Das «Einschlafbuch» im Test

Gute Seiten, schlechte Seiten: Carl-Johan Forssén Ehrlin mit seinem Buch, dessen Bilder vom Ziel ablenken würden – und darum Kinderaugen vorenthalten bleiben. Fotos: PD
«Papa, das ist langweilig.» So urteilt der Fünfjährige, dem ich – auf seinen Wunsch – zum zweiten Mal aus dem Büchlein «Das Kaninchen, das so gerne einschlafen will» von Carl-Johan Forssén Ehrlin vorlese. Und er hat recht. Kaninchen Konrad sucht den Schlaf und findet auf dem Weg dahin ein paar andere Tiere oder den guten alten Onkel Sandmann, die ihm dabei helfen. Mehr passiert nicht.

«Das Kaninchen, das so gerne einschlafen will – eine etwas andere Gutenachtgeschichte» von Carl-Johan Forssén Ehrlin, erhältlich bei Amazon.de
Das ist bewusst alles andere als spannend. Der weltweite Bestseller soll Kindern beim Einschlafen helfen. Etwa mit der einlullenden Sprache, die einerseits sehr repetitiv ist: Die Worte «schlafen» und «jetzt» tauchen immer wieder auf. Andererseits ist der Vorleser aufgefordert, fett gedruckte Passagen zu betonen und kursive zu flüstern. Dazwischen muss er auch gähnen. Und den Zuhörer mit Namen ansprechen und so zu einem Teil der Geschichte machen.
Der Autor, ein schwedischer Verhaltenspsychologe und Sprachwissenschaftler, nennt sein Buch ein «mündliches In-den-Schlaf-Wiegen». Es baut auf psychologische und linguistische Techniken, darunter jene der positiven Verstärkung, also der Belohnung. Das hilft Kindern beim Entspannen. Tatsächlich?
Der erste Selbstversuch klappt: Mein Grosser, der normalerweise jede Geschichte zu Ende hören muss, steigt bei Kaninchen Konrad nach der Hälfte der 26 Seiten aus – und schläft! Obwohl er für seine Verhältnisse früh und entsprechend wach in die Lesung gestartet ist. (Seine Geschwister schlafen längst, wie jene von Konrad.) Meine Vorahnung, ich selber würde vor dem Publikum einnicken, bewahrheitet sich nicht.
Dafür scheitert die zweite Lesung ein paar Abende später. Zwar bringe ich die x-fache Wiederholung von «schlafen» und «jetzt» noch erstaunlich entspannt über die Lippen. Aber mein Sohn folgt weder Konrad noch mir. «Laaangwiiilig» sei es, das Buch, «ich finds nöd lässig».
Gähnial daneben. Ein Kindergärtler durchschaut Herr Forsséns Masche? Der Autor hinter dem ersten Buch, das im Selbstverlag die Amazon-Charts gestürmt hat und inzwischen in sieben Sprachen übersetzt worden ist – ein fauler Zauberer? Die einleitende Warnung «Lesen Sie dieses Buch niemals laut in Gegenwart von Personen, die gerade Auto fahren» – ein schlechter Witz?
Ich werde ihm eine dritte Chance geben. Warten, bis der Sohn müde genug und damit bereit ist für Kaninchen Konrad und seine gute Nichtgeschichte. Und dann nach allen auf einer ganzen Seite beschriebenen Regeln der Kunst vorlesen. Und ja: schlafen. Jetzt.
10 Kommentare zu «Das «Einschlafbuch» im Test»
Wie lange machen Sie auf diesem Blog eigentlich schon Schleichwerbung? Männerseminar, einschlaf-Buch, Homeschooling-Buch….
Das sehen wir nicht so. Wir nehmen uns vielmehr spannenden Themen an. Um das Buch zum Beispiel wurde ein ziemlicher Hype veranstaltet. Wir haben es uns für die Leserinnen und Leser näher angeschaut, um zu sehen, was Sache ist. Herzlich, Gabriela Braun
Meine Meinung eine Mogelpackung. Forssen Ehrlin ist kein Verhaltenspsychologe und Sprachwissenschaftler, sondern leitet eine Coaching-Firma und hat maximal(!) einen Master in diesen Fächern. Daher bezweifle ich, dass hinter dem Buch tiefere wissenschaftliche Kenntnisse stecken. Wie will er sich die auch in 6 Jahren Uni angeeignet haben?
Vielleicht könnte man ja bei diesem Buch auch die eigene Fantasie ein wenig walten lassen. Es ist auch immer noch die Frage, wie man etwas erzählt.
Dann vielleicht am anderen Ende des Spektrums Adam Mansbach’s „Go the fuck to sleep“. Ok, ist jetzt nicht wirklich an das junge Zielpublikum gerichtet, aber trotzdem …
da empfehle ich lieber „das grosse gähnen“
darüber soll man zwar nicht einschlafen, aber es ist immerhin lustig und besser illustriert…
Ich habe das Buch nicht gelesen, aber schon nur die Illustrationen schrecken mich ab- ich persoenlich finde sie aeusserst unansprechend- und die Illustrationen machen schon einen sehr hohen Teil der Benotung eines Bilderbuches aus…
Zudem- wieso langweilige Geschichten erzaehlen? Diese fliegen bei meinen Kinder auch in hohem Bogen aus dem Repetoire. Lieber etwas Spannendes- mit Piraten und Zauberer, mit interessanten, schoenen Illustrationen, mit einer richtigen Botschaft. Meine Kinder schlafen auch nach solchen Geschichten ziemlich bald ein.
Es handelt sich nicht um ein Bilderbuch. Die Bilder sollen dem Kind explizit NICHT gezeigt werden. Steht auch im Text…
Wieso hats dann überhaupt Bilder? Damit das Buch teurer verkauft werden kann?
Ein Autor, der Lesern vorgibt, wo sie laut und wo sie leise zu lesen haben? Ein Buch, dass keinen eigentlichen Inhalt, dafür aber ein Ziel hat?
Wer kauft oder wer verschenkt so etwas bevor er/sie nicht selber einen Blick hinein geworfen hat?
Bei Kinderbüchern reicht das Lesen einer x-beliebigen Seite aus dem Buch um festzustellen, ob es gut oder schlecht ist. All die Bücher, in denen Erwachsene ihre eigenen Probleme abhandeln, langweilen Kinder (bspw. Bücher, meist von Frauen, die das Thema Scheidung transportieren: „Dieses Wochenende darf Lisa nicht zu Papa. Seit der Trennung der Eltern ist das Leben für Lisa kompliziert geworden..“). Es sind nicht die Kinder, die ein Problem mit dem Einschlafen haben, sondern die Erwachsenen, die endlich Ruhe haben und ihren Abend geniessen wollen.