute als Erwachsene extrem fremd (auch die psychische Variante)..
Oh, bisweilen taucht verschwunden Geglaubtes doch wieder auf… Ein bisschen verwirrend (weil man sich ggf. unnötig wiederholt), aber ich verbuche es dennoch unter ‚es geschehen noch Zeichen und Wunder‘. 😉
@mila: und ja, ich denke auch, pauschale Prävention braucht es zwar, aber wenn etwas vorfällt, ist es natürlich unabdingbar die Beteiligten persönlich in die Pflicht zu nehmen. Nur, bei uns zumindest hatte man schon verloren, wenn man die Eltern oder die Lehrer darüber informierte. Heute mag das etwas anders sein, aber ich finde es schon auch ein Thema, wie lange Kinder selber versuchen sollen, zurecht zu kommen und wann sie Erwachsene zu Hilfe holen müssen. Am besten ist immer, sie schaffen es alleine. Was aber wenn nicht?
Sehr spannende Diskussion. Schliesse mich Mila an, es ist ganz wichtig zu differenzieren zwischen entwicklungsbedingtem Gewalthandeln in der Kindheit und therapiebedürftigem Verhalten (sozio- bzw. psychopathische Störungen) und dementsprechend auch unterschiedlich zu intervenieren/unterstützen. Es war nicht meine Absicht die Sache zu simplifizieren, sondern nur einen weiteren Aspekt zu ergänzen. Wie Tina und Sonic beschrieben, ging es ihnen ja auch um Lust an der Macht über andere. Dies erinnert mich, ohne das Ganze pathalogisieren zu wollen, an den Destruktions-/Thanatos-/Sadismustrieb bei Freud (bei Nietzsche das dionysische Prinzip) den das Kind durch Sozialisation/Entwicklung lernen sollte zu kanalisieren, also zum normalen Entwicklungsprozess gehört. Gehe auch mit Martin einig (obwohl ich mich sonst eher in der humanistischen Psychologie zuhause fühle), dass „die die Decke der Zivilisation dünn ist“ und archaische Kräfte unvermittelt in ihrer brachialen und asozialen Gewalt sehr schnell hervorbrechen können (obwohl man/frau als erwachsene Person sie auch dann beherrschen kann/sollte).
@Brunhild: Bin völlig einig mit Ihnen, dass es mit Primärprävention nicht getan ist. Die Früherfassung aufgrund von Risikofaktoren (und Weiterbildungen diesbezüglich) wird immer wichtiger werden, jedoch bedarf es dort umso mehr des gesunden Menschenverstandes, sonst ist dann bald jeder ein Fall für die Kinder- und Jugendpsychiatrie.
@sonic
„Übrigens ist mir ein solches Verhalten heute als Erwachsene extrem fremd (auch die psychische Variante)..“
ahh, da sind wir jetzt alle aber sehr erleichtert und beruhigt 🙂
„Heute mag das etwas anders sein, aber ich finde es schon auch ein Thema, wie lange Kinder selber versuchen sollen, zurecht zu kommen und wann sie Erwachsene zu Hilfe holen müssen. Am besten ist immer, sie schaffen es alleine. Was aber wenn nicht?“
Was mir bis jetzt als Betroffener (bezüglich Kinder) begegnet ist, die Bereitschaft zum eingreifen; das Bewusstsein, sich gewahrsein dass Nichteingreifen eine deutliche Botschaft an die Täter darstellt, ist je nach Schulhaus/Lehrerschaft ausgeprägt bis weniger vorhanden.
Und ich kam mir bis jetzt auch immer ernstgenommen vor, resp mir wurde sogar gesagt dass wir gar nicht so lange hätten warten sollen (also dieser Versuch das Kind selber dafür sorgen zu lassen war von uns, laut Lehrern, eher zu lange angesetzt). Aber ich bekam von anderen Betroffenen auch ganz anderes zu hören, es wird wohl wie bei so Vielem am Ende vom einzelnen Menschen, an den man in diesem Fall gerät, abhängig sein.
Ich sehe das Problem eher darin dass auch bei bestem Willen der Schule, Vorgaben etc das im Endeffekt wenig bringt solange man das Elternhaus, die Wurzeln nicht wirklich in die Pflicht nehmen kann.
Im ungünstigsten Fall spielen sie dann im Schulumfeld einfach „die Reumütigen“, ausserhalb der Schulzeiten und ausserhalb des Schulareals wird dann nachgeholt, und solange keine anzeigemögliche Straftat vollbracht wird ist man ziemlich hilflos- und eigentlich ja auch im zweiten Fall…
Die Pazifisten dieser Welt haben bis heute nicht begriffen, dass es ein glaubwürdiges Drohpotenzial braucht, um Frieden sicherstellen zu können. Im Kleinen wie im Grossen. Im Kleinen heisst das: Es reicht die Geste, dass man bereit ist, sich handfest zu wehren (und es gegebenenfalls auch tatsächlich tut), um beim Gegenüber eine abschreckende Wirkung zu erzielen. Die Pazifisten dieser Welt halten sich selbst für überlegen, aber sie sind es letztlich, die es Diktatoren und Gewalttätern ermöglichen, sich ihre Macht zu nehmen und sie nicht mehr abzugeben. Pazifismus ist daher ein Irrtum. Eine glaubwürdige, abschreckende Selbstverteidigungshaltung in jedem Fall richtig.
