Die Tandemfamilie: Modell «Bullerbü»
Eine Carte Blanche von Franziska und Martina Brägger*

Sieben Kinder aus drei Familien: Verfilmung von Astrid Lindgrens Geschichte. (Bild: Verleih Jugendfilm)
Die Tandemfamilie ist ein Kinderbetreuungsmodell, das einst insbesondere in ländlichen Gegenden selbstverständlich war. Prominentestes Beispiel aus der Literatur ist wohl die Kinderbuchreihe «Wir Kinder aus Bullerbü» von Astrid Lindgren. Diese Erzählung spielt in einem schwedischen Weiler, wo sich die insgesamt sieben Kinder frei zwischen den drei elterlichen Höfen bewegen und überall willkommen sind.
Nun hat das zersiedelte schweizerische Mittelland des 21. Jahrhunderts nicht viel gemein mit dem beschaulichen Bullerbü vergangener Zeiten. Nichtsdestotrotz ist eine verlässliche Tandemfamilie zeitgemässer denn je: Oft wohnen die Grosseltern und andere Verwandte zu weit weg, um zu hüten. Und selbst wenn Grossmütter kleiner Kinder in der Nähe wohnen, sind sie häufig noch berufstätig und haben daher nur beschränkt Zeit, ihre Enkel zu beaufsichtigen. Krippen oder Hortplätze als Alternative sind rar, kosten Geld und haben beschränkte Öffnungszeiten. Die Vorteile eines Betreuungstandems liegen auf der Hand: Es belastet das Budget nicht, die Betreuungszeiten sind flexibler und je länger man sich kennt, desto grösser wird das gegenseitige Vertrauen. Im Idealfall entsteht eine bereichernde jahrelange Freundschaft, von der Eltern und Kinder gleichermassen profitieren. Darum: Höchste Zeit für die Wiederentdeckung der Tandemfamilie!
Die Internetplattform Tandemfamilie ermöglicht seit 2008 die Vernetzung von Familien zur Gründung solcher Betreuungstandems. Einige wertvolle Tipps, die erfolgreiche Tandems ermöglichen:
- Nutzen Sie die Möglichkeit, im Profil über sich zu schreiben. Das hilft den anderen Mitgliedern zu erkennen, ob sich die Bedürfnisse beider Seiten in etwa decken.
- Kontaktieren Sie in erster Linie Familien, deren Kinder ungefähr im gleichen Alter sind wie Ihre eigenen.
- Verabreden Sie sich beim ersten Mal an einem öffentlichen Ort (Quartiertreff, Spielplatz, etc.). Bei Eltern von Kleinkindern kann ein zusätzliches Treffen ohne die Kids hilfreich sein, um sich in aller Ruhe unterhalten zu können.
- Damit ein funktionierendes Betreuungstandem zustande kommt, ist eine Übereinstimmung der beiden «Familienkulturen» hilfreich. Insbesondere die Bereiche Ernährung, Esskultur, TV-Konsum, Bewegung und Schlafenszeiten können zu Diskussionen führen. Eine Prise Gelassenheit schadet aber auch nicht.
- Eltern von Babys und Kleinkindern sollten Zeit für die Eingewöhnung einplanen und sich nicht gleich entmutigen lassen, wenn das Kleine beim ersten Mal in der Tandemfamilie «fremdelt». Sprechen alle andern Faktoren inklusive Bauchgefühl dafür, ist es zumindest ein zweiter Versuch wert (das Baby hat schliesslich auch mal einen schlechten Tag bei der Oma).
- Ein gemeinsamer Kalender, der regelmässig aktualisiert wird, beugt Chaos und Missverständnissen in zeitlicher Hinsicht vor. Insbesondere bei Veränderungen wie Schuleintritt, neuer Stundenplan etc. muss neu geplant werden.
*Franziska (l.) und Martina Brägger sind die Gründerinnen der Internetplattform www.tandemfamilie.ch (ehemals www.esgehtauchso.ch), welche Eltern mit Betreuungsbedarf zu Tandemfamilien vernetzt. Martina ist Mutter einer zweijährigenTochter und erwartet ihr zweites Kind. Sie arbeitet als Evaluatorin in der angewandten Sozialforschung. Franziska arbeitet bei der Kinder- und Jugendorganisation Pro Juventute, wo sie Witwen, Witwer und Waisen finanziell unterstützt.
