Sympathie für Neinsager
Ein Gastbeitrag von Martina Marti*
Kunterbunt türmen sich die Zvieri-Leckereien auf dem Loungetisch. Das jüngste Mitglied unserer fröhlichen Mutter/Kind-Runde – ein acht Monate alter Sonnenschein, der sich seit wenigen Tagen fortbewegen kann – robbt begeistert auf die Auslage zu, zieht sich hoch und krallt sich voller Elan eine Erdbeere. Seine Mutter erblickt den Früchtegrapscher in dieser Sekunde, brüllt laut «N-e-e-e-i-n!», vollzieht eine Hechtrolle, klaubt ihm die mittlerweile zerquetschte Köstlichkeit aus seinen Fingerchen und sagt: «Nein, nein, das darfst du nicht!» (Anmerkung: Der Kleine hat eine Erdbeerenunverträglichkeit – darum ihre Reaktion).
So weit, so gut. Was dann jedoch folgt, macht mich stutzig: «Ach Mensch, jetzt habe ich es schon wieder gesagt!», beschimpft sich die besagte Mutter selber. «Das Wort Nein sollte ich einfach streichen.» Und zu ihrem Nachwuchs gewandt: «Also, das ist nichts Gutes für dich. Nimm lieber das…» – und winkt verheissungsvoll mit einem Roggencracker.
Als jedes der sechs Kinder etwas Leckeres zwischen den Beisserchen hat, frage ich nach: «Wie war das? Wieso sollst du nicht Nein sagen?» Das habe sie aus dem Ratgeber «Wie sag ich’s meinem Kind», erklärt sie mir: «Kinder verstehen das Wort Nein nicht. Darum sollte man es meiden und andere Formulierungen verwenden. Aber ich tappe immer wieder in die Falle.» Meine Anschlussfrage, warum Kinder ein Nein nicht verstehen sollen, geht leider bereits wieder im Kinderlärm unter: Die Rasselbande hat den Zvieri beendet.
Das Thema lässt mich jedoch nicht los. Jede Theorie hat schliesslich meistens ihren guten Ansatz. Zumal das Buch hoch gelobt wird. Und so wage ich den Selbsttest. Meine Tochter: «Kann Anna heute bei uns übernachten?» Ich: «Ich fände es besser, du würdest alleine schlafen.» Sie: «Bitte! Ich möchte unbedingt!» Ich: «Unter der Woche ist das kein Thema.» Sie: «Aber wir bleiben auch sicher nicht lange wach, versprochen!» Ich: «Ich möchte wirklich nicht.» Sie: «Aber wieso…?» (Ab da kribbelts schon nervös in meiner Magengegend): «Nein! Ich möchte, dass du fit bist für die Schule. Plant das fürs Wochenende.» Ein kurzes Schnauben – Thema gegessen.
Ich zu meinem Sohn: «Eine halbe Stunde ist um, Game-Zeit beendet.» Er: «Nur noch fünf Minuten!» Ich: «Nnn… äh… die vereinbarte Zeit ist jetzt um.» Er: «Aber ich war noch auf der Toilette in der Zeit, darum darf ich jetzt etwas länger!» Ich: «Guter Versuch, bitte ausschalten.» Er mit Dackelblick: «Biiiiitte… können wir eine Lösung finden?» (Den Satz kenne ich doch!) Ich: «Ähh… nein! Ausschalten. Jetzt.» Das iPod-Display wird schwarz.
Ich suche auch nach einer positiven Herangehensweise für die Kinder. Und stelle mir folgendes Szenario auf dem Pausenplatz vor: «Komm, probier doch auch mal eine Zigarette!» – «Ich atme lieber frische Luft.» – «Ach komm jetzt, du Spiesser!» – «Ich bevorzuge wirklich andere Dinge.» – «Willst du nicht cool sein?» – «Ich möchte nicht.» – «Wieso denn nicht?» Und so weiter…
Irgendwie endet jedes Thema in einer uferlosen Diskussion – und das, obwohl mein Standpunkt von Anfang an klar war. Zumindest, nachdem der Nachwuchs mehr als nur «Dada» sagen kann. Mit den Kindern reden: Unbedingt! Erziehungsentscheide erklären: Auf jeden Fall! Aber wieso darf davor nicht schon ein klares Nein stehen?
So vertrete ich nach wie vor die Haltung: Nur wer klar Nein sagen kann, kann auch von Herzen Ja sagen. Und angesichts von diversen Selbstwertseminaren für Erwachsene, die das Neinsagen lernen müssen, bin ich überzeugt, meinen Kindern nichts Falsches vorzuleben. NEIN, das denke ich wirklich nicht.
Film: Der Ja-Sager (Trailer)
* Martina Marti ist freie Journalistin und Psychosoziale Beraterin in eigener Praxis für Kinder, Jugendliche und Erwachsene, www.martinamarti.ch. Sie lebt mit ihrem Mann und den gemeinsamen Kindern (Jg. 06 und 09) in der Nähe von Zürich.
162 Kommentare zu «Sympathie für Neinsager»
„Nicht selber etwas machen, was das Kind nicht darf. “
Und warum nicht? – Autofahren etwa?
„Tue was ich sage und nicht was ich tue!“ war offenbar ein Wahlspruch des Vaters eines guten Freundes. Kein Dummer!
Bloss begründen muss man es so können, dass es das Kind kapiert. Dann ist auch ein „Nein“ überhaupt kein Problem für ein Kind und wird SELBSTVERSTÄNDLICH auch verstanden.
Unverständlich daran sind für mich nur Eltern, die derlei Absurditäten („Hab ich in einem Buch gelesen!“) auch noch willig glauben.
Die sollten besser daran arbeiten, ihr „Nein“ glaubwürdig & klar rüber zu bringen.
In der arabischen Weltz sagt man anständig „Nein“ mit: „Wenn Gott will, morgen“
Eine solche Antwort bezeichnet man hierzulande als unaufrichtig und feige. Ich bin froh, dass wir in einer Kultur leben kann in der eine klare Meinungsäusserung möglich ist.
Bei der Kommunikaiton mit Kindern geht es doch darum, dass man seinen Kinder wenn möglich erklärt warum man etwas verbietet oder erlaubt. Natürlich nicht wenn akute Gefahr droht aber so in alltäglichen Situationen. Wenn das Kind den Entscheid seiner Eltern nicht akzeptieren will, muss die Antwort aber eben auch mal Nein! heissen.
Und dann heisst es „Nein“
Und dann sagt das Kind: „Doch“ oder „warum?“
Und dann sagt man „Nein“ oder „weil ich es sage“
Und dann sagt das Kind „doch“ oder „warum gilt was Du sagst“
Und dann sagt man „Nein“ oder “ weil ich gross bin und Du klein, ich Verantweortung trage und Du nicht“
Und dann sagt das Kind „Doch“ oder „warum haben die Grossen mehr zu sagen und die Verantwortung“
und dann hat man das Kind“
„unaufrichtig“: Falls Gott existiert, kann er machen, dass ich morgen etwas tue, was ich mir heute nicht vorstellen kann. Ich weiss nicht, was morgen ist.
Sorry, das war jetzt wirklich ein ärgerlicher Verschreiber:
Und dann haut man das Kind
sollte es heissen
„Nur noch 5 Minuten“
„Morgen kannst Dur eine ganze Stunde gamen, aber jetzt gehst Du ins Bett, genau wie wir es vor dem Gamen vereinbart haben!“
„Nein“ zu vermeiden bedeutet nicht, keine Grenzen zu setzen, wie das manche Kommentatoren verstehen, es geht darum, wie man sinnvollerweise Grenzen setzt. Grenzen lassen sich sehr oft auch ohne Nein setzen.
Ich habe den erwähnten Ratgeber eben erst ausgelesen und die Theorie dieser „Freundin“ kommt dort im Fall überhaupt nicht vor. Im Gegenteil, es heisst man solle sparsam mit „nein“ sein, damit die wichtigen „Nein“ dann auch wirklich gehört werden.
Empfehlenswert ist übrigens auch der Ratgeber „Nein aus Liebe“ von Jesper Juul (wenn wir schon bei den Buchempfehlungen sind).
Wundert mich ja irgendwie nicht so 🙂
Ich kann das kaum glauben.Sind die Eltern heute abhängig von ihren Kindern? Als ich klein war, waren die Eltern kaum interessiert von uns. Wir hatten ja eine Welt der Kindern und eigene Phantasien, die die Eltern nicht verstanden. Mit blutigen Nasen oder Knien lernten wir das Leben. Dadurch wurden die Mütter keineswegs hysterisch. Das war eine schöne Kindheit.
So, ich habe jetzt ein wenig zu besagtem Buch recherchiert, tönt wirklich noch interessant, muss ich lesen.
