Der Wohntraum aller Eltern

Im Maul des Drachen oder in der Höhle des Löwen: Kinder passen sich ihrer näheren Umgebung an, nicht nur in einer Hüpfburg: Foto: Ben Roth (Flickr)
Noch stehen wir nicht wie der Esel am Berg, aber unser Zügeltermin rückt näher. Auf meine Familie – drei Kinder, zwei Erwachsene, keine bekannten Haustiere – warten ein Zimmer mehr und eine Küche, die auf eine grosse Terrasse führt. Im Kopf haben wir die neue Wohnung schon einigermassen eingerichtet, und dabei sind mir mehrere Details aufgefallen, die zwar väterliches Wunschdenken bleiben werden, aber jede Wohnung mit Kindern aufwerten würden. Willkommen in meinem Luftschloss!
Ich beginne die Führung in der Küche: Auf dem selbstreinigenden Boden – das ist ein Stuhlbein- und Tripp-Trapp-tauglicher Gitterrost über einer spülbaren Edelstahlwanne – steht ein Esstisch mit flexibler, aber lebensmittelechter Kunststoffplatte, deren Höhe sich dem Benutzer anpasst. Beim Kleinsten ist sie am tiefsten, was den Abfluss von Ausgeschüttetem nach dem Verursacherprinzip kanalisiert. Der Wasserhahn spuckt wahlweise kaltes, 50 Grad heisses (und damit ideal für Abwasch und Babybrei) oder kochendes Wasser aus. Daneben gibt ein zweiter Anschluss frisch gezapfte Milch, genährt aus einem 20-Liter-Tank unter dem Kühlschrank, der auf Wunsch auch laktosefreie Milch fasst. Die Gemeindewerke stellen ab 2020 eine Milchversorgung jedes Haushalts in Aussicht. Schon heute ist zum Milchhahn ein Ovi-Spender erhältlich. Findige Heimwerker zeigen in Do-it-yourself-Videos, wie man bestimmt auch Schokoladenpulver aller Art dosieren kann.
Weiter gehts in den Nasszellen: Eine stufenlos vergrösserbare Badewanne nimmt bei Bedarf bis zu fünf Personen auf, bei Nichtgebrauch dient sie als Bänkli zur hygienischen Massenabfertigung dreckiger Kinder. In einer versteckten Ecke schluckt ein Hightech-Abfluss zuverlässig jede menschgemachte Sintflut, dazu verlorene Haare, Pflaster und selbst Kaugummiresten. Integrierte Windelschlucker stecken noch in der Testphase. Eine vielversprechende Entwicklung für nachhaltige und ressourcenschonende Sitzungen: Neben der einhändig höhenverstellbaren Toilette hängt ein WC-Papierhalter mit Sparfunktion. Eltern können die auszugebende Papiermenge mit einem einfachen Drehregler einstellen.
Das Wohnzimmer verfügt, wie die meisten bisher nicht erwähnten Räume, über eine effiziente Trittschalldämpfung im Fussboden – aber nicht nur: Auch Wände, Fenster und Decken sind aus Materialien und Strukturen gefertigt, die für das erwachsene Gehör unangenehme Frequenzen rausfiltern, etwa schrilles Mädchengeschrei oder akustische Bubenstreiche. Gegen Aufpreis gibt es Frequenzwandler, die Kinderlärm (für Eltern kaum wahrnehmbar) an den Absender retournieren.
Schnipp – und weg: Aufräumen mit Mary Poppins. Video: Disney Music Vevo
Die Kinderzimmer warten mit mehreren bahnbrechenden Innovationen auf. Eine Spielzeugsortiermaschine mit Timer lässt zum Beispiel während des Nachtessens den Zimmerboden kippen, alles rutscht auf ein Förderband unter dem Boden, wird von einem Roboter mit Greifarmen sortiert und durch einen Mechanismus in der Wand von hinten in die passenden Fächer im Regal zurückgestellt. Die Bettwäsche ändert ab einem individuell zu definierenden Verschmutzungsgrad ihre Farbe. Ein Kinder-Butler, der mit Energie aus einer Turbine im Badezimmerabfluss betrieben wird, verkürzt das Umkleiden des Nachwuchses von 10 auf 3 Minuten am Morgen bzw. von einer halben Stunde auf 1 Minute am Abend. Und ein ausgeklügeltes Wecksystem gaukelt den Kindern auch im dunkelsten Winter fröhliche Sonnenstrahlen vor den Fensterläden vor, begleitet von lieblichem Vogelgezwitscher.
Das mächtigste Gadget aber bleibt dem Elternschlafzimmer vorbehalten: Eine auf Knopfdruck vom Nachttisch aus aktivierbare Tarntür macht den Zugang von aussen in gewissen Momenten unauffindbar.
