Archiv für die Kategorie ‘Wüsten & Oasen’

Würste gefällig?

Miko Hucko am Dienstag den 1. März 2016

l’endroit perdu, der verlorene Ort, ist so verloren nicht, sondern (fast) monatlich zu finden im Schlachthaus Keller. es ist eine semi-kuratierte offene Bühne, was manchmal für tolle Qualität und manchmal für Überraschungen sorgt.

dieser Ort ist jede Ausgabe unter einem anderen Motto zu finden, diesmal war es ein Ort des Wahnsinns und des Freisinns. in der ersten Hälfte Kurzdarbietungen, die nett waren (Douglas Adams würde sagen, mostly harmless): ein Kurzfilm mit klassischer Vater-Sohn Problematik, Fotograf_innen, die ihre Bilder erklärten und einige kolumnenartige Texte. die zweite Hälfte war der Bunkerschau, einer losen Gruppe aus Studierenden, gewidmet. und die hatte es in sich.

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im Stile einer Nachrichtensendung mit guyler Moderation singen die Würstchen von Googly-eyes, erläutern Polizeisprecher die Verhältnismässigkeit von Enzian, darf geraten werden ob Gandhi oder Globi, werden Tell-Statuen aus Eis und Heissleim gebastelt, und Menschen aus dem Publikum neu eingekleidet. ein Highlight aus den Köpfen der ungefähr 12-köpfigen Truppe (?) war die Erfindung der Wahnsinnig Freisinnigen Partei (wir labilen) WuFDP, deren Onomatopoetiken und Entscheidungsrituale die gegenwärtige Politik köstlich ad absurdum führen. nach einer digitalen Märchenstunde und einer abschliessenden Schokokusschlacht ist wirklich weder Auge noch Hirnzelle trocken geblieben – da verzeiht frau sogar eine halblustige Zschäpe-Einlage.

 

der nächste l’endroit perdu findet am 25. April 2016 im Schlachthauskeller statt. über die nächste Bunkerschau ist der Autorin nichts bekannt.

Raus aus der Puber-tät

Saskia Winkelmann am Dienstag den 23. Februar 2016

PUBeR. Wenn “taggen” wie markieren funktioniert, dann war Puber einer der mächtigen Hunde in vielen Städten in Europa.

Vor allem in Wien hatte es um den Zürcher Sprayer, dessen Schriftzug auch in Bern oft zu sehen war und ist, einen seltsamen Kult gegeben. Im Frühling 2014 waren plötzlich in der ganzen Stadt Wien “Puber”-eien aufgetaucht und die Leute schimpften über die schamlosen Schmierereien oder feierten ihn als Rebell. Verurteilt wegen Sachbeschädigung wurde er im Sommer 2015.

Ein Jahr danach gibt es nun in der Wiener Galerie Ho eine Puber-Ausstellung.
Ein guter Zeitpunkt, um wiedermal die Frage in den Raum zu stellen, was eigentlich Kunst genau ist, wo sie anfängt und wo aufhört.

Hier lesen, wie die Vernissage war.

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© Marco Leimer

 

 

Brachen beleben

Miko Hucko am Samstag den 20. Februar 2016

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rriiieeesiig! die Brache beim Warmbächli an der Güterstrasse zwischen Ausserholligen und Güterbahnhof. und seit heute Mittag offen für alle, die sie beleben wollen. nice, wenn die Bevölkerung sich Platz nehmen darf, und sei es nur für begrenzte Zeit (bis ca. 2018, aber das ist ja noch hin!). weitere Infos hier. einen kleinen Teich mit interessanten Schwimmobjekten hat’s jedenfalls schon. auf Weiteres!

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«Sie wollen, dass alles bleibt, wie es nie war in diesem Land»

Saskia Winkelmann am Samstag den 20. Februar 2016


Wir unterbrechen unser Programm kurz für eine dringende Durchsage.

Abstimmungswochenende ist in einer Woche! Zeit die Kreuzchen zu setzen!
KSB sagt NEIN zur Durchsetzungsinitiative und sagt es mit den Worten dieser Berner Künstler:

  • Jürg Halter schreibt einen offenen Brief (hier lesen) an die Schweizerische Volkspartei:
    «(…) Von einer gerechteren Welt ist nicht nur zu träumen, sondern auch konkret dafür einzustehen. Immer wieder. Ein Leben lang. (…)»10399563_1395549027413328_813305665204590779_n

Danke für Ihre Aufmerksamkeit!
Wir stimmen am 28. Februar 2016 NEIN zur Durchsetzungsinitiative.