@Sergio
Das christliche Grundwerte funktionieren hat Mahatma Gandhi bewiesen.
Diktaturen funktionieren wegen der ( nicht gewaltfreien) Mitläufer………
@Mark: Nichts gegen christliche Grundwerte und Mahatma Gandhi. Aber versuchen Sie es z.B. mal beim IS mit „rechte Wange hinhalten“, wenn Sie auf die linke geschlagen wurden. Sie würden nicht lange überleben. Was es braucht: Die Fähigkeit, mit Bedacht zu reagieren und die unbedingte Bereitschaft, einen Angriff auch physisch zu parieren, wenn er sich anders nicht stoppen lässt.
@Sergio
Der IS ist ein Produkt von Gewalt und lässt sich mit mehr Gewalt nicht zerstören (siehe Taliban), man könnte allerdings die Versorgungswege des Wüstenkalifats blockieren und die Hintermänner und Profiteure mit Namen nennen.
Wenn Licht kommt flüchten die Kakerlaken. 😉
Ich ich halte es für wichtig, dass sich Kinder (und Erwachsene) angemessen gegen Gewalt wehren können. Trotzdem sehe ich mich als überzeugte Pazifistin. Ich bin für die Armeeabschaffung, halte jedoch eine gut beaufsichtige und Volksnahe (Freund und Helfer) bewaffnete Polizei für notwendig, da es immer einzelne Menschen geben wird die nur mit Waffengewalt zu stoppen sind.
praktisches Beispiel: unser friedlicher Sohn wurde, nachdem er in der Primarschule eine Klasse übersprungen hatte, von der neuen Klasse abgelehnt und von einigen (auch physisch!) gemobbt. Eines Tages schnappte er sich einen der aktivsten Angreifer, legte ihn auf den Boden und setzte sich drauf (Knie auf dessen Oberarmen). Der Typ hat ihn danach nicht mehr angegriffen.
Es gibt so was wie „gewaltlose Gewalt“.
Ihr Sohn ist ja ein richtiger Held !
Genau so erging es meiner Tochter auch!
Klasse übersprungen, gemobbt worden, sich den Stärksten der Drei geschnappt und zugeschlagen.
Das war sehr wirkungsvoll.
Zuvor hatte sie versucht, sich mit Worten zu wehren und die Lehrerinnen um Hilfe zu bitten. Diese empfahlen ihr Folgendes: „Geh immer weg, wenn die kommen. Ja, wenn die dich verfolgen, dann auch. Immer weggehen. Ja, auch wenn nötig, die ganze Pausen lang“ Und die andere: „Komm, jetzt essen wir erst mal schön ein Stück Kuchen und vergessen das Ganze.“ ^^
Sich mit Worten wehren zu können oder notfalls auch handgreiflich werden zu können, muss man Kindern jedoch auch beibringen. Meine drei Töchter können sich im Notfall verteidigen, kennen Tricks und schaffen es ebenso, andere verbal so anzusprechen, dass es diesen unangenehm wird. Das haben wir immer wieder geübt.
Was den Kanton Bern betrifft, so werden solche Kinder, die sich erfolgreich werden anschliessend zur Schulgewaltpräventions-Psychotante geschickt. Und zwar in dem konkreten Fall, den ich im Sinn habe das neunjährige Mädchen, das im Alleingang die Pöbeleien von vier zehnjährigen Buben beendete. Sie war allerdings zu vorlaut, um sich der Gehirnwäsche zu unterziehen.
Meine ich das bloss oder scheinen (fast) alle davon auszugehen, dass sich das „Opfer“, sofern es denn nur will, sich auch selbstständig wehren kann? Obendrein, was ist, wenn der „Schläger“ nicht physische, sondern psychische Gewalt anwendet? Darf das Kind dann auch physisch zurückschlagen, weil es hier stärker wäre?
Weitergehende Antwort: Es soll zurückschlagen, aber aufhören, wenn er am Boden liegt.
NICHT nachtreten! Das ist dann eine andere Kultur, die ich hier nicht haben will.
Meine Rede. Man darf und muss zurückschlagen. Hab ich als Kind oft machen müssen, liess dann aber ab, wenn der Drangsalierer am Boden lag.
In der Regel war anschliessend sogar für immer Ruhe im Karton mit diesen Kandidaten.
Dort hatte ich gelernt, Gewalt ist einfach eine höhere Stufe der Diskussionskultur. Einige verstehen halt keine gesprochene Sprache, sondern nur Gewalt, dann dafür recht zackig.