Es heisst übrigens „So sag ich’s meinem Kind“, nicht „Wie sag ich’s meinem Kind“, aber das zeigt ja auch nur wieder, wie unsorgfältig die Bloggerin vorgeht.
Ich kann es sehr empfehlen – über ein „Nein-Verbot“ steht dort aber nichts, höchstens ein „chose your battles wisely“, weil aus allem und jedem ein Machtkampf machen es auch nicht sein kann.
und wieso wundert es mich nicht, dass genau das Kind vom Mami, welches sich mit komischen Erziehungsratgebern beschäftigt auch eine Erdbeerenunverträglichkeit hat….manche Leute hängen halt gerne jedem Schmarren, der grad In ist nach.
„komische Erziehungsratgeber“?
Gerade bei denjenigen Leuten, die ein Problem mit Erziehungsratgebern haben, wären diese ironischerweise am sinnvollsten…
„Nein“ist nicht ein Verbot, sondern ein Schutz. Was wird aus den Kinder die nie „nein “ als Schutz lernen? “ Nein“ gehört zu den Grundprinzipien im zusammen sein. Das Kind und später die Erwachsene Person braucht klare Grenzen im zusammen sein mit seinen Mitmenschen. Wenn das Kind nicht lernt was Nein“ ( Schutz, Abgrenzung“) bedeutet, ruscht es sehr schnell in ungesunde Beziehungen. Ein Kind das diese Abgrenzungen schon früh lernt hat später gute, gesunde Beziehungen. Es hat gelernt was gut und was schlecht ist…..ja und nein gehören zum Erwachsen werden
Meine Tochter kann das Wort „Nein“ sagen seit sie 10 Monate ist. Und sie weiss sehr gut, was das heisst. Ich versuche es so weit wie möglich zu respektieren, wenn sie es sagt. Erwarte dassseble aber auch von ihr. „Ja“ kam erst viel viel später.
Echt jetzt? Ein Kind soll ein „Nein“ nicht verstehen bzw. dieses könnte ihm schaden? Und dies nachdem jahrelang rumgejammert wurde, die „Generation Entgrenzung“ litte darunter, dass sie durch ihre Eltern keine Struktur (ergo auch keine psychische Sicherheit) bekommen hätte? Liebe Eltern, hört auf, diese doofen Bücher zu lesen und versucht, ein wenig mehr Augenmass und Menschenverstand zuzulassen. Was unsere Kinder brauchen, ist emotionale Authentizität, nicht dieses aufgesetzte Ratgebergeschwurbel (was NICHT bedeuet, dass wir unsere Erziehungsmethoden nicht kritisch hinterfragen sollen).
Wenn mir ein Ratgeber sagt, dass Kinder ein „bleib hier“ besser verstehen als ein „lauf nicht weg“, und mir das einleuchtet, dann habe ich doch etwas Nützliches gelernt. Und konsequent, erzieherisch, streng, kurz und prägnant, und was auch immer ist es alleweil und geschwurbelt ist es auch nicht.
selbst meine drei Katzen verstehen das Wort NEIN.
Ich versuche auch, möglichst positiv zu formulieren. Leider sind beide momentan in einer total lästigen, nervenaufreibenden Austest-/Streitphase, was mich nicht nur enorm fordert, sondern auch zu etlichen genervten Neins verleitet… Doch grundsätzlich bin ich von dieser Methode überzeugt, da sie auch tatsächlich nützt :). Ein „Ja, du kriegst ein Schöggeli, aber erst machen wir noch dieses und jenes“ tönt doch besser und sympathischer als ein „Nein, erst machen wir nich dieses und jenes“. Das Wichtigste: c’est le ton qui fait la musique, auf die Wort- und Tonwahl kommt es an, auch bei Neins 😉
Nein, das halte ich für keine gute Methode: Wenn Du das machst, was ich will, bekommst Du ein Schöggeli. Wollen Sie aus Ihren Kindern korrupte Menschen formen?
Sagen Sie bloss Erpressung und Drohung gehören nicht zu ihrem Standard-Erziehungs-Repertoire!? 😀
hahaha. das schöggeli wurde doch gar nicht in frage gestellt, das gibt es sowieso, aber vielleicht erst nach dem essen? andere dinge vielleicht erst wenns tag ist oder schön wetter oder wenn man einen meter grösser ist oder wenn der lohn gekommen ist….
Unsere sind ja fast gleich alt. Bei uns ist die Reaktion auf ein klares „Nein“ laut und heftig – aber kurz. Denn die Botschaft ist klar und sie kommt an. Bei irgendwelchem Wischiwaschi sehen die Kurzen dann doch wieder irgendwo ein „vielleicht“ durchschimmern und stürmen und stürmen und stürmen – solange bis man ihnen dann doch ein enerviertes „NEIN GOPFERTOORINOMAU“ vor den Latz knallt. Da finde ich ein freundliches, klares, „nein, heute gibt es keinen Film mehr“ fast noch humaner (und zielführender, und nervenschonender sowieso).
Nein sagen allein hilft aber nichts. Man muss es auch ernst meinen und konsequent sein. Auch mit sich selber. Nicht selber etwas machen, was das Kind nicht darf. Und auch wenn man manchmal meint, die Kinder seien taub oder vergässen nach 2 Min. alles wieder (ist bei Kleinkindern tatsächlich so…), nicht aufgeben. Konsequent bleiben. Auch mal stur sein. Und (bessere?) Alternativen anbieten, etc.
Und ja, niemand – auch die allerbesten Eltern der Welt – ist perfekt. (Ich muss es wissen, laut meinen Töchtern bin ich nämlich der allerbeste Pappi der Welt, sie aber auch die allerbesten Kinder)
ich muss aber allerlei machen, was kinder nicht dürfen :). „nein mein kind, du darfst nicht autofahren“
OK. Einverstanden. Kaffee trinken, Alkohol trinken, Rauchen, Sex haben, etc. – also alle Sachen, die nicht Altersgerecht sind, dürfen wir als Eltern natürlich selber machen, aber das Kind nicht. Wobei gewisse Vorbildfunktionen auch da einzuhalten sind (auch wenn ICH ein sehr schlechtes Beispiel bin… ich rauche). Also nicht exzessiv Trinken (für mich kein Problem), nicht in geschlossenen Räumen rauchen, nicht RASEN, beim Sex nicht zuuuu laut sein….
Was ich eigentlich sagen wollte: NEIN! heisst NEIN und das nächste Mal auch noch (hoffentlich).
so einfach ist es eben doch nicht. nein kann heute nein sein und morgen ja. und zwar mit gutem grund. den kann man ja vielleicht doch erwähnen, eben weil gewisse dinge durchaus heute nein und morgen ja sein können.
auf die erwähnten tätigkeiten gehe ich gar nicht erst ein, sind aber sehr sehr fragwürdig 🙂
..und wenn diese verzogenen bälger erwachsen sind, werden sie sich erst recht nicht mit einem nein abfinden können. was für ein ausgemachter schwachsinn!
Es gibt für alles ein Buch ;o) : Jasper Juul – Nein aus Liebe
Und sicher gibt es auch ein Buch, das genau das Gegenteil beschreibt…
Die Hypothese wirkt effektiv sonderbar, gerade da Kinder doch sehr gut darin sind, selbst überaus deutlich ihre Abneigung und Verweigerung auszudrücken, meist auch mit so lautstarken wie absoluten Neins. Dass diese das Konzept eines strikten Neins nicht verstehen sollen ist darum doch abwegig. Allenfalls geht es dann darum, wie ein Nein eingerahmt wird. Damit ein Erziehungs- und Lerneffekt eintritt sollte natürlich eine verständliche Begründung nachreicht werden, die aus mehr besteht als „weil ichs so sage..“.
Ich habe bei der Kommunikation mit unseren beiden Kindern als sie noch klein waren vor allem bei gefährlichen Situationen darauf geachtet, dass ich klar ausgesprochen habe was ich will das sie machen sollen und nicht was sie nicht machen sollen.
z.B. Wenn sie auf eine stark befahrene Strasse zu gerannt sind, ist der Befehl „Stehen bleiben“ besser wie ein „Nicht weiter gehen“. Er wird besser und schneller verarbeitet, auch wenn aus irgend welchen Gründen nicht alles bis zum Ohr des Kindes gelangt.
Siilah anstatt nicht anfassen, bei mir bleiben anstatt nicht wegrennen, …. .
Noch besser: Stopp! 🙂
Genau, in solchen Situationen, gerade bei drohender Gefahr, muss es rasch gehen, da ist nix mit Erklärungen etc. Da muss ein zackig, lautes STOPP!! genügen, und tuts meistens auch.