46 Kommentare zu «Die Tandemfamilie: Modell «Bullerbü»»
Ich kenne wen, die haben das ca 2 jahre so gemacht. Die Kinder waren im ganzen 4 Tage pro Woche beieinander. Jedes Elternteil hatte einmal beide Kinder. Das hat sehr gut geklappt, die Kinder waren wie Geschwister (die haben das ab Geburt gemacht). Dann ist aber die eine Familie weggezogen, jobmässig – und dann wirds schon schwierig und ist dann halt unzuverlässiger als ein Krippenplatz…
Ich mach „Tandem“ für Freizeits-Zeit, so bleibts doch immer irgendwo auf „spassbasis“ und das find ich uh wichtig, wenn man schon fremde Kinder betreut.
Ahnenkult – Meine Urahnen waren Bauern da hatte ich mal als Kind die Möglichkeit, das HEUEN AN EINEM HUEGEL kennengelernt, das war recht anstrengend. Ich schätze den Computer. Jedem Narr si Chappe und mir mi Huet.
hm, ist ja alles schön und gut aber was nützen mir all diese Tipps inkl. Profil schreiben, wenn mir die Frau äusserlich nicht gefällt oder mir ihre Erziehungsmethode nicht passt?
Publireportage:
Nachmittagsrunde zum gemeinsamen Kopfschütteln gesucht.
Als Gegenleistung werden Lektionen im fortgeschrittenen mit der Stirn auf die Tischkante Klopfen angeboten.
Das kann ich schon. Kopfschütteln mit Katharina? Naja, irgendwie nicht so aamächelig…
Du kannst ja den Part mit der Stirn auf die Tischkante klopfen übernehmen …..
Da bin ich Profi. Bonk bonk bonk. Neulich habe ich JavaScript gelernt, und ich bin nicht aus dem Bonken herausgekommen. Eine Krücke sondergleichen.
1) Keine Reportage
2) Keine Werbung
Etwas faul zwar, dass man die Betreiberinnen gleich selber schreiben lässt. Aber dafür dass du, Kat, hier tagtäglich kostenlos journalistischen Gehalt konsumierst und besserwisserisch deinen Brunz darüber absonderst (genau: vollkommen gratis!), ist der Text ziemlich harmlos.
You’re cheap. But then…you all are.
klar war der Artikel Werbung. Darauf bezog sich mein Einwurf auch nicht, eher darauf dass jemand das Wort publireportage am anfang nannte. unwichtig. ist ja keine for profit sache. sondern eben ein gutes Beispiel für Selbstorganisation.
auch das meinige Beispiel ist ja eines des bartering.
you gonna love this one, O.S:
http://www.youtube.com/watch?v=YtmfPr1yvuc&feature=youtu.be&a
Oh you go to such events, Katharina? I’d never have thought this. Du bist doch die Individualistin par excellence, nicht?
Dieses sog. alte Betreuungsmodell ist an verschiedenen Orten noch gang und gäbe und unterscheidet sich eben wesentlich von dem, was die beiden auf dem Internet anbieten. Es hält sich nämlich nicht an Terminkalender und Absprachen, es funktioniert da, wo offene Türen und vor allem offene Herzen für die Mitmenschen da sind. „Man braucht ein ganzes Dorf, um ein Kind glücklich aufwachsen zu lassen“ ist eine alte afrikanische Weisheit. Man merke: es heisst „Dorf“ und nicht „Computer“.
hm, maia, ein Dorf um ein Kind glücklich aufwachsen zu lassen.. wir sind nicht in Afrika und auch dort lebt es sich nicht ganz nach diesem Prinzip. Aber das mit dem Computer bin ich ganz Ihrer Meinung.
also so grundsätzlich: ist internet das richtige medium um bullerbü-gleichgesinnte zu finden?
wichtig ist doch die räumliche nähe zwischen den familien.
versucht man sich da nicht besser im treppenhaus, ums hauseck und im laden kennenzulernen als im internet?
Es sind oft die pragmatischen, naheliegenden, nicht-staatlichen und eigenverantwortlichen Lösungen, die dem tumbem Linksvolk suspekt sind.
Deshalb hat es hier auch kaum Kommentare.
Weil da gibt es ja keine Kontrolle durch übergeordnete Erziehungsfunktionäre und keine ausgleichend-umverteilende Sozialgerechtigkeit, nein: da tun sich freie Bürgerfamilien zusammen, die sich gut riechen können und nehmen die Sache selber in die Hand.
