Eine Schule, die auch glücklich machen soll
Ein Gastbeitrag von Daniel Hess*

Macht dieser Unterricht glücklich? Ein Erstklässler in der Schule. Foto: Christian Beutler (Keystone)
Noch immer glauben viele Eltern und auch Lehrpersonen, dass ein Kind nur einfach die Schulzeit möglichst erfolgreich durchstehen muss, damit etwas «Rechtes» aus ihm werden kann. Wir gehen weitgehend davon aus, dass die Allgemeinbildung der Schule und die dort erlernte Anpassung an die Gesellschaft sehr wichtig für das spätere Leben und somit auch für das spätere Glück im Leben eines Kindes sind. Aber stimmt das wirklich? Werden erfolgreiche Schüler später zu glücklichen Erwachsenen? Und was passiert mit den nicht erfolgreichen Schülern? Ist die Situation für sie schon hoffnungslos? Werden angepasste und brave Schüler wirklich zu sozialen und mitfühlenden Erwachsenen? Warum waren so viele derjenigen, die als grosse Genies der Menschengeschichte gelten, wie Einstein, Edison, Cézanne oder Picasso, oft sehr schlechte Schüler?
Als Berufsschullehrer konnte ich über mehrere Jahre beobachten, wie verunsichert und ängstlich viele Schulabgänger sind. Diese Ängste, Minderwertigkeitskomplexe und Unsicherheiten zeigten sich zwar oft in Form von Trägheit, Ausweichverhalten, Minimalismus oder auch in scheinbarer Gleichgültigkeit. Aber bei genauerem Erforschen wurde immer wieder deutlich, dass hinter dieser Fassade unzählige Misserfolgserfahrungen, Schultraumata oder auch leidvolle soziale Erlebnisse aus der früheren Schulzeit steckten.
Aus meiner Sicht ist die beste Voraussetzung für glückliche Erwachsene eine glückliche Kindheit und Schulzeit. Viele Lernende und Lehrpersonen aber sind im momentanen System nicht glücklich. Wenn über die Hälfte aller Schülerinnen und Schüler eine Therapie besuchen muss, dann ist das sicher kein Zeichen für sehr viel Glück und auch keine gute Basis für ihr späteres Leben. In meiner Vision einer Glücksschule ist Lernen nicht mit Anstrengung, Büffeln oder mit Müssen verknüpft, sondern vielmehr mit Wollen, innerer Motivation und Spiel.
Die Schule wird dann zu einer Art «Bildothek», in der eine grosse Auswahl an verschiedenen Materialien, Büchern und allenfalls auch Projekten angeboten wird, wobei die Lernenden selbstbestimmt wählen können, wann sie sich womit und wie lange beschäftigen. Lernen steht so immer im direkten Bezug zum eigenen Leben und wird nie abstrakt, aufgesetzt oder zu einer reinen Informationsaufnahme. Denn aktuell werden die Lernziele, wenn überhaupt, nur sehr kurzfristig für die Prüfung erreicht. Langfristig geht das Gelernte sehr rasch wieder vergessen, wenn das Lernen nicht von innen heraus motiviert ist.
Wenn aus der öffentlichen Schule eine Glücksschule mit idealen Lernprozessen werden soll, dann brauchen die Kinder liebevolle, respektvolle und mitfühlende Bezugspersonen, die sie nicht bewerten oder vergleichen, sondern ihnen wirklich vertrauen. Die Glücksschule ist eine Haltung, eine andere, achtsamere Art, den Lernenden zu begegnen, auf sie einzugehen und ihnen den Raum für ihre individuellen Lernprozesse zu geben.
Der neu gegründete Verein Glücksschule hat sich zum Ziel gesetzt, den im Buch «Glücksschule» erläuterten Ansatz an möglichst vielen öffentlichen Schulen zunächst als Pilotprojekt, parallel zum bestehenden Schulsystem, einzuführen. Sodass die Eltern möglichst frei wählen können, welches System sie sich für ihr Kind wünschen. Sind wir bereit für ein Leben, in dem das Glück im Zentrum steht? Die Kinder sind es schon längst.
*Daniel Hess ist Erwachsenenbildner, Prüfungsexperte und Berufsschullehrer für Psychologie, Pädagogik und Soziologie und Autor des Buches «Glücksschule».
102 Kommentare zu «Eine Schule, die auch glücklich machen soll»
Der Grundgedanke ist natürlich schön, aber paradox zu Schulpflicht und Lehrplan. Zudem ist er ist ziemlich lebensfremd. Wie viele Dinge zwingt unsere Gesellschaft doch uns ständig auf! Abgänger der reinen intrinsisch motivierten Glücksschule wären in unseren kapitalistischen Gesellschaft etwas überfordert. Denn da wird ständig verglichen, bewertet und ausgewählt. Man geht oft nicht Geld verdienen, weil man das möchte, sondern weil man muss. Freie und individuelle Projekte sind in der Volksschule selbstverständlich, zumindest in den Schulen, in denen ich die letzten Jahre tätig war. Besser sollte man aufhören auf Kosten der Schule zu sparen. Was wäre die Schweiz ohne Bildung.
Kinder sollen sich in der Schule wohlfühlen und auf Lehrpersonen treffen, welchen ihr Wohlbefinden echt am Herzen liegt. Das heisst aber nicht, dass der Unterricht immer Spass machen muss. Das heisst nicht, dass es keine Konflikte geben darf. Das heisst nicht, dass Über- oder Unterforderung schlicht nicht vorkommen dürfen. Das heisst nicht, dass den Kindern die Schule nicht zwischendurch gottsjämmerlich stinken darf. Das lässt sich nicht vermeiden und kann neben ungeliebten Unterrichtsfächern, als langweilig empfundenem Unterricht oder Leistungsdruck noch unzählige andere Gründe haben, die sich auch mit den besten Schulreformen nicht aus der Welt schaffen lassen, da sie unter Umständen gar nichts mit der Schule zu tun haben, sondern mit der eben individuell verlaufenden Entwicklung eines jeden einzelnen Kindes und dessen Situation in seinem Gesamtumfeld. Wichtig ist nicht, Krisen und unangenehme Situationen partout zu vermeiden. Kein System vermag ein solches Ziel zu erfüllen und keine Lehrperson kann diesem Anspruch gerecht werden, ganz abgesehen davon, dass wir den Kindern keinen Dienst tun, wenn wir ihnen Schwieriges vorenthalten. Wichtig ist aber, dass die Erwachsenen Kinder in den schwierigen Situationen wachsam begleiten und mitverfolgen, was beim Kind abläuft. Es ist eine stete Gratwanderung zwischen zulassen, dass es mal nicht so rund läuft und eben doch Massnahmen ergreifen, wenn es diese braucht. Am besten funktioniert dies, wenn zwischen allen drei Parteien – Eltern, Kind und Lehrperson – das Vertrauen herrscht, dass allen das Wohl des Kindes am Herzen liegt, selbst wenn die Vorstellungen, was das genau heisst, manchmal auseinandergehen. Dass dies so immer stattfindet und in jedem Fall zu einer glücklichen Schulkarriere für das einzelne Kind führt, ist wohl genau so illusorisch, wie die Vorstellung der im Artikel beschriebenen Glücksschule. Weder Schüler noch Lehrpersonen noch das System an sich können immer perfekt funktionieren. Wird dies erwartet, so entsteht ein Leistungsdruck, dem schlicht niemand gerecht werden kann.
@anybody Deine Überlegungen klingen bei mir wohlwollend an, beleuchten umfassend die Thematik, die hinter all den Vordergründen liegt. „Vertrauen zwischen allen 3 Parteien“ & „Dass allen das Wohl des Kindes am Herzen liegt“. Was haben diese beiden Dinge mit Beziehung zu tun? Vielleicht sind sie interessiert an einer sehr aktuellen Weltweiten Studie (Hatty-Studie). Sie werden dort in ihrer Haltung nochmals bestärkt mit erstaunlichen, doch nachvollziehbaren Erkenntnissen. Anschliessend bin ich nochmals auf den Bericht über die Glücksschule und beim 2.letzten Abschnitt erleichtert mich, dass ihr beiden ja im Grunde genau vom Gleichen sprecht (wie vielleicht eh alle Menschen…).
Ich habe mir sagen lassen, dass jetzt die IG Glücksschule ins Leben gerufen worden ist, die dieses Bedürfnis, an dieser Haltung weiterfeilen zu wollen, aufgenommen wird mit konkreten Handlungen.
Interessanter Bericht einer Schule in Russland
https://www.facebook.com/freiemediennachrichtenpresse/videos/655644907904557/
Wann immer ich solche Kommentare zu Schulsystemen lese, frage ich mich, ob ich wirklich die einzige war, die gerne zur Schule ging. Ich kann ehrlich behaupten, dass mir meine Schulzeit fast immer Spass gemacht hat. Soweit ich mich erinnern kann, habe ich mich immer schon Tage vor Ferienende darauf gefreut, wieder zur Schule zu dürfen, die Unterrichtsthemen haben mich (in fast allen Fächern) interessiert und was im Unterricht für meinen Geschmack zu kurz kam, habe ich mir zuhause selbst angelesen.
Ich ging in den 1990ern/2000ern auf ganz normale Schulen/Gymnasien, mit guten und weniger guten Lehrern, mit viel Frontalunterricht, gelegentlich auch mal Alternativmethoden. Natürlich gab es Tage, an denen ich lieber was anderes gemacht hätte, aber im Grossen und Ganzen habe ich meine Schulzeit als glücklich in Erinnerung, und zwar von der ersten Klasse bis zur Matura. Das einzige, was gelegentlich problematisch war, waren die Mitschüler – aber auch das legte sich nach einer Weile wieder.
