Best of: Dinge, über die man nicht spricht

Es sind Sommerferien, auch für unsere Autorinnen und ihre Familien. Deshalb publizieren wir während einer Woche einige Beiträge, die besonders viel zu reden gaben. Dieser Beitrag von Andrea Fischer Schulthess erschien erstmals am 29. Januar 2015.

Das sind nun also die Wechseljahre: Andrea Sawatzki als Desiréé in «Klimawechsel».

Wilde Wechseljahre: Andrea Sawatzki als Desiréé in «Klimawechsel». (ZDF.de)

Sie ist so unsäglich winzig und leicht. Und dann diese Finger… Nicht zu fassen, dass ein Mensch so mikroskopisch kleine Fingernägel haben kann. Und wie sie riecht! Ich bin verliebt in das Kind meiner Nachbarin.

Was ist bloss mit mir los? Ich war doch sonst nie ein Babyfan. Ja, klar, als meine eigenen Kinder zur Welt kamen, war ich gerührt und fassungslos vor Freude. Und dass ich sie geliebt habe, muss ich hier nicht extra schriftlich bestätigen. Aber dennoch: Babys waren noch nie so meins, ich mag die Kinder grösser, fähig, Wörter von sich zu geben, Streiche auszuhecken, und im Idealfall sogar in der Lage, schlau mit mir zu argumentieren. Und jetzt das. Ich benehme mich wie ein Hormoncocktail auf zwei Beinen.

Das allein hätte noch nicht gereicht, um mich aus dem Konzept zu bringen. Ist ja auch ein ganz besonders herziges Baby, da kann so was schon mal vorkommen. Aber dann fing ich noch damit an, meine Kinder ständig wehmütig zu betrachten und schier loszuheulen, weil sie schon so gross sind und irgendwann weggehen werden. Dabei hatte ich mich doch bislang über jeden ihrer Schritte in die Selbstständigkeit gefreut und fand sie vor allem eines: spannend, trotz dräuender Pubertät. Aber na gut, kanns ja geben, dass man trotzdem mal nostalgisch wird.

Selbst als ich anfing, Katzenfilmchen auf Youtube zu schauen (jöö, jesses, wie heeerzig) und die «Tagesschau» durchzuschluchzen, schob ich das weiterhin auf Überarbeitung. Was sollte denn sonst schon sein?

Die Antwort darauf hat mich getroffen wie ein Blitz aus heiterem Himmel. Als ich mir nämlich endlich eingestehen musste, dass sich mein Monatszyklus von höchster Verlässlichkeit auf chaotische Willkür verlegt hatte. Und plötzlich musste ich wahrhaben, dass die Haare an meinem Kinn nicht schon immer da gewesen waren und dass die Unterseite meiner Oberarme irgendwie doch verdammt rasch verweichlicht war. Den Rest erspare ich Ihnen hier jetzt, ich bin ja kein Unmensch.

Sie fragen sich bestimmt ohnehin schon, was die Fischer mit all dem überhaupt sagen will. Das wollten Sie doch alles nicht über mich wissen. Natürlich nicht. Ich verstehe Sie bestens. Und das ist genau der springende Punkt: Ohne mich um Erlaubnis zu fragen, tut mein Körper Dinge mit mir, über die man nicht spricht. Zeitgleich wie meine Tochter bin ich in einer grundlegenden hormonellen Veränderung begriffen. Mit dem Unterschied, dass über die Pubertät ständig geredet und geschrieben wird – darüber, was mit mir passiert, wird jedoch geschwiegen. Wenn doch mal was darüber geschrieben wird, dann höchstens in so einem Gratisheftchen aus der Apotheke.

Die Reise in die Jahre der Fruchtbarkeit ist ein Grund zum Feiern. Wenn man danach langsam wieder an Land geht, ist es bloss unangenehm. Als Tatsache wie auch als Thema. Es berührt die Leute peinlich, darf gar nicht sein, das sollen wir aus Feingefühl gefälligst mit uns selbst ausmachen oder mit unserer Gynäkologin.

Dabei verbringen heutige Frauen im Schnitt mindestens nochmals so viele Jahre ihres Lebens nach den Wechseljahren wie als fruchtbares Wesen. Und das in einer Welt, in der alternde Frauen entweder mit Häme überschüttet werden, weil sie das Altern zulassen – oder weil sie es eben nicht tun wollen und sich unters Messer und die Spritze legen. Ergo: Egal was wir tun, ab einem gewissen Alter werden wir ohnehin mit Häme überschüttet, als hätten wir versagt.

