Ich bin ja so peinlich

Eine Mutter zum Fremdschämen: Szene aus dem Film «Gregs Tagebuch – Von Idioten umzingelt. (Foto: 20th Century Fox)

Eine Mutter zum Fremdschämen: Szene aus dem Film «Gregs Tagebuch – Von Idioten umzingelt. (Foto: 20th Century Fox)

Gott, bin ich peinlich. Seit etwa einem halben Jahr muss man sich fremd schämen, wenn ich irgendwo auftauche. Ich lache zu laut, das könnte man wirklich etwas leiser tun. Ich grüsse zu fröhlich, auch das ginge diskreter. Ich bewege mich im Takt der Musik, die irgendwo dudelt…- PEINLICH.

An gewissen Orten bin ich wegen solcher Verhaltensauffälligkeiten bereits unerwünscht: Die Umgebung um das Schulhaus ist tabu, und das eine Seebad durfte ich diesen Sommer nicht betreten. Ich war eine Persona non grata. Wäre ich dort aufgetaucht, man hätte mich mit konsequenter Nichtbeachtung bestraft – wenn nicht gar auf direktem Weg hinausspediert. Also ging ich in die andere Seebadi und gesellte mich zu den anderen peinlichen Frauen.

Weil ich plötzlich derart daneben bin, achte ich stärker darauf, ob und wann ich mich deplaziert verhalte. Oh, ich laufe zu nah neben meinem Sohn her, das geht nun wirklich nicht. Ich streiche ihm in einem unüberlegten Moment über sein weiches Haar. Äh, alles okay Mami? Ich schlage vor, er solle doch nach draussen spielen gehen. Spielen!? Jungs wie er spielen nicht mehr. Ich verwickle seinen Schulfreund in ein zu langes Gespräch, so etwa zwei, drei Sätze lang. Peino! Und dann meine Frisur manchmal – nun ja, Sie wissen schon.

Interessant ist, dass man sich für mich immer nur ausserhalb meiner eigenen vier Wände schämen muss. Zuhause bin ich ganz ok (sprich: o-ka). Ich darf mich durchaus meinem eigenen Naturell entsprechend verhalten. Das heisst, lachen, wann und so laut ich will und dabei vom Gegenüber höchstens ein Paar rollende Augen riskieren. Mein Fast-Teenager lacht jedoch häufig mit. Er umarmt und küsst mich auch mal und sagt, dass ich im Fall die beste Mami sei. Meist kommt dann allerdings noch was nachgeschoben, wie: Machst du mal wieder die feine Lasagne? Konntest du den neongrünen Pulli bereits waschen? Spielst du mit mir ein Yatzy? Und wann endlich gehen wir gemeinsam nach Paris? Weisst du, nur du und ich?

Ich beobachte diese «Mami ist so peinlich»-Phase durchaus amüsiert. Ist doch alles schön normal und im grünen Bereich, entgegne ich Freunden, die mich ehrlich bemitleiden, wenn wir davon zu sprechen beginnen. Zum Glück beginnt mein Sohn mich, die anderen und auch sich selbst mit anderen Augen zu sehen – und nabelt sich langsam ab, sage ich dann. Es ist für die Zukunft der Kinder wohl kaum erstrebenswert, dass sie bis ins Erwachsenenalter mit den Eltern in voller Symbiose leben.

Kommt hinzu, dass ich mich bestens in meinen Sohn hineinfühlen kann. Ich erinnere mich gut daran, wie es ist, wenn man die eigenen Eltern voll daneben findet. Vor allem mein Vater damals, der war ja peinlich. Und zwar so richtig. Vergleiche ich mich mit ihm, bin ich in Sachen Peinlichkeit ein Klacks dagegen – also, finde ich.

 

31 Kommentare zu «Ich bin ja so peinlich»

  • Bruno Berner sagt:

    Gerade kürzlich hab ich meinen Sohn (13) zu einer Informationsveranstaltung bezüglich Ausbildung für einen Freizeitjob begleitet. Bis klar war, ob auch andere Eltern kommen, blieb ich unauffällig in Sichtdistanz, um ihn nicht blosszustellen. Danach hab ich mich wieder unauffällig dazugesellt. Oder als er nach einem Umzug in ein neues Schulhaus wechselte, schätzte er meine Begleitung sehr, sagte aber vor dem Areal schon: „Dad, ab hier möcht ich alleine weiter“. Hätt ihn zwar gern noch weiter begleitet, war aber gleichwohl stolz auf seinen „Stolz“. Schliesslich war das bei uns nicht anders.

