Bild mit Ton: Sinus940

Roland Fischer am Dienstag, den 20. November 2018 um 19:38 Uhr

KSB stellt in der Rubrik «Bild mit Ton» wöchentlich ein audiovisuelles Ausrufezeichen aus dem Berner Untergrund vor. (Bei rückläufigem Merkur sind Abweichungen vorbehalten, ebenso bei schlechter Laune oder gutem oder schlechtem Wetter.)
Diese Woche mit einer Soundinstallation für einen Volvo 940 von Pascal Lund-Jensen.

Die schön rätselhafte Arbeit heisst Sinus940 und ist ziemlich frisch. Mehr war nicht in Erfahrung zu bringen, blame it on the weather.

Kulturbeutel 47/18

Ilona Steiger am Montag, den 19. November 2018 um 5:55 Uhr

JJ empfiehlt:
Dienstagabend liest Daniel «the white boy» Ryser im Rössli aus seinem neuen Selbsthilfebuch «In Badehosen nach Stalingra. Es geht um Journalismus und Politik und Geld und Macht und: pure Männlichkeit. Als Ausgleich dann am Samstag raus aus dem von Männern beherrschten Ross und rüber in den Frauenraum. Jessiquoi tauft dort ihre neue Single inklusive Videopremiere im Kino der Reitschule. Support macht R’n’B-Shooting-Star Milena Patagônia und danach: 1 sehr nices DJ-Set von den Illegyalz.

Schwab empfiehlt:
Die mit Abstand wichtigste Veranstaltung in dieser Woche. Bei Hans Dampf unten an der Marziliküste ist es angerichtet, das grosse heilige Ghetto, eine Strudelfahrt in den Untergrund über alle Zeiten, in aller Königinnen Länder, Legenden, Mysterien, Prophetinnen: Der Wanderspiritualist Mr. Tibet etwa und seine Current 93, die infernale Von Hausswolff, ein Circuit Des Yeux, eine Lolina in baltischem Nebel, eine Deutsch Amerikanische Freundschaft aus Leder, Plastik und Metall, darüberhinaus Jenny Hval und John Bencealle da, von Donnerstag bis Samstag in der Dampfzentrale. (Die Provinz sagt dann vielleicht Danke und verschläfts.)

Den Kuratle ziehts:
Bei aller Liebe zum Ghetto doch wieder nach Biel ins Singe. Dort wird scheuklappenlos und selten mutig dem Zeitgeist getrotzt. Diese Woche unter anderem mit David Murray ft. Saul Williams und Jürg Halter feat. Fredy Studer & Roberto Domeniconi.

Fischer empfiehlt:
Hey Crew, Kultur ist im Fall nicht nur Musik. Ausrufezeichen! Diese Woche gleich jede Menge davon, einmal sogar mit Grossbuchtstaben: PENG! Palast ist FAUL! Und findet Arbeit Scheisse! Hoffentlich kommt’s trotzdem gut mit der Premiere im Schlachthaus am Donnerstag. Sicher gut wird dann im Anschluss an die Freitagsaufführung das Fest zum 10jährigen – dann wird gefressen, ferngesehen, gefaulenzt! Und in der Sattelkammer gibt’s am Freitag und Samstag Monströses, angelehnt ans 200jährige des Wissenschafts-Urundübermonsters: It is alive! Tales from the Edge of the World – Monster als Werkzeug und Waffe!

Die Ursi empfiehlt:
Auf Fischers Wunsch was Verkopftes und Kino mag er ja auch. Am Donnerstag also ab zum Essayfilm «Twisted Realism», in welchem der politische Kontext vom Pasolini Klassiker «Mamma Roma» gegenwartsbezogen rekonstruiert wird. Im Kino der Reitschule und anschliessend kann an der Bar mit anwesendem Kunsthistoriker Toni Hildebrandt noch gefachsimpelt aka kluggeschissen werden – sounds like a plan to me.

Kunst kosten

Roland Fischer am Samstag, den 17. November 2018 um 12:48 Uhr

Kunststattbern? Kunststadtbern! Die zeitgenössische Szene ist alive and kicking – eine kleine Bildergeschichte und eine Gratulation.

Angefangen in der Galerie DuflonRacz, wo gestern gleich zwei neue Ausstellungen aufgingen. U5 fragen «Are you with me?» – I was, indeed. Masken und Selfies, alte und neue Beschwörungsrituale, Gelder und Geister. Zeitgenössische Kunst wird da auf verblüffende Weise verscchränkt mit rituellen Objekten aus afrikanischen Kulturen aus der Sammlung des Hausherrn. Derweil drüben im Kabinett Kosmogonia von huber.huber: eine wunderbare olfaktorisch-visuelle Überforderung.

