Ich stehe unter der Dusche und versuche angestrengt eine Idee für einen Blogeintrag zu finden. Den Rücken schrubbend und in mich gekehrt, merke ich, dass ich nichts Spannendes erlebt habe und auch nichts solches zu berichten habe.
Oder doch, Die Zeit titelt vorgestern: “Liebe Leser, diese Woche fiel uns leider nichts ein.“ Ein Satz, der mich in meiner ideenlosen Situation besonders anspricht. “Acht Autoren schreiben über Inspiration, Schöpferkraft und den Ursprung der Ideen.” Johanna Rahner schreibt vom “Heiligen Geist”, Evelyn Finger meint Kreativität komme “von oben”. Da bin ich dagegen und stimme eher Harald Martenstein zu, der das Wort Kreativität ablehnt (obwohl ich Martensteins Frisur ablehne).

Der Duden bestärkt meinen begrifflichen Ekel, denn Kreativität wird als „schöpferische Kraft“ definiert. Welche Kraft, bitte? Unter der Dusche habe ich keine Kraft gespürt. Ich habe einfach nachgedacht und mir diesen Artikel im Kopf zusammengebastelt. Stück für Stück. Genau diese Zeile ist beim Shampoonieren entstanden.
Ich halte es ebenfalls eher mit dem Philosophen Wilhelm Schmid, der im Interview zum Thema meint, Espresso sei gut für die Kreativität. Nach dem Kaffee geht es bei mir erst so richtig los mit dem Ausdenken, und den trinke ich noch nach dem Duschen!
Max Küng nannte sein Buch Einfälle kennen keine Tageszeit, was natürlich wahre Worte sind. Es muss nicht die Dusche sein, um darauf zu kommen, dass man einen Text über die Exkremente der Berner Bevölkerung schreiben möchte. Ich träume oft gute Ideen. Mein Unterbewusstsein ist eine besonders geile Sau. Darauf verweist auch Schmid in der Zeit: “Schalte ich den Kopf aus, kann sich Sinnlichkeit entfalten.” Hirnlos Saufen! Auch schön ist die Vorstellung von David Lynch, der meint fertige Ideen lägen in einem imaginären Raum nebenan, man kommt nur nicht rein. Meditieren!
Bei dem Mythos Kreativität geht es also nur um angestrengtes Nachdenken, Kaffee trinken, guten Schlaf und Shampoonieren. Gar nicht so heiliger Geist.
Die Zeit, die beste Wochenzeitung im deutschsprachigen Raum, gibt es immer am Donnerstag am Kiosk. Wer beim Umblättern Muskelkater bekommt, zieht sich die Zeit aufs iPad.