Mein 12-jähriger Sohn, eher klein und schmächtig damals (ca. 1993), wurde von einem Schulkameraden, welcher grösser und kräftiger war, ständig körperlich drangalisiert. Auf unsere mehrmaligen Interventions- und Gesprächsversuche mit der Schule wurde uns mitgeteilt, dass wir da Verständnis haben müssen, weil der Schüler aus Ex-Jugoslawien komme und sich nur so behaupten könne….!! Da mein Sohn auch erst vor kurzem aus Thailand zugezogen war und im Thai-Schulsystem sehr gut Thai-Boxen gelernt hat, habe ich ihm die Erlaubnis erteilt, sich damit zu wehren. Er hat sich beim nächsten Übergriff mit je einem Tritt und Schlag gewehrt und den Übeltäter vor den Augen einer Lehrperson, welche beim Übergriff nicht eingriff, lupenrein K.O. geschlagen. Er hatte anschliessend an dieser Schule nie mehr Probleme mit anderen Jungs.
Erbärmlich ist bloss, dass die Verantwortlichen in der Schule für den Schläger Verständnis heuchelten – was nichts anderes ist als Verachtung für den Jugoslawen.
Wer das Gefühl hat, dass jede Situation ohne Gewalt lösbar ist, hatte eine (zu) behütete Kindheit. Der kennt die Situation schlicht nicht, vor jemandem zu stehen, der gewalttätigen Streit sucht und will. Da kann man versuchen nett mit ihm zu reden… nach meiner Erfahrung führt dies jedoch zu Schlägen auf den Kopf. Und dies mit hoher Wahrscheinlichkeit in wiederholten Fällen. Sich wehren mag auch zu Schlägen auf den Kopf führen, aber mit etwas Glück nur einmalig.
Bei manchen männlichen Teenagern herrscht nun mal das Gesetz des Dschungels und wer den Regeln nicht folgt geht unter. Die Regel lautet Respekt. Den muss man sich erkämpfen. Klingt abartig, ist aber so. Leider.
@Patrick: Wie Claudia (08:44) und Brunhild Steiner (09:43) bestätigen, herrscht „das Gesetz des Dschungels“ nicht nur bei männlichen Jugendlichen, wie Sie schreiben. Wie kommen sie darauf, dass Gewalt nur von männlichen Teenager ausgeht?
Das ist mir durchaus bekannt, aber das Mädchenpuff hat mich weniger betroffen und war auch etwas weniger verbreitet.
In der Schule sollte man sich nicht zu Wehr setzen. Schläge, Ringen, kämpfen und schupfen wird absolut nicht toleriert. Spucken, Haare reissen, also Waffen von Mädchen sind hingegen mehr toleriert. Knaben empfehle ich darum, egal was für eine Attacke voran gegangen ist, die Wut herunter zu schlucken und zu warten bis nach der Schule. Ansonsten riskiert man von der Schule ausgeschlossen zu werden. Wenn die Wut sich aber nicht sofort herunter schlucken lässt, Haare reissen, kneifen, spucken. Das ist zwar sehr unmännlich, wird aber nur noch von den wenigsten Mitschülern mit Spot bestraft. Die Verweiblichung in den Klassenzimmern hat dafür gesorgt.
@Nils Pickert: immer wieder interessant, von Ihren Gedanken angeregt zu werden 🙂
Zum Thema: Ich meine schon, dass wir uns gegen Gewalt abgrenzen müssen, da wir/unsere Kinder sonst grenzenlos ausgeliefert sind und damit dem Gewalt-Ausübenden Recht geben.
Dies in Anlehnung an die Natur, wie ich es bei unseren Hunden beobachte: zuerst mit Worten/Knurren, dann mit Verlassen der Situation. Und wenn das immer noch nicht genügt halt auch mit Körperkraft/Schnappen. So wird noch niemand verletzt. In der Hoffnung, dies reiche dann auch. :-S
Zurückschlagen um sich Respekt zu verschaffen und weiteren Angriffen vorzubeugen? Macht in gewissen Situationen Sinn, manchmal braucht es andere Strategien. Wenn das Opfer zum Beispiel körperlich hoffnungslos unterlegen ist oder alleine einer Gruppe gegenübersteht. Oder bei verbaler Gewalt und Cybermobbing.
Meine Kinder sagen dass Prügeleien praktisch nicht vorkommen auf ihrem Schulhof (war bei uns noch anders). Täuscht mein Eindruck, dass körperliche Gewalt bei der Herstellung der sozialen Hackordnung zumindest in dieser Altersstufe eine kleinere Rolle spielt als früher?
Körperliche Auseinandersetzungen sind die letzte Aggressionsstufe, nie die erste. Und so soll ein Kind va auch lernen, sich zu behaupten, ohne zu solchen Mitteln greifen zu müssen. Hier spielen auch verbale Übergriffe eine Rolle, Manipulationen usw. eine große Rolle lange bevor es zu Tätlichkeiten kommt. Auch damit muss ein Kind umzugehen lernen.
Wenn es ums Körperliche geht, reicht es meistens, dass man signalisiert dass man sich zu wehren weiß. Oder wie ein bekannter ehemaliger Finanzminister mal so schön gesagt hat: man muss die Kavallerie nicht ausreiten lassen, es reicht zu zeigen dass man sie hat.
Es gab in einer Fernsehserie mal so einen Spruch:
Wenn dich jemand mit einem Stock schlägt, sollst du zurückschlagen oder dich prügeln lassen? Die Antwort lautete: Nimm ihm den Stock weg.