Ich bin mir bewusst, dass Kinder und Jugendliche sehr verschieden sind und unterschiedliche Bedürfnisse haben, was die Unterrichtsmethoden angeht. Es ist sicherlich zu begrüssen, dass es verschiedene Angebote gibt, welche den einzelnen Lerntypen vielleicht besser gerecht werden. Ich finde aber, man sollte nicht vergessen, dass auch das Standardsystem für manche Kinder passend sein kann. Es ist für mich schwer vorstellbar, dass ich die einzige sein soll, die sich im aktuellen System gut gefühlt hat. Manchmal habe ich den Eindruck, man wolle den konventionellen Unterricht einfach mal pauschal abwerten – oder aber er wird als „Härteprobe“ angesehen, im Sinne von „Da muss das Kind durch, sonst wird es nie ein vernünftiger Erwachsener!“. Vielleicht fühlt man sich da aber auch einfach wohl, ohne hinterher ein überangepasster, sozial verkümmerter Mensch zu sein, ohne sich mit Bulemie-Lernen durchzumogeln und ohne das Gefühl zu haben, es hätte alles so viel glücklicher sein können.
Ich kann auch nicht verstehen, wieso die Schule immer als derart furchtbarer Ort dargestellt wird. Bei dem ganzen beschworenen Hass und Elend könnte ja meinen, die Kinder müssten durch ein furchtbares Zwangsarbeitslager. Dabei ist Schule, im Grossen und Ganzen, doch meist ganz angenehm, manchmal sogar interessant und erbaulich.
Insofern würde ich auch behaupten: Viele der (angeblichen) Probleme entstehen nicht durch die Schule, sondern die (fehlende) Motivation und die Einstellung vieler Schüler, die vielfach durch die Familie oder das Umfeld eingeimpft wird. In gewissen Kreisen gibt es ja geradezu eine Tradition der Bildungsfeindlichkeit. Dass es dann nicht gut kommt, wenn man derart auf Konflikt gebürstet an die ach so blöde und nutzlose Schule geht, ist natürlich klar.
Das wäre im übrigen auch das grösste Problem einer solchen „Glücksschule“. Von interessensgeleitetem, freiem Lernen profitieren jene überproportional, die entsprechende Interessen und das geistige Rüstzeug dafür mitbringen, also primär die „guten“ Schüler. Alle anderen werden noch viel stärker abgehängt. Denn wer den Sinn oder Wert von Bildung nicht versteht und weder Ambition noch Motivation mitbringt, der wird sich auch in einer zwangslosen Wohlfühlschule nicht besser integrieren, im Gegenteil..
und ihr kennt auch niemanden, der die schulzeit nicht so super fand?
ich selber ging als kind auch sehr gern in die schule. ich war aber auch problemfrei oder empfand mich mindestens so. meine schwester hingegen hatte probleme mit mitschülern, keine freunde, probleme mit dem schulstoff und der lehrerin. mir lief alles leicht, ihr lief alles schwer. wirklich, so knallhart schwarzweiss. meine eltern dachten, ja gut, dann wird es mir vermutlich in handarbeit wenigstens nicht so gut laufen, aber auch da liefs mir gut, es war einfach ungerecht verteilt.
daraus folgt: meine schwester fand schule horror. und ich fands langweilig wenn keine schule war. wir gingen ins selbe schulhaus im abstand von 2 jahren
@tina: Natürlich kennt man solche Fälle, aber diese werden eben ja auch ständig hervorgehoben oder gar zum Standard erklärt. Dass es auch Kinder gibt, die die Schule mögen, wie sie ist, wird hingegen kaum je erwähnt. Darum gings mir eigentlich.
Ausserdem zeigt das Beispiel ja auch, dass ein Grossteil der negativen Schulerlebnisse primär auf dem sozialen Aspekt basieren. Also Ablehnung, Konflikte, Mobbing durch Mitschüler. Oder halt der Einstellung an sich gegenüber dem Lernen. Was alles eher wenig mit dem Schulsystem an sich zu tun hat.
Wo beginnen? Viele ganz unterschiedliche Aspekte werden in den Kommentaren angeschnitten.
Ich wünsche mir eine Glücksschule. Zuallererst für mich als Lehrerin, damit ich wieder mit Freude zur Arbeit gehen kann. Und auch für die vielen Kinder die unsere Zukunft sind. Und was wissen wir schon über die Zukunft? Wissen wir, wie sie aussieht? Wissen wir was die Kinder erwartet, wenn sie erwachsen sind? Wissen wir, was sie können müssen, wissen müssen? Nein wissen wir nicht. Aber wir tun so als ob.
Damit eine Glücksschule möglich wird braucht es einen Wandel. Und der ist recht gross und anspruchsvoll.
Es braucht ein grosses Vertrauen. Vertrauen in die Fähigkeit der Kinder ihren eigenen Weg zu finden. Vertrauen, dass die Kinder lernen wollen. In ihrem Tempo, auf ihre Weise. Erinnern wir uns daran wie Kinder Gehen und Sprechen lernen. Lösen sie dazu Arbeitsblätter? Besuchen einen Theoriekurs? Erhalten Lektionen von Erwachsenen die sie darin unterrichten? Nein, sie beobachten und üben und wollen unbedingt können, was die Anderen können.
Ich bin überzeugt, und die Kinder die in die 1. Klasse kommen und sich das Lesen und Rechnen bereits selber beigebracht haben beweisen es, dass Kinder lernen wollen. Und wenn Kinder selber wählen dürfen woran sie gerade arbeiten/lernen möchten, dann geschieht Lernen leichter, schneller, tiefer und besser.
So verstehe ich die Glücksschule und das wünsche ich mir.
Ich wünsche uns allen das Vertrauen das nötig ist. Und Mut. Denn im Weg stehen uns zahlreiche Ängste und Zweifel.
„Ich bin überzeugt, und die Kinder die in die 1. Klasse kommen und sich das Lesen und Rechnen bereits selber beigebracht haben beweisen es, dass Kinder lernen wollen.“ Dann würde ja die grosse Mehrheit, die das sich nicht selber beigebracht hat bzw. es noch gar nicht kann beweisen, dass Kinder nicht lernen wollen?
Nein.
Kinder wollen lernen. Jedes zu seiner Zeit und die Themen/Bereiche die anstehen.
Kann gut sein, dass einige damit zuwarten bis sie 10 oder 12 sind. Weil sie davor kein Interesse verspüren für Lesen und Schreiben und Rechnen. Andere hingegen verspüren den Drang sich das anzueignen viel früher. Eben bevor sie eingeschult werden.
Und das braucht Vertrauen, Geduld und Zuversicht von uns Erwachsenen. Habe wir diese?
Oder drängen wir und verordnen Lernen?
@Tanoani: Das ist schon sehr optimistisch gedacht. Natürlich haben die meisten Kinder einen gewissen Lerntrieb, manche sogar einen sehr starken, andere dafür auch einen sehr geringen bis inexistenten. Die Individualität ist da eben gerade enorm und darum auch das Problem. Denn lässt man jedem Kind den völligen Freiraum, wann und was es lernen will, dann vergrössert man die Schere zwischen denjenigen mit guter und jenen mit schlechter bis fehlender Bildung nur noch viel mehr.
Oder anders gesagt: Es gäbe in solch einem System umso mehr Fälle, die vielleicht mal mit 20 aus dem Faulenz-Videospiel-Delirium aufwachen würden um zu merken, dass das Leben als Analphabet doch nicht so cool ist. Wenn überhaupt. All jenen erweist man darum einen Bärendienst. Das freie, interessensgesteuerte Lernen ist etwas, wovon letztlich nur die intelligenten, bildungsbürgerlichen Kinder profitieren würde. Alle anderen blieben umso mehr auf der Strecke..
@Christoph Bögli: Ich kann deinen Einwand sehr gut verstehen. Diese Sorge trage ich auch in mir. Weiss jedoch nicht ob es wirklich so ist wie du beschreibst. „Denn lässt man jedem Kind den völligen Freiraum, wann und was es lernen will, dann vergrössert man die Schere zwischen denjenigen mit guter und jenen mit schlechter bis fehlender Bildung nur noch viel mehr.“ Ist das deine Erfahrung oder deine Angst/Befürchtung?
„Es gäbe in solch einem System umso mehr Fälle, die vielleicht mal mit 20 aus dem Faulenz-Videospiel-Delirium aufwachen würden um zu merken, dass das Leben als Analphabet doch nicht so cool ist.“ Auch da wieder die Frage: Stimmt das? Oder ist das „unsere“ Angst? Und wie ginge es dann weiter? Würde der Erwachte sich womöglich innert kürzester Zeit das was er noch nicht kann aneignen, weil ihn nun der Hafer sticht?
Und noch zu guter Letzt: Die Schere öffnet sich ja auch mit dem herkömmlichen Unterricht. Auch da gibt es nach 9 Schuljahren solche, die kaum Lesen, Schreiben und Rechnen können.
Schöner Artikel. Ich bin sehr für eine freie Schulwahl. Nicht jede Schule ist für jedes Kind geeignet und man sollte die Schulform viel mehr den Eltern überlassen. Unsere Grosse wurde in die Montessori-Schule bei uns im Ort eingeschult. Wir sind sehr glücklich und erleichtert darüber, dass das geklappt hat und sie noch nicht so früh in ein Leistungssystem gepresst wird.