Fixieren wir unsere Gedanken, Ziele auf was wir Nicht-Wollen, werden wir genau da landen. Ein Skianfänger, der auf ein Hindernis zufährt, und nur denkt: „Ich will nicht da rein fahren, ich will nicht da rein fahren, dahin will ich nicht“ wird genau dieses Hindernis treffen. Um dies zu vermeiden, muss er entscheiden, wohin er fahren will, rechts vorbei auf ein anderes ins Auge gefasstes Ziel, da wird er hinfahren.
Ob gross oder klein, wir mössen definieren was, wohin usw., nicht, was nicht, wohin nicht:
Eben, Lerntheorien, zum Beispiel im Sport anwendbar. Da geht es aber um zum Teil unbewusste, falsch gesteuerte Handlungen unter Zeitdruck. Und nicht um bewusstes Verhalten. Der Skianfänger weiss nämlich sehr genau, was er nicht tun soll, ist aber dann nicht souverän genug, korrekt zu handeln. Ebenso wie das Kind sehr bewusst weiss, was es nicht darf, und, wenn schon, sehr bewusst dagegen verstöst.
@P: Wenn man über Bilder arbeitet, erreicht man aber das Unbewusste besser.
@Susi: Wenn ich nein sage, möchte ich aber das Bewusste ansprechen. Das soll dann einfach klar und verstanden sein.
Klar, das sind dann zwei verschiedene Ansätze.
M.E. n. ist es, vor allem wenn es darum geht, Gefahren (oder irgendwelche Super-GAUs) zu vermeiden, sicherer, über das Unbewusste zu gehen.
@Susi: Glauben Sie, einer der beiden Sätze ist wirksamer als der andere? NICHT bei Fremden ins Auto steigen. Und: Stehen bleiben, bis die Räder der Autos nicht mehr rollen!
Ich sehe da keine Differenz. Es sind einfach klare Ansagen, die klar verstanden werden (was nicht heisst, dass die Kinder sich daran halten).
Hoppla, nicht mehr rollen ist ja auch negativ… „Stehen bleiben, bis jedes Auto auch steht“ Dumm nur, wenn gar kein Auto mehr da ist. Kein Auto mehr fährt? Nein, geht ja auch nicht…
Doch, ich sehe schon einen Unterschied. Probieren Sie’s mal aus (auch bei älteren Menschen) 🙂
Das mit „nicht mehr rollen“ geht in Ordnung, es bezieht sich ja auf das Verhalten des Autos. Aber „bis es still steht“ ist sicher besser.
Ja, und manchmal ist es natürlich sehr schwierig, nur positiv zu formulieren, je nach Situation wie z.B. das mit en Fremden. („Nur bei Leuten einsteigen, die du kennst!“)
@Sportpapi (14:24): Unbewusstes Verhalten können wir korrigieren, indem wir bewusst ein Ziel anstreben. Wollen wir (bewusst) nur etwas vermeiden, landen wir genau wegen unserem unbewussten Verhalten dort.
Wenn Eltern versuchen, nicht die Fehler zu machen, die ihre Eltern bei Ihnen gemacht haben, werden sie eben genau die gleichen Fehler unbewusst machen. Nur mit bewusstem Verhalten auf ein positives Ziel, (wie will ich meine Kinder erziehen, statt was will ich nicht machen) lässt sich dieser Kreislauf unterbrechen.
„Wenn Eltern versuchen, nicht die Fehler zu machen, die ihre Eltern bei Ihnen gemacht haben, werden sie eben genau die gleichen Fehler unbewusst machen. Nur mit bewusstem Verhalten auf ein positives Ziel, (wie will ich meine Kinder erziehen, statt was will ich nicht machen) lässt sich dieser Kreislauf unterbrechen.“ Das stimmt nicht. Wenn ich mir vornehme, meine Kinder nicht anzuschreien, nicht zu schlagen, etc. Dann mache ich das. Und die Betonung liegt auf dem Nicht, ohne dass ich mir eine Alternative überlegen muss.
@Sportpapi: Wenn Sie sich vornehmen Ihre Kinder nicht anzuschreien und nicht zu schlagen, werden sie ohne Nachdenken unbewusst Alternativen finden, Macht über ihre Kinder auszuüben. (Ich denke nicht dass Sie dies tun, wir reden abstrakt, Ihre konrete Erziehung kenne ich nicht).
Ich halte es für viel sinnvoller zu sagen, manchmal wird mir die Hand ausrutschen, und dann werde ich mich entschuldigen und erklären, dass es zwar falsch, aber eine verständliche Reaktion auf deren Verhalten war.
Ich will nicht keine Fehler machen, das ist unvermeidlich, ich will zu meinen Fehlern stehen.
Das ist Unsinn.
@Sportpapi
Nein, ist es nicht!
(Sie sind ja kein Kind)
Meine Worte!
Also unser Kleiner ist knapp anderthalb und ich staune, dass er “nein” und “nicht”-Sätze nicht verstehen soll, denn das klappt ohne Probleme. Kürzlich hat er mit den Farbstiften die Wand angemalt, worauf ich ihn mit einem “Nei, nid Wand aamale” von der Wand weggenommen und mit einem ebenso kurzen “Ufem Papier male” vor’s Papier gesetzt habe. Gestern habe ich beobachtet, wie er sich mit den Farben vor die Wand stellte, “nid aamale!” zu ihr sagte und sich dann dem Papier zuwandte 🙂 Dass man bei den Kleinen keine langen Sätze macht, ist ja klar, aber Negationen verstehen sie durchaus.
ohje. Wieso sollen Kinder ein nein nicht verstehen, ein ja aber schon? Wie gut sie ein nein verstehen, sieht man spätestens dann, wenn man ihnen etwas sagt und ein saftiges „nein“ zur Antwort bekommt. Meine Kinder hören mein NEIN sehr oft, weil ich nicht über etwas diskutiere, was zu den bekannten Regeln gehört und was ich ganz einfach nicht will.
Den „gesunden Menschenverstand“ per se gibt es nicht. Es handelt sich dabei um einen Mythos. Oder kennen Sie eine allgemein gültige Definition?
Also unser Kleiner ist knapp anderthalb und ich staune, dass er „nein“ und „nicht“-Sätze nicht verstehen soll, denn das klappt ohne Probleme. Kürzlich hat er mit den Farbstiften die Wand angemalt, worauf ich ihn mit einem „Nei, nid Wand aamale“ von der Wand weggenommen und mit einem ebenso kurzen „Ufem Papier male“ vor’s Papier gesetzt habe. Gestern habe ich beobachtet, wie er sich mit den Farben vor die Wand stellte, „nid aamale!“ zu ihr sagte und sich dann dem Papier zuwandte 🙂 Dass man bei den Kleinen keine langen Sätze macht, ist ja klar, aber Negationen verstehen sie durchaus.
Ja, aber was wesentlich ist: Sie haben auch gleichzeitig eine Anweisung gegeben, nämlich auf das Papier zu malen.
Villeicht will man aber gar keine Anweisung geben, was zu tun ist. Sondern nur erklären, was verboten ist. Ich möchte meine Kinder ja nicht mehr einschränken als nötig…
Für die ganz Kleinen ist es wirklich einfacher, wenn man ihnen ganz klare Anweisungen gibt. Bei Älteren kann man ja auch einfach Vorschläge machen.
zwischen dem zeitpunkt, als mein älterer sohn mobil wurde und dem, als sowas wie anflugsweise vernunft und umsicht einsetzte, hätte ich täglich so oft nein sagen müssen, dass man zwangsläufig taub für das wort hätte werden müssen. als alternative nutzte ich positive formulierungen, wie erwähnt: statt nein sagen eine alternative anbieten oder das erwünschte sagen, statt das unerwünschte.
aber ja, auch mir sind kommunikationsformen ein greuel, bei denen jeder sagt wie er sich fühlt. das führt wirklich nirgends hin
„Zwei Sachen sind unendlich: das Universum und die Menschliche Dummheit. Aber beim Universum sind wir noch nicht sicher“ A. Einstein.
Also es gibt ja viel Humbug in Sachen Erziehungsratgeber, aber das ist der Gipfel des,… wie könnte man diese Neuerscheinung nennen die das Gegenteil von gesundem Menschenverstand bedeutet?!? „ungesunde Menschen-Verstandslosigkeit“?!?
Gehen wir mal davon aus ein Junge hat in seinem Leben nie „Nein“ gehört. Wenn er dann mit 14 das erste mal von einem Mädchen abgewiesen wird, versteht er die Welt nicht mehr…da wird er wahlweise das Mädchen vergewaltigen oder sich das Leben nehmen. Beides ist ja relativ unerwünscht. Deshalb: NEIN!!! so früh wie möglich und so oft wie nötig…
haha. nie im leben nein zum kind zu sagen war wohl kaum die idee. was im text gemeint war: wenn ein kleinkind hört „nein, mal nicht die wand an“, dann hört es hauptsächlich „mal die wand an“. selbst erwachsene funktionieren so: negative aufforderungen verführen genau zu dem was sie nicht sollen.
so oft wie möglich? ernsthaft?