So sehe ich das auch. Solange es ohne Gewalt geht, ist das immer besser. Aber man muss sich auch wehren dürfen, wenn nichts anderes hilft. Allerdings nicht gleiches mit gleichem vergelten, sondern nur dafür sorgen, dass der andere aufhört.
Am schlimmsten finde ich übrigens diejenigen, die andere zur Gewalt anstiften und dann hinterher ihre Hände in Unschuld waschen oder so lange provozieren und wenn der andere dann ausrastet und zuhaut, sich freuen, wenn er bestraft wird und sie das arme unschuldige Opfer sind.
Was keine der Antworten hier aufgreift: Die Schulbullies suchen sich nicht Gleichstarke aus. Die gehen auf die kleinen los.
Was hilft es denen, wenn sie zurückschlagen?
Sehr richtig. Schnell rennen und sich starke Freunde zulegen 🙂 Ist natürlich nicht so einfach. Ich versuche meinen Jungs auch beizubringen, dass man sich für Schwächere einsetzt. Wenn alle die Kinder, die lernen, dass sie, wenn sie angegeriffen werden, auch zurückschlagen dürfen, auch lernen würden, den Schwächeren zu helfen, wäre schon viel gewonnen.
Respekt. Der kleine mag zwar untergehen, aber er markiert damit sein Revier. Markiert er es nicht, hat er auch keines.
Genau, Respekt. Und er ist damit kein leichtes Opfer, das sich nicht wehrt, und wird wohl auch einige Treffer landen können. Der Aggressor wird sich höchstwahrscheinlich das nächste Mal ein anderes Opfer aussuchen.
Und sonst müssen die Eltern und die Schule eingreifen, da wahrscheinlich ein Soziopath am Werk ist.
Quark. Ich war drei Jahre lang ein solches Opfer in der Primarschule. Ich will nicht zurückgehen und zählen, wie oft ich mich in der Pause geprügelt habe.
Das ändert überhaupt nichts. Respekt verschafft es einem schon gar nicht.
Warum sollten sich Eltern überhaupt dazu äussern?
Die Grundregeln genügen: Man schlägt keinen, der schon am Boden liegt (weil es feige ist), man beisst nicht (weil man Krankheiten übertragen kann und weil es feige ist), man geht nicht als Gruppe gegen einen einzelnen (weil es feige ist). Man prügelt nur mit den Fäusten, nicht aber mit Steinen und Knüppeln (weil die Verletzungsgefahr zu gross ist). Man lässt sich beim Prügeln nicht von Erwachsenen erwischen (weil es sonst nur Probleme gibt).
Alles andere können Kinder selber erledigen. Etwas anderes ist dann bei den Jugendlichen. Die sollten ab einem gewissen Alter lernen, wie man Konflikte gewaltfrei löst.
Die erste Frage des Autoren ist von mir aus gesehen falsch gestellt.
Die Frage sollte lauten: Wann sind Kinder alt genug, um selbständig Alternativen zur gewalttätigen Konfliktlösung zu entwickeln.
Wenn man nämlich Kinder von klein auf Stunde für Stunde überwacht und den Gewaltverzicht einsäuselt, dann sind sie nicht fähig, Konflikte zu lösen, sondern sie sind einzig dazu erzogen worden, sich zurückzuhalten, sich nicht durchzusetzen. Kleine Kinder lernen auf diese Art einzig, wie man immer brav und anständig sich alles gefallen lässt und zwar zu allererst von der Mutter selber.
Das wäre demnach dann die graue, manipuierbare, links-revolutionäre Masse, die sich die friedensbewegte Familie der Mutter so sehnlich herbeigewünscht hatte. Nur so kann man den real existierenden Sozialismus noch retten!
Sie schreiben von Gewalt unter in etwa Gleichaltrigen: Da sehe ich es so, dass es das einzig Richtige und meistens auch das einzig mögliche ist, Ruhe zu bekommen, wenn man dem Angreifer die Stirn bietet und zurück schlägt, oder als erster zuschlägt. Wer ständig provoziert (physisch oder psychisch) und keines aufs Dach kriegt, wird sich ständig so verhalten. Beim Opfer sind psychische Probleme vorprogrammiert.
Den Kindern vorzuschreiben, sich verprügeln zu lassen, ist ziemlich primitiv. Allerdings gilt, dass man nur psychischen und physischen Verteidigung zuschlägt.
„Das Bekenntnis zum Gewaltverzicht kommt in diesen Fällen einer Einladung zu mehr Gewalt gleich.“ Das ist es. Und indem eigentlich immer klar war, dass ich Kraft genug habe, und ich diese in der Not auch einsetzen würde, kam es gar nie dazu, dass ich mich gewaltsam wehren musste (kleiner Rangereien im Schulalter sind natürlich ein anderes Thema).
Das gleiche versuche ich meinen Kindern mitzugeben. Sie sind sportlich und stark. Und sie stehen hin für ihre Anliegen (mal mehr, mal weniger – wir arbeiten noch daran). Und vor allem – sie stehen auch ein für andere, die eben nicht über diese Stärke verfügen.