Wenn ich die Kommentare lese, dann stelle ich mir erneut die Frage, wie es kommt, dass für Kinder und Erwachsene immer verschiedene Massstäbe angewandt werden. Wenn ich sage, mir gefällt mein Job, er macht mich glücklich, dann wird das positiv gewertet. Sagt aber jemand, er wolle eine Schule, die mein Kind glücklich macht, dann wird ihm vorgeworfen, er wolle die Kinder verziehen und sie nicht aufs Leben vorbereiten. Kein Erwachsener käme je auf die Idee, einen Job zu wählen, der ihm weder gefällt noch liegt. Ist jemand handwerklich völlig unbegabt und hasst es, dann wird er weder Schreiner noch Chirurg. Aber von unseren Kindern erwarten wir, dass sie alles machen und wehe jemand beklagt sich.
„Kein Erwachsener käme je auf die Idee, einen Job zu wählen, der ihm weder gefällt noch liegt.“ Schön wärs…
1. Kann sich dies nicht jeder leisten
2. Verfügen nicht alle über eine lupenreine Selbsteinschätzung
Sie wissen, ich gehöre zu den ersten, die behauptet, dass einige meiner Lehrerkollegen besser eine andere Jobwahl hätten treffen sollen…
@ tststs
Ich sage ja nicht, dass jeder die absolute Erfüllung in seinem Job finden wird oder kann. Aber trotzdem bleibe ich dabei, dass sich die meisten Menschen bei der Jobwahl etwas überlegt haben. Ich bin nicht wirklich sportlich und ich hasste französisch abgrundtief. Ausserdem bin ich bis heute nicht aus dem Strichmännchen-Stadium hinausgekommen. Also habe ich mir keinen körperlich anstrengenden Job gesucht und arbeite auch nicht als Übersetzerin für französisch oder bin Künstlerin. In der Schule musste aber all das machen, obwohl ich mich den Projekten in den Fächern, die mir lagen, wie Deutsch, Natur- und Geisteswissenschaften lieber mehr eingebracht hätte, wenn ich den Rest hätte vernachlässigen können. Das entspricht nicht dem, worauf mich die Schule vorbereiten hätte sollen. Darum stehe ich einer „Bildothek“ wie es der Autor nennt sehr positiv gegenüber. Sie macht Sinn.
Wobei man ja nicht „Sinn machen“ kann. Etwas kann „Sinn ergeben“ oder „haben“ oder sogar sinnvoll sein. Aber die Wendung „Sinn machen“ ist falsch und meines Erachtens scheusslich.
Also in meinem „Netzwerk“ sagt man dem heute so.
Es macht Sinn ist ein Anglizismus (‚It makes sense‘).
Das muss selbstredend untersagt werden, sofort! Gleich wie das Frühenglisch, denn die Kids könnten da ja auf leitkulturfremde Gedanken kommen…. Und erst noch aus der weniger zivilisierten Gegend, gelle Stranger….
Da ist das nicht reformierbare Primat ‚erlernte Anpassung an die Gesellschaft‘ aka als Waschküchenordnung in korrekt verfasstem Helvetisch-Deutsch wohl das bewährte mittel sozialer Integration.
@ stranger
Das habe ich mir ehrlich gesagt noch nie überlegt, aber Sie haben recht. Wird sofort gestrichen. Danke!
@ Katharina
Ich bin normalerweise die letzte, die „fremden Einfluss“ fürchtet, im Gegenteil, aber das Pflegen der eigenen Sprache erachte ich tatsächlich als wichtiges Kulturgut und befürworte ich gerne. Wobei sich die Frage stellt, ob „makes sense“ sinnvoller ist (@ stranger: Sie sehen, ich lerne schnell) als „Sinn machen“!
Das liegt an der Unschärfe des Begriffes ‚Glück‘. Arbeit soll erfüllend und sinnstiftend sein, das hat mit Glück nichts zu tun. Schule soll den Kindern ausser Wissen auch den Spass am Lernen und am selber denken vermitteln. Auch das hat mit Glück nichts zu tun.
Glück ist ein asymptotischer Endzustand, den man anstreben kann, aber nicht sollte und den man vielleicht 1x in 100 Jahren erlebt, wenn überhaupt. Glück ist zu selten und zu unbeständig, als dass man es in die Wunschskala einbauen sollte. Man kann es auch mit den Worten eines der frisch gekürten Medizin- Nobelpreisträgersagen: Für diesen Preis braucht man 1% Genie, 49% Fleiss und 50’% Glück.
Anm: 1% Genie können viele und 49 Fleiss kann fast jeder schaffen, der kritische Punkt ist der enorme, völlig unrealistische Anteil an Glück.
@13: Wenn mein Kind sagt, ihm gefällt es in der Schule (ist so), und er ist glücklich da (nicht zuletzt wegen der vielen Freunde), dann bewerte ich das auch positiv. Ebenso, wenn jemand ganz neutral erklärt, er möchte, dass sich die Kinder in der Schule wohlfühlen. Wer sollte denn das anders sehen?
Hier ging die Kritik aber ans ganze Schulsystem. Und da reagiere ich halt ähnlich, wie wenn einer die ganze Arbeitswelt unkrempeln möchte, weil er sich darin nicht so wohl fühlt (wie viele andere auch). Und es geht um die Ziele von Schule (Ausbildung) und Job (Gelderwerb), die letztlich doch auch im Vordergrund stehen.
@ SP
Nehmen Sie es mir nicht übel, aber ich denke, dass bei vielen Ihre Reaktion auf alles, was nicht dem heutigen Mainstream entspricht, bekannt ist. Änderungen sind offenbar nicht Ihr Ding. Das ist ok, der Mensch ist nunmal ein Gewohnheitstier. Trotzdem sind sie manchmal sinnvoll, wenn eine beträchtliche Anzahl Menschen nicht mit dem System klarkommen (sehen Sie auch meinen oberen Kommentar).
Mir ging es v.a. um folgendes:
„Die Schule wird dann zu einer Art «Bildothek», in der eine grosse Auswahl an verschiedenen Materialien, Büchern und allenfalls auch Projekten angeboten wird, wobei die Lernenden selbstbestimmt wählen können, wann sie sich womit und wie lange beschäftigen. Lernen steht so immer im direkten Bezug zum eigenen Leben und wird nie abstrakt, aufgesetzt oder zu einer reinen Informationsaufnahme.“
Das würde mir gefallen.
‚Lernen steht so immer im direkten Bezug zum eigenen Leben und wird nie abstrakt‘
Genau das ist der Fehler vieler Bildungssysteme. So verhindert man nicht nur politisches, sondern auch tieferes natur- und geisteswissenschaftliches Denken. Wie, wenn nicht abstrakt und fern jeder Erfahrung kann Politik, Physik, Philosophie, Musik, Kunst und alles was noch wichtig im Leben ist, verstanden werden? Erfahrung taugt zu nichts. Die haben Gorillas auch.
@13: Das war aber nun nicht eine Antwort auf meine Aussage. Egal.
Wenn „eine beträchtliche Anzahl Menschen nicht mit dem System klarkommen“, dann braucht es Lösungen, die eine Verbesserung bringen. Und wie Sie wissen ist unser Bildungssystem eine einzige Baustelle, es wird fleissig reformiert. Vieles geht durchaus in die verlangte Richtung, nämlich zu individualisiertem Unterricht, neuen Lernformen, der Formulierung von Kompetenzerwartungen statt „to tem“ Wissen, etc.
Das ändert nichts daran, dass Kinder in die Schule kommen, die zu Hause die nötige Vorbereitung nicht erfahren haben. Und dass die Schule mit Betreuung (und Erziehung…) ein Aufgabenfeld dazu erhalten hat.
Was noch fehlt wäre mal ein Nachweis, dass all die aufwändigen, teuren Reformen tatsächlich bei den Schülern auch einen Nutzen erwirken. Was aber offensichtlich ist: sie sind mit ein Grund, dass immer mehr Lehrer überfordert sind.
Nachtrag: Und Sie haben recht: Mir hätte es auch gefallen, einiges abwählen zu können. In vielen Fällen (selbst französisch!) habe ich dann aber später durchaus gemerkt, wofür ich es brauchen kann. Hätte ich nichts müssen, hätte ich den ganzen Tag auf dem Sportplatz verbracht, und abends noch etwas gelesen. Ob mich das wirklich auf einen Job vorbereitet hätte?
Mit Verlaub, SP: Aber ein Ziel der Schule sollte mE (auch) Bildung als allgemeines Gut sein. Und nicht nur das Zuträger-Ziel Ausbildung zwecks späterem Gelderwerb.
@SP, man muss nur ordentlich reformieren, egal in welche Richtung, dann erzeugt man genügend Unruhe und damit Misserfolge, die dann wieder nach Reformen rufen. Ein Teufelskreis.
So lese ich auch den obigen Beitrag. Statt zu konsolidieren wird noch ein neues Ziel formuliert, von denen es aber schon zu viele gibt.
…schliesslich bilden wir nicht nur Arbeitnehmer aus, sondern (hoffentlich) mündige Bürger – und Menschen. 😉
Mit Verlaub, mila, aber der Einwand kann nun unmöglich an mich gerichtet sein (oder sonst bitte ich um einer Erklärung). Haben Sie mich mit 13 verwechselt?
