Zauber der Kindheit

Mamablog

Im Zirkus können Eltern von ihren Kindern das Staunen wieder lernen. Foto: iStock

Kein Jahr ist es her, da durften meine Kinder zum ersten Mal in den Zirkus. Ich selber mag ja Clowns mit übergrossen Schuhen und absehbaren Gags, Hochseilartistinnen mit Glitzer-BH und aufgesetztem Lachen nicht besonders gern, und mache in aller Regel einen grossen Bogen ums Bellevue, wenn der Knie da ist. Doch für meine Kinder war der Besuch bei den Gauklern, so zeigte sich schon bald, ein grosses Ereignis. Schon bei der Pferdenummer vor der Pause hatten die beiden so strahlende Gesichter, dass ich bei diesem Anblick beinahe feuchte Augen bekam. Und so hatte auch mich der Zirkuszauber gepackt. Die Elefantennummer in der zweiten Hälfte fand ich dann sogar richtig gut.

Ein anderes Erlebnis, das ich vor ein paar Wochen hatte: Ich kam mit meinem vierjährigen Sohn aus dem Hallenbad, wir hatten geplanscht und gekreischt, herumgespritzt und gelacht. Oben an der grossen Treppe beim Ausgang nahm er meine Hand, um die paar Stufen auf den Parkplatz sicher zu nehmen. Diese so alltägliche Geste fiel mir dieses Mal auf – und machte mich stolz. Zugleich begann ich zu überlegen, wie lange er mir noch in aller Öffentlichkeit sein Händchen so reichen würde. Wie lange er noch «germ» sagen würde statt «gern», oder «minzig» statt «winzig».

Noch ein drittes Erlebnis will ich anfügen: Vor kurzem haben meine Frau und ich den zwei Kleinen die ganzen Abenteuer von Pippi Langstrumpf vorgelesen, jeweils abends vor dem Zubettgehen. Wir erlebten alle vier zusammen die Reise nach Taka-Tuka-Land zu Pippis Seeräubervater. Erfuhren, wie man Plutimikation macht – 3 mal 3 ist bekanntlich 6. Liessen uns begeistern von Herrn Nilsson und dem Gaul, den die bärenstarke Pippi immer mal wieder auf die Veranda trägt.

Komplett vergessen hatte ich das letzte Kapitel des wunderbaren Buchs von Astrid Lindgren. Da schlucken Pippi, Tommy und Annika nämlich drei Zaubererbsen, die dafür sorgen sollen, dass sie niemals gross werden. Als ich den Kindern diese Stelle vorlas, wurde meine Stimme ganz brüchig. Und wie im Zirkus musste ich beinahe eine Träne verdrücken.

Es wäre schön, wenn es solche magischen Erbsen wirklich gäbe. Ich besorgte deren zwei für meine Kinder, zwei für uns Erwachsene. Gemeinsam würden wir sie schlucken, auf dass wir noch möglichst lange so klein, naiv und unschuldig blieben, wie eben nur Kinder – und manchmal mit ihnen auch die Eltern – sein können.

17 Kommentare zu «Zauber der Kindheit»

  • Annika sagt:

    So ein schöner Text und nur 14 Kommentare?
    Vielen Dank für diesen rührenden Artikel und die Erinnerung an die Magie der Kindheit!

  • Tja, älter oder "reifer" geworden? sagt:

    DAS mit den Erbsen: Wenn DAS nur möglich wäre – wir haben einen Teenager und ich „träume“ oft davon, wie es schon nur vor 10, 15 Jahren oder so war…

  • 13 sagt:

    Richtig, Tobias!
    Ich fand das Video, das zur Zeit durch die sozialen Medien kursiert und ein Elefantenkalb zeigt, welches für den Zirkus „dressiert“ oder besser gequält wird, bis es aufgibt überhaupt nicht zauberhaft. Im Gegenteil!

    Und trotzdem muss man auf den Zauber des Zirkus nicht verzichten. Es gibt sie, die schönen, witzigen, tierfreien Vorstellungen, die man ohne schlechtes Gewissen geniessen kann und wo man von der Atmosphäre gleichviel mitbekommt. Ich war mit meinen Kindern im Monti, kann ich sehr empfehlen!

  • Tobias Lienhard sagt:

    Tierzirkus geht nicht ohne massive Tierquälerei. Das ist nicht mehr zeitgemäss. Informieren Sie sich.

  • Reisende sagt:

    Was für ein schöner Blog. Das denke ich auch so oft und versuche meinem Sohn diese Wunder auch für die Zukunft so lange wie möglich lebendig zu halten. Wie etwas duftet, aussieht oder sich anfühlt. Wir Erwachsenen brauche nur die Zaubererbse nicht, wir können doch selber bestimmen wie sehr wir uns vom Zauber noch immer einfangen lassen wollen oder nicht!