ProjektmanagerIn gesucht

Gisela Feuz am Dienstag den 16. Februar 2016

Ein KSB-Lieblingskind braucht Ihre Hilfe: Le son d’été. Sie wissen nicht, was Le son d’été ist? Dann stellen Sie sich jetzt eine halbe Stunde lang in die Schämi-Ecke und lesen dann unten weiter.

Le son d’été ist das Projekt, welches Bands für kleine, sommerliche Auftritte in Gärten oder Innenhöfe vermittelt und zwar nach sympathisch nicht-kommerzieller Manier. Das heisst, es fliesst kein Geld, sondern die Gage wird mit einem Tauschhandel festgelegt. 2016 feiert Le son d’été bereits den 5. Geburtstag, wobei in den vergangenen Jahren 80 Bands rund 200 Konzerte in Bern, Basel und Zürich vor ca. 4’000 Zuhörenden gespielt haben. Bis anhin hat hauptsächlich Musiker Patrik Zeller die Organisation von Le son d’été gestemmt und wer schon einmal ein Projekt in dieser oder ähnlicher Form lanciert hat, der/die weiss: Das bedeutet tami viel Arbeit zu einem kümmerlichen Idealisten-Löhnchen.

project-managementEr sei zwar mit Hyperaktivität gesegnet, liess Herr Zeller verlauten, aber die Zeit reiche einfach schlichtweg nicht mehr, um all seine Projekte unter einen Hut zu bringen, zumal es zu Hause ja auch hungrige Kinder-Mäuler zu stopfen gilt. Entsprechend ist er nun also auf der Suche nach einem Projektleiter oder einer Projektleiterin, der/die sich Le son d’été annimmt. Die Arbeit ist vielseitig, umfasst sie doch vom Auftreiben von Geldern, über die Vermittlung von Bands bis hin zur Qualitätskontrolle – Band gut? Würste durchgebraten? Am Schluss alle besoffen? – unterschiedlichste Aspekte.

Gehören Sie zu den Idealisten/Idealistinnen, welche diese Welt ein ganz klein wenig besser machen wollen, indem Sie Kunst und Kultur in Gärten, Hinterhöfe oder auf Balkone bringen? Oder wollten Sie ganz einfach schon immer mal eine Visitenkarte haben, auf der «Projektleiter/in» gedruckt steht? Dann finden Sie hier entsprechende Infos und Kontaktmöglichkeiten.

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Saskia Winkelmann am Samstag den 13. Februar 2016

Liebes KSB
Ich schreibe Dir aus dem grossen B. im Osten; und es ist nicht Berlin.
Es wird behauptet die Kulturszene dieser Stadt sei wahnsinnig aufregend und einzigartig, frisch, jung und wild – wie es auch von einigen anderen Hauptstädten der umliegenden Ländern gesagt wird. Ich habe nicht viel Zeit (WLAN), denn die Feldforschung wartet. Uns tut alles noch ein bisschen weh, von Tanzen und Lachen und vom Rakia. Wir haben uns heute Morgen in strömenden Regen verlaufen und kyrillische Strassenamen versucht zu entziffern (und auszusprechen). Heute: Rumlaufen und Essen! Morgen: Rumlaufen und Essen und… ehm… Kultur (und Rakia).
Bis bald.
Liebe Grüsse aus Belgrad, Stadt der Klimaanlagen,
S.

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gegenaufgeklärt

Saskia Winkelmann am Freitag den 22. Januar 2016

Gegenaufklärung ist ein tolles Wort. Noch schöner ist es in Neonlettern geschrieben und über eine Bühne gehängt. Es macht viel auf und verbaut nichts. Ausgerechnet das Konzert Theater Bern veranstaltet die Talkshow von und mit Jürg Halter. Die in der Ankündigung verspricht “das Show-Prinzip“ zu „unterlaufen“. Passt das zusammen? Geht das? KSB war in der 2. Ausgabe der Reihe dabei.