Nein, SP, ich bezog mich ausschliesslich auf Ihre Worte, die in meinen Augen eben etwas gar kurz griffen:
„Und es geht um die Ziele von Schule (Ausbildung) und Job (Gelderwerb), die letztlich doch auch im Vordergrund stehen.“
Lesen Sie doch einfach Ihren eigenen, obigen Satz: „Und es geht um die Ziele von Schule (Ausbildung) und Job (Gelderwerb), die letztlich doch auch im Vordergrund stehen.“ Noch Fragen? Falls ja, in meinen Augen griff er zu kurz.
Dazu passt, dass Sie noch nie als Vertreter von allzu viel Individualismus aufgefallen sind – (Erziehung zu) Konformismus scheint generell eher Ihr Anliegen zu sein. Im Sinne von: das Individuum hat sich primär in die gegebenen sozialen und ökonomischen Strukturen einzugliedern. Mündigkeit definiere zumindest ich jedoch doch etwas ‚eigen-ständiger‘.
Guter Punkt, mila. Also Ausbildung und allgemeine Bildung. Das ist aber nicht das, was man lernt, wenn man nur lernt worauf man Lust hat, oder? Zumindest nicht immer.
Nein, da gehe ich mit Ihnen einig: nur lernen, worauf man Lust hat, ist kurzsichtig gedacht. Wie Sie ja beschrieben haben, erschliesst sich einem der Wert gewisser angeeigneter Fähigkeiten und Kenntnisse ggf. erst später. Schwerpunktgewichtungen nach Interessen ab einem gewissen Alter sind aber sicherlich nicht verkehrt, am Gymi und in den anderen Mittelschulen wird dem auch seit längerem Rechnung getragen. Allerdings finde ich es dann doch seltsam, dass wir – gutschweizerisch – im Zweifelsfall lieber schlechten, aber genügenden Durchschnitt fördern (mittels Notenschnittvorgaben), als allfällige (herausragende) Ausreisser nach oben und unten.
@SP Welche Reformen genau belasten denn Schule und LP so stark? Das ist keine rhetorische Frage. Wenn von Bauplatz und Reformen gesprochen wird, bleibt es zu oft im Allgemeinen, was eine differenzierte Diskussion verunmöglicht. Die neueren integrativen Vorgaben vielleicht? Ok, und welche noch?
Ich habe eigentlich Dettwiler umfassend geantwortet. Aber auch das ist weg. Richtig ärgerlich!
Schade, hätte mich sehr interessiert. Merci trotzdem.
Wenn Sie morgen noch einmal lesen und kommentieren, werde ich heute abend noch einen Versuch machen.
Werde ich. Danke. Hier ein kleiner Vorspann: Ich unterrichte an der Sekstufe1 im Kanton Bern und stosse immer wieder auf die Thematik. Ich nehme Berufsbelastungen ernst aber mir fehlt eine qualifizierte Diskussion darüber. Was wird als Reform betrachtet? Was ist im Rahmen der gesellschaftlichen Entwicklung die Herausforderung der Schule und wie soll sie sie annehmen? Worin genau oder wovon sind offenbar viele LPs überfordert?
Also, hier mein zweiter Versuch. Wobei ich vorweg schon zugeben muss, dass Refom, gesellschaftlicher Wandel, veränderter Berufsauftrag etc. gar nicht so einfach zu trennen sind. Also:
Die Einführung von Blockzeiten und damit mehr Gewicht auf Betreuung – damit verbunden auch der Zwang zu Teamteaching. Betreuung auch sonst, vom „spetten“ bei Ausfällen bis hin zu Betreuungsaufgaben in Tagesschulen. Teilautonome und geleitete Schulen und die damit verbundene Schulentwicklung – die schöne Pflicht, sich im Team immer wieder Gedanken zu machen, wo man hin will. Integration und damit verbundene Herterogenität – zum Teil noch verstärkt durch (freiwilligen?) jahrgangsübergreifenden Unterricht. Damit verbunden ganz viele Förderlehrer/Therapeuten, die koordiniert werden müssen. Intensivierte Elternmitwirkung, zum Teil mehrere Elterngespräche jährlich obligatorisch. Vermehrter Anspruch an Transparenz bei der Notengebung (Rekurse) und Qualitätsbemühungen aller Art. Individueller Unterricht und damit verbundene Ideen von selbstorganisiertem Lernen (trotzdem braucht es individuelle Aufgaben und viel Koordination). Lehrplan 21 mit der neuen Kompetenzorientiertung (Outputsteuerung. Schauen wir mal). Usw.
Ach ja, und nicht zu vergessen der Fremdsprachenunterricht an der Primarschule.
Ich bin wohl das 1.Mal in meinem Leben in einem Blog und staune, wie Menschen ihre Ängste darüber zu äussern wagen, wie viel Lernende nur noch an Handys und Medien sich aufhalten. Was wäre, wenn all den gedanklichen Vor-Stellungen, die in ihrem Charakter oftmals auch behindernd wirken, ein untersuchender, neugieriger, lernlustvoller Geist gegenübertritt? Was wäre, wenn Glück nicht abhängig wäre vom täglichen Kaffee, der täglichen Zeitung, all den Gewohnheiten einer konsumgewöhnten Gesellschaft? Was, wenn sich Glück, fragte man Kinder danach, nährt aus dem Bewusstsein, dass ich atme, dass mein Herz schlägt, dass ich Farben (wenn auch illusionär) sehe, Klänge unterscheiden kann, dass ich Menschen gern habe, andere mir nahestehen, ich mich von frühmorgens bis spätabends schätze, wie ich bin in meiner Einzigartigkeit? Was, wenn Menschen wagen, sich zu erheben aus Abhängigkeiten, Raum schaffen für das, was sie fühlen, was sie wirklich gern tun möchten? Was, wenn Lehrpersonen ohne äusseren Leistungsdruck ihren Beruf als Herzenswunsch leben könnten und nicht nach Ferien hungern? Was, wenn die Kosten mit einer Glücksschule rapide sinken, weil Menschen gesund sich fühlen, weil gewürdigt in ihren Ideen und Vorgehensweisen und Tempos? Kann das sein? Wie wird eine Utopie real?
So mache ich mich auf den Weg, finde die Villa Monte, untersuche das Sudbury-Modell und freue mich ob den Möglichkeiten und bereits realen Beispielen, wie Kinder aufwachsen, die ihre Komfortzone aus natürlichem Antrieb (nicht länger aus unbewussten Überlebensreflexen getrieben) regelmässig verlassen (also echtes Lernen), die im globalen Feld zu gesuchtesten Playern werden, zumal sie aus dem gewachsenen Verständnis um die Bedeutung der inneren Balance den Transfer schaffen, Arbeit und Geschäft mit Kunst, Freude zu vereinen und darin gar Erfüllung finden – sie vertrauen darauf, dass ihr Eigenes wahr ist, beenden die Haltung, mit Vorwürfen und Erwartungen aufzutreten und sich auf (Energie)Kosten anderer zu bereichern und sind interessiert daran, mit Herz jede Beziehung zu pflegen- glückvoll zu leben.
Doch wer bin ich, aus dem Herzen so zu schreiben? Zum Glück bin ich tief überzeugt, dass all das Geschriebene jedem bereits innewohnt. Und ein uraltes Sprichwort begleitet mich seit vielen Jahren, obwohl ich noch soooo jung bin: „Der ist glücklich, der unter allen Umständen glücklich ist.“ Alles Liebe
Gefällt mir gut, Jedaki, und untermauert mein unermüdliches darauf Hinweisen, dass vorallem musische Fächer mehr Beachtung finden müssen. Denn sie sind es, die unser Leben nachhaltig bereichern und uns motivieren und inspirieren.
Das Stichwort heisst ‚Villa Monti‘ und wurde hier schon eingehend vorgestellt. Das wäre nur zu begrüssen, wenn solche Vorzeigeschulen in jedem Kanton angeboten werden. Kinder lernen von sich aus und freuen sich über jeden Lernerfolg, wenn sie nicht zu früh in bestimmte Lernschemas gedrückt werden. Dann lässt ihr Wissensdurst und vorallem ihre ungebremste Neugier nach und sie werden letargisch, zappelig, aggressiv oder was es sonst noch für Auswüchse der Lernbremsen gibt.
Ich würde ja gerne mal sehen, wenn das Konzept villa monti einfach in einer Gemeinde oder einem Schulhaus umgesetzt würde, ohne vorhergehende Selektion. Wie würden die Lehrer reagieren? Wie die Eltern? Wie die Kinder? Was würde dabei herauskommen?
Musisch, toll. Ich war vom Musikunterricht nie begeistert (und ja, ich habe Flöte und Klavier gelernt) und auch vom Sportunterricht nicht. Ich habe hingegen immer sehr gern gelesen und geschrieben. Ich wäre dafür, dass Aufsätzeschreiben endlich auch unter „musisch“ läuft. Jede Schule braucht eine oft erscheinende Schülerzeitung. Und wer gern zeichnet oder fotografiert, der soll das tun! Das geht schon in der zweiten Klasse.
Sportpapi, was befürchtest Du denn aus eigener Erfahrung, wenn vermeintlich ungewohnte Lernmodelle zur Verfügung stehen, wie hier erwähnt als offene ‚Bibliothek‘?