Dann weiter raus ins Zieglerspital, wo sich allerlei Initiativen eingenistet haben in den letzten Monaten. Hat man gar nicht so mitbekommen.

KORE zeigte Werke von Jérémie Sarbach & Flurina Badel und von Livio Baumgartner, unter dem Titel «Tribe and Error» – gewissermassen eine Weitererzählung von U5 also. Seltsame Räume, da draussen.

Und dann noch ins Grand Palais, wo man der Chefin (fleissig hinter der Bar, wie immer) ein Kränzchen wand. Letzte Vernissage an diesem Ort, mit Monica Germann und Daniel Lorenzi, zu zweit in einem Raum. Nächstes Jahr geht’s an anderem Ort weiter (und im Grand Palais mit einem neuen Team), aus eins mach zwei also. Und apropos nächstes Jahr – da kommt sowieso ein ziemliches Kunst-Spektakel auf uns zu, dank dem Kollektiv Bern und dem Hauptstadtkulturfonds. «Connected Space» ist ein künstlerischer Staffellauf, bei dem sich die einheimischen Kunsträume untereinander neu vernetzen und auf Zeit in kunstfernen Räumen wie einem Fundbüro oder Kinderkrippe einnisten. Kunstnah, kunstfern, das spielt ja sowieso immer weniger eine Rolle. Auf jeden Fall: Let’s connect, wir freuen uns.

Bisschen weniger vorfreudig war übrigens das Mutterschiff. Lieber Bund – seit wann titelst du eigentlich so Blick-style? Kommt Kunst von kosten?

 

Loveletter to a Festival: Aaretaler Kurzfilmtage

Clemens Kuratle am Freitag, den 16. November 2018 um 12:43 Uhr

Gänzlich ungebeutelt und vom Feuilleton ignoriert, starten heute die Aaretaler Kurzfilmtage. Ein Besuch lohnt sich.

Mögliches Lo-Fi Highlight. Women acting like dictators.

Thun ist nirgends und davor noch weniger. Weit gefehlt! Wo das kulturelle Vakuum droht, raufen sich gute Geister zusammen und schaffen Grosses. So geschehen in Münsingen, wo ab heute in den Räumen des Schlossgutareals die Kurzfilmtage mit einer Auswahl aktuellen (Kurz)-filmschaffens aufwarten.
Serviert wird in kontrastreichen Blöcken von ca. 50 Minuten, Europa in seiner ganzen Vielfalt ist stark vertreten, Übersee und der arabische Raum warten mit einigen Perlen auf, Despoten kriegen ihr Fett weg, Frauen spielen an deren Stelle Diktator und was die eigene Bubble an Missständen verschluckt, wird einem hier kompakt und lustvoll in die Fresse gehauen. Kurz: Ein wichtiger Wachrüttler, jetzt wo der Winter einkickt. Weil Einschlafen nicht drin ist, jetzt wo’s dann bald wieder ans Abstimmen geht. Gäu!

Um die Niederschwelligkeit zu gewährleisten, hat die Festivalcrew sämtliche Filme übersetzen und untertiteln lassen. Raus aus der Stadt, also! Die Aaretaler Kurzfilmtage starten heute um 19:00. Alle Infos hier.

Abyssinia Social Club

Urs Rihs am Mittwoch, den 14. November 2018 um 13:02 Uhr

Dort beim Beaumont-Kreisel, fast am Ende der Tramlinie Nummer 3, vor dem Weissenbühl –
und dahinter beginnt die Prärie.
Der Abyssinia Social Club, ein urbaner Aussenposten, aber problemlos in zehn Minuten vom Hauptbahnhof her zu erreichen.
Ein offener Ort zum Sitzen, zum Lauschen – am bodenständigen, sicher drei daumenbreiten Tresen. Büezerbeiz früher, ist es jetzt eine Bar, wo neben dem Alltag auch Kunstwelten Platz haben sollen. Musik natürlich, DJs vor allem – and beyond.
Ein kleines Laboratorium für Experimentelles und nichts weniger als ein Treffpunkt,
für echte Menschen: Das ist der Abyssinia Social Club.

 

Klingt nach Werbung im Blog? Ist es auch! Für solche Örtchen immer.

Kulturbeutel 46/18

Mirko Schwab am Montag, den 12. November 2018 um 5:55 Uhr

Schwab empfiehlt:
Die Friends Of Gas aus München. Der Feuilleton jubelt und wir fragen: ist das noch Punk? Hoffentlich nicht. Stuttgarter Schule sagt das Feuilleton in solchen Fällen gerne, mein Freund R. findet Stuttgart («Stuggi») mies – wie alle Deutschen, selbst die Stuttgarter. Aber diese Friends Of Gas sind ja aus München. Naja. Hin da, ins Ross am Donnerstag. Spalier stehen die Tessiner Viruuunga, ebenfalls sehr empfehlenswert.