Mit Würde und Humor: Designerin Vivienne Westwood. (Keystone/Joel Ryan)

Altert mit Würde und Humor: Designerin Vivienne Westwood. (Keystone/Joel Ryan)

Doch das ist dumm. Alt werden wir alle. Dass wir uns dafür schämen oder nur hinter vorgehaltener Hand über Nachtschweiss und Hitzewallungen reden sollen, macht für mich wirklich keinen Sinn. Wir hatten das Recht, jung zu sein, und jetzt haben wir auch das Recht, alt zu werden und den Laufsteg für unsere schönen Töchter zu räumen. Selbstverständlich sitzen wir dort weiterhin in der ersten Reihe. Würdevoll und mit viel Humor. Wie Vivien Westwood eben.

Ich bin dankbar für meine Jugend, für meine Kinder, für meinen Unfug, für die durchsoffenen Nächte, die falschen Liebhaber, für die grosse Liebe, für mein Leben eben. Und dafür, was da noch kommen mag. Und viel soll es sein. Ob mit oder ohne Wallungen und Co. Es ist Zeit, laut und fröhlich alt zu werden statt still und verschämt. Cheers!

22 Kommentare zu «Best of: Dinge, über die man nicht spricht»

  • pause sagt:

    hat eigentlich auch eine frau zu diesem Thema ein Kommentar geschrieben ? spannender- weise, glaub ich das nicht. ich bin frau,über die zeit der ent-lastung hinaus, schwärme davon. das auseinander setzen mit vergänglichem ,ab-schliesen dürfen ,endlich frei. keine vehütungs Probleme, aufhören angestrengt schön sein zu müssen,bin es ganz einfach nicht mehr !!fühl ich mich endlich pudelwohl in meiner haut .habe die narren freiheit des alters ( die narren sind die einzigen, die dem König die Wahrheit sagen , ohne geköpft zu werden!),kümmere ich mich, um das für mich wesentliche.

    • Muttis Liebling sagt:

      schon wieder eine hochintelligenter Humoreske meinerseits gelöscht. Warum, wenn ich fragen darf. Die da unten stehenden Regeln werden systematisch nicht eingehalten. Wie erwähnt, kann man themenirrelevant, nur auf Verletzung von Person/ Kommentator gerichtet schreiben. Das auch in Englisch und Mundart, nicht in anderen Sprachen.
      Ich freue mich, wenn Sie mir das mal erklären, Frau Braun.

      • Susi sagt:

        Du hast eben deinen Joker mit dem „ganz offensichtlich falschen Namen“ bereits verspielt, sei doch froh, dass du und dein Alter Ego ÜBERHAUPT posten dürfen!
        En Gruess vo derä mittem richtigä Namä.

  • Löwe sagt:

    Es ist einfach amüsant, was die Leute da schreiben.

    • Muttis Liebling sagt:

      Und sie tuen es ohne Honorar. Ob das den Verlagen aber reicht, Kosten zu sparen?
      Meine Beiträge in 5 Jahren Mamablog würden durchaus eine 30%- Stelle rechtfertigen. Aber ich schenke es dem darbenden Mediengeschäft.

  • Sandro Bahnert sagt:

    Es ist Zeit, ruhig und gelassen zu werden. Die Menschen zu verstehen oder zu durchschauen. Die Treiber in Beziehungen zu begreifen, zu akzeptieren, zu ändern oder die Verbindungen zu beenden. Klar darf man alt, laut und schrill werden. Aber ist das spannend?

  • Stranger sagt:

    „Dabei verbringen heutige Frauen im Schnitt mindestens nochmals so viele Jahre ihres Lebens nach den Wechseljahren wie als fruchtbares Wesen.“ das ist natürlich Müll. Frauen sind normalerweise während 35 bis 40 Jahre fruchtbar (ja, das ist ein Genitiv und kein Fehler). Die Wechseljahre enden meist so mit vielleicht 55 Jahren. Das Durchschnittsalter der Frauen müsste also 95 Jahre betragen. Und das tut es, ich weiss nicht, ob ihr’s wusstet, nicht.

    • Muttis Liebling sagt:

      Frauen haben 400-500 Eizellen. Alle 4 Wochen springt eine und schaltet sich damit aus, befruchtet oder unbefruchtet. Macht einen oberen Grenzwert von 500/(52/4) = 38.46. Die Menarche, der erste Eisprung, liegt bei 11-12 Jahren. Die Wahrscheinlichkeit der Befruchtungsfähigkeit sinkt exponentiell. 97-98% mit 19, 92% mit 30 und dann abwärts. Wobei es Wechselwirkungsphänomene gibt, je eher ein erstes Ei befruchtet wird, je länger halten die anderen durch und umgekehrt. Warum? Nicht bekannt, nur beobachtet.
      Insofern ist die Aussage statistisch absolut korrekt. Eher zu optimistisch.