  • TheSwissMiss sagt:

    Ich kann mich nicht erinnern, dass ich meine Mutter peinlich fand und bis jetzt kenn ich das auch von meinen Kindern nicht (9 und bald 12). Ich werde auch im Beisein von Freunden noch ganz normal mit Kuss und „Drücki“ verabschiedet:)

  • Markus Schneider sagt:

    Das soll wohl ironisch gemeint. Da wir alle hier ja aber Ihr Foto sehen können ist doch völlig klar: Ihrem Bub gehen soeben die Augen auf und er beginnt die Realität wahrzunehmen.

  • Tanja sagt:

    Unser Leitsatz war stets: Pupertät ist die Zeit, in der sich die Eltern verändern. Da waren wir uns ziemlich einig☺️

  • Martina sagt:

    Lustig, bei uns ist es so, dass meine 11,5 jährige Tochter noch keine Ablösung dieser Art braucht. Wenn ich sie dann nach ihrem Wunsch, mal am Bahnhof nach einem Schulausflug abhole, frage ich sie mindestens 3x ob das sie wirklich wolle und ihr nicht peinlich sei… Selber kann ich mich nicht daran erinnern, meine Mutter je als peinlich empfunden zu haben. Wenn nun aber meine Tochter irgendwann soweit ist, finde ich das total okay, denn mal ehrlich, wir Erwachsene finden das Dauergekicher der Teenies auch etwas peinlich…sprich, es beruht während der Ablösung wohl auf Gegenseitigkeit :o)

  • Roberto sagt:

    Ich fand es auch immer etwas peinlich, wenn ich mit Kollegen früher ab und zu in die Beiz ging, mein Vater oft schon da war, und meistens auch ziemlich angeheitert. Meine Kollegen fanden das aber nicht so peinlich – wie ich.

  • Mike sagt:

    Sich ab und zu mal dran zu erinnern, dass man auch mal ein Teenager und kein Stück besser war wäre nicht nur Eltern während der Pubertäts-Krisenjahre ihrer Kids zu empfehlen… leider gibt es ja viele erwachsene Zeitgenossen, die konsequent behaupten, sie seien dann also früher imfall nie so gewesen. Meine These ist, das waren die schlimmsten Teenager, und sie merken’s immer noch nicht…

  • ueli der hecht sagt:

    Dem jungen Mann ist wohl aufgegangen – dass nicht nur sein Mami (sondern auch der Hausmeister der Schule, einige Lehrer, Onkel, Tanten, Nachbaren) einen an der Waffel haben.
    Im Alter von 40 bis 50 Jahren pfegen Menschen wieder eine ähnliche Erfahrung zu machen. Sie entdecken, dass die meisten derer, mit denen sie aufgewachsen sind und Kontakt behielten, Störungen der Gewohnheiten und des Bewusstseins zeigen.
    „Es ist, als ob die Menschen zur Strafe dafür, dass sie die Hoffnungen ihrer Jugend verraten und sich in der Welt einleben, mit frühzeitigem Verfall geschlagen würden.“ (Adorno)

  • Martin sagt:

    Da hilft nur eins: „Zits“ von Jerry Scott und Jim Borgman lesen und alles lockerer sehen…

  • Oliver sagt:

    … ja, kenne ich, beim Großen , 13 Jahre, wenn Freunde da sind, ist Papa ganz schnell uncool. Aber wenn wir dann abends alleine sind, ist alles wieder gut und er kommt an. Solange das so läuft, ist das doch prima!

  • Ka sagt:

    Ich bin im Moment auch ziemlich peinlich für meine Grosse und an vielen Anlässen unerwünscht, sie kann mich da ganz wie Luft behandeln. Das ist schon OK und heisst doch, dass sie ihre eigenen Ansichten entwickelt und das macht mich eigentlich stolz. Ärgern tut mich aber, wenn sie nicht tut, was gut wäre weil sie meint, die anderen fänden sie peinlich. Aber das ist wohl der nächste Schritt, sich von der Peergroup abnabeln, muss ich wohl noch ein paar Jahre warten.

  • Axel Döll sagt:

    fremdschämen – Donnerwetter??? Packen sie ihre Natürlichkeit und ihren Lebensmut mit in die Kiste und versenken sie diese im Genfer See. Die Gesellschaft wird es ihnen Danken, oder auch nicht? AD

  • Tom sagt:

    Am lustigsten ist, wenn man, meist mit Kollegen/innen zusammen, absichtlich „peinlich“ ist. Dann können sich die Teenies, eigen und die der Kollegen/innen, gemeinsam fremdschämen. Oder sie finden ihre Eltern und deren Kollegen/innen einfach lustig und machen mit.