So oft wie NÖTIG, so früh wie MÖGLICH. fiehlmann.ch wär vielleicht mal einen Besuch wert 😉
Ja den gesunden Menschenverstand gibt es effektiv per se nicht…mehr!
Irgendwann zwischen 1968 und 1999 ist er uns abhanden gekommen
Den „gesunden Menschenverstand“ per se gibt es nicht. Es handelt sich dabei um einen Mythos. Oder kennen Sie eine allgemein gültige Definition?
Den „gesunden Menschenverstand“ per se gibt es nicht. Es handelt sich dabei um einen Mythos. Oder kennen Sie eine allgemein gültige Definition?
Es geht darum, dass Klein(!)kinder ein „nein“ nicht einordnen können, da sie noch nicht ganze Satzkonstrukte verarbeiten, sondern auf Schlagwörter reagieren. Wenn ich sage „Wirf nicht mit dem Essen!“, dann reagiert das Kind auf „werfen“. Oder: „Wir gehen jetzt nicht schaukeln.“ Welchen Teil versteht das Kind wohl? Richtig, es krabbelt zur Schaukel.
Nicht vergessen: Wir reden von Kleinkindern!
Stimme völlig überein. Und das gilt auf für etwas ältere Kinder. Sie haben dann automatisch das Bild „werfen“ oder „schaukeln“ im Kopf.
Man soll mal versuchen, NICHT an einen rosa Elefanten auf einem Fahrrad zu denken. Eben.
Das Wort „nicht“ zu vermeiden ist eigentlich wichtiger als das Wort „Nein“:
„Nicht in den Matsch liegen!“ oder „Game nicht so lang!“ führt garantiert dazu, dass sie es doch tun.
Die Umkehrreaktion funktioniert aber auch so:
„Dieses feine Gemüse ist für Papa reserviert, du darfst nicht davon nehmen!“
@alam . Aber solche „Tricks“ finde ich jetzt noch schlimmer als klare Neins.
@alam . Aber solche „Tricks“ finde ich jetzt noch schlimmer als klare Neins.
Was ist schlimm daran, wenn mein Kind freiwillig Gemüse isst?
Freiwillig? Es wurde doch manupuliert. Nicht schlimm, aber so ist es.
„das feine Gemüse ist für Papi bestimmt“ würde bei meiner Tochter nur zu einem müden Lächeln führen, vielleicht noch zu einem „Schön“ oder „hani eh nöd gärn“ und der Sohn isst es ohne Tricks, weil er es gerne hat.
Ich habe bisher hemmungslos „Nein“ und „nicht“ gesagt, was man als Eltern nicht alles falsch machen kann….. Aber zum Glück muss man ja nicht auf jede pädagogischen Modegag aufspringen…
Vor allem muss dann der Papi dieses Zeugs auch noch essen, damit Mami nicht ihre Glaubwürdigkeit verliert, 🙂
Mit „Nicht“ und „Nein“hat das menschliche Gehirn ohnehin Probleme. Sagen Sie sich doch mal jeden Tag „Ich bin nicht dick“ und wägen sie sich dann nach 2 Monaten wieder mal. Das Gehirn reagiert nicht auf Worte wie „nicht“.
Insofern würde ich für ein Schulfach „Effektive Kommunikation“ plädieren. Oder wo haben Sie gelernt, mit ihren Kindern zu sprechen?
Genau, „Nicht“ und „Nein“ werden tatsächlich einfach ausgeblendet.
P.S. Die Idee ist nicht schlecht, ich sag jetzt dann mal zwei Monate jeden Tag „ich bin nicht schlank“ und schaue, was passiert. 🙂
Susi, Sie sind unterrichten ja ebenfalls. Haben Sie ernsthaft die Erfahrung gemacht, dass Ihre SchülerInnen die Regeln nicht einhalten, wenn sie negativ formuliert sind? Bei meinen Lernenden wird ein einfaches „Das Handy ist NICHT erlaubt“ oder „Ich will NICHT, dass Sie fluchen!“ ohne Probleme verstanden. Ich machte mal den Fehler zu sagen: „Reden Sie bitte anständig!“. Die Konsequenz war eine stündige Klassendiskussion darüber, welche Wörter als „anständig“ gelten und welche nicht. Und die Klasse wünschte sich eine Liste – zur eigenen Sicherheit…seither mache ich klare Ansagen! 🙂
Zum Unterricht habe ich ein lustiges Beispiel. Ich unterrichte Deutsch und lege Wert darauf, die Aufsätze zu anonymisieren, damit keine anderen Faktoren unbewusst die Benotung beeinflussen. Mittlerweile habe ich ein besseres System entwickelt, aber in den Anfängen machte ich es so, dass die SuS (9. Schuljahr) eine dreistellige Zahl auf das Blatt schrieben und sie sich irgendwo notierten; nach der Benotung bekam ich sie dann quasi eröffnet. Damit es möglichst keine Doppelungen gab, ermahnte ich die SuS, drei VERSCHIEDENE Ziffern aufzuschreiben und sagte noch „also zum Beispiel nicht 222“. Klappte beim ersten Mal alles tiptop, beim zweiten Mal notierten sage und schreibe drei von 25 SuS die Nummer „222“ auf das Blatt. Ich dachte, ich seh nicht richtig und erklärte der Klasse beim Zurückgeben der Texte, dass ich das mit den Zahlen das letzte Mal eben nicht wirklich positiv formuliert hatte. Die SuS waren selbst verblüfft darüber.
Fazit: Ich glaube, dass das positive Formulieren vor allem bei kleineren Kindern wichtig ist, aber auch bei älteren nicht schaden kann.
„also zum Beispiel nicht 222“. Ja, das stimmt absolut! In diesen Bereichen ist positives Formulieren definitiv besser! Der Klassiker bei den Lehrpersonen (rutscht mir leider auch immer wieder mal raus) ist ja: „Machen Sie auf keinen Fall diesen und diesen Fehler…“ 😉
Oder bei der Aussprache. Englisch „since“ wird nicht als „sains“ ausgesprochen, ohje, dann sagen alle „sains“.
Ich habe allerdings auch schon klassische Fehler an die Tafel geschrieben, gross durchgestrichen und einen Totenkopf daneben gezeichnet. (Was bin ich nicht witzig.) Und gehofft, die neuronalen Bahnen der SuS werden dann diese spezifischen Fehler mit dem Totenkopf-Bild in Verbindung bringen, so nach dem Motto „what fires together wires together“.
Ich halte weder was von Ja- noch vom Nein-Sagen. Viel lieber habe ich das Du und ICH, das seinerzeit Thomas Gordon in seinem Werk Familienkonferenz aufgezeigt hat. Übrigens eines der besten Managementbücher. Es geht nicht darum, ellenlange Diskussionen zu führen, sondern z.B. zu sagen, dass die vereinbarte Zeit zum gamen jetzt abgelaufen ist. Der erzieherische Wert i.S. einer Wertvorgabe an die Jugendlichen kann damit viel eher nachgeholfen werden, als mit JA oder NEIN-Sagen. Nur, der Erzieher muss sich auch angewöhnen kurz und knapp seine Wünsche anzubringen. Das hilft auch diesem.
Ich weiss nicht… ich habe den Eindruck, dass dieses ich-du, Abmachungen, etc. sehr oft missbraucht wird als schlecht versteckte Befehle…
Abmachungen sind nur abmachungen, wenn beide Seiten damit einverstanden sind, das haben viele Eltern noch nicht kapiert. Da ist es mir schon lieber, wenn ein Elternteil sagt: Ich habe das Sagen, und deshalb befehle ich jetzt. Das ist ehrlicher. Genauso stört es mich, dass Strafen heute gerne „Konsequenzen“ genannt werden. Das ist einfach unaufrichtig, und das Wort „Konsequenz“ (oder „Abmachung“) bekommt für das Kind eine negative Konnotation.
Es handelt sich dabei keineswegs um Abmachungen. Es geht nur darum, dass Sie als Eltern unmissverständlich in einer Ich-Ansprache an das Kind genau sagen, was sie davon halten, was ihr Kind gerade tut und nicht in einer Du Form. Sage ich nämlich, „Nein! mal nicht an die Wand!“ ist das eine Du Form. Sage ich jedoch “ Nein! Ich möchte dass in unserem Haus auf Papier gemalt wird, da ich sonst die Wand neu anstreichen muss“ zeigt dem Kind eben auch, welche Konsequenzen sein tun hat und es wird auch nicht direkt angegriffen, was Du-Formen normalerweise tun und eher Trotzreaktionen hervorrufen.