Was würden Kinder spontan wählen, wenn Modell a) Villa Monti oder b) Schule wie bisher, ohne vorherige Beeinflussung durch Erwachsene(!), zur Verfügung stehen würden als zwei nebeneinander stehende Gebäude und mit offenen Türen ohne Hinweise für Kinder. Wohin würden sie springen, um ihre Neugier zu befriedigen?
Stranger, natürlich auch literarische Fächer, um zB bessere Krimis zu sehen im eigenen Land, Drehbücher geschrieben von kreativen Landsleuten. Wieso wohl kommen so viele gute Musiker, Schriftsteller, Filmschaffende, Drehbücher etc. aus dem hohen Norden, aus GB, aus Irland? Nach meinem Wissensstand werden solche kreativen Berufe vorallem genährt durch ein Schulsystem, welches diesen Fächern grosse Aufmerksamkeit zubilligt.
@WS: Ich dachte, diese guten Schriftsteller seien vor allem dank ihrer depressiven Grundtendenz so beliebt…
Ängste: Ich habe einerseits die Befürchtung, dass die meisten Kinder mit einem völlig freien System völlig überfordert sind. Das sieht man eigentlich bereits heute in den Versuchen zu selbstorganisiertem Lernen. Manche möchten einfach an die Hand genommen werden. Zum zweiten geht es ja darum, letztlich doch alle Fächer abzudecken. Da habe ich noch nicht gesehen, wie dieser Widerspruch zur freien Wahl aufgelöst werden kann. Und zum dritten befürchte ich eine völlige Überforderung der Lehrkräfte, wenn sie in ihrer Klasse 20 und mehr Kinder so intensiv betreuen sollten.
Letztlich kann man von mir aus aber vieles ausprobieren. Wenn die Kinder bei gleichen Kosten in einem System mehr lernen als im anderen, hat es sich bewährt. Aber da sollte man dann schon gut überprüfen, und eben auch die Rahmenbedingungen vergleichbar machen.
Meine Intention ist diese, dass zuerst mal das neugierige Kind seinem individuellen Interessensgebiet nachgeht und es ohne Beeinflussung von Erziehungsmethode eine gewisse Zeit dabei gelassen wird. Es wird immer wieder darauf aufmerksam gemacht, dass ein in ein Spiel vertieftes Kind nicht von einer Minute zur nächsten davon wegbeordert werden sollte, weil ein wichtiger Lernprozess dadurch unproduktiv abgebrochen wird. Das kann die Konzentration auf das Wesentliche empfindlich stören und ergibt gerne die sog. ADHSler oder Zappelheidis.
Verlangsamung von Lernprozessen wo nötig heisst das Zauberwort. Nur so kann festgestellt werden, bei längerer freien Fächerwahl, wo die Interessen vertieft liegen und wo das Augenmerk vernachlässigt werden kann. Dort wo Grundkenntnisse wie Rechnen, Schreiben, Lesen als Allgemeinbildung bereits in Ansätzen oder bereits vor Einschulung das Kind sich vorwiegend selber beigebracht hat, dürfen doch vermehrt musische Fächer einbezogen werden – je nach Interessengebiet und freier Entfaltung des Kindes. Also eine Balance zwischen Villa Monti und Regelschule.
Auch helfen ältere Kinder sehr gerne Jüngeren, wenn es um Aufgabenhilfe geht. Eine strikte Trennung nach Jahrgängen wäre demnach obsolet, sondern eher nach Interessengebieten aufgeteilt pro Klasse/Gruppe. Somit wäre die Aufsicht von ca. 20 Kindern gleichzeitig besser geregelt.
Eine einfache Lösung wäre die freie Schulwahl unter allen Schulen, welche mit der kantonalen Schülerpauschale zufrieden sind und alle Schüler aufnehmen. Es passt nun einmal nicht jedes Kind in jede Schulform und schon gar nicht zu jedem Lehrer. Schliesslich haben wir auch keinen Einheitsarbeitsplatz, und wir wählen nicht nur den Arzt, sondern auch das Auto und die Art, in der wir Ferien machen, selbst. Warum soll das ausgerechnet bei der Schule anders sein, die für die Entwicklung unserer Kinder einen grossen Stellenwert hat?
„Warum soll das ausgerechnet bei der Schule anders sein, die für die Entwicklung unserer Kinder einen grossen Stellenwert hat?“ Weil Konkurrenz in den meisten Gemeinden nicht machbar ist, da es nur 1-2 Schulen hat. Weil das soziale Umfeld am Wohnort (wo man auch die Freizeit verbringt) auch von Bedeutung ist. Und weil nicht jede/r es sich leisten kann, die Kinder täglich zur Schule zu fahren. Weil die Kinder ja gar nicht auslesen können, sondern die Eltern. Weil Bildung nicht ohne weiteres messbar ist, so dass auch zentrale Entscheidungskriterien fehlen. Weil es ein riesiger logistischer/administrativer Aufwand wird, ohne die Qualität der Schule entscheidend zu verbessern. Immer noch frage ich mich: wer ist denn am Schluss zuständig dafür, dass jedes Kind einen Ausbildungsplatz hat? Darf dann die Dorfschule abwinken, wenn sie voll ist? Darf sie auswählen, welche Kinder sie aufnehmen möchte?
Bei uns ist die freie Schulwahl „teilweise“ umgesetzt: Private Schulen erhalten die gleichen Zuschüsse wie öffentliche Schulen. Was sie an Mehrleistung bieten, müssen die Eltern bezahlen. Die Schulen haben einen enormen Zulauf, es gibt immer mehr Anmeldungen als freie Plätze. Trotzdem, oder vielleicht genau deshalb: die grosse Mehrheit der Kinder geht in die Regelschule und die grosse Mehrheit der Eltern ist weder bereit, drauf zu zahlen, noch will sie sich mit dem System Schule wirklich auseinander setzen. Beklagen tun sich aber trotzdem alle.
Naja aber wer wäht? Nur diejenigen, welche die Mittel dazu haben? Müsste dann nicht Kindern aus ärmeren Familien bei Bedarf ein Besuch der gewünschten Schule per Subventionen ermöglicht werden – Stichwort Chancengleichheit?
Wer wählt? Das Kind? Die Eltern? Ist für ein Kind wirklich das Schulsystem matchentscheidend wenn es wählen darf? Sind es nicht eher der nahe Schulweg (mehr Zeit zum spielen) die Freunde (in der Klasse und auf dem Schulweg) und ähnliche Kriterien? Mit guten Freunden und Eltern die der Schule positiv gegenüber stehen lässt sich so manche ‚uncoolere‘ Schulstunde aufwiegen. – Ich rede hier von normalen Schulerfahrungen. Bei Mobbing etc., wenn es dem Kind wirklich schlecht geht, ist es natürlich etwas anderes. Da muss man sehr hellhörig sein.
N.B. ich bin nicht Lehrer und hatte selbst eine fürchteliche Schulzeit mit viel Mobbing und schlechten Beziehungen zu meinen Lehrern.
Danke für den wichtigen Artikel.
Ich kenne Leute, die wurden in der Schule regelrecht kaputt gemacht. Eine dieser Personen hatte das Glück, dass die Eltern nicht mehrere Jahre warteten sondern irgendwann reagierten und das Kind dann in die Steinerschule schickten. Von da an ging es bergauf. Sicherlich auch deshalb weil dort viel mehr auf das Lernen aus eigener Motivation gesetz wurde und dieses Kind nicht mehr unter dem unsäglichen Leistungsdruck stand.
Müsste man nicht fragen woher dieser ‚unsagbare Leistungsdruck‘ kommt? Sicherlich einerseits vom Kind selbst aus – es will ja gut sein. Auch von den Eltern aus. Mir scheint teilweise dass Eltern aus Angst ihr Kind könnte in irgendetwas ’schlecht‘ sein zu viel Druck aufbauen. Allenfalls noch von einer Lehrperson die den Wettbewerb unter den Schülern zu sehr betont. Es ist doch nicht wirklich das System, das den Kindern diesen Leistungsdruck aufsetzt? Wenn ein Kind lernt, dass es ok ist auch mal etwas falsch zu machen, dass es ok ist mal eine etwas weniger gute Note zu kriegen oder einfach in dem einen oder anderen Fach nicht so gut oder gar schlecht zu sein. Wenn es bestärkt wird darin es einfach weiterhin so gut zu machen wie möglich und die Betonung auf die Bereiche gelegt wird, in denen es gut ist. Dann ist die Chance dass es vom Leistungsdruck erdrückt wird sicher eher klein. – Sind da nicht in erster Linie wir Eltern dafür zuständig?
Gebt den Schülern ein Smartphone und lasst sie den ganzen Tag daddeln, youtuben und facebooken. So habt ihr nach der Schulzeit glückliche und medienkompetente Erwachsene.
Aristoteles sagte schon: Alle Menschen wollen glücklich sein.
Wenn wir die Kinder fragen, so haben sie alle ganz tolle Vorstellungen was sie gerne alles machen und lernen wollen wenn sie die Möglichkeit haben mitzubestimmen. Und ganz selten sind elektronische Geräte erwähnt. Kinder wollen erforschen, sind enorm wissbegierig. Wie will am Pult sitzend erforscht werden? Wer gibt den Kindern (wohlgemerkt, dass Kind sitzt noch im Kinderwagen, kann kaum laufen) elektronische Geräte in die Hand damit die Mutter selber SMS’len kann, einkaufen gehen kann nur damit das Kind beschäftigt und ruhig ist? Das sind die Eltern selbst.
