Gestern fand zum ersten Mal die offene Bühne „Greller Keller“ im Schlachthaus statt. Die Vorzeichen standen gut.
Es hätte was werden können. Die neue Freie-Szene-Offene-Performance-Theater-Kunst-Ausprobier-Bühne-Reihe des Schlachthauses „Greller Keller“ wird von drei Frauen kuratiert, die sich allesamt schon den einen oder anderen Namen in eben dieser Freien Theater Szene gemacht haben und dazu auch noch tolle Menschen sind (Johanna Dähler, Ernestyna Orlowska, Daniela Ruocco). Ein bisschen Kuration kann ja nicht schaden, dachte man. Offene Formate bringen ja immer gewisse Gefahren mit sich. Stichwort: Fremdscham. Dieser Abend aber, dachte man auch, hat Potential. Die Moderatorinnen waren sympathisch, der Keller voll, die Laune gut, die Festtage vorbei, das Jahr auch bald und alles liebevoll schräg dekoriert.
Was folgte war leider grösstenteils unbefriedigend: Die Auftritte von selbstverliebt bis gespielt schüchtern, aber alle mit dem gemeinsamen Problem, dem Sich-nicht-Ernst-Nehmen.



Alle PerformerInnen konnten etwas – ein bisschen. Aber in dem sie sich sich entweder über sich selbst lustig gemacht haben oder über ihre Figur oder darüber, was sie zeigten, bekamen die Auftritte allesamt etwas angestrengt Ironisches. Es fehlte Ernst und Mut an allen Ecken und Enden. Der Tänzer, dessen Ständchen, Balletteinlage und zeitgenössiches Auf-den-Boden-Werfen in seiner Ziellosigkeit spannend hätte sein können, durch Slapstick-Einlagen, aber peinlich wurde, der Typ, der einfach nur da stand und seinen Atem mit Mikro verstärken liess und der vielleicht vor 50 Jahren revolutionär gewesen wäre, die kraftlose und nicht neue Gesellschaftskritik als Gesang à la Nina Hagen und das Mädchen, das einen langweiligen Text vorlas, der nicht besser wurde, weil er in Englisch war und sie so tat, als wäre das alles furchtbar intim. Nicht mal die Schlagersängerin, deren Stimme wunderschön und deren Texte über ihren Job im Museum eigentlich ganz lustig waren, brachte den nötigen Ernst auf, der den Auftritt rund gemacht hätte, sondern verpasst absichtlich Einsätze.
Und wenn darauf noch eine Massen-Hypnose durchführt wird, in der gesagt wird, dass man mit der Kunst aufhören soll, es habe alles doch gar keinen Sinn, dann kriegt ein solcher Abend eine komische Tragik, die schwer zu ertragen ist. Zugegeben: Es ist eine schmaler Grad, der sorgsam studiert werden will, zwischen Ernsthaftigkeit und Verbissenheit, zwischen Augenzwinkern und Blödeln.
Der okayste Moment kam erst zum Schluss, als der Award für den besten Nebenjob verliehen wurde und das Publikum aus dem Nähkästchen plauderte und man erfuhr, dass wer im Desperados arbeitet, die Gäste zwangsduzen muss und es im Westside gekühlte Schliessfächer für die Einkäufe gibt.
Schade, war der Abend nicht so, wie diese Geschichten: spontan und unprätentiös.
Merke: Selbstironie ≠ nicht Ernst nehmen, was man tut ≠ sich zu wichtig nehmen
Und ja, natürlich soll so eine Bühne auch Raum sein sich auszuprobieren. Schade nur, wenn das Zuschauen keinen Spass macht.
Anfügen möchte ich aber, dass es durchaus sein kann, dass eine zweite Ausgabe dieses Formates toll wird. Denn das Risiko der offenen Bühnen ist auch ihr Potential: Sie sind so gut wie ihre Performer. Dieses Mal leider nicht so gut.
Der Grelle Keller findet das nächste Mal am 28.3.2016 im Schlachthaus Bern statt. Anmelden kann sich jede/r, die/der etwas zeigen möchte.