Vielleicht sollte man zuerst mit dem Kind abmachen, ob es eine Abmachung zum Gamen braucht… Wie Ora sagt: das ist doch schlicht Unsinn. Man kann nur etwas vereinbaren, wenn beide dabei etwas zu gewinnen/verlieren haben und entsprechend mit gleich langen Spiessen am Tisch sitzen.
Mich erinnert das an die Lehrer, die die Schüler unterschreiben lassen dass sie einverstanden sind, dass aus dem Klassenlager heim muss, wer rauchend erwischt wird. Als ob es da eine Wahl gäbe.
Googeln Sie mal „Yes Parenting“ – Nichtneinsagen in Reinkultur 😉
Ein Kind soll das Wörtchen „Nein“ nicht verstehen, aber Modalverben (sollen, dürfen, müssen) lockerflockig?!?
Na wohl kaum…
Wer hat diese komische Idee, dass Kinder ein NEIN nicht verstehen? Wenn unsere kleinste was ausheckt und man nein sagt, krabbelt sie doppelt so schnell Richtung offene Tür oder ähnliches und kichert wie wild. Sie wissen exakt, was NEIN bedeutet. Ich finde es ein sehr wichtiges Wort. Rettet viele Kinderleben.
„Rettet viele Kinderleben“: Aber nur, wenn man dann schnell genug ist, das doppelt so schnell sich entfernende Kind wieder einzuholen… 🙂
Irgendwelchen Sport muss man ja machen.. 🙂
Wenn ich „nein“ sage, beginnt mein einjähriger Sohn immer an zu lachen. Beim nächsten Hinlangen, lacht er wieder und wenn ich dann „nein“ sage, lacht er noch mehr. Wenn ich die Sache wegnehme, fängt er an zu heulen. Lasse ich ihm die Sache und sage wieder nein, endet die Angelegenheit am Schluss mit einem Lachkrampf und mit Auskutzeln und ich kann ihm das Ding einfach so wegnehmen, weil er es in der Zwischenzeit vergessen hat. Wenn es aber darauf ankommt und es um eine Steckdose oder sonst etwas Gefährliches geht, nehme ich das Geschrei in Kauf.
Herr Buchmann, Sie lassen ihm die Sache und sagen trotzdem nein?! Ich kenne Sie und Ihren Sohn nicht, aber aus Ihrem Kommentar entnehme ich, dass Ihr Sohn Sie schon recht gut im Griff hat und er Ihnen schon als einjähriger ziemlich auf der Nase herumtanzt…und das ist erst der Anfang.
den Eindruck habe ich auch…
Besonders bei kleinen Kindern ist es einfach viel effizienter, eine Alternative vorzuschlagen, als einfach „nein“ zu sagen oder etwas wegzunehmen. z.B. kind hat messer gepackt, man nimmt Messer aus der Hand und tut statt dessen einen Löffel rein. Das erspart einem so manches Geplärre.
Auch bei der Situation mit dem i-pad kann man sich mit „komm, wir gehen Fussball spielen“ wahrscheinlich die Diskussion um das Nein ersparen. Aber es funktioniert natürlich nicht immer.
Ich finde, ein deutliches Nein soll möglich sein, besonders in Notfällen, aber nicht zu oft vorkommen (Abstumpfung).
Genau so ist es. Ein Nein ist völlig ok, aber nicht, es inflationär zu gebrauchen. Zudem kann man so oft, die Sachen genauso klar sagen, einfach anders formuliert: „Bleib im Garten“ bietet nicht mehr Diskussionsmöglichkeiten als „Renn nicht auf die Strasse.“ und ist auch nicht weniger klar, im Gegensatz, es ist klarer, weil es gerade die Strasse, den Bach und den Garten des Nachbars einschliesst. „Jetzt ist Bettzeit“ ist nicht weniger deutlich als „Jetzt wird der TV ausgemacht“, der Fokus ist aber anders.
Ora, dass Messerbeispiel finde ich nicht passend. Genau da braucht es kein klares und deutliches Nein. Man kann dann immer noch das Messer nehmen und einen Löffel geben. Aber wenn das Kind beim Messer nicht lernt, dass es das auf keinen Fall in die Hände nehmen darf, wird es das Messer irgendwann an der falschen Stelle packen.
daddy, ich glaube nicht, dass ein kind lernt wie man etwas anfasst, wenn es gar nicht anfassen darf.
Daddy, ich rede von ganz kleinen Kindern (1-2) die das noch nicht so recht verstehen. Man muss ihnen das Messer wegnehmen (nicht „Nein“ sagen und warten, finde ich), aber wenn man es freundlich macht und statt dessen was anderes gibt, erspart man sich das Geschrei, das sonst eben reflexartig auf jedes Wegnehmen folgt…
und wie lernt das Kind selbst „nein“ zu sagen? geht es dann darum, dass ich mit meiner 18 Monatigen Tochter uferlose Diskussionen führen soll, in der sie immer wieder mit positiv formulierten Sätzen darlegen muss, weshalb sie jetzt eben nicht baden möchte? „nein“ gehört zum frühen Wortschatz und hilft den Kindern sehr, sich und seine bedürfnisse mitzuteilen.
Natürlich ist der Ansatz gut, möglichst positive Formulierungen zu benutzen, das auch Alternativen zum Handeln aufzeigt. Natürlich ist das besser, als ständig nur ein lautes „Nein“ im Befehltston. Aber wie immer – eindimensional funktioniert das Leben und Zusammenleben nun Mal nicht. Manchmal braucht es auch ein „Nein“ mit Begründung und manchmal braucht es sogar ein „Nein“ ohne diese. Punkt-Schluss.
Sehe absolut nichts Schlechtes einem Kind ein Nein entgegenzuwerfen, wenn es etwas unterlassen soll. In der Krippe wird meiner Kleinen ein Stopp beigebracht. Hilfreich ist sicher eine nachgeschobene Begruendung, warum etwas nicht gemacht werden soll.
Solche Kinder reagieren anschliessend mit Schockstarre, wenn sie mal von einem aussenstehende ein Nein zu hören bekommen. Sorry, jedes Kind muss lernen mit Nein und Verboten umzugehen. Kann es das nicht, ist das ein grosses soziales Defizit.
Sehe ich auch so Julia. Unsere Nachbarn texten ihr Kind zu mit endlosen Erklärungen. Der Junge ist 3 Jahre alt und man sieht es dem kleinen deutlich an. Nach den ersten 2 Wörtern der Eltern stellt er ab. Ein Kleinkind, das nicht lernt was Nein bedeutet, kann auch nicht an seiner Frusttoleranz arbeiten.
So ein Quatsch! Jeder 2-jährige versteht das Wort „nein“. Selbst Hunde und Katzen verstehen das. Ob er sich daran halten mag, ist eine andere Frage… Aber ganz sicher versteht ein Kleinkind NEIN besser als „das ist jetzt nicht so gut für dich“. In spätern Jahren ist es sicher angemessen, auf differenziertere Aussagen zu setzen. Aber ein klares Signal für ernsthaft unerwünschtes Verhalten (und nur dieses) ist eine gute Sache.
Das pädagogische Weichspülzeug ist sicher alles sinnvoll und toll gemeint. Und ich versuche meinen Kindern auch immer Begründungen zu liefern. Aber es gibt diese Tage, wenn Vollmond, Stress, Ärger bei Arbeit, ein generell dünnes Fell und vorangegangene schlaflose Nächte zusammenkommen und der Alltag wie eine Episode von Game of Thrones erscheint. Diese Tage an denen selbst Ghandi meine Kinder anschreien würde, weil sie es verdient haben. Dann will und kann man einfach nicht. Dann muss einfach mal ein NEIN genügen. In diesem Sinne: Gutes Fazit in diesem Artikel
Ich glaube auch, das Begründungen nur ab einem gewissen Alter Wirkung zeigen. Unsere Tochter (2 Jahre) versteht die Begründung noch nicht, weshalb sie die heisse Herdplatte nicht anfassen darf. Die Begründung macht sie im Gegenteil noch neugieriger und bis ich alles begründet habe, ist die Hand schon auf der Herdplatte. Aber ein klares, bestimmtes Nein hat sie drauf.