Der Urs empfiehlt:
King Champion Sounds, sieben Köpfe machen Indie, da bleibt auf Tour im Schnitt wahrscheinlich knapp ein Hunni pro Kopp und Konzert. Schon nur dafür empfohlen – müssen Vollbeknackte sein und dann klingen sie noch wie ein luzider Fiebertraum unterlegt von Morricone, The Fall und Sun Ra.
Am Samstag im Bonn, aber Achtung: Ich geh früh, die spielen nämlich das Opening für die Japos von Kikagaku Moyo, Psychkraut aus Tokyo, kann man sich dann ruhig auch noch gönnen.

Fischer empfiehlt:
Zweimal HKB, einmal Stadt, einmal Land: Am Mittwoch ist Jonas Lüscher zu einem (etwas esoterisch anmutenden) Gespräch über Digitalität geladen (man will «zuhören und Fragen stellen und so zu gemeinsamen Erkenntnissen gelangen, welche die künstlerische, gestalterische und vermittelnde Entwicklung der einzelnen Persönlichkeit zu begleiten vermag»), Freitag bis Sonntag dann wird die Sache geerdet, in Burgdorf – in historischen Eisenbahnen, auf Baustellen und beim Holztrommeln.

JJ empfiehlt:
Heute Abend im Kairo liest Michelle Steinbeck aus «Eingesperrte Vögel singen mehr». Am Donnerstag spielen Dave Eleanor, Rotkeller und Skepson anlässlich eines Remix-Projektes von Anouk & Henrys neuer Platte in der Dampfzentrale. Und am Freitag ist Wiedereröffnungsfest in der Zoobar, mit REA.

 

Rauchfrei am Konzert

Ilona Steiger am Sonntag, den 11. November 2018 um 16:03 Uhr

Für KulturStattBern zeichnet Ilona Steiger aka rauchfrei93 als Gastillustratorin sonntäglich Shortstorys aus dem urbanen Untergrund und von der Sandsteinoberfläche. 

Prozente, Prozente!

Roland Fischer am Samstag, den 10. November 2018 um 14:57 Uhr

Eigentlich müsste man an dieser Stelle ein Hohelied singen. Wo wäre die Schweizer Kulturförderung ohne dieses 1 Prozent des Migrosumsatzes, das in Bildung, Soziales und Kultur fliesst – über hundert Millionen Franken allein letztes Jahr? Und, hmm, unverschämter Gedanke: Wo könnte sie sein, wenn alle grossen Firmen so einen Umsatzobolus zuhanden der Gesellschaft entrichten würden (vernünftig Steuern zahlen wäre im Prinzip auch schon ok)? Man stelle sich mal vor, es gäbe so etwas wie ein Nestlé-Kulturprozent. Oder, geben wir uns ein wenig bescheidener: ein Promille – würde auch schon reichen, um den Migros-Ausgaben Konkurrenz zu machen. Vor ein paar Tagen wurde kommuniziert, dass jetzt auch noch die Online-Umsätze in das Kulturprozent einbezogen werden. Alles auf Kurs also. Oder?

Nein, leider. Das wird kein Hohe-, es wird ein Klagelied. Ende Oktober nämlich war schon eine Kultur-Medienmitteilung rausgegangen, die eigentlich nicht viel Wesentliches vermeldete. Corporate Communication-Speak halt, interessiert hat das kaum jemanden:

Um Raum für Neues zu schaffen und den sich verändernden gesellschaftlichen Rahmenbedingungen Rechnung zu tragen, wurden die in der Direktion konzipierten und realisierten kulturellen Aktivitäten und Projekte systematisch hinterfragt. Das Popmusikfestival m4music, die Konzertreihe Migros-Kulturprozent-Classics, das alle zwei Jahre stattfindende Migros-Kulturprozent Tanzfestival Steps sowie das Migros Museum für Gegenwartskunst werden weitergeführt. Zusätzlich werden neue Projekte entwickelt [blablabla].

Hedy Graber, seit 2004 Leiterin der Direktion Kultur und Soziales des Migros-Genossenschafts-Bundes, hält fest: «Wir richten unsere Kulturförderung so aus, dass wir [blablabla]. Wir sind überzeugt, dass die Auseinandersetzung mit Kultur positive Auswirkungen auf die Gesellschaft als Ganzes hat und wir mit dem Kulturprozent einen wichtigen Beitrag leisten können.»