Da braucht es keine Subventionen und Anschubkredite, keine einkommensabhängigen Tarife und Mitschleppenmüssen von gestörten Bengeln alleinerziehender Prollmütter.
Bravo, hr Geschwister Brägger! Wollte ich eigentlich sagen.
Wir führen dieses Modell seit 2 Jahren. Und es klappt super. Zumal wir nur je einen Tag auswechseln, hat es auch noch genügend Spielraum für Ausnahmen/Abweichungen. Kann aber gar nicht klappen bei einem höheren Arbeitspensum! Und ja wir wohnen auf dem Land. Wir haben keine Krippe vor Ort. Tja das gibts und man weiss sich zu helfen.
hm, wir haben auch ohne die Krippe überlebt. Schlüssel um den Hals und unsere kleinen waren auch nie in einer Krippe und man staune, auch sie haben überlebt. Kann man sich in der heutigen Zeit kaum mehr vorstellen aber wahr. Wow,.. wir waren noch wahre Helden haben dem Abenteuer direkt ins Auge geblickt.
Ja mit Nachbarschaftshilfe kann man sich und anderen viel Arbeit vereinfachen, es veht ja nicht nur um Kinder, sondern um allerlei zwangloses Austauschen: Ich helfe da aus, der andere dort. Ich weiss nicht, ob das so mit einer Art Partnerschaftsbörse geht, am besten ist’s halt, wenn’s gleich um die Ecke ist. Und tolerant und nicht allzu wählerisch sollte man auch sein, aber die jungen Leute heute sind da vielleicht doch zu anspruchsvoll. Jedenfalls wünsche ich dieser Organisation viel Erfolg.
Ländliche Verhältnisse, 7 Kinder, Urgrosseltern. Hallo? Solche Beiträge sind der Abdank auf jeden gesellschaftlichen Fortschritt und nur ein Beweis dafür, dass von den edlen Prinzipien, die sich die Frauenbewegung auf die Fahne geschrieben hat, nur noch schnödes Spiessertum übriggeblieben ist.
Ich hörte bisher nur von alleinerziehenden Frauen, die sich so zusammen schlossen, im gleichen Haus Wohungen mieteten oder sogar ein Miethaus kauften, eine Gemeinschaftsküche einbauten usw., letzteres war in Deutschland, dort sind die Häuserpreise noch einigermassen im vernünftigen Bereich. Finde ich eine gute Sache, man muss sich einfach bewusst sein, dass es happige Konflikte geben kann. Ich wohnte z.B. mit meinem ersten Kind eine Zeitlang in einer grossen gemischten WG, das war nahrhaft!
So ein guter Artikel von zwei Frauen, die’s auch sonst im Griff haben- aber nur 19 Kommentare!? Wir hier in der Schweiz sind ja bei der Beaufsichtigung unserer Kinder durch Drittpersonen schon dermassen perfektionistisch, dass der Bund bereits eine Art Bewilligung oder Test für derlei Menschen einführen will. Ich denke, solchen Bestrebungen läuft die staatliche Regulierungs- und Reglementierungswut diametral entgegen. In einer Zeit, in der Raucher und Fettleibige (man fragt sich bald: who’s next?) per Gesetz staatlich bevormundet werden, sind solche liberalen Denkansätze ziemlich utopisch.
Im wirklichen Bullerbü gab es übrigens keine Tandem-Familie: Astrid Lindgren ist nur mit ihrem Bruder in einem abgelegenen Bauernhof aufgewachsen. Die Freunde hat sie dazuerfunden.
Tandemfamilien entstehen einfach, wenn man beieinander wohnt und sich gut versteht. Ob man da geplant drangehen kann? Scheint mir fragwürdig…
Ich denke , Opa war wohl der Ober-Bullerbü…
Auf dem Land ist dies heute noch so.
Interessanter Artikel. Weiß jemand ob es ein solches Modell auch in Deutschland gibt? Hat jemand einen Link dazu?
Ja, die gibt es: http://www.sitter-team.de
Klingt gut und ich werde mir das gerne mal ansehen.
Wäre dieser Artikel hier erschienen, wären dafür wieder einmal alle Dämme gebrochen. Wobei: gelernt hätten wir dabei wohl auch nicht viel. http://www.tagesanzeiger.ch/leben/gesellschaft/Tragisch-bis-treudoof/story/14405274
Stimmt, interessant. Auch die Kommentare..