@Sportpapi
„Und vor allem – sie stehen auch ein für andere, die eben nicht über diese Stärke verfügen.“
riesen Kompliment von Herzen, das freut mich sehr!
Und ist genau das, was manchmal fehlt.
Wenn der Klassenschläger loslegt, nützt alles Reden nichts, sondern nur Wehrhaftigkeit. Erfahrungsgemäss sind Klassenschläger vor den Lehrpersonen und Eltern meist gut gesittet und prügeln dann rum, wenn keine Grossen da sind.
Dshalb: zuschlagen verboten, zurückschlagen erwünscht. Und dann werde ich meine Kinder noch in einen Kampfsport schicken, denn wer sich körperlich schon entsprechend verhält und bewegt, wird auch nicht so schnell Opfer. Und sich wehren muss gelernt sein.
Meine Frau dachte gleich wie ihre Frau bis sie von einem Typen eine Ohrfeige erhalten hat und ich eine zweite mit Gegengewalt knapp verhindern konnte. Dann hab ich ihr noch gesagt, sie solle sich mal vorstellen, ich wäre nicht da gewesen. Seitdem ist sie anderer Meinung. Frauen sind meist solange absolut gegen Gewalt bis sie selbst welche erleben und plötzlich merken, dass in gewissen Situationen Worte einfach nichts mehr helfen. Dann sind sie plötzlich auch dafür, dass man sich wehren darf…
Das Immunsystem ihres Kindes wehrt sich ja auch mit „Gewalt“ z.B. gegen eine Grippe oder wenns dann mal sein muss: gegen Krebs. Will das ihm seine wehrgehemmte Mutter auch verbieten? Wehrhaftigkeit ist keine Gewalt sondern essentielle Lebensfähigkeit.
@Albert Baer
das sind jetzt aber ganz neue Töne, soll das tatsächlich ein Aufruf zur engagieren, mit Gewaltanwendung verbundener, Gegenwehr sein??? Sie hab ich bisher immer sehr auf der Seite der Mahner zur gewaltfreien Kommunikation/Interaktion gesehen, falls ich da zu undifferenziert war tut mir das leid (und freut mich aber…)
Nun die Gewaltfreie Kommunikation predigt keine Hilflosigkeit. Sie befürwortet die Anwendung von beschützender Gewalt (Notwehr). Sei das nun, dass man ein Kind von der Strasse wegzerrt oder aber Gewalt (nicht den Gewalttäter!) mit Gegengewalt abwehrt.
Gegen die Symptome einre Grippe muss sich kein Körper wehren, denn diese Symptome entstehen ja erst dann, wenn ein Konflikt gelöst wurde und der Mensch sich in der Erholungsphase befindet. Da braucht man einfach abwarten und Tee trinken, denn die Symptome verschwinden wieder. Und den sog. „Krebs“ kann man nicht bekämpfen, jedoch heilen, wenn man versteht, welcher Konflikt z.B. hinter einer Zellvermehrung steckt, denn diese Zellvermehrung ist ja nicht sinnlos. Die Evolution des Lebens ist unendlich weise, doch der moderne Mensch ist noch immer blind, weil er einfach nicht sehen will.
Hey, noch keine Frage zur Nationalität der Schläger?
Einer musste ja anfangen…
@Michael
Wenn es um 14-jährige und älter auf den Pausenplätzen und in öffentlichen Parks geht, dann ist diese Frage überflüssig. Sie ist seit Jahren geklärt, jedenfalls beim gemeinen, dumben, SVP-wählenden Pöbel.
Etwas anders sieht es dann bei der SP-Clientèle aus, die ja ihre Kinder regelmässig in Privatschulen versorgt. Dort braucht man sich mit dieser Frage nach der Nationalität der Täter nicht auseinanderzusetzen, weil man ja unter sich ist.
Erstens ist es entscheidend sich nicht zum Opfer machen zu lassen und zweitens nicht in blinder Wut und stumpfer Gewalt zu reagieren. Beides müssen wir Eltern mit unseren Kindern üben. Es gibt Wege sich zu wehren, ohne dem Angreifer Schaden zuzufügen und/oder sich selbst zu schützen. Schulen müssen Gewalt thematisieren und hinschauen, auf dem Pausenplatz, Garderoben, überall da, wo die Schwächeren hinter dem Rücken der Lehrpersonen den Prüglern und Mobbern ausgeliefert sind. Einfach zurückprügeln ist für Kinder keine Option, sich wehren schon.
Und wie soll ein Kind sich wehren, wenn nicht zurückprügeln?
… meine söhne wurden so lange von jüngeren mitschülerinnen herumgeschubbst (sogar bis zum umfallen!) – dass ich ihnen sagen musste, schubbs endlich zurück. dann haben sie die girls so geschubbst, dass sie ihn der wiese lagen. danach haben die mädchen sie nie mehr angefasst.
meiner meinung ist es ganz einfach: auge um auge, zahn um zahn.
wenn man nicht mit den gleichen waffen zurückschlägt, denken die täter sie können mit einem machen was sie wollen.