  • trudi Frey sagt:

    Ich habe meinem Sohn jeden Abend wenn er im Bett lag die Geschichte vom Büsi und vom Müsli erzählt einfach nach dem was am Tag so gelaufen war. Er war das Büsi und wenn ihm etwas nicht gefiel sagte er ja aber das war so und erzählte seine Wahrnehmung. Als er schon Erwachsen war sagte er das war toll.
    Für mich auch war schön zu erleben wie er fühlte und dachte.

  • Jo sagt:

    Für Kinder sind 5 Minuten eine Ewigkeit oder in Nullkommanichts vorbei….
    Sie leben im Jetzt und nicht in der Zukunft oder Vergangenheit wie die meisten Erwachsenen. Ich denke dieses „kindliche“ Frei- sein sollten sich auch Erwachsene gönnen. Orte und Leute kennen, wo man sein kann – und nicht scheinen muss. Es soll auch mal egal sein können, was andere von uns denken.
    Genau hier hat das Staunen, das unbeschwerte Lachen, das vor Mitgefühl Weinen Platz.

    • Blanche Wu sagt:

      Jedoch können Erwachsene nicht mehr so staunen wie Kinder, da wir bereits wissen was bsp. das sonderbare grüne Objekt am Baum ist…dieses Staunen, diese Neuheiten welche man als Kind entdeckt und das Gefühl etwas gaaaanz grosses entdeckt zu haben, das geht mit der Zeit verloren, weil man als Erwachsener leider bereits zu viel weis.

  • Stevens sagt:

    Herzlichen Dank für diesen Artikel.
    Mal keine endlosen, zermürbenden Diskussionen über Familienmodelle, Aufteilung der Erwerbsarbeit, Geld, Erziehung, Spielplatz-Kämpfe, Stilldauer, Tragetuch, Babybjörn oder was auch immer.

    Sondern einfach mal wieder daran erinnert, dass Kinder ganz einfach etwas wundervolles sind. Und das ist es ja, was zählt.
    Diese ganzen Diskussionen führen ja nur dazu, dass wir die Zeit mit unseren Kindern einfach nicht mehr geniessen können.

  • Michael sagt:

    Anstatt sich in die unbeschwerte Kindheit zu flüchten, muss es die Aufgabe der Eltern sein, ihren Kindern eine Welt zu hinterlassen, die für sie auch lebenswert ist. Heisst – Augen auf beim Ressourcenverbrauch, andersfarbige Menschen sind auch Menschen, miteinander ist immer besser als gegeneinander. So würde ein Schuh draus !

  • Susi sagt:

    Bei solchen Texten kommt mir immer der ABBA-Song „Slipping Through My Fingers“ in den Sinn.
    Diese Gefühle kann ich durchaus nachvollziehen und geniesse die Magie der Kindheit meiner Tochter, auch wenn ich Kinder interessanter finde, je älter sie sind.

  • tina sagt:

    jöö 🙂
    coole kinderbücher schreibt übrigens auch cornelia funke und zirkus balloni ist zwar klein und hat keine tiernummern, aber eben gerade deswegen

  • Brunhild Steiner sagt:

    Ich kann die Gefühle verstehen, und freue mich für jeden der gerne so eine Erbse schlucken würde- weil er seine Kindheit unbeschwert erlebt hat oder, und nun wirds bisschen bösartig- sie heillos naiv für unschuldig erklärt.

    Vorbehaltloses Vertrauen-und Glaubenkönnen bekommt mit dem grösserwerden den einen und anderen Riss und manches zerbricht ganz.
    Die Kunst besteht für mich darin, sich die Staunen-momente im Alltag zu suchen, finden und schätzen. Im Kleinen können ganze Welten versteckt sein, das erkennen-können hat da keine Altersgrenze. 🙂

  • Lucrecia sagt:

    Schöner Beitrag!

    Jedes Alter ist schön… und vergänglich.

    Bald werden Sie vielleicht mit einem ihrer Kinder den Rucksack packen und eine tolle Reise oder eine Langwanderung machen. Zum Beispiel.

    Vergessen Sie nicht, Ihren Kindern zu erzählen, wie wunderbar es ist, Eltern zu sein. Dann haben Sie mit etwas Glück eines Tages doppelt so viele Enkeln, mit dene Sie das alles wiederholen können. 🙂

  • Hans Hintermeier sagt:

    Die Ironie ist leider, dass sich viele Kinder an den Erwachsenen orientieren und schnellstmöglich „gross“ werden wollen, um z.B. wie der Papa Auto fahren zu können. Als Kind kann man ja oft nicht das machen, was man will, sondern es wird einem dauernd von den Erwachsenen spannende Sachen verboten (z.B. mit dem Feuerzeug zu spielen…), da ist es verständlich, dass sie schnellstmöglich nach Autonomie/Erwachsen-Sein streben. Die Ironie liegt darin, dass selten Menschen (Kinder/Erwachsene) zum Augenblicke sagen werden: „Verweile doch! du bist so schön!“, weil sie entweder einer verklärten Vergangenheit nachsehnen oder das Glück in die Zukunft „verlegen“.

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