Jedes Kind lernt immer vom Umfeld, ahmt nach.
Neue Wege gehen heisst nicht, dass das Alte falsch ist. Neue Wege gehen heisst auch, Neues mit Altem zu vermischen und aus Erlebtem zu lernen.
Ich wünsche mir für meine Kinder, dass sie später sagen können sie seinen gerne und auch glücklich zur Schule gegangen.
He, Mensch, ehre Anton Keller doch nicht mit einer ernsthaften Mail. Er hat ein scherzhaftes Posting gemacht.
Hey Stranger, eigentlich wäre ich der Stranger…. hab geduld mit mir. Es ist das erste Mal das ich einen Blog lese und demzufolge das erste Mal dass ich in einem Blog mitschreibe. Habe irgendwo einfach mal reingeschrieben ohne zu checken wo ich denn genau meinen Senf dazugebe….. 🙂
Immer wenn ich von scheinbar überlegenen Schulmodellen höre frage ich mich, wieso sich diese nicht längst in der Volksschule durchgesetzt haben. Ja, Vorstellungen und Gewohnheiten sind manchmal tief verwurzelt und schwer zu ändern, aber andere offensichtlich vorteilhafte Ansätze brauchen auch nicht Jahrzehnte um sich durchzusetzen. Liegt es vielleicht am Budget? Oder an der Verfügbarkeit von Lehrpersonen, welche die menschlichen Fähigkeiten mitbringen für einen individuellen, liebevollen Umgang mit den Schülern? Das wäre nicht einfach zu ändern.
Vielleicht liegt es aber auch daran, dass viele Schülerinnen und Schüler und viele Eltern durchaus glücklich sind mit der angebotenen Schule?
@ Sp
Entschuldigen Sie, aber wo leben Sie? Ich schaue mich mal ein bisschen bei uns um: Grundschule in einem grösseren Dorf von rund 4’000 EW, ca. 450 Schüler, durchschnittliche soziale Durchmischung. Wir haben jedes Jahr! mehrere Burnout-Fälle von Lehrern, juristische Schritte von Eltern, Timeouts von Schülern, sogar Schulverweise, mind. eine Klasse, die überhaupt nur durch zusätzlichen Aufwand der Schulleitung unterrichtet werden kann, inkl. mehreren zusätzlichen Elternabenden, Disziplinarmassnahmen von Schülern oder speziellen Settings durch Heil-/Sozialpädagogen, das teils sogar auf der Unterstufe. Und Herausforderungen, denen weder die Lehrer noch die Schüler gewachsen sind. Aber ja, wir können auch so tun, als seien die meisten glücklich und es herrsche Friede, Freude, Eierkuchen.
Hier bin ich ganz bei Sportpapi… die meisten würden das bestehende System (auch wenn man an Details immer wieder mal rummäkelt) nicht ändern.
@13 Ingottesnamen, wo leben Sie denn?!? Nein ernsthaft, wir hatten an unserer Berufschule letztes Jahr das erste Mal (in 30 Jahren bei mehreren Tausend Schülern) eine so schlimme Klasse – resp. 3 passende Störefriede – dass 1 (!) Sondersitzung abgehalten werden musste.
@mila Burn-Out in der Primar?!? No comment…
@13: Ich lebe vermutlich in einem ähnlichen Umfeld, einfach Raum Zürich statt Bern (aber das macht vermutlich ja keinen grossen Unterschied). Und ich kenne mich im Dorf relativ gut aus und habe engen Kontakt zur Schulpflege, zu den Therapeuten, Schulsozialarbeitern, Jugendarbeitern, Schulpsychologen, Polizisten, etc. Und ich kenne all das auch, was Sie da beschreiben. Natürlich überbordet mal eine Klasse und muss hart geführt werden. Natürlich ist mal ein Lehrer völlig überfordert, und ihm entgleitet die Klassenführung.
Aber das heisst nun überhaupt nicht, dass eine Mehrheit der Schüler an der Primarschule sich an der Schule nicht wohlfühlt. Oder gar, dass sie sich an einer anderen Schule wohler fühlen würde.
Ob die schlimmsten Fälle, die man ja zuerst lernzielbefreit, unterstützt, therapiert, bevor man allenfalls gar einen Schulverweis ausspricht, ob diese schlimmsten Fälle in einer offenen Schule wegfallen würden, möchte ich ganz erheblich bezweifeln.
@ Tststs
Wie geschrieben in einer ländlichen Gegend des Kantons Berns und ich wünsche wirklich, ich würde übertreiben, was leider nicht der Fall ist.
@ Sp
Da stellt sich dann die Frage: Wieviele müssen sich nicht wohl fühlen, bis eine Änderung angemessen erscheint? Die Mehrheit? Oder reichen 40? oder 20? Ich weiss es nicht, was bei einem anderen System mit diesen Schülern geschehen würde. Allerdings halte ich es doch für erwähnenswert, dass der Erfolg unserer RS-Schule, dessen Fan ist sonst gar nicht bin, bei denjenigen „schwierigen“ Schülern, die von der Volksschule in diese wechseln, beeindruckend ist. Viellicht wäre es doch an der Zeit Aspekte aus alternativen Systemen zu prüfen, nicht die vollständige Übernahme dieser.
@13: Vor kurzem habe ich eine Diskussion gehört zum Thema modernen Sportunterricht. Auf die Aussage des Sportlehrers, es sei doch heute schon das beliebteste Schulfach (80% besucht es gerne) antwortete die (nicht so sportbegeisterte) Psychologin, Ziel müsse es sein, dass es allen gefällt. Und sie skizzierte, wie das ihrer Meinung nach aussehen müsste (weg von messen und leisten, Wettkampf. Mehr Kooperation). Dumm nur, dass viele Schülerinnen und Schüler eine solche (vollständige) Neuausrichtung keineswegs begrüssen würden. Ausgewogene Berücksichtigung verschiedener Interessen (hier Stichwort „mehrperspektivischer Unterricht“) im Unterricht für alle erscheint mir sinnvoller.
@13: Wie viele „schwierige“ Kinder, die aus schwierigen Verhältnissen stammen und praktisch verwahrlost in die Schule kommen, gibt es denn in einer Steiner-Schule?
Und: könnten die Eltern nicht auch mehr dafür tun, die Kinder auf das heutige Schulsystem vorzubereiten und sie während der Schulzeit zu unterstützen?
SP, ich bin grosso modo einverstanden. Man darf aber wirklich nicht unterschätzen, dass es gravierende Probleme gibt im heutigen Schulsystem. Das Faktum, dass vielleicht 50% der Leute mit der Schule zufrieden sind und nichts ändern würden, sagt doch klar, dass 50% mehr oder weniger unzufrieden sind. Wieso sollen wir als Gesellschaft nicht eine Situation anstreben, wo 90 oder mehr Prozent happy sind? Ich halte das für sehr sehr lohnend. Denn in der Schweiz können wir mit 50% nicht zufrieden sein, SP! Das ist nicht meine Schweiz!
Ob die Eltern mehr tun könnten? Naja, SP, kuck mal. Viele Eltern sind selbst schulfern. Sie sind nicht in der Schweiz in die Schule, es ist schon lange her und sie arbeiten von morgens früh bis abends spät. Sie haben von der „heutigen Schule“ wenig Ahnung und auch keine Möglichkeiten, mehr Ahnung zu entwickeln. SP, geh darüber nicht einfach hinweg, bitte. Nimm diese Leute Ernst.
Die Kinder hingegen, sie kennen unser Schulsystem, und die Lehrer auch. Hier muss die Schule ansetzen. Und, nur zur Illustration: Ich habe sowohl in der Wirtschaft als auch in der Volksschule gearbeitet, und zwar in der letzten Zeit.
Auf das gehe ich jetzt Fack Ju Göhte 2 schauen.
@stranger: Zu welchen 50% würden Sie denn diese bildungsfernen Eltern zählen? Und in welche Richtung sollen wir denn gehen, wenn die eine Seite das Gegenteil der anderen Seite fordert?
Die Bildungssfernen haben von der Schule ja oft kaum eine Ahnung, und darum ist es nicht sehr relevant, ob sie damit zufrieden sind oder nicht. Das heisst, wenn sie Gründe haben, unzufrieden zu sein, muss man diesen sicher nachgehen.
Wenn die Wünsche des Publikums sehr differieren, dann hilft erstmal nur eines: Demokratie. Wenn 7 mehr Husufzgi wollen, 5 damit zufrieden sind und 5 weniger wollen, dann gibt es erstmal einfach mehr. Dann muss man aber genau untersuchen, wie man den unzufriedenen besser entgegen kommen könnte. In diesem Beispiel sind es ja Aufgabenhilfen, wo es an vielen Orten spezielle Stunden gibt.
@SP: Dem scheinen jüngere Studien zu widersprechen, die einen signifikanten Teil von Schülern, schon ab Primarstufe, chronisch überlastet bis hin zu akut ‚burn-out-gefährdet‘ deklarieren.
@Malena: Mir scheint, dass es wirklich nicht so einfach ist, eine ‚gesunde‘ Lehr-Mischung aus Förderung von intrinsischer Motivation, also Lernspass (und – willen) auf der einen und Leistungsbereitschaft und Einsatz(-willen) auf der anderen Seite zu finden. Zumal nicht für eine Volksschule, die viele und z.T. heterogene Anforderungen und Bedürfnisse der Gesamtbevölkerung abdecken soll.