Zum Anfang seiner selbsternannten Anti-Talkshow liest Jürg Halter, gekleidet in etwas, das später als grauer Overall in Erinnerung bleibt, ein Pamphlet, mit dem er das Publikum aufklärt über Dinge, die wir schon wissen, sich dafür entschuldigend, dass wir sie schon wissen. Dass die 62 Superreichen zum Beispiel so viel besitzen wie… Sie wissen schon. Impliziert ist natürlich der Vorwurf, dass sich niemand empört, obwohl wir sehen, was schief läuft. Das aufgeklärte, selbstkritische Theaterpublikum nickt zustimmend – in seiner Komfortzone der Kunst, ist es sicher. (Es klatscht einer im Publikum laut bei den Wörtern Fondue und Münchenbuchsee, die später an diesem Abend fallen.) Der Vorwurf ist richtig. Und Halter ist wütend und verzweifelt über die Welt. Er formuliert das immer wieder sich stoisch wiederholend auf Facebook, in Kolumnen, in seinen Gedichten. Auch heute auf der Bühne.

Gegenauflärung_KonzertTheaterBern_Foto:Michael_Schaer

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Winterspaziergänge mit Transform

Roland Fischer am Dienstag den 19. Januar 2016

Schöne Übersichtskarte zum fünften Transform-Streich im wilden Westen:

Worauf man sich besonders freuen darf: Die AS-Bar – ein wunderbar aus der Zeit gefallenes Lokal an der Schlossstrasse, gleich bei der Haltestelle Steigerhubel. Jeweils am Freitag wird der Rundgang zu den Aktionsorten am Schluss ins AS führen, das dann ab 20 Uhr mit Live-Musik gehörig transformiert wird. Mal sehen, was die Stammkundschaft dazu sagt. Oder auch die Kunden des Star Market Lory.

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Zukünfte? in greifbarer Nähe

Miko Hucko am Mittwoch den 30. Dezember 2015

Postkarte aus Hamburg ist das hier, irgendwie. Viel eher ist eine Postkarte aus einer anderen Realität, die sich hier eingenistet hat. Ich schreibe Ihnen von der 32c3, dem 32 Chaos Communication Congress. Ich sitze in einer riesigen Halle in einem Wohnwagen (siehe Foto) auf dem Boden, mit einem Laptop auf den Knien – ein sehr weitverbreitetes Bild.

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Es gibt natürlich Talks (wie vorhin, um 00:15 / der letzte über den BND, fast ein kleines Theater) und Messestände verschiedener Hackervereinigungen (wie die queer feminist geeks), wie das so zu erwarten ist. Die Stimmung ist aber eine ganz andere – überall werden Zettel aufgehängt, Workshops angeboten, Dikussionen angestossen, es wird getantzt, gespielt, gelacht was das Zeug hält. Ideale Bedingungen, um Zukünfte zu köcheln.

Für weitere Bilder und Eindrücke geben Sie am besten #32c3 auf Twitter ein.

Schade eigentlich ODER die Veranstaltung, die ich gerne gut gefunden hätte

Saskia Winkelmann am Dienstag den 29. Dezember 2015

Gestern fand zum ersten Mal die offene Bühne „Greller Keller“ im Schlachthaus statt. Die Vorzeichen standen gut.

Es hätte was werden können. Die neue Freie-Szene-Offene-Performance-Theater-Kunst-Ausprobier-Bühne-Reihe des Schlachthauses „Greller Keller“ wird von drei Frauen kuratiert, die sich allesamt schon den einen oder anderen Namen in eben dieser Freien Theater Szene gemacht haben und dazu auch noch tolle Menschen sind (Johanna Dähler, Ernestyna Orlowska, Daniela Ruocco). Ein bisschen Kuration kann ja nicht schaden, dachte man. Offene Formate bringen ja immer gewisse Gefahren mit sich. Stichwort: Fremdscham. Dieser Abend aber, dachte man auch, hat Potential. Die Moderatorinnen waren sympathisch, der Keller voll, die Laune gut, die Festtage vorbei, das Jahr auch bald und alles liebevoll schräg dekoriert.

Was folgte war leider grösstenteils unbefriedigend: Die Auftritte von selbstverliebt bis gespielt schüchtern, aber alle mit dem gemeinsamen Problem, dem Sich-nicht-Ernst-Nehmen.

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Alle PerformerInnen konnten etwas – ein bisschen. Aber in dem sie sich sich entweder über sich selbst lustig gemacht haben oder über ihre Figur oder darüber, was sie zeigten, bekamen die Auftritte allesamt etwas angestrengt Ironisches. Es fehlte Ernst und Mut an