  • Dennis Huser sagt:

    Da ich Frau Braun nicht kenne, weiss ich nicht wie laut/penetrant sie denn ist, doch finde ich es ein trauriges Zeichen unserer Zeit. Eine Frau wird aufgrund ihrer guten Laune, aufgeschlossenen Art und ein wenig Mut zur Individualität aus Teilen der Gesellschaft ausgeschlossen. Sollen wir uns nur noch still und uniformiert bewegen dürfen? Klar gibt es Orte und Situationen, wo man rücksichtsvoller und angepasster sein soll, Kind hin oder her. Toleranz ist selten, nur schon wer im Zug die Nase putzt, wird angeschaut wie ein Aussätziger. Diese Toleranz sollten wir unseren Kindern weitergeben.

  • Einzelkind sagt:

    Irgendwie verlief das bei mir anders, denn ich war sowohl während meiner Kindheit als auch im Teenageralter stets ein Herz und eine Seele mit meinen Eltern. Es gab natürlich hin und wieder kleinere Konflikte, aber ich hatte nie grundsätzlich andere gesellschaftliche oder politische Ansichten wie die Eltern, im Gegenteil. Ich war meist richtig stolz auf Sie. Schwieriger wurde es erst später, so mit ca. 22. Die letzten paar Jahre vor meinem Auszug von zuhause waren dann echt mühsam…

    • Joerg Hanspeter sagt:

      Würde mir Angst machen, wenn ich Kinder im Teenager-Alter hätte, die in allem gleicher Meinung wären wie ich!

      • Amélie sagt:

        So einfach ist die Welt nicht. Man kann es so sagen: grenzt sich der Teenager ab, ist das eine gesunde Entwicklung. Kein Grund zur Sorge, solange sie nicht mit dem Gesetz in Konflikt geraten oder die Gesundheit riskieren. Rebellieren Teenager nicht, ist das nicht per se schlimm, aber es kann ein Zeichen sein für eine problematische Entwicklung. Da muss man genau hinschauen.

  • Karin Bäcker sagt:

    Sehr erfrischend und treffend diese Beschreibung. Ich war vorher gewarnt und als „Rabenmutter“ (für andere Eltern) unterliess ich es z.B. auch die 12-jährigen fürs Skilager bis zum Treffpunkt zu begleiten etc. Sie gaben wir vorher zu verstehen, dass sie „keine Babys“ mehr seien. Eines Tages sagten Kolleginnen meiner Jüngern in meiner Anwesenheit zu ihr: „Du häsch Glück, Dini Muetter isch nie peinlich“. „Hä??????“ Ich verstand gar nichts, aber meine Kids erklärten mir dann sichtlich stolz, das sei das grösste Kompliment, das eine Mutter kriegen könne. Glück gehabt. 😉

    • tina sagt:

      ab und zu eine lektion in „sollen doch die anderen denken was sie wollen“ und „irgendeiner macht doch immer einen dummen spruch – meist die, die am meisten nötig haben, den äusseren schein zu wahren“ schadet aber auch nicht.
      ich war schon immer eine peinliche nummer, sorry jungs, ihr könnt ja nichts dafür dass ihr mich als mutter habt, aber tja, ihr müsst damit klar kommen. ich bin dermassen peinlich, es ist schon wieder cool

  • juerg. sagt:

    Anhand der Beschreibung sind aber viele Schweizer nie über das Teenager alter hinausgekommen. Fröhlich ist suspekt.

  • Heidi Merz sagt:

    Ui – stimmt, das kommt alles auch noch auf mich zu! Hoffentlich dauert es noch ein Weilchen, meine Tochter ist erst 20 Monate. Aber ich erinnere mich nur zu gut daran, wie peinlich ich als Teenager meine Eltern (v. a. meine Mutter) fand. Und ich gebe Ihnen recht: es ist zu begrüssen, denn es bedeutet, dass die Kinder sich abnabeln.

