Selfies? Echte Väter posten Smelfies!

«Solch ein Gestank von so einer kleinen Person?»: Twitter wird derzeit von Smelfies geflutet. (Twitter/James Mann)
Damit angefangen haben die Frauen. Genauer eine Frau: Schauspielerin Alyssa Milano postete Ende Jahr ein Selfie, auf dem sie ihren Sohn stillt. Das Bild löste eine riesige Kontroverse aus und wurde besonders im englischsprachigen Raum in diversen Zeitungen und Fernsehsendungen zum Thema. Kolumnistin Angela Epstein etwa liess im Februar auf dem Fernsehsender ITV verlauten, solche Fotos hätten einen exhibitionistischen Beigeschmack: «Die Mütter benutzen ihre Kinder fast schon als Ware auf der Suche nach Aufmerksamkeit.» Viele stillende Mamas sahen das indes ganz anders und posteten als Gegenreaktion zu Hunderten ihre eigenen Brelfies, also «Breastfeeding»-Selfies. Um Milano zu unterstützen und zu zeigen, dass das Stillen etwas Normales, Natürliches sei und man sich dafür nicht zu schämen brauche.
Während der mütterliche Brelfie-Trend noch anhält, haben die Väter Anfang Monat ihren eigenen Selfie-Hashtag bekommen: das Smelfie. Erfunden hat es der australische Komiker Adam Hills. Er postete am 6. März ein Selfie, auf dem er eine dreckige Windel in der Hand hält, dazu den Text «Real men change nappies #smelfie» («Echte Männer wechseln Windeln»). Das liessen sich die digitalen Papas nicht zweimal sagen und fingen sofort an, Twitter mit Stink-Selfies («Smell»-Selfies) zu fluten. Grimassen und lustige Sprüche inklusive.
@adamhillscomedy #smelfie pic.twitter.com/tmwbd4LU8Z — Colin Patrick (@ColinPatrick80) March 7, 2015
@adamhillscomedy she pee’d all over the change table as I took this. Note to self nappy on first, then #smelfie pic.twitter.com/IevpRG2CSH — Mitch Webb (@mrmitchla) March 8, 2015
@adamhillscomedy worrying amount of both poop and smell from such alittle person! #smelfie pic.twitter.com/gnsdZ1LLvD — James Mann (@jazzmann85) March 8, 2015
Man könnte den Smelfie-Trend deshalb als dümmliche Selbstinszenierung abtun. Bis zu einem gewissen Grad ist er das auch. Und Kritiker wie der Twitterer Simple Si haben natürlich recht, wenn sie sagen, dass es deprimierend sei, dass #smelfie so ein grosses Ding sei: «Männer, wir sollten nicht stolz sein aufs Wickeln. Sondern peinlich berührt, dass andere Väter es nicht tun.» Trotzdem tut es jungen Vätern wahrscheinlich gut, auch einmal andere Papas die Windeln wechseln zu sehen und gemeinsam über den dreckigen Job zu lachen. Und sei es nur, um bestätigt zu bekommen, dass man nicht der Einzige ist, der beim Wickeln regelmässig vollgepinkelt wird.
Ob die elterlichen Tweets aber mehr können, als den Gemeinschaftssinn unter den Betroffenen zu stärken, also die öffentliche Wahrnehmung in Bezug aufs öffentliche Stillen und väterliches Wickeln auch nur im Geringsten verändert wird, darüber lässt sich bloss spekulieren. Spannend finde ich die beiden Hashtag-Trends so oder so, nur schon wegen ihrer unterschiedlichen Ausrichtung: Die Brelfie-Mütter geben sich kämpferisch. Schliesslich setzen sie sich für mehr Akzeptanz fürs Stillen in der Öffentlichkeit ein, fordern also gewissermassen mehr Freiheit für Mütter. Die Väter hingegen mimen unterdessen den Nachwuchs-Comedian und versuchen sich gegenseitig mit dem desaströsesten Smelfie zu übertrumpfen. Sind die Männer also einfach lockerer drauf? Oder haben sie schlicht nicht mit denselben Problemen und Vorurteilen zu kämpfen wie die Frauen?
Was denken Sie? Und was halten Sie generell von solchen Aktionen digitaler Eltern?