@Claudia
da hatten Sie aber Glück, manchmal geht sogar das ins Auge wenn die Verursacher sich dann bitterlichst über vollzogene Gegenmassnahmen beklagen und damit noch durchkommen. Besonders kritisch wenn die Täter jünger, kleiner oder eben weiblich, die Angegriffenen viel grösser, älter oder männlich sind.
Gefällt mir nicht dass es so klischeehaft klingt, aber leider selbst schon miterleben müssen, je nachdem wie objektiv/neutral das Betreuungsumfeld ist, resp wie nicht-objektiv/neutral.
Von mir aus sollten sämtliche Jugendliche, Buben wie Mädchen ab dem Alter von 12 Jahren obligatorisch den unbewaffneten Nahkampf trainieren und zwar mindestens 2 Stunden pro Woche in geschlechtergetrennten Klassen.
Ich rede nicht von Kampfkunst wie Karate oder Judo sondern von tatsächlicher Selbstverteidigung. Ich wäre für Krav Maga.
Jugendliche werden nämlich nicht nur in der Schule hinter dem Rücken der Lehrer geprügelt, beraubt, erpresst, sondern genau so in Stadtparks, auf dem Schulweg, am Bahnhofe. Sobald die Gruppen auftretenden Täter wissen, dass die hiesigen Jugendlichen zur wirkungsvollen Notwehr und Notwehrhilfe fähig sind, werden diese sich das zweimal überlegen.
hmmm….also wenn sämtliche Jugendliche die von ihnen gewünschte Nahkampfausbildung durchlaufen haben werden werden die Täter genau auf dem gleichen Stand sein und es gibt ein Gemetzel. Oder meinen sie nur die „hiesigen“ Jugendlichen und wie wollen sie das unterscheiden (Hautfarbe, Religion, Pass, Eidgenossen bis ins 5. Verwandschaftsglied???)
@Brecht
Ich denke, dass in einer guten Nahkampfausbildung folgende Fähigkeiten trainiert werden: Aufmerksamkeit für die Umgebung. Der Nahkampfschüler, lernt jederzeit seiner Umgebung gewahr zu bleiben. Er ist damit weniger leicht zu überrumpeln. Er lernt auch, dem Konflikt aus dem Weg zu gehen, zu erkennen, wo die Leute sind und wer die Leute sind, von denen das Böse ausgeht. Und als letztes lernt er, den Kampf unerwartet, heftig zu führen, sehr rasch zum Ende zu führen.
In dem Sinn ist eine seriöse Nahkampfausbildung wie Krav Maga deeskalierend.
Ein Nahkampfschüler wird befähigt, situationsgebunden zu unterscheiden, wer vertrauenswürdig ist. In dem Sinn ist auch ihre Frage beantwortet, nach welchen Kriterien man unterscheidet: Man beobachtet, erkennt Verhaltensmuster auf der Strasse.
Die andere Frage, die sie stellen, ob dann nicht die Schläger genauso gut trainiert sind. Ich denke, Schläger sind fast immer Feiglinge und wagen sich nur in Gruppen von sechs oder acht Leuten. Wenn in unserer Zivilgesellschaft eine grosse Zahl von Leuten wirkungsvolle Notwehrhilfe leisten, dann sind sechs oder acht Leute fast in sämtlichen Alltagssituationen in der Minderzahl. Sie werden demnach das Opfer in Schutz nehmen, anstatt danebenzustehen und Handyfilmchen zu machen oder der Polizei zu telefonieren, die sowieso zu spät kommt.
Gerade bei Jugendlichen ist Gewalt ein Mittel der Selbstdarstellung und Imponiergehabe. Der „Schläger“ sucht sich die „Opfer“ nach einer „Risikoanalyse“ aus, d.h er sucht Opfer die er als schwächer einschätzt. Wenn das Opfer bei Bedrohung nicht kuscht oder sich sogar wehrt kann das die Eskalation verhindern und das Opfer kann sogar Selbstvertrauen gewinnen. Wer Gewalt ausübt, der soll auch Gewalt ernten, mit Wattebäuschchen, Therapien und dergleichen wird nichts erreicht.
Ich bin nicht der gleiche wie du! 🙂
Keine nichttriviale Frage moralische Fragen lässt sich mit ja oder nein beantworten. Nur eines ist klar, wenn man sich vor einer Globalantwort drückt und statt dessen ins Detail geht, verunmöglicht sich eine Lösung erst recht. In der Detailsicht löst man keine komplexen Probleme oder Fragen.
In meiner Zeit und in meinem Raum war klar, wer zuerst und hart genug schlägt, hat die besten Chancen, einer Wiederholung von Gewalt vorzubeugen. Wer sich schwach zeigt, wird zum Opfer erkoren und darf täglich mit Prügel rechnen. Wer sich dann noch bei den Eltern oder den Lehrern ausheult, hat endgültig verschissen und kann nur noch Schule und Umgebung wechseln.
Lieber einmal richtig, dann hat man es hinter sich. Aber das mag heute und in Gegenden, die durch vor allem soziale Feigheit geprägt sind (Süddeutschland, Schweiz), anders sein.