Habe ich etwas vergessen? Was muss die Kinderwohnung Ihrer Träume bieten?
Raphael Diethelm (*1978) ist seit Mai 2011 Produzent bei Tagesanzeiger.ch/Newsnet. Seinen letzten Umzug im Jahr 2009 bestritt er mit einem überschaubaren Paarhaushalt.
37 Kommentare zu «Der Wohntraum aller Eltern»
Die ideale Kinderwohnung enthält: Geschwister und/oder Gspänli! Und Haustiere! Und Mami und Papi mit viel Zeit für gemeinsame Spiele, tiefschürfende Gespräche und gemeinsam essen! Und einfach „dabei sitzen“ wenn Kind an den Hausaufgaben ist. Optional bzw. wahlweise ergänzt durch Mary Poppins oder eine andere Lieblingstante. Die ideale Kinderwohnung hat den Fernseher auf dem Estrich, weil das Leben zu kurz ist um fernzusehen. Und die ideale Kinderwohnung ist immer echli dreckig, so dass es „keine Rolle mehr spielt“ wenn was daneben geht 😉
Der Artikel ist nicht einfach Wunschdenken, sondern zeigt im Grunde das riesige Versagen von Architekten und Raumplanern auf, etwas nützliches auf die Beine zu stellen.
Naja, im Kuhstall meines Partners hat es Gitterboden über dem Schemmkanal, aber ob das in einer Küche so toll ist, sei dahingestellt.
Nützlich und gemütlich findet sich leider wirklich nur zu selten.
Für mich müsste es nicht unbedingt funktional sein. Meine Traumwohnung läge in einer Mischung aus (Zürcher) „Mythenschloss“ am See und New Yorker „Dakota House“ – erst komplett mit geheimem Zimmer hinter einer Schranktür als Rückzugsort (nicht nur) für Mama. Und ganz wichtig: In der Miete inbegriffen wären der Kinderbetreuungsservice der original Mary Poppins – gab es je eine faszinierendere Nanny?
Ja OK den Kuhstall brauch ich auch nicht, aber ne stabile Sitzgelegenheit im Bad, ein untersetztes Entree wie in Japan, anständige Rolläden (kein Design), so Zeugs eben…
Vielen Dank für diesen tollen Text. Aus dem Herzen gesprochen, musste die ganze Zeit kichern. Ich habe als Kleinkind-Mami (unterdessen ist meine Tochter im Kindergarten) von einem Kinderwagen geträumt, der motorisiert und per Funk gesteuert, uns hinterherfährt, während ich mit der Kleinen an der Hand mit ihr die ersten Schritte übte. Ausserdem hätte er mit seinem Motor helfen können, steile Hügel hinauf zu manövrieren, und hätte natürlich ausserdem noch seitlich und drunter viel mehr Platz geboten für Einkaufstaschen und Wickelausrüstung. Dazu Scheinwerfer für den Abendspaziergang. 🙂
Also ich habe ja immer von einem Kinderwagen mit Mama-Abteil geträumt, bei dem ich mich einfach hätte dazulegen und schlafen können. 🙂
wünsche übrigens einen pannen- und stressfreien umzug! ich habe das letzte mal gezügelt als meine kinder ca 1 meter lang waren. seither sage ich: nie mehr. den energieverlust holte ich auch nie mehr auf. musste es aber auch ohne partner bewältigen. terrasse vor der küche klingt so gut wie alle anderen erfindungen zusammen
Herzlichen Dank. Ich hoffe auch, es bleibt dann mal dabei. Und ja, die Terrasse vor der Küche! Die gibts tatsächlich! Wir freuen uns riesig.
Wirklich unterhaltsam… Hoffentlich mit diesem Zweck geschrieben. Ansonsten mein Rat: Lieber keine Kinder bekommen, wenn einem alles, aber wirklich alles an ihnen stört.
Und wenn sie schon da sind, wenn man es merkt?
Tagträumerei mit einem Fünkchen Hoffnung. Aber offenbar bin ich damit nicht allein.
Träume und Luftschlösser sind ein kostenloses Vergnügen und erst noch ein Anfang für Fortschritt und Entwicklung.
Ausserdem halten sie einen über Wasser. Denn auch Wunschkinder sind nicht immer brav und pflegeleicht. Das können Leute ohne Kinder bestens bestätigen.
Ein Magnetsystem das alle (!) Sachen wieder richtig platziert.
Warnsystem (Horn) für nicht richtig platzierte Kleider (dreckige und saubere).
Sättigungsgrad für Abwaschmaschine!