44 Kommentare zu «Selfies? Echte Väter posten Smelfies!»
Fehlt nur noch einer mit Gasmaske! Dann wüssten wir alle, woher die Idee für „Darth Vader“ kommt! „Luke, ich bin Dein Vater.“ 🙂
Sie sagen im Blogg was davon zu halten ist: dümmliche Selbstinszenierung.
Bei solchen Aktionen kommt mir eine Antwort von Nena in den Sinn als sie kurz hinter einander 2 fache Grossmutter wurde. Mehrere Journalisten belagerten sie und wollten wissen wie sie sich fühle, wie es ihr gehe und der Tochter, dem Sohn und überhaupt. Sie antwortete ganz erstaunt: „was soll das, die Welt geht nicht unter sondern dreht sich weiter… Nur wegen zwei Babies? Dies geschieht tausendfach und ist etwas ganz normales, beruhigen Sie sich wieder…, natürlich freuen wir uns alle unglaublich und damit Punkt“
Ich kann dieses Theater rund ums Kinder kriegen nicht ganz nachvollziehen?
Kinder bekommen und gross ziehen ist so gewöhnlich wie Atmen, Essen und Trinken.
humor kann man teilen oder nicht. geschmack hat man oder nicht.
aber eines ist klar: wer über sich selbst lachen kann oder auch mit einem riesigen schlafmanko noch humor beweist, der ist doch schwer in ordnung und dem ist vieles gegeben, um seinem nachwuchs eine glückliche kindheit zu bereiten.
und ja…. wenn einem doch droht den humor zu verlieren, dann tut es gut, wenn man mit anderen in derselben situation lachen kann.
wer das nicht will, soll es lassen. es wird ja niemand dazu gezwungen.
oder gibt es hier solche, die sogar auf den humor anderer leute neidisch sind?
nur weil etwas normal oder nicht vewerflich ist, heisst das noch lange nicht, dass man es fotografieren und der ganzen Welt unter die Nase halten muss. Ich brauche weder selfies, brelfies, smelfies noch sonst was in der Richtung, ich bedauere die Leute, die meinen, sie seien dermassen wichtig, dass sie sogar Fotos von sich brauchen und posten müssen, wenn sie allein sind und sie keiner fotografieren kann.
Wie viel Verbreitung muss eigentlich ein Vorgang haben, dass man ihn als Trend bezeichnen kann?
Trends werden gemacht um zu verbreiten. Es ist also umgekehrt.
Das sehe ich nicht so. Ist aber eigentlich ja egal.
ich finde so etwas sollte man im privaten bereich lassen. ich will doch keine bilder sehen von vätern die windeln in die kamera halten. was soll das? hätte ich einen kollegen/bekannten der so was z. B. in facebook veröffentlichen würde, dann wäre er gelöscht als FB-freund. irgendwo hat es doch auch grenzen!
Vor allem soll man nicht die Kids mithineinziehen (solange sie nicht Nein dazu sagen können)…
Wer unbedingt ein Smelfie posten will, kann ja nach einem Furz seines Partnes sein Gesicht verziehen und dies online stellen… 😉
Herr Hinterberger, Ihre Referenzen sind überzeugend. Wir fanden aber in Archiven ein Säuglingsfoto von Ihnen mit der typischen Stirnfalte. Unser Geno- Phänotyp- Berater warnt dringend vor Ihrer Einstellung.
Herr Hinterberger = Moi?
Wir haben 4 Kids und darum sag ich aus Erfahrung, erst wenn die Kids richtige Nahrung zu sich nehmen, werden die Windeln geruchsintenisv. Bis dahin aber merkt man nichts. Also was soll diese ganze Aufregung? Schliesslich ist es eiin Kind und da ist nix eklig. Im Gegensatz zu anderen Dingen, die die Erwachsenen manchmal produzieren. Zum Stillen in der Öffentlichkeit: Ich habe das mit allen 4 kids gemacht, aber einfach diskret mit einem Nuscheli vorne rum. Ich verstehe Mütter nicht, die alles präsentieren, ein bisschen Privatsphäre tut allen gut.
Jaja, ist schon so… in der heutigen Zeit, in der nichts mehr normal und banal sein darf, muss auch das Gaggi zum Ausdruck der individuellen Persönlichkeit gerreichen…
Freud würde es wohl „die anale Phase 2.0“ nennen…
tststs….da kann ich nur den Kopf schütteln…
Ich hoffe ehrlich, dass die Söhne und Töchter dieser Eltern später einmal Smelfies von Ihren Vätern und Püries (oder wie soll man einem Bild sagen, auf dem jemand mit Brei gefüttert wird) Ihrer Mütter aus dem Altersheim online posten.