Ich verstehe Gewaltlosigkeit so, dass ich möglichst nicht die Ursache der Gewalt bin (verbale Gewalt inbegriffen), d.h. nicht zur Gewalt als Mittel der Wahl greife, also primär nicht Angreifer bin und zuerst alle anderen Mittel ausschöpfe. Des Weiteren möchte ich meinen Kindern auch Respekt und Empathie auf den Weg geben (auch im Kampf gibt es Moral), d.h. wenn es zum Kampf kommt und jemand am Boden liegt, dann ist der Kampf vorbei/entschieden. Bei einer Gegenwehr sollte es nicht darum gehen, den anderen zu zerstören, sondern ihm nur seine Grenzen aufzuzeigen, die Gegenwehr sollte also auch dosiert sein (Keine Schläge ins Gesicht, Weichteile), Judo eignet sich dafür sehr gut.
Ich teile Ihre Ansicht voll und ganz, und kann nur hoffen dass es die meisten Eltern auch so sehen.
Für mich besteht eines der Probleme darin, dass es auch bei Kindern zu Gewaltsexzessen kommen kann, in welchen das Mass der Gegenwehr in keinem Verhältnis zum erlittenen eigenen Schaden steht.
Ich möchte nicht, dass meine Mädchen sich als Opfer sehen, das steht ausser Frage. Ob sie dafür im Kindesalter zum Mittel der Gewalt greifen müssen, glaube ich eher nicht, sofern sie bedrohliche Erlebnisse zuhause auch mitteilen. Dies versetzt uns Eltern in die Lage adäquate Lösungen zu besprechen und es gibt durchaus andere als die alttestamentarischen. Im äussersten Notfall jedoch ist es mir lieber meine Kinder wehren sich mit den ihnen zur Verfügung stehenden Mittel und setzen so ein Zeichen für sich selbst und potentielle Aggressoren.
Meiner Meinung nach ist Gewalt immer dann gerechtfertigt, wenn man selber körperlich angegriffen wird. Gesetzlich nennt man das dann Recht auf Selbstverteidigung. Solange mein Kind sich nur verteidigt und nicht der Aggressor ist hat es alles richtig gemacht.
Genauso habe ich mich früher auch verhalten und bin damit nicht schlecht gefahren.
Doch, es ist ganz einfach. Ihr Kind darf sich nicht nur wehren, es muss sogar. Es ist noch vielmehr elterliche Aufgabe, unsere Kinder auf die Herausforderungen vorzubereiten, die uns unangenehm sind, als auf die angenehmen. Das bezieht sich nicht nur auf die kindlichen, aggressiven Phasen die schon vor dem Kindergarten beginnen, sondern auch Erfahrungen später im Leben. Wichtig ist meines Erachtens einfach, Streit und Aggression nicht selber zu suchen, schon gar nicht gegenüber Schwächeren. Kinder müssen auch lernen, Gefahren und Aggression zu erkennen und ihnen soweit möglich aus dem Weg zu gehen. Wenn man aber aufs Korn genommen wird, muss man/frau/Kind sich zu wehren wissen. Ansonsten müssen Sie später ihm gar keine Pausenbrötli mehr mitgeben, sie werden sowieso weggenommen werden. 😉
Ihrer Frau können Sie gerne sagen, dass der real existierende Pazifismus als Ideologie genauso gescheitert ist wie der real existierende Sozialismus. Das hat im Zeitalter des Kalifats sogar der Vatikan mittlerweile eingesehen.
Da muss ich widersprechen, Martin Frey! Speziell der letzte Absatz von Ihnen zeigt mir deutlich, wessen Geistes Kind Sie sind. Der Pazifismus ist stärker als je zuvor in der Auferstehungsphase und zeigt Wirkung gerade wenn braunes Gedankengut sich wieder ausbreitet. Beispiel gefällig? Bei der Pegidademo vom Montag in Dresden standen ca. 20’000 Fremdenangsthasen ebenso vielen Pazifisten gegenüber! Ja, es kam zur Eskalation, zeigt aber, dass es Gegenbewegungen gibt, die ebenso stark sich für das Gute im Menschen einsetzen wollen.
Der Sozialstaat ist das einzige Mittel zu einem sozialen Frieden wie das Vorbild in Skandinavien eindrücklich zeigt.
Fazit: Sie wollen hier Gift versprühen und Volkshetzern nach dem Mund reden. G’schämig!
Hm. Wurden da in Dresden nicht einige verletzt? Unter anderem auch Pegida-Anhänger? Und was wäre wohl passiert, wenn da nicht noch über 1000 Polizisten dazwischen gegangen wären (und sich dabei auch selber gefährdet haben)?
Sie scheinen nicht zu wissen, dass jene Ideologie nur Gewalt anwendet, wenn Drohungen nicht zum Ziel führen.
Andersrum: Wenn Drohungen die andere Seite nicht genügend unterwerfen, dann wird Gewalt angewendet. Das steht alles in den einschlägigen Büchern, und in allzuvielen Köpfen, weil das immer wieder ungehemmt so gepredigt wird.
Wenn man sich nicht wehrt – und eben auf Gewalt mit gemessener Abwehr reagiert, dann wird man unterworfen.