Sättigungsgrad für die Menge des dreckigen Geschirrs.
Mute!
super lustiger text 🙂 als die kinder kleiner waren haben wir uns auch jeweils solche dinge ausgedacht
In ein paar Jahren würde ich die Prioritäten sicher anders setzen. Aber für den Moments stimmts.
Als Kind hätte ich mir die folgenden paar architektonischen Features für unser Haus gewünscht:
– eine Feuerwehrstange vom Ober- ins Erdgeschoss, wie bei Globi
– Kletterwände und Seile statt Treppen
– Geheimgänge und -türen en masse
– einen vollautomatischen Hausaufgaben-Bimbo
– ein Hochbett OHNE das vom Bruder bewohnte untere Bett
– einen zum Spielzimmer umgebauten Estrich mit Pingpongtisch, Spielkonsole etc.
– einen Turm
– einen angebauten Stall, natürlich bewohnt von allem möglichen Getier
Und wenn ich sage „als Kind“: Gegen das meiste davon hätte ich immer noch nichts einzuwenden.
meine Worte! 😉
Gitterboden? Wie Vollspaltboden, der in der Tierzucht verboten ist?
In dieser Beschreibung vermisse ich klar die Gemütlichkeit. Sieht eher wie eine voll automatisierte Zuchtanstalt aus… Nicht sehr attraktiv…
kann man in thailand haben und ist supersupersuper angenehm! einfach den dreck runterbäsele (mit einem palmenblatt, what else). aber ja, ok, das hängt schon auch ein wenig mit dem klima zusammen
ja und wo geht der dreck dann hin? Da kommen doch die Ameisen und anderes Ungeziefer, wenn man das einfach in den Unterboden kehrt… oder wohnen die auf Pfahlbauten?
Wasserhähne mit kochendem Wasser gibt es schon. Günstig wahrscheinlich nicht, aber das gibts.
dafür muss dann wieder eine Kindersicherung eingebaut werden
Für die man die Kinder anstellen muss zum Aufmachen, wenn die arthritischen Hände es nicht merhr schaffen…
dazu baut man dann einen Verbrühungsschutz ein (gibt es tatsächlich auch!)
Vergessen sie vor lauter Technik die Gemütlichkeit nicht! Aus Kindersicht braucht es natürlich noch die berühmte Rutschbahn vom Balkon direkt in den Swimming Pool, und meine Kids würden bestimmt ein fest installiertes Goal im Wohnzimmer wollen. Ich hingegen hätte gerne einen Ausgabeschalter vom schwarzen Loch in unserer Wohnung, wo alle verschwundenen Sachen wieder auftauchen würden, zb. Socken, Schienbeinschoner, Hausaufgabenblätter morgens um 7.50 Uhr (selbstverständlich ausgefüllt) Fahrradschlüssel, Jacke, Lieblingsschuhe etc.
… ein höher entwickeltes schwarzes Loch also, es schluckt nicht nur, sondern erledigt dann freundlicherweise gleich noch alle Aufgaben/Pendenzen welche mit dem geschluckten Gegenstand transportiert werden, das wär wirklich eine positive Weiterentwicklung, ein derart gesinntes schwarzes Loch dürfte auf viele offene Arme stossen….
das würde den Stressfaktor zu Hause extrem reduzieren. Ich verbringe sicher die Hälfte der Zeit mit Suchen und die am häufigsten gestellte Frage ist: Mami wo isch…..
Like! 🙂
Ja sie haben was vergessen:
Im Sommer eine frühzeitige Verdunkelung des Abendhimmels vor dem Kinderzimmerfenster.
Oh ja, den könnte ich auch grad gut gebrauchen!!
wir haben einen Verdunkelungsvorhang auf der Vorhangrückseite montiert. So wird es auch im Sommer Abend.
Ich bringe meiner Kleinen gerade bei, Aufraeumen ist auch ein lustiges Spiel. Also vor dem Zubett gehen, noch alles aufraeumen.
Sonnenschein vor dem Fenster und ein Aufsteller zum lesen. Da schmeckt der Cafe gleich noch mal besser.
Den Kinderbutler und das Wecksystem würde ich auch für Teenager behalten wollen. Aus dem Rest wachsen sie gottseidank recht schnell hinaus. Aber genommen hätte ich es jederzeit gerne. Sehr gerne.
Danke für die Blumen!
wirklich unterhaltsame gedanken…. was mir noch fehlt ist ein frei verfügbarer kinderpsychologe (wahlweise politisch links oder konservativ), der den kindern (gemäss ausrichtung einfühlsam oder mit der peitsche) erklärt, warum ipad und co für 3-jährige wirklich nichts zum spielen ist 🙂