@ Daddy
Sie unterschätzen ihre Kinder etwas. Ich würde bei der Herdplatte und einem Kleinkind auch ein Nein sagen. Aber eine einfache Erklärung versteht es schon. Es braucht keine Physikstunde um „Heiss, macht aua“ zu kapieren. Das schafft ein 2j. Solche einfache Erklärungen führen a) zu einer Gewohnheit der Eltern, es zu erklären (Nein und basta ist nicht einfach abzugewöhnen) und b) auch zum anderen Verständnis des Kindes: „Papi ist böse und erlaubt mir die Herdplatte nicht“ vs. „Papi will nicht, dass ich aua habe.“ (nicht verbal, aber unbewusst)
„Ich würde nicht auf die Herdplatte langen, die ist heiss, da verbrennstdu dir die Finger.“ Und natürlich wird es dann vorsichtig ausprobiert, was ja gut ist – die eigene Erfahrung ist die beste. Und es stärkt das Vertrauen in den Vater…
@ SP
Natürlich ist die eigene Erfahrung die Beste, ganz klar. Aber ich versuche auch Formulierungen, die eine Erwartungshaltung meinerseits, was dem Kind passieren wird, weil ich es ihm nicht zutraue, dass es sich selber schützen kann, zu vermeiden. „Du verbrennst Dir die Finger“ mag ich nicht. Lieber: „die Herdplatte ist heiss, wenn man sie unvorsichtig berührt, macht es weh.“ Dabei erkläre ich altersgerecht die logische Folge ohne meinem Kind nicht zuzutrauen, dass es vorsichtig ist. Kinder haben einen Überlebensinstinkt, der sie vor so manchen Stürzen abhält.
Susi, die Grundidee dahinter leuchtet mir ein und scheint tatsächlich was zu bringen. In gewissen Situationen fällt es mir einfach schwer zu glauben, dass die negative Anweisung nicht genauso viel Erfolg bringt. „Ich will nicht, dass du den Rückwärtssalto vom Rand aus machst, weil du dir sonst den Kopf anschlagen könntest.“ Oder das ganz einfache „nicht hineinspringen!“-Schild an der Wand des Hallenbads. Das wirkt genauso! „Du darfst auf keinen Fall Nüsse essen, weil du sonst Atemprobleme kriegst“. Da sehe ich die Notwendigkeit für eine Umformulierung ebenfalls nicht wirklich.
Oh ja, du darfst nicht hineinspringen vom Beckenrand. Nur damit dann die Schwimmschule genau das wieder üben darf… 🙂
@13
Natürlich sagen wir bei der Herdplatte nicht einfach nur nein. Es gibt immer eine kurze Erklärung dazu. Aber zuerst kommt das klar Nein und nicht z.Bsp: „Wir fänden es besser, wenn du mit deiner Kinderküche spielst statt die heisse Platte zu berühren. Das tut dir nämlich fest weh. etc etc etc“.
Und genau da irren Sie sich (wie auch teilweise die Autorin) eben. Es geht bei der positiven Formulierung nicht darum, den Kindern in ausschweifenden Erklärungen, alles genaustens darzulegen, gleich wie es nicht darum geht, mit dem Kind darüber zu diskutieren, ob es die heisse Herdplatte berühren darf. Sondern einzig eben um die Formulierung. Ihr Satz z. Bsp, finde ich schon daher nicht so gut, weil dem Kind das am Schluss gesagte am Besten bleibt. Darum wäre für mich klar: 1. Hand wegnehmen. 2. sagen: „Die Platte ist heiss und Du machst Dir so weh. Spiele doch lieber in deiner Spielküche.“
Man sollte eben nicht sagen, was das Kind NICHT tun soll. Anstatt „Du sollst die Herdplatte nicht berühren“ lieber „Wenn du zum Herd kommst, bleiben die Hände immer unten“.
Ausser natürlich, die Zweijährige kocht das Abendessen, dann muss man sich eine andere Formulierung überlegen.
„Eine Hand ist am Pfannengriff, die andere hält den Kochlöffel“.
Susi, ich verstehe die Absicht in Ihren Beispielen. Nur frage ich mich, ob diese Formulierungen wirklich Sinn machen, wenn doch das eigentliche Ziel ist, dass etwas halt eben NICHT gemacht werden soll. „Eine Hand ist am Pfannengriff, die andere hält den Kochlöffel“? Die Kinder sollen doch primär lernen, dass sie etwas bestimmtes NICHT tun dürfen, alles andere aber schon. Und nicht, dass nur ein ganz bestimmtes Verhalten erlaubt ist, wenn sie am Herd stehen… „Ihr geht NICHT auf den PP“ (Alles andere ist nämlich erlaubt!) ist doch unkomplizierter als „Ihr bleibt im Hof!“ (WC?, Nachbar? etc.)
Wie würden Sie folgende Ansagen positiv formulieren: Ich will nicht, dass du rauchst/trinkst/kiffst? Egal, wie ich es formuliere, die Aussage wird IMMER sein, dass das aktuelle Verhalten NICHT akzeptiert/toleriert wird! Da kann ich keine positive Formulierung finden! Wer hat eine Idee?
Bernhard: Ich glaube jetzt mal, wenn ich den Parkplatz erwähnen würde, wären die in kürzester Zeit auf dem Parkplatz, alles schon erlebt. Das mit WC/Nachbar kann man vorher noch besprechen. Wichtig ist, dass man den Hauptsatz mit Nachdruck sagt.
Eine Bekannte: Ihr dürft alles, einfach nicht von der Mauer springen; nach 3 Minuten sprang das erste Kind (4jähriger) von der Mauer (3 Meter hoch), das sonst wahrscheinlich nicht mal die Idee gehabt hätte.
Man kann schon mal sagen, dass man die Herdplatte nicht berühren sollte, aber eher so „dort ist es heiss und tut weh, wenn man zu nahe kommt“.
Das mit dem Rauchen/Trinken/Kiffen finde ich sehr schwierig. „Bitte nur Cola/Wasser trinken“ geht ja noch, aber ansonsten, echt schwierig, weil es eben für das Rauchen keine vernünftige „Richtighandlung“ gibt, zumindest kommt mir keine in den Sinn. Interessiert mich grad, ich werde mal meine beste Freundin fragen, sie ist Expertin in dem Bereich.
Susi, das mit dem „nicht von der Mauer springen“ ist ein spannendes Beispiel! Denn es zeigt genau die Problematik, wenn alles erlaubt ist, nur eben ETWAS GANZ BESTIMMTES nicht! Wie könnte sowas positiv formuliert werden, ohne die anderen Optionen zu gefährden?
„Ihr bleibt auf dem Boden“?
🙂
„Ihr bleibt auf dem Boden“, womit – streng genommen – Böckligumpe, Hochfangis, Rutschbahn und Klettern an einem Klettergerüst/Spielturm ebenfalls untersagt wären… 😉
Das war nicht auf einem Spielplatz. Man muss halt die Formulierungen immer der Umgebung anpassen. Übung macht den Meister…
kiffen, rauchen und so: positiv formuliert: das könnt ihr machen wenn ihr erwachsen seid, vorher ist das massiv viel schädlicher. als erwachsener hat man zeit genug. (und dann gibt es noch ein paar verhaltensregeln fürs vorher ausprobieren, wie: niemals niemals niemals drogen und alkoholkonsum wenn man sich im strassenverkehr bewegt)
ganz wichtig finde ich auch, dass man stellung bezieht wenn freunde über die stränge schlagen und auf einander ein wenig aufpasst.
was die entwicklung wie schädigt oder welche dinge warum wann und wie gefährlich sind, erkläre ich ernsthaft immer mal wieder in kleinen häppchen, informativ aber nicht predigend. aber nicht nur zu drogenkonsum sondern auch zu anderem, das einen kick gibt. es ist nunmal so, dass allein risikoreiches verhalten einen kick gibt, und sehr viele menschen suchen diesen kick, das kann man nicht unter den teppich kehren. umsicht und eigenverantwortung
Zu sagen, ihr könnt dann rauchen, wenn ihr erwachsen seid, ist aber nicht eine positive Formulierung im diskutierten Sinne, denn es geht ja letztlich darum, im Gehirn des Kindes das richtige Bild zu evozieren.