Diese jüngeren Studien würde ich gerne sehen, mila. Und auch dann bleibt die Frage, ob wir die Leistungsanforderungen einfach reduzieren sollten, oder ob es nicht doch besser wäre, die Kinder zu stärken und darauf angemessen vorzubereiten.
Lesen Sie eigentlich keine Zeitungen, SP (und tststs)? Verschiedene Studienergebnisse wurden gerade kürzlich in allen Medien breitgetreten… Dazu kommt das Thema Stütztherapien jeglicher Couleur, von denen statistisch ca. 30% und teils mehr Schüler betroffen sind. Das scheint mir doch gesamthaft dafür zu sprechen, dass eben nicht alles ‚im Lot‘ ist. Und die schulkritischen Kommentare, als Gradmesser für das allgemeine Bevölkerungsempfinden, sind hier quasi an der Tagesordnung, einschliesslich diverser hängiger Petitionen und Initiativen (gegen Harmos und weiteres). Da muss man wahrlich keine Kristallkugel bemühen, um zu erkennen, dass manches aus Bevölkerungssicht augenscheinlich schief läuft. Mit welchen Massnahmen man reagiert, wäre Ermessens- und Verhandlungssache – abseits jeden überbordenden (bzw. -schiessenden) Alarmismus. Nichts tun, nicht auf die gesellschaftliche wie fachweltliche Kritik eingehen, ist in meinen Augen hingegen keine Option.
Zusätzlich zu erwähnen wäre noch das Thema Burnout-Gefährdung von Lehrkräften. Auch diese spricht im Grunde deutliche Bände – wenn man geneigt ist, Missstände zu registrieren.
@mila: Tatsächlich werden heute ganz viele Kinder im Schulumfeld therapiert. Das hat aber auch eine finanzielle Grundlage: Mit der Einführung des neuen Volksschulgesetzes im Jahr 2009/10 mussten Therapien übernommen werden, die zuvor von der Invalidenversicherung bezahlt worden waren. Und: die Zuweisung zur Therapie passiert immer häufiger von der Schule selber. Und: Wir haben integrativen Unterricht. Insofern sind die verschiedenen Einzel- und Kleingruppenförderstunden eine Entlastung der Lehrperson, die in der modernen Schule tatsächlich kaum mehr weiss, wo ihr der Kopf steht. Lustigerweise sind die schulkritischen Kommentare ja völlig gegensätzlich. Die Kritiker an HARMOS wehren sich gegen neue Lernformen, gegen Integration, gegen neue Lehrpläne, gegen „verfrühte“ Einschulung, gegen alles, was eine moderne Schule ausmacht. Und die Wortführer der anderen Seite verlangen gleich das Gegenteil, was letztlich die vollständige Auflösung der Volksschule (eine für alle) bedeuten würde.
Sie haben recht: Die Bedürfnisse der Lehrpersonen sollten längst wieder vermehrt im Zentrum stehen. Denn mit ihnen steht und fällt die gute Schule schliesslich. Und das bedeutet eben auch, Integration und modernen Unterricht nicht auf ihre Kosten voranzutreiben.
Und jetzt mal konstruktiv, mila: Glauben Sie denn, wenn alle Schulen zu Reformschulen oder Steiner-Schulen würden, dann wären die Lehrer weniger Burnout-gefährdet? Oder auf der anderen Seite: Waren sie es auch schon im heutigen Ausmass in der „traditionellen“ Schule?
Dasselbe übrigens bei den Schülern: Wenn mit jeder Reform die Anzahl therapiebedürftiger Kinder zunimmt, braucht es dann mehr Reform, oder vielleicht wieder mal einen Schritt zurück?
SP, in den letzten Jahren habe ich persönlich mehrere Lehrpersonen kennen gelernt, die ein Burnout erlitten hatten und stationär behandelt werden mussten. Und es waren keine Neulinge oder Weicheier sonder gestandene Lehrer der Volksschule.
SP, ich habe schon in meinem Einstiegskommentar zu verstehen gegeben, dass ich die Volksschule in einer im Grunde prekären Situation sehe – angesichts der diversen und, eben, teils sehr heterogen gelagerten Ansprüche und Bedürfnisse, die an sie gestellt werden. Ein Patentrezept habe jedoch auch ich nicht, hielte es jedoch für einen guten Ausgangspunkt, bei einer Standortbestimmung unter Einbezug aller direkt wie indirekt Beteiligten – Schülern, Eltern, internen wie externen Fachleuten (Lehrern, Pädagogen, Studienverantwortlichen etc.), sowie Arbeitgebern – anzufangen. Denn das passiert so gut wie nie: dass die verschiedenen Parteien tatsächlich (konstruktiv) miteinander ins Gespräch kommen (was in erster Linie heissen würde, anders gelagerte Standpunkte und berechtigte Einwände wahrzunehmen). Um daraus, nach Möglichkeit, eine gemeinsame Schnittmenge zu gewinnen. (In meinen Augen wäre das auch in der Tat das einzige Mittel, um überbordendem Alarmismus und daraus resultierendem überschiessenden Reformismus einen angemessenen Riegel vorzuschieben, ohne zugleich vorhandene Missstände zu vernachlässigen.)
Sehr gutes Votum, mila.
@mila: „Standortbestimmung unter Einbezug aller direkt wie indirekt Beteiligten.“ Was davon fehlt Ihnen in unserem direktdemokratischen System? Ich wähle die Schulpflege, stimme über wichtige Aspekte an der Schulgemeindeversammlung mit. Habe die Chance, bei der Elternmitwirkung mitzuwirken und meine Anliegen einzubringen. Kann über ein Volksschulgesetz abstimmen, über die freier Schulwahl, über HARMOS, ja möglicherweise sogar über einen neuen Lehrplan.
Und das alles, ohne dass ich nachweisen muss, dass ich von Schule und vom Lernen eine vertiefte Ahnung habe.
SP, wer genau engagiert sich denn in der Schulpflege etc.? Das sind in der Regel Individuen aus ganz bestimmten (Herkunfts-)Kreisen. Es ginge eher darum, den ‚unpolitischen‘ Rest vor einer etwaigen Abstimmung oder Lehrplanreform einzubinden, bzw. abzubilden. Das geht (geschieht) nur begrenzt über die gängigen direktdemokratischen Instrumente. ‚Niederschwelligere‘ lokale Diskussionskreise oder ‚Begegnungsstätten‘, angeboten von Schulen, schulischen Verbänden oder den zuständigen Gemeinden, sowie Befragungen bzw. Erhebungen, die das gesamte Bevölkerungsspektrum abdecken (und nicht nur immer partielle Teile davon, wie die ganzen Jugendstudien), schienen mir zielführend(er). Vielleicht sollte man einfach etwas kreativer werden, statt sich nur auf die ausgetretenen Pfade zu verlassen – und prinzipiell offener. Denn wenn der Bürger merkt, dass seine Sorgen und Anliegen (schul-)politisch ernst genommen werden, zeigt er sich im Allgemeinen kooperativ. Werden sie übergangen, folgt die Retourkutsche nicht selten postwendend an der Urne.
PS: Die Volksschule ist ein Volksanliegen. Um daran (in richtungsweisenden Grundsatzentscheiden) sozialpolitisch zu partizipieren, sollte man kein Experte sein müssen. Umgekehrt sollten die Experten in der Lage sein, ihre (Reform-)Anliegen einem Laien gegenüber verständlich – und überzeugend – zu kommunizieren. Aber wie man sieht, scheitern sie offenbar genau daran, und zwar wiederholt.
@mila: Die Leute, die unzufrieden sind, die können sich meist gut artikulieren und sich politisch einbringen. Ansonsten glaube ich wie gesagt, dass es genug Möglichkeiten gibt, seine Meinung kundzutun. Vielleicht mal am Apéro nach dem Elternabend?
Ich weiss gar nicht, ob es den Experten wirklich nicht gelingt, ihre Erkenntnisse deutlich vorzutragen. Wer sich interessiert, kann sich durchaus schlau machen. Nur glauben Laien oft, es besser zu wissen, und hören gar nicht zu. Ausserdem wird es spätestens dann schwierig, wenn widersprüchliche Meinungen von Experten und Politikern vertreten werden, die zudem alle noch berechtigt sind. Sofern man sich der Perspektive und Prioritäten bewusst ist.
Nehmen wir doch mal so einen Grundsatzentscheid. Frühfranzösisch. Bzw. zwei Fremdsprachen an der Primarschule. Ist nun relevant, dass Sprachen wichtig sind? Für wen? Oder die Erkenntnis, dass jüngere Kinder Sprachen unter Umständen „spielend“ lernen? Oder die Erkenntnis, dass die Umsetzung in der Schule offenbar nicht gelingt, der Lernerfolg ausbleibt? Oder der Fakt, dass zusätzliche Lektionen auf Kosten anderer Fächer geht? Dass auch die Lehrerbildung sehr viel Zeit in die Fremdsprachen investiert, die in anderen Fächern fehlt?
Da drückt für meinen Geschmack der Dünkel eines Experten zu stark durch, SP. Ich würde meinen, mindestens 70% der Eltern interessieren sich generell für die Schule, allein schon weil ihr Kind davon ‚betroffen‘ ist. Aber sicher die Hälfte davon versteht vermutlich nicht, was das ‚Ganze mit der Kompetenzorientierung‘ soll. Was noch keineswegs heisst, dass sie es ‚besser wissen‘ (respektive, besser zu wissen meinen), oder nicht zuhören – für mich ist es vielmehr ein klares Vermittlungsproblem seitens der Experten, insofern sich der Begriff/das Konzept der Kompetenzorientierung dem Laien nicht von selbst erschliesst. Soll er nun in der ‚Bringschuld‘ sein, ihn sich durch aktive Recherche anzueignen? Ich denke eher nicht (er auch nicht: er wird dankend abwinken und sich in dubio für das Althergebrachte entscheiden).