      • Stranger sagt:

        ML, Sie sprechen von der natürlichen Fruchtbarkeit. Die moderne Medizin kann Frauen in deutlich höherem Alter als 38 schwängern. Ausserdem werden nicht wenige Frauen auch mit mehr als 38 natürlich schwanger.

        Ich bleibe dabei. Die Aussage ist sehr falsch.

      • Muttis Liebling sagt:

        Statistik, Abstraktion vom Einzelnen. Von mir auch kann eine 90- jährige, wie in Moses 1 natürlich schwanger werden. Von mir aus auch mit 200 Jahren. ändert nur am Gesetz, dem wissenschaftlichen nichts.
        Altern beginnt am Tag der Befruchtung und setzt sich erst scheinbar schwach linear, später deutlich exponentiell fort. Das statistische Ei im Befruchtungsalter von x, ist mieser als das in x+1. Bei Männern ist das anders, die Spermien werden jeden Tag neu produziert. Ab 30 der Frau sind die Eier eher Sondermüll, aber kein Material für neues Leben.

      • Stranger sagt:

        Na toll, ich bin schwer beeindruckt von Ihren Kenntnissen der weiblichen Physiologie. Die natürlich ziemlich falsch ist. 30. Hallo? 30??

      • Muttis Liebling sagt:

        Sagen wir mal besser Entropiegesetz, nicht weibliche Physiologie. Natürlich habe ich auch Staatsexamina in humaner Physiologie, in Gynäkologie, Entwicklungsbiologie, usw. usf. Aber bei der heutigen Flut von Laienwissen muss man sich ernsthaft fragen, ob ein zeit- und kostenaufwendiges Studium überhaupt noch notwendig ist. Es weiss ja auch jeder andere alles. Nur aus dem gesunden Menschenverstand heraus und dem Studium der Zeitschriften, die beim Coiffeur ausliegen.

  • Muttis Liebling sagt:

    Auch der Mann kommt einmal in die Situation, beim Haareschneiden darum bitten zu müssen, die Ohrmuscheln, die äusseren Nasenhöhlen zu rasieren und die Wimpern zu stutzen. Mann trägt dann für eine Zeit, wie auch Frau, ein dezentes Halstuch, denn die Haut zwischen Knorpel und Brustbein ähnelt als erstes einer Satellitenaufnahme der Wüste Gobi.
    Wenn Mann dann noch merkt, dass es nicht mehr lohnt, Geld für Pornofilme aus zugegeben, weil die Hose sprichwörtlich tot ist, ist das Klimakterium auch schon wieder vorbei. Einem Altern in Würde steht dann nichts mehr entgegen.

    • Hans Jung sagt:

      Oh ja, wenn man trotz Glatze ungekämmt aussieht und die auf dem Kopf verlorenen Haare an allen anderen nicht gewünschten Orten nachspriessen …. da ist viel Pragmatismus nötig.

    • Stranger sagt:

      Wer Geld für Pornofilme ausgibt, ist in den 90-ern stecken geblieben. Heute gibt’s Internet.

    • Hannes Müller sagt:

      Rasieren? Die zupft mir meine Frau aus. So kommen sie dünner, so nach zehn Jahren ausreissen. Ich sage nicht, dass ich das liebe, aber das Ergebnis ist angenehm.

    • Carolina sagt:

      ML, werden Sie langsam altersweise? Ich dachte immer, es gilt bei vielen Männern bis ins hohe Alter: Herr (wahlweise!), Du hast mir das Können genommen, jetzt nimm mir bitte auch das Wollen…… ?

      • Muttis Liebling sagt:

        Carolina, das ist es fast. Hat viel Weisheit. Ist aber ein wenig zu jung, etwas zu schwach gedacht. Ich habe mal ein Gedicht geschrieben, vor >10 Jahren, das verdeutlicht das:

        Nieder brannte all mein Feuer
        Asche ist, was einst war Glut
        Hände sinken in die Schranken
        die Hände zustehn ohne Mut.

        Niemals wieder zieht ein neuer
        zarter Hauch durch mein Gemüt
        weder bin ich Glut noch Flamme
        weiss aber gut
        was mir bald blüht.

        Wir verstehen uns Carolina, haben uns immer verstanden.

      • Muttis Liebling sagt:

        Mal so am Rande. Wenn man erst einmal anfängt, Gedichte zu schreiben, ist man schon ziemlich weit weg. Aber erst da beginnt es.

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