Bemerkenswert sind auch, im gegensatz zum mammmmablog, die Namen der Kommentierer… Sind das nun alle echt-Namen? Wieso haben wir hier so spassnamen, eigentlich?
Wieso, Du heisst doch wirklich plop, nicht, plop?
Plopp, plopp das heisst stop und noch einmal hopp
In den Tropen heisst „den Stecker ausziehen“ auch Plop…weil alles nass ist 😉
Das war natürlich nicht unanständig, das war aus dem Kinderquiz 1, 2 oder 3.
https://www.youtube.com/watch?v=6KgY4hZg0pE
Und Wildkätzli heisst dort Lorli Kamm: Kreativ, nicht?
Worüber kann und soll denn nun diskutiert werden?
Zum Beispiel über den Ansatz. Was erwartet man von der Kinderbetreuung, dass sie zur Verfügung gestellt oder man sich aktiv darum bemüht. Auf dem Land mag das ja noch kein Problem sein, aber grad in der Stadt wäre das ein Ansatz um aus der Anonymität raus zu kommen. Gemeinschaften bilden in der Zeit der virtuellen Freunde, ich finde die Idee hervorragend, empfehlenswert, nicht nur bei Kinderbetreuung sondern auch bei Krankheits -und Altersbetreuung. Wieder lernen zu Geben und zu Nehmen anstatt nach dem Staat zu schreien. Ist für mich auf jeden Fall interessanter als Kaiserschnitt ja oder nein
Ja, das wäre interessant. Wir haben das übrigens ausprobiert mit einer befreundeten Familie. Jeder hat ein/zwei Tage pro Woche für den anderen die Kinder gehütet. Leider hat es dann doch nicht so gut geklappt, weil es einerseits zu viele Ausfälle gab (Verpflichtungen der Mutter, Krankheit der eigenen Kinder). Und andererseits es der Partnerfamilie, genauer der Mutter, schliesslich doch zu viel wurde. Aber eigentlich geht es doch um ein Tagesmuttersystem, wobei kein Geld fliesst, sondern man sich gegenseitig hilft.
Nicht unbedingt es kann, wie bei uns, auch darum gehen, dass jeder sich so einbringt, wie es passt. Meine Kleine wird von der Nachbarin gehütet, da ich voll berufstätig bin, kann ich nicht dasselbe zurück geben, ich gelte es anders ab.
Tagesmutter ist auch wieder ein Dienst gegen Entgeld, aber hier geht es darum, dass man sich verbündet, dass man hilft und geholfen wird. Dieser Ansatz finde ich interessant, weil man damit nicht mehr Kunde sondern Verbündeter wird, damit auch mehr Nähe zulässt und sich so eine Gemeinschaft entwickeln kann, die über das Kinderhüten hinaus geht.
Schön, wenn es noch Leute gibt, die sich so für andere, für die Gesellschaft einsetzen!
Wobei natürlich die Idee des Tandems gemäss Website doch eher bei der gegenseitigen Unterstützung liegt. Eine gute Idee ist es aber auf alle Fälle.
@sportpapie: „Schön, wenn es noch Leute gibt, die sich so für andere, für die Gesellschaft einsetzen!“ – Ich weiss (und spüre es leider auch), dass es das immer weniger gibt, aber eigentlich ist es doch das Normalste auf der Welt. Wir sind schliesslich nicht alleine auf der Welt und jeder von uns ist mal auf Hilfe angewiesen.
@Maia: Stimmt. Und nach wie vor gibt es Menschen, die sich nicht nur für andere Menschen einsetzen wollen, sondern auch noch Zeit dafür haben. Bedingt ja, dass man nicht selber schon mehrfach belastet ist, zumindest wenn man tageweise fremde Kinder hüten möchte. Ausser, es gibt eine Win-Win-Situation, indem man auch die eigenen Kinder so mal abgeben kann.
Bitte oben noch das Wort „Publireportage“ einfügen 🙂
Ein Erfahrungsbericht von zwei Familien, die sich da kennengelernt haben, hätte ich spannender gefunden.
Es müssen ja doch einige Faktoren stimmen, dass so ein Tandem funktioniert (Ort, rsp. sogar Quartier, Alter, Sympathie, Ansichten, Lebensentwurf, …)
Wahrscheinlich brauchts als Familie einfach Glück, wenn so etwas funktioniert, egal ob man sich über Internet oder auf dem Spielplatz kennenlernt.