Sie hoffen das warum? Was haben Sie davon?
Moi? Ich habe gar nichts davon… aber die Kids eventuell späte Genugtuung 😉
tsts: findest du denn fotos von dir als total verschmiertes baby schlimm? ich mag diese fotos von mir.
bei babys ist das jö, bei alten menschen aber nicht, weil es etwas entwürdigendes hat. warum hat es etwas entwürdigendes? vermutlich weil es hier um den zerfall geht, um verlust von fertigkeiten
@tststs: tina sagt es ja schon. So ganz vergleichbar ist das ja nicht, auch wenn das Beispiel immer wieder genannt wird. Und zu hoffen, dass jemand dann auch einmal blosgestellt wird, halte ich generell für nichts so toll. Aber jedem das seine.
Liebe tina, lieber SP
Der Schwerpunkt (resp. der eigentliche Punkt) liegt nicht auf dem Fotos-Machen, sondern auf dem Veröffentlichen!
Oder stellen Sie sich einfach mal vor, Sie merken plötzlich mit 16 (oder 12 oder 14 oder 18), dass bereits 1000 von Fotos im Internet kursieren, ohne dass Sie ein einziges davon gepostet haben!
(Und im Präventionsunterricht an der Schule hiess es doch gerade noch: Seid vorsichtig!)
Also ich fände dies nicht so läss…
@tststs: Das ist klar. Und jetzt?
Und auch da wieder einmal: Das heisst, wir müssten die Veröffentlichung jeglicher Kinderfotos verbieten? Weil die Kinder es vielleicht einmal nicht so lässig finden? Reicht das schon?
Aber mein Punkt war ja ein anderer. Nein, ich finde dieses Auge um Auge-Konzept nicht so toll.
Aber SP, jeises, Sie kennen doch meinen Brachialhumor oder… 😉
Aber nun zum eigentlichen Punkt: Selbstverständlich kann man der Meinung sein, dass man Fotos seiner Kinder einfach so veröffentlichen darf. Man darf aber auch gegenteiliger Meinung sein, so von wegen Recht am eigenen Bild und so…
Und eben, bis vor kurzem gab diese Möglichkeit zur Veröffentlichung noch gar nicht! Mir kommen da einzig die Schatzkästli u.ä. in den Zeitungen von früher in den Sinn.
@tststs: Meine Mutter war Lokalkorrespondentin für eine Regionalzeitung, mein Vater hat für sie fotografiert. Was meinen Sie, wer da laufend in der Zeitung erschien? Aber selbst wenn es diese heute noch online gäbe. Weshalb sollte mir das peinlich sein? Selbst wenn ich da nackt, mit verschis senen Windeln, oder was weiss ich posiert hätte?
Da scheint es mir schlimmer, dass jedermann online meine Wettkampfresultate nachlesen kann, etc…
Schön, SP, dass das bei Ihnen lediglich ein „so what“ auslöst. Aber Sie dürfen doch nicht von sich auf andere schliessen…
Und ich nehme an, Ihr Abbild in der Zeitung war als Illustration gedacht und wahrscheinlich nicht mit Ihrem Namen verknüpft…
@tststs: Das stimmt. Nur mit dem Namen meiner Eltern… So what!
ah du sprichst von den fotos zum blog hier?
ich dachte, du meinst facebook. aber facebook ist nicht veröffentlicht. facebook ist wie fotoalbum zeigen. ok, nicht wenn man 5000 freunde hat, klar
Eine der grössten Ängste der Jetzt- Zeit ist die Auflösung der Mittel- und dem daraus resultierenden Abstieg in die Unterschicht. Der Selbstknipswahn zeigt aber, dass der Abstieg kulturell und mental längst vollzogen ist.
Übrigens, schon der Erfinder der Plattenfotografie hat sich mittels Distanzauslöser selber abgelichtet. Neu ist der Vorgang also überhaupt nicht. Es ist wie immer das Mass, welches zwischen Blödsinn und einer netten Idee unterscheidet.
Muss nicht sein. Ich fand die „Fuss/Hand im Gesicht beim ins Schlafen wiegen“ Selfies besser. Beides drueckt das Gleiche aus.