Dazu kommt: Sich selbst als rauchender Erwachsener vorstellen ist wohl für ein Kind eher schwierig.
es geht meiner ansicht nach darum, nicht einfach „nein“ oder „das dürft ihr nicht“ zu sagen. beim kleinkind um nicht permanent das selbe wort für alle möglichen situationen zu verwenden, aber auch (bei jeder altersstufe) eine positiv besetzte alternative vorzuschlagen.
also mir jedenfalls. mir geht es nicht um ein wortspiel, bei dem man verneinungen vermeiden soll
beim rauchen dachte ich an teenager und nicht an winzlinge. ich sehe nicht ein, wozu man einem 5 jährigen sagen soll, er dürfe nicht rauchen, der raucht sowieso nicht
oder anders: warum, susi, willst du nicht, dass dein kind raucht/kifft/trinkt? abhängigkeit, gefährlichkeit des rausch zum beispiel im strassenverkehr, körperliche schädigung, absturz, entwicklungsstörung. davon ausgehend kann man positiv formulieren: passt auf eure gesundheit auf, behaltet eure ziele und träume im auge, nehmt euer leben in die hand, seid umsichtig und verantwortungsvoll. wenn man erwachsen ist, kann man mit den risiken viel besser umgehen und ausrutscher abfedern. aber dass schädigungen massiv sind während der entwicklung kann man nicht positiv umformulieren
Susi, lernen denn die Kinder die effektiven Gefahren überhaupt kennen, wenn ich diese durch positive Formulierungen gar nie erwähne? Ich möchte ja, dass sie lernen, dass „von der Mauer springen“ zu gefährlich ist. Und nicht, dass sie dank meinen positiv formulierten Anweisungen gar nicht erst auf die Idee kommen dies zu tun. Denn irgendwann werden sie ohne Anweisung dort stehen. Und dann haben sie kein explizites Verbot im Kopf! Dazu kommt: Sollen Kinder nicht lernen, mit Verboten umzugehen? Diese auch mal bewusst zu umgehen? Das gehört doch zum Prozess dazu! Die Welt ist voller Verbote…
Natürlich gehört der Lernprozess dazu, wenn ein Kind mal auf die heisse Herdplatte gefasst hat, dann tut es das wahrscheinlich kein zweites Mal. Das positive Formulieren ist ein Teil der Erziehung, es ersetzt nicht alles andere, das ist doch klar. (Irgendwie habe ich das Gefühl, wir reden ein wenig aneinander vorbei, ist auch schwierig so per limitierte Schriftzeichen…)
Nochmal ein Beispiel, das beide Ansätze vereint: „Die Strasse ist gefährlich, bitte immer auf dem Trottoir gehen, anhalten vor dem Überqueren.“ Und auf keinen Fall: „Nicht auf die Strasse rennen!“
Und klar ist die Welt voller Verbote! Die werden einfach anders formuliert: „Die Schoggi-Schublade bleibt zu!“ Anstatt: „Es wird keine Schoggi gegessen, und schon gar keine Smarties!“ Das Kind kann sich dann leichter daran halten.
Meine Experten-Freundin hat übrigens mitgelesen und einen langen Kommentar geschrieben (detaillierter als meine es sind), es wurde aber noch nicht freigeschaltet, ev. weil sie sonst nicht aktiv mitschreibt. Mal abwarten, sonst füg ich den Text dann ein.
Also, ich versuch’s jetzt mal mit dem Detail-Kommentar meiner Freundin:
(1) Wie schade, wenn wundervoll hilfreiches Wissen nicht genutzt wird, weil es nicht oder falsch verstanden wird. Ich versuche gerne eine kurze Klärung.
Fachleute schätzen, dass unser Handeln zu 1-10% vom bewussten Verstand (bV) und zu 90-99% vom Unbewussten (Ub) gesteuert wird. Der bewusste Verstand erbringt Höchstleistungen, ist aber leicht störbar. Bei starken Gefühlen, Stress oder Müdigkeit versagt er bald und es übernimmt automatisch das Ub die Steuerung.
(2)
Das Unbewusste „spricht“ eine Bilder- und Gefühlssprache. Hören wir ein Wort, wird es im Ub in ein Vorstellungsbild übersetzt. Negationen können aber nicht abgebildet werden. „Denk nicht an Schokolade“ produziert das Bild von Schokolade. Normalerweise spielen Ub und bV gut zusammen, wir erzeugen das Bild, können aber auch das „nicht“ dazu denken und das Bild wegdrängen. Das ist ein bisschen wie Fahren mit angezogener Handbremse. Ist der bV jedoch beeinträchtigt (wegen Druck, Stress oder Müdigkeit) oder noch nicht genug ausgereift (bei Kindern), bestimmen vorwiegend die gerade im Ub aktivierten Bilder das Handeln. Wenn sich zwei Kinder schlagen und wir rufen „Nicht schlagen!“, werden sie weiter machen, weil ihr ohnehin unreifer bV durch die heftigen negativen Gefühle komplett ausgeschaltet ist und ihr Gehirn nur das Bild „schlagen“ aktiviert hat.
Gegen „Nein!“ oder „Stopp!“ ist meiner Meinung nach gar nichts einzuwenden, im Gegenteil, es sorgt für einen Unterbruch der Handlung. Für das Gehirn der Kinder wäre es aber hilfreich, wenn sie anschliessend ein Bild bekommen, was sie stattdessen tun sollen, z. B. „Stopp! Urs, du kommst zu mir hinters Pult und du, Gabi, stellst dich dort zur Tür!“.
(3)
Es ist oft gar nicht so einfach, positive Formulierungen zu finden, reflexartig kommt uns immer zuerst in den Sinn, was jemand nicht tun soll. Ich achte deshalb v.a. in Situationen, in denen es mir wichtig ist, dass meine Botschaft ankommt, sorgfältig darauf, welche Bilder ich mit meiner Sprache erzeuge. Ein 4jähriges Kind, das über Monate trotz Ermahnung „Renne nicht zur Strasse!“ täglich losrannte, veränderte über Nacht sein Verhalten, als wir zu rufen begannen „Geh langsam bis zur Strasse“, denn jetzt wusste sein Gehirn endlich, was es tun sollte.
PS: Oft benutzen wir auch abstrakte Formulierungen, die Kinder gar nicht abbilden können. „Iss anständig!“ wird dann wirkungslos, wenn das Kind kein klares Bild davon hat, was das heisst.
Auf das Rauchen hat sie dann glaub auch noch eine Antwort, kommt ev. noch.
Danke Susi für die ausführliche Erklärung. Das mit der Verankerung im Unterbewusstsein leuchtet mir ein! Frage an die Expertin: Wäre denn auch eine Kombination genauso erfolgreich? Also z.B. „Die Schublade bleibt zu! Ich will nicht, dass du jetzt Süsses isst!“? Mir ist es halt wichtig, dass ich – wenn immer möglich – meine Anweisungen und Entscheidungen begründe, weil ich mir dadurch einen Lerneffekt und besseres Verständnis erhoffe. Bislang klappt das sehr gut, nur weiss ich natürlich nicht, ob das an meiner “ Methode“ liegt, oder ob ich bislang einfach Glück hatte…
Sie sagt:
(1)
Lieber Bernhard, an Begründungen und Erklärungen ist natürlich nix falsch, nur habe ich manchmal den Eindruck, dass wir Kinder damit überfordern und sie viel zu viel zutexten. „Verstehen“ findet dann statt, wenn es zu dem Gehörten im Gehirn schon neuronale Strukturen gibt, wenn also im Ub schon Bilder vorhanden sind, die durch die Worte aktiviert werden und Handlungsimpulse auslösen können.
Teil (2) posten geht bei mir aus irgend einem Grund grad auch nicht…
Also versuch ich’s häppchenweise:
(2) Ins Gehirn rein kommen diese neuronalen Strukturen über Erfahrungen, und sind diese zudem mit starken Gefühlen verbunden, werden sie umso besser gespeichert.
(3)
Wenn wir Kindern also möglichst viele emotionale Erfahrungen ermöglichen, hat das einen viel stärkeren Effekt als viele Worte.
Ich wollte ihren Namen posten, aber das geht nicht. Sehr merkwürdig.
N i c o l e B r u g g m a n n
😀
Und noch zur Suchtsache:
Das Wissen über den Nutzen positiver Formulierungen ist nun natürlich in vielen Bereichen hilfreich, so auch beim Versuch, lästige Angewohnheiten los zu werden. Formulieren wir ein Ziel wie „Ich trinke keinen Alkohol“, stimulieren wir unser Gehirn und damit unser Handeln ständig mit dem Bild von dem, was wir ja eigentlich nicht mehr wollen. Nie verzehrte ich mehr Schokolade als in der Zeit, als ich den Vorsatz gefasst hatte, weniger zu naschen und mir ständig vorsagte „Ich esse keine Süssigkeiten“. Kaum ermüdete der bV, der die „Willenskraft“ liefert, folgte mein Ub nur noch dem aktivierten Bild…
Gerade bei Suchtthemen ist es aber besonders schwierig, eine positive Zielformulierung zu finden. Das können wir nur schaffen, wenn wir die hinter dem Suchtverhalten stehenden unbewussten Bedürfnisse identifizieren und zugehörige Motivkonflikte klären. Verbinde ich nämlich in meinem Ub das Rauchen mit positiven Bildern, z.B. wie Simone de Beauvoir mit Sartre im Café de Flore in Paris kettenrauchend philosophiert, ist mein Ub nicht unbedingt motiviert, aufs Rauchen zu verzichten, da nützen auch schöne bildhafte Worte nix.