Aber ja, die Gewichtung unterschiedlicher, divergierender Interessen ist schwierig. Nur frage ich mich gerade, auf Kosten welcher Fächer der Sprachunterricht geht – das müssten Sie mir zwecks Verständnis näher erläutern. Wie wäre es denn, wenn man eine der beiden Fremdsprachen alternativ zu diesen zu-kurz-kommenden-Fächern anbietet, so dass Eltern und Schüler selbst entscheiden könnten, was sie stärker gewichten wollen, Sprachbildung oder (tbd)? Oder hat das Frühfranzösisch am Ende doch mehr gesellschaftsrelevantes, allgemeinbildendes Gewicht, als besagte Fächer? (Englisch als Frühsprache steht für die meisten inzwischen ausser Frage, dafür würde sich vermutlich eine grosse Bevölkerungsmehrheit als erste zu erlernende Fremdsprache entscheiden – im Gegensatz zu den Politikern.)
Bringschuld? Holschuld? Doch natürlich ist es die Pflicht eines verantwortungsbewussten Bürgers, vor einer Abstimmung zumindest die Abstimmungsunterlagen durchzulesen, und vielleicht noch den einen oder anderen Kommentar in einer Zeitung. Damit kennt man sich dann mit den Feinheiten nicht aus, merkt aber sofort, wenn im Abstimmungskampf Unsinn erzählt wird.
Die Fremdsprachenausbildung geht auf Kosten von Deutsch und der Naturwissenschaften. Aktueller Stand ist, dass der Spracherwerb offenbar nicht erfolgreicher ist als früher, als der Fremdsprachenunterricht erst in der Oberstufe erfolgte. Es gibt drei Antworten darauf. 1.) dann hören wir auf damit. 2.) es braucht halt ein „Sprachbad“, spricht noch mehr Lektionen und 3.) vielleicht wäre halt doch eine Sprache genug, so dass wenigstens dafür genügend Zeit bleibt. Aber dann welche?
Und ja, Primarlehrer absolvieren nur einen Bachelor, ihre Ausbildungszeit ist also begrenzt. Und in dieser Zeit müssen sie sehr viel in die Fremdsprachenausbildung investieren. Zeit, die dann für anderes fehlt. Das ist wohl mit ein Grund, dass schon lange im Gespräch ist, auch für die Primarschule einen Master zu verlangen.
Zum wiederholten Mal verschwindet ein geschriebener Kommentar im Orkus… So macht das Diskutieren keinen Sinn, zumal ich heute auch keine Zeit habe. Deshalb nur kurz: Sie gehen von einem (minimalen) Idealprozess der (aktiven) Meinungsbildung aus, der realiter oft nicht gegeben ist, respektive stattfindet. Und Sie vernachlässigen die breite Skepsis, die Experten, Politikern und Akademikern von signifikanten (An-)Teilen der Bevölkerung entgegengebracht wird, mit teils berechtigten (‚Bürokratensprache‘) wie unberechtigten Gründen. Daran scheitert nicht selten die Vermittlung komplexer Sachinhalte, und das wissen Sie, denke ich, eigentlich so gut wie ich. Sich diesbezüglich Scheuklappen aufzusetzen bedeutet lediglich, potentiell weiteres, kontinuierliches Scheitern in Kauf zu nehmen.
Wer andere glücklich machen will, ist auf dem besten Weg, sie unglücklich zu machen. Ich war notenmässig ein durchschnittlicher Schüler. Ich liebte Schulerreisen, Basteln, Singen, Gedichte und Geschichten. Verzichten hätte ich auf Rechnen, Diktate, Aufsätze und Turnen können. Eigentlich schlechte Voraussetzngen um später an der ETH Physik zu studieren. Und doch bin ich diesen Weg gegangen. Ich bin in meinen Kinder- und Jugendjahren zum Glück nie einem Menschen begegnet, der mich partout glücklich machen wollte. Aber ich bin Menschen begegnet, die mich so nahmen wie ich war, die an mich glaubten oder die dank ihrer Persönlichkeit mir zum Vorbild wurden und denen ich Nacheifern konnte. Es waren weder Lehrpläne, noch Schulpsychologen, noch irgend welche ideologischen Vorstellungen, die mir ein glückliches Berufsleben ermöglichten, sondern einfach Menschen, die mit beiden Beinen im Leben standen.
@ Herr Hess: Haben Sie je in der freien Wirtschaft gearbeitet? Wohl nicht, solche Artikel können nur von jemandem kommen, der sich bequem auf einer öffentlich finanzierten Stelle eingerichtet hat…wieso ist es schlecht, die Komfortzone zu verlassen, etwas neues zu Lernen (ja, auch etwas, was mich vielleicht nicht auf Anhieb interessiert), Gas zu geben und wirklich zu arbeiten, um etwas zu erreichen? Mit ein wenig reinlesen hier und iPad angucken da, Chäsprojektli dort, wenn mir grad danach ist, ist dies nicht möglich.
Ich finde es nicht in Ordnung, dass Sie den Autoren (und mit ihm gleich noch ganze Berufsgruppen) so abqualifizieren und nicht annähernd auf seine Argumente bzw. Erfahrungen eingehen. Ihre Schlussbemerkung zu Kind und Schule kommt dem Niveau, das ich in einer Blogdiskussion eigentlich erwarte auch nicht gerade entgegen.
An Ihrer bissigen Analyse ist sicher was dran (obwohl ich nicht uneingeschränkt stolz sein kann auf eine Spezies, die es trotz des ganzen technologischen Fortschritts nicht schafft, einen Gang zurückzuschalten, sich ein Vorbild an den Gorillas zu nehmen). Aber ich frage Sie: warum werden diese so viel leistungsfähigen Menschen aus der freien Wirtschaft nicht öffentlich finanzierte Lehrer, und bilden dank Ihrer stärkeren Performance leistungsfähigeren Nachwuchs heran? Das wäre doch eine nachhaltige Investition ihrer Macherqualitäten.
Es geht im Mama- Blog primär um soziale Themen. Da ist Arbeiten in der freien (Ratten-) Wirtschaft eher kontraproduktiv. Wer seine Kinder liebt, verhindert dass sie später primär für Geld arbeiten.
Volle Zustimmung. Mascha, Sie sprechen der Fressen-oder-gefressen-Wirtschaft das Wort. Die ist Müll. So geführte Firmen gehen früher oder später unter.
Wer Freude hat am Tun, wird auch Besseres tun. Mit Lalalulu hat das nichts zu tun.
Wie sollen solche Wellnessschüler später im Berufsleben, einem globalen Arbeitsmarkt bestehen? Lalalulu-Land lässt grüssen. Man kann nur hoffen, dass die Migrantenkinder leistungswilliger und lernfreudiger sind – ansonsten: Der letzte löscht das Licht.
Ach Mascha, die Wirtschaft braucht Leute, die sich beim Arbeiten und beim Lernen wohlfühlen, diese leisten auch mehr.
‚Glück macht dumm. Nichts ist langweiliger als ein glücklicher Mensch.‘
(Ernst Günter Bergmann in ‚Ist Mandelbrot ein Misanthrop?‘)
Oder positiv formuliert: Schmerz und Leid sind die Triebkräfte alles Menschlichen. Glück macht dumm.
Hmmm. Ich halte allerdings die Feststellung für interessanter und wichtiger, die das umgekehrte besagt. Dumme Leute sind oft glücklich. Was nicht so wichtig wäre, wenn es nur sie beträfe. Allerdings entwickeln glückliche Menschen oft ein beträchtliches Sendungsbewusstsein und wollen ihr Glücklichsein auf andere übertragen. Und da sie ja selbst oft recht dumm sind, merken sie nicht, dass magels Dummheit auf der Empfängerseite ihre Rezepte nicht funktionieren können.
Sie scheinen auch ein sehr glücklicher Mensch zu sein…
Nur am Rande: Einstein war ein guter Schüler und hatte entsprechende Noten, bekam aber Probleme mit gewissen autoritären Lehrern in Deutschland (weshalb er an der Kanti Aarau glücklicher war).
Ja, bei diesem Abschnitt im Text musste ich auch die Stirn runzeln.
Einstein war kein Schulversager.
So schön ich die Vorstellung einer Glücksschule finde (Ausrichtung des Lernens an Interessen…) ; ich frage mich trotzdem, ob ein solcher „Schonraum“ für die Kinder, sie wirklich auf die Herausforderungen im (Berufs-) Leben vorbereiten kann. Etwas Reibung kann ja durchaus wichtig sein, für die Entwicklung von Bewältigungsstrategien. Ich kann tatsächlich auch bei einigen Menschen (sogar noch im Erwachsenenalter) beobachten, dass sie ein Stigma seit der Schulzeit mit sich herumtragen. Ich frage mich deshalb, wie man die Schule gestalten kann, ohne dass die Kinder z.B. an Selbstvertrauen verlieren, sie fordert aber nicht überfordert (und sie auch nicht alleine lässt mit ihrer Überforderung, Versagens- und Minderwertigkeitsgefühlen).