Mütter mit Stillselfies sind edel und freiheitskämpferisch (und ganz bestimmt nicht exhibitionistisch), Männer mit Wickelselfies sind dümmliche Selbstinszenierer – was sind denn das für krude Genderklischees?
da gibt es meines achtens aber garkeinen unterschied – mütter wie väter die sich mit selfies produzieren sind dümmlich. wer will diese fotos schon sehen ???
Wer will überhaupt Selfies sehen…? Mit Ausnahme der Sefies-Aufnehmenden, -Präsentierenden und -Austauschenden. Nichts langweilt mich persönlich mehr.
Hallihallo mila… solangs jemandem gefällt, ein Selfie oder sowas zu machen und solangs jemandem gefällt, sowas dann auch anzugucken, ist es doch in Ordnung, ein Selfie oder sowas zu machen, oder nicht?
Weil mich Selfies genauso langweilen wie Status Updates auf Social Media Kanälen, bin ich auf keinem davon vertreten. Soll sich der austauschende Rest unter sich vergnügen, dagegen habe ich nichts, solange ich nicht damit behelligt werde. 😉
„..was sind denn das für krude Genderklischees?“
Völlig richtig, nur: Sind wir das nicht auch ein bisschen gewohnt, Fr. Garcia, gerade eben an dieser Stelle? Da die meisten Männer aber gut über sich lachen können ist das auch nicht weiter schlimm. 🙂
Die einzige Antwort auf die diversen im Text gestellten Fragen ist die: Real men don’t take selfies. Und sie twittern nicht. Ausser sie sind Politiker, Comedians, Musiker oder Journalisten.
Nein, „real men“ bohren in liebevoll verkleckerten Feinrippunterhemden ihre Autos auf, kratzen sich den ganzen Tag am Genital und zerdrücken Bierfässer mit ihrer Stirn. Twittern ist ausschliesslich für kleine Mädchen mit Piepsstimmchen in pinken Tütüs.
Sie dürfen natürlich, Hr. Tschannen. Auch ohne Tütü :-D.
Nebenbei, der Beitrag über Forenmamis war Weltklasse.
Wenn ein Phänomen mehr als 3% der Bevölkerung erreicht ist es das Signal, nicht mitzumachen. Schon weil man sonst in der Masse untergeht. Und Hand aufs Herz, wer möchte zur Masse gehören?
Ich würde sogar noch weiter gehen, die Begabten unter den Politikern, Comedians, Musikern und Journalisten, die twittern auch nicht und haben auch keinen Facebook Account. Social Media ist ein Unterschichtenphänomen, wie Autoschrauben und Fussball gucken.
Und den Mamablog kommentieren ist ein Oberklassephänomen, Herr Liebling. Aber wie sollte ich es Ihnen verübeln, ich fand Twitter auch doof, bevor ich es verstanden habe.
Mamablog ist eine weitgehend geschlossene Nutzergruppe, an welcher man das Reflexionsniveau der CH Mittelschicht ablesen kann. Weder die Themen noch die Antworten selbst sind interessant.
Wenn Sie meinen Twitter verstanden zu haben, ich meine das auch, würde mich ihre Deutung interessieren, Herr Tschannen.
Verstanden ist ein grosses Wort, das ich in dieser stark vereinfachenden Form lediglich wählte, um meinen Kommentar kurz zu halten. Twitter nach meiner Deutung ist eine Plattform, die flexible Nutzungsweisen zulässt. Entsprechend kann man nach Vorliebe in inhaltlich sehr unterschiedlichen Kreisen verkehren, meinetwegen auch betreffend der Gesellschaftsschicht. Das Zeichenlimit erlaubt es, die Inhalte vieler Akteure zu lesen (das Verhältnis Aussage/Text ist hoch). Etwas rudimentär lässt sich sagen: Wem Twitter nicht gefällt, der folgt dort den falschen Menschen respektive Accounts.
‚das Verhältnis Aussage/Text ist hoch‘
Wenn man Aussage in Anzahl Substantiven und Verben misst., vielleicht. Ohne je eine Twitter- Meldung gelesen zu haben, wie erkennt man eine Textsequenz, welche aus dem Rauschteppich heraussticht? Filtern kann man nur auf der Basis von Vorwissen. Das läuft dann auf das Prinzip ‚Gefällt mir (nicht)‘ hinaus.
Viele der klugen Schreiber hier kommen mit den 600 Zeichen nicht aus und verbreiten sich über 3-4 Fenster. Aber auch dann ist die Missverständnis- Rate noch sehr hoch.