  • Francesca sagt:

    Wie ich das kenne. Sind die Kinder in einem gewissen Alter, ist man überall, ausser Zuhause „zu…“ irgendwas. Und nun musste ich kürzlich doch tatsächlich hören, ich käme zu altbacken daher, wo denn auch mein Modebewusstseingeblieben sei, meine frivole Mode von früher… (tatsächlich war ich gesundheitlich angeschlagen, starke Schmerzen, und modemässig nicht mehr sehr motiviert…). Auf meine schüchterne Nachfrage hin: nein, ich sei nicht peinlich, im Gegenteil, sie seien stolz auf ihre unkonventionelle Mutter. Na, geht doch! Hat nur etwas lange gedauert. Und nun bin ich wieder Fashionista.

  • Anh Toan sagt:

    „Fremdschämen“ ist so unnötig wie Fremdstolz: Schämen oder stolz sein kann man nur darauf, was man selber gemacht, allenfalls nicht gemacht hat. Gerade an Fussballhooligans und Rechtsradikalen erkennt man, die haben nichts gemacht, worauf sie stolz sein können, also versuchen sie es mit ihrem Fussballclub oder ihrer Nationalität. Also sage ich zu Ihrem Sohn:

    Klar ist Deine Mutter peinlich, aber Du hast sie Dir ja nicht ausgesucht und hast keine Chance, es zu ändern.

    Hören wir endlich auf mit dem blöden Nationalstolz, Familienstolz, Heimatstadtstolz und auch dem Fremdschämen. Es nervt!

    • Amélie sagt:

      Das Fremdschämen machen die Mütter jahrelang vor. Was die sich immer entschuldigen für das Verhalten ihres Kindes oder es bis ins Detail erklären, anstatt darüber zu stehen und die Leute denken zu lassen, was sie wollen.

    • Hanspeter sagt:

      Hallo Anh Toan
      Bin 33j, Vater einer 16Mt alten Tochter, von Beruf Kundendienstleiter und verdiene gut. In meiner (wenigen) Freizeit bin ich ein sogenannter „Fan“ – sprich ich gehe an Fussballspiele „mit den Jungen“ die Sie so gerne als Hooligans verteufeln und die ja nichts können.

      Liebe Grüsse aus dem realen Leben
      Hanspeter

      • ueli der hecht sagt:

        Hallo Hanspeter
        Ich glaube nicht, dass es irgendjemanden, ausser vielleicht sie selber interessiert – ob sie in ihrem Job viel verdienen. Und Anh Toan hat doch Recht, dass er allen Nationalisten und Fussballhooligans mal die Meinung geigt von wegen – „Stolz sein auf etwas, dass nicht durch Eigenleistung zustande kam“. Da wir uns gerade auf Mama-blog befinden – noch eine kleine Ketzerei: Auch darauf, dass man Kinder hat – sollte man nicht „aus Prinzip stolz sein“. Wer glaubt nicht, dass er / sie – ein toller Vater / Mutter ist? Der „Beweis“ muss freilich in den meisten Fällen noch folgen.

    • Francesca sagt:

      Ah, was hab ich mich fremdgeschämt, als ich „About a Boy“ sah… http://www.youtube.com/watch?v=-apwoGTpi7E! Das tat physisch weh, so leid tat mir der Junge!

      Will meinen: stehen wir zu unsern Gefühlen. Fremdschämen, stolz sein, das sind Gefühle, die wir haben und haben dürfen. Wenn mein Partner wie ein Clown daherkommt, wenn wir bei Leuten eingeladen sind, die ihm nicht passen, dann macht mir das auch etwas aus, ich schäme mich für ihn. Lasse ihn natürlich, ist ja erwachsen. Aber meine Gefühle habe ich, und dazu stehe ich.

  • Markus sagt:

    Uiii, und das peinlichste aller Mamis schreibt noch darüber einen Blog den alle in der Schule lesen können; voll krass daneben :-).

    Gruss vom (momentan) peinlichsten Vater den es gibt 🙂

    • Primia sagt:

      Hallo, geht es hier um eine persönliche Abrechnung? Oder verstehe ich alles nur falsch? Meiner Meinung nach und aufgrund meiner persönlichen Erfahrung verhält es sich in etwas so wie beschrieben. Auch ich fand meine Eltern damals so was von peinlich und habe mich einfach geschämt, ihr Kind zu sein.

      • zappa sagt:

        Ja, Sie verstehen es falsch. Markus hat hier in keiner Weise angegriffen, sondern mit Augenzwinkern und weiterführenden Gedanken ergänzt. Nicht gleich durchdrehen… immer mit der Ruhe.

    • Peino_papa sagt:

      … zum Glück ist die Rangliste der peinlichsten Mamas und Papas relativ. Denn der Welt peinlichste Papa – höre ich – bin ich;)

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