Was so für Kalifate gilt, gilt auch für Schulhof-Bullies.
wehren heisst doch aber nicht zwingend zurückschlagen. aber das war ja thema hier.
man muss aber meiner ansicht nach wirklich zwischen kindlicher körperlichkeit, grenzen austesten und gewalt unterscheiden. beim grenzen austesten empfiehlt es sich ja wirklich, sich nicht einfach bieten zu lassen dass man herumgeschubst wird, weil man das sonst wie zulässt und es nicht aufhören sondern schlimmer wird. musste ich leider erfahren. „kämpfli“ können auch auf eine spassige weise ausgetragen werden, die nicht schlimm endet sondern den zweck hat, zu erfahren, wo grenzen sind.
fieseheiten soll man nicht hinnehmen, aber natürlich ist manchmal coolness die beste gegenwehr. nur eben nicht immer. das ist ein heikles und schwieriges feld und ich bin ja soooo froh dass man im erwachsenenalter solchen affronts nicht mehr ausgesetzt ist.
ich bin pazifistin, aber das heisst ja nicht, dass ich mich prügeln lassen muss
Sich wehren hat viele Gesichter, tina. Es beginnt meines Erachtens aber bei der Selbstachtung, denn diese wird bei Uebergriffen, egal welcher Natur, als erstes missachtet. Nur wer Selbstachtung hat kann sich auch behaupten, völlig unabhängig davon, mit welcher Strategie man das tut. Und nur wer seine eigenen Grenzen kennt, weiss um deren Bedeutung und merkt, wann sie überschritten werden.
Dies bezieht sich beileibe nicht nur auf Aggressionen unter Kindern.
Wenn jemand verprügelt wird, muss dieser eine ausgeklügelte Strategie und viel Übung haben, um sich ohne Gewalt gegen den andern wehren zu können. Das können Kinder nicht und nur diejenigen Erwachsenen die Kampfkunst können und Erfahrung darin haben.
Selbstachtung – im Sinne der Wahrung von persönlicher (körperlicher und psychischer) Integrität – ist für mich das Schlüsselwort überhaupt. Eines lässt sich nicht von der Hand weisen: es sind nicht nur körperlich schwache Kinder (und später Jugendliche), die Opfer von Gewalttätern werden. Es sind auch die tendenziell unsicheren, schüchternen Kinder. Wer ausstrahlt, dass er/sie bereit und willens ist, sich zu wehren – und damit meine ich jetzt nicht per se die körperliche Wehrhaftigkeit, sondern die grundsätzliche Bereitschaft, einem Konflikt nicht aus dem Weg zu gehen, sondern sich ihm zu stellen -, gerät eher nicht in den Fokus von Bullies und Mobber(inne)n. Und nein, mE hat das nichts mit ‚Opfermentalität‘ zu tun, respektive damit, dem Opfer die (Mit-)Schuld an einem Übergriff zuzuschieben. Es handelt sich vielmehr um die Beobachtung eines psychologischen Mechanismus, der durchaus auch unter Erwachsenen greift, wenngleich auf subtilere Weise.
Wie oft haben Sie besser in Worte gefasst, mila 🙂 was ich an sich ausdrücken wollte.
Der Begriff ‚Opfermentalität‘ wie Sie das nennen wird halt oft fälschlicherweise sinngleich für ebendiese unsicheren, schüchternen Persönlichkeiten verwendet, deren Verhalten in der Tat nichts mit Stärke oder Grösse zu tun hat. Wichtig finde ich einfach, dass man als Aussenstehender (aber auch als betroffene Person) nie den Fehler machen sollte, Ursache und Wirkung zu verwechseln, respektive die Schuld beim Opfer zu suchen nur weil es dem Aggressor oder auch dem Umfeld grad so in den Kram passt. Spätestens hier beim Thema Selbstachtung, Selbstbehauptung und Abgrenzung gegenüber Grenzüberschreitungen greift m. E. auch die Pickert’sche Haltung zu kurz. Denn Kinder müssen nach meinem Empfinden früh lernen, dass es nicht richtig ist, dass andere über sie bestimmen, oder geistig und körperlich über sie verfügen. Wenn sie das nicht lernen, setzt sich das in aller Regel ins Erwachsenenalter fort, wo sie jederzeit wieder auf dieselben, mittlerweile wohl etwas angegrauten Bully-Pendants treffen können (wie man teils auch an dieser Stelle immer wieder schön beobachten kann).
„Denn Kinder müssen nach meinem Empfinden früh lernen, dass es nicht richtig ist, dass andere über sie bestimmen, oder geistig und körperlich über sie verfügen. Wenn sie das nicht lernen, setzt sich das in aller Regel ins Erwachsenenalter fort“ – also, ich für meinen Teil denke nicht, dass man das klarer und deutlicher in Worte fassen könnte, Martin. 😉
Was mir zusätzlich wichtig erscheint: dass Eltern sich selbst(-kritisch) die Frage stellen, wo bestimmte Erziehungs’formen‘ solche Tendenzen der Fremdbestimmung und -verfügung begünstigen. Bei aller notwendigen elterlichen Anleitung und Grenzsetzung.