@Susi: Ihre Kollegin schriebt, was ich zum Lernen ja auch gesagt habe. Nur ist es nicht auf alle Fälle anwendbar. Ihr Beispiel mit der hohen Mauer zeigt vor allem eins: dass die Kinder hin und wieder Lust haben, ganz bewusst gegen Regeln zu verstossen, ja dass Verbote (oder Gebote, ganz gleich), die Sache erst recht spannend machen. Es ist nicht Stress, wenn mein Sohn entgegen dem Verbot (das er von mir zum Thema eher nicht hören wird) von der 3m Wand springt. Wenn ich nicht verbiete, sondern eine Alternative befehle, dann ist das in aller Regel eine unnötige Einschränkung. Das will ich nicht.
Also, das Beispiel mit der Mauer hab ich vor allem geschrieben, weil es zeigt, dass Negativformulierungen eben vermieden werden sollten. Ich persönlich hätte eben gar nichts gesagt, weil ich nicht davon ausgehe, dass ein 4jähriges Kind eine 3-Meter-Mauer runterspringt. Der Kleine, der das gemacht hat, wird aber eigentlich sehr freizügig erzogen und ist kein Rebell. Und das ist mein Punkt: Ich glaube, ihm wurde eben genau dieses Bild in den Kopf gesetzt, darum hat er es gemacht, nicht aus Protest.
Hätte echt ganz übel ausgehen können, er machte zudem eine Bauchlandung auf einen Stein…
Also für mich ziehe ich aus dieser Diskussion folgenden Schluss: Wenn es um Handlungsmuster geht, die sich PERMANENT im Gehirn meines Kindes festsetzen sollen (heisse Herdplatte, auf Strasse rennen etc.) und auch in Stresssituationen entsprechend abgerufen werden müssen, dann versuche ich positiv zu formulieren. Wenn es um einmalige Dinge geht, die nur gerade jetzt Gültigkeit haben, und daher kein Lerneffekt nötig ist, spielt die Formulierung keine Rolle. (Bsp. „Was darf ich mir aussuchen?“ – „Alles, ausser…“ oder eben „ihr dürft überall hin, ausser…“.) So stimmts für mich! 🙂
@Bernhard:
Finde ich ein gutes Fazit! Für mich selbst ergänze ich noch, dass ich umso mehr auf positive Formulierungen achte, je gefährlicher die Situation werden kann.
Aber irgendwie hab ich sowieso schon einen Automatismus drin. Mein Mann und ich haben uns jeweils einen Spass aus absurden positiven Formulierungen gemacht, natürlich nicht zum Kind 🙂
susi, eigentlich möchte ich ja nicht kritisieren, aber ich kanns mir nicht verkneifen: dieses passive unpersönliche („die hände bleiben unten“) kommt garantiert auch weniger gut im gehirn des kindes an, als wenn du es direkt ansprichst. wir hatten lehrer, die so mit uns sprachen, ich fands ganz grässlich
@tina: Dann eben: „Behalte die Hände bitte unten, wenn du in der Nähe des angestellten Herdes bist“.
P.S. Ich rede schon nicht so mit meinen Schüler/innen, die befinden sich auf sehr viel höherem Niveau 🙂
Das Erziehungskonzept beruht wahrscheinlich darauf, positive Formulierungen zu benutzen. Konkret heisst das, man teilt dem Kind mit, was es tun soll, anstatt zu sagen, was es lassen soll. Die Methode ist sehr wirksam, da das Unbewusste über Bilder funktioniert, nicht über Worte, d.h. wenn man sagt „Achte darauf, dass die Kleider beim Spielen trocken bleiben“ ist das wirksamer als „Mach dich nicht nass!“, da das Kind sonst automatisch das Bild der nassen Kleider im Kopf hat und dann in der Regel als erstes zum Wasser geht.
Eine positive Formulierung bringt darum viel mehr als ein blosses „Nein“; die Autorin fügt in den Beispielen dem „Nein“ auch immer eine Anweisung an, was das Kind stattdessen tun soll, darum funktioniert es auch mit einem „Nein“ am Anfang des Satzes.
Richtung. Und so wird aus Lerntheorie plötzlich pädagogischer Unsinn.
@sportpapi: Schliesse mich ihnen absolut an. Ein NEIN bleib ein NEIN, als Unterschied zu JA! ABER auf den Ton kommt es an.Hundert Mal mit Geduld „Nein“ gesagt wirkt ebenso, wenn das Kind merkt, dass es trotzdem und weiterhin geliebt wird.Geduld ist gefragt und immer wieder Geduld. Kein Schreien, sondern lein liebevolles und beharrliches „Neeeiiin!“ Ein gutes Training für Erwachsene geistige Disziplin zu erreichen.
„die Methode ist sehr wirksam…“ ausser dass sie in der Realität absoluter Nonsense ist.
Positive Kommunikation ist wichtig. Klare aber ebenso. Selbst mit Erwachsenen kann man es mit positivem Herumschwatzen übertreiben.
Kleinkindern gegenüber sollte man möglichst einfach und klar bleiben.
Ja, Nein, ich zähle auf 3.
Kinder lieben klare Ansagen.
Testen Sie das mal aus, liebe Herren – ich jedenfalls habe mit diesen positiven Formulierungen ziemlich Erfolg. Ein Nein gibts aber trotzdem, ohne weiteren Satz drumherum…
Diese Formulierungen sind ja auch einfach: z.B: Stell das Glas auf den Tisch, statt: wirf das Glas nicht um…
@plop. Wir sind ja auch nicht so beschränkt, uns nur auf eine Methode zu verlassen. Ebensowenig, wie wir eine einzelne Methode als angeblich unwirksam weglassen.
Danke, Susi. Es ist wirklich traurig, wenn die Autoren nicht verstehen, worüber sie da eigentlich schreiben. Und dann werden noch schnell Äpfel mit Birnen und Bananen zu einem fröhlichen Fruchtsalat gemischt und es wird nicht mehr unterschieden zwischen Babys und Teenager, zwischen Reaktion und Prävention, zwischen klarem Entscheid der Eltern und zwischen Diskussionspotential… Schade um das wirklich interessante Thema.
Wie Sportpapi schreibt: pädagogischer Unsinn! Und ich ergänze noch: „für Kinder unter, sagen wir mal, 3 Jahren“. Man kann ein Kind auch zu todetexten. Ein Nein bleibt ein Nein und das versteht unsere 2 jährige Tochter viel besser als diese ewigen Erklärungen! Bei Jugendlichen sieht es vielleicht anders aus. Soweit sind wir aber noch nicht 😉
@ Daddy / SP / Manni Mann
Es geht nicht um Erklärungen, sondern ganz einfach um die Art der Formulierung; niemand wird zugetextet, wenn man sagt „Nein! Das Essen bleibt im Teller!“ anstatt „Nein! Bitte das Essen nicht auf den Boden werfen!“. Sehr alltagstauglich und sicher nicht realitätsfern.
Versuchen Sie’s mal, der Unterschied ist enorm.
Das Wort „Methode“ oben ist etwas inakkurat gewählt von mir, vielmehr handelt es sich um einen pädagogischen Grundsatz.
@Susi: Mein Grundsatz wäre ja, wenn schon, meine Anweisungen aktiv und nicht passiv zu formulieren. Und dann wäre die direkteste Variante: „Iss anständig!“
🙂
Habe ich noch vergessen.
Für ein ganz kleines Kind ist es aber einfacher, mit konkreten Bildern zu arbeiten. Halt eben „Das Badewasser bleibt in der Wanne“. Auch im Kindergarten-/Primarschulalter ist es so einfacher: „Ihr bleibt im Innenhof“ anstatt „ihr geht nicht auf den Parkplatz“: Krass ist, dass es auch bei Teenagern/Erwachsenen auf diese Art besser funktioniert.
@Susi: Ich habe meine grössten Zweifel, abgesehen davon dass ich sowieso glaube, dass wir über Nuancen diskutieren. Beim Badewasser zum Beispiel geht es um Ergebnisorientierung. Die Kinder wissen, sie dürfen nicht auf den Boden spritzen, weil der sonst nass wird, und der Papi sie rausnimmt. Was für einen Sinn soll denn bitte eine Ansage wie „Wasser bleibt drin“ haben? Das ist eine Ansage ohne einsichtige Bedeutung.
Beim positiven Formulieren geht es auch nicht in erster Linie um Einsicht, sondern darum, das richtige Verhalten von Anfang an zu stärken, ohne dass das falsche Verhalten überhaupt durchgeführt wird.
Einsicht zu lernen ist natürlich auch nicht verkehrt, je nach Situation.
(Ok, das Badewasser-Beispiel war jetzt vielleicht nicht ideal gewählt.)
Keine Angst Frau Marti, Kinder die im Jahr 2014 Worte wie „Spiesser“ benutzen, werden ohnehin nicht als coole Vorbilder angesehen! 😉