Was sich hinter der Mitteilung verbarg wurde erst zwei Wochen später klar: Das Hinterfragen traf ein paar Initiativen ganz direkt, insbesondere die wunderbare Arc Artist Residency in Romainmôtier, in der auch unzählige Berner Künstler an Projekten gefeilt haben oder auf neue Ideen gekommen sind. Noch vor kurzem gab es Aufrufe, neue Ideen und Projekte für massgeschneiderte Aufenthalte einzureichen. Nun das Fallbeil:

Mit Bedauern informieren wir sie, dass Arc artist residency seine Türen schliesst Ende 2018. Wir beenden all unsere Aktivitäten und bieten ab 2019 keine Residenzen oder andere Projekte mehr an.

Weg. Zu. Ersatzlos gestrichen. Für obsolet befunden. Wow, Migros. Hier ist in langen Jahren etwas Tolles – und ja, eher Stilles – aufgebaut worden. Nein, das Arc ist kein Crowdpleaser. Aber das muss Kultur ja nicht immer sein, «um positive Auswirkungen auf die Gesellschaft als Ganzes» zu haben. Vielleicht sind es ja gerade diese Initiativen, die forschen, ausprobieren, diskutieren – ja, die selbst gern hinterfragen -, die am nachhaltigsten wirken. Die national ebenso funktionieren wie international, die sich nicht besonders für Genres interessieren, die Kultur also nicht in Schubladen stecken. Aber in Zeiten der Niederschwelligkeit, der Kennzahlen und des Wachstumsparadigmas (neue Publika müssen erreicht werden! mehr Leute an die Kultur herangeführt! als wäre ihr Seelenrettendes zu eigen und die Kulturvermittler wären Missionare) hat es für solche ergebnisoffenen und mit Liebe und Sorgfalt wie mit Ernst und langem Atem betriebenen Initiativen offenbar immer weniger Platz. Ein Entscheid, der ratlos macht und ehrlich gesagt ein wenig seltsam riecht – mehr nach McKinsey als nach umsichtiger Kulturförderung.

Heitere Fahne und das schon fünf Jahre!

Urs Rihs am Donnerstag, den 8. November 2018 um 11:10 Uhr

«Each one teach one» so die Losung, die dieser Kulturoase, dieser «Idealistenkiste» am Fusse des Hausbergs, am nächsten kommt.
Gib weiter, was anderen vergönnt war und mach es nicht mit dem Dirigierstock, sondern mit gereichten Händen. Auf dass soziale Unterschiede nivelliert gehören und dafür, dass individuelle Besonderheiten von einem Spitzlicht gestreift werden und somit als Eigenheiten zum Leuchten kommen.

Eigenheiten, welche sich im Gesellschaftsdiskurs sonst mindestens als Hemmnisse manifestieren, als Störfaktoren, als starke Widerstände bezüglich des Mitbestimmungsrechts der eigenen Bedürfnisse. Diesem Mitbestimmungsrecht, welches so zentral liegt, um das eigene Freiheitsgefühl entfalten zu können.

Das aktuelle Programm zu den Festivitäten, welche diesen Freitag und Samstag vonstattengehen werden, findest du hier.

Andere, hinter dem Wald, sprechen noch immer von Behinderungen, physischen, psychischen oder geistigen Charakters. In der Heitere Fahne heissen Leute, die darunter leiden – sind wir das nicht alle? – aber längst Menschen mit Besonderheiten. Und genau diese sollen in das Projekt so sehr als möglich und bereichernd eingebunden werden, beim Kochen, Organisieren – beim Erschaffen im wortwörtlich «übertragenen» Sinne. Each one teach one.
Mit dieser Haltung und mittels multi- bisweilen interdisziplinären Programms zwischen Theater, Musik, Tanz, Cabaret und Gastronomie, giesst dieses Kollektiv von plus ou moins 60 Seelen einen integrativen Sockel in die Kulturlandschaft, welcher eine Leuchtturmfunktion einnimmt, am Fusse des Hausbergs.

Nirgends sonst in der Stadt wird mit ähnlicher Strahlkraft und Aussenwirkung das Mantra der Niederschwelligkeit gelebt und geliebt, ohne dabei vom Korsett des Dogmas eingeschnürt zu werden – dieser Schraubzwinge des Eifers. Vielmehr regiert das Lustprinzip die Heitere Fahne und darum ist es ein Ort des Wohlbefindens, des Schön-sein-dürfens; aber unter Aussparung des liebeszersetzenden normativen Blicks, welcher der Hauptstrom, mit seinem Schlepptau an Gräuel, sonst in unsere Gehirnrinden meisselt.
Hier hat man begriffen, dass Zugänglichkeit nicht bloss von ökonomischen Faktoren wie Preisen abhängt, sondern viel mehr auch von diesem diffusen Begriff des Bildungskapitals, welcher verbandelt ist mit Herkunft, Kinderstube und all diesen soziökonomischen Faktoren.

Long story short: Ultra progressive Sache und willkommen sind alle – am Fusse des Hausbergs – draussen bleiben muss nur der Zynismus.

Dafür und dass diese vereinsbasierte Institution seit nunmehr fünf Jahren – welche gefühlt im Flug vorbeigegangen sind – besteht, dafür heisst es jetzt die Tassen zu heben, zu klatschen, zu umarmen, zu küssen und zu hoffen, dass die Idealistenkiste genauso weiterrumpelt, fünf weitere Jahre mindestens oder warum nicht gerade bis zum bitteren Ende.

Die Heitere Fahne – ein utopischer Ort und die Utopie dem Eskapismus bekanntlich artverwandt, das einzige Problem ergo: Sich darin zu verlieren und den Realitätsbruch gänzlich herbeizusehnen, nichts mehr mit der bösen Welt am Hut haben zu wollen. Weiterdampfen auf der Terrasse und gar nicht mehr hervorlugen mögen, hinter der trügerisch konkordant wirkenden Fassade des alten Brauereiwirtshauses – am Fusse des Hausbergs.

 

Ich frage mich, «Und was genau wäre so schlimm daran?»

(S)hush Hush

Clemens Kuratle am Mittwoch, den 7. November 2018 um 17:16 Uhr

“Speak easy-Konzert” nennt sich die Konzertreihe, zu deren geladenen Gästen der Autor sich letzten Montag zählen durfte. Anthony d’Amato war zu Gast. Man dankt und résumiert.

Ein Blick durch den Spiegel ins Dachgebälk.

 

Erklärtes Ziel der Veranstaltung ist, der herbstlichen Kälte soul-warming music entgegenzuhalten.  “BYOP” (Bring your own pillow). Irgendwo im Mattenhof, Hintereingang, die Treppe rauf bis zum Dachgebälk, überhaupt tönt alles recht gemütlich. Die Anzahl Wollpullover, die sich in ominösem Estrich zusammengefunden hat, ist entsprechend hoch. Nur ein grossgewachsener Herr, häufiger Gast an verschiedensten alternativen Kulturveranstaltungen, bleibt auch hier seinem Anzug treu. Stilistisch und  altersmässig durchmischt ist die Gesellschaft also schon mal.

Die Gastgeberin grüsst freundlich und fordert ebenso herzhaft zur Rücksicht auf die Nachbarn auf. Nun warten wir auf Anthony D’Amato, Songwriter von ennet dem Teich, welcher sich der Zusammenarbeit mit verschiedensten Helden von drüben rühmt. Gute zehn Minuten nach der Ansage legt er auch bereits los. Man merkt schnell: Um den Herrn mit Gitarre braucht man sich keine Sorgen zu machen. Tourgestählt präsentiert er seine Songs, ohne viel Klamauk, mit den nötigen Finessen in Arrangement und Gitarrenspiel und dem unwiderstehlichen Drive der American Folk Music.  Gewährleistet wären sie also, die Zutaten, die einen Songwriterabend von einem Abend am Lagerfeuer unterscheiden. Amato reizt die dynamische Bandbreite seiner Gitarre aus und schafft’s so die Spannung aufrecht zu erhalten.
Zwei kurzweilige Sets später ist der Gig vorbei, sind zwei Zugaben zum Besten gegeben und auch das obligate Dylan-Cover gespielt. Die eigenen Songs vermochten nicht immer restlos zu überzeugen. Teils vorhersehbar in Struktur und Material, zu nahe an bereits Bekanntem sind die Stücke, auch wenn sie lyrisch immer wieder mit Humor auftrumpfen. Schwächen, die aber durch die starke Performance grösstenteils kompensiert wurden.

Der Abend als Ganzes geht mehr als in Ordnung. Der heiss geliebte Wohnzimmervibe, in Dreieinigkeit mit Gastgebern die wissen was wichtig ist und einer Kollektenkultur die den Namen verdient machen, dass hier niemand zu kurz kommt. Man spürt, hier kann Musik passieren, die das Bewusstsein der Hörer umpflügt. Und so wankt der Autor nach einem zu starken Absackerli nach Hause. Unbeackert zwar, aber im Frieden mit sich und der Welt. Und den Frieden wünscht man sich an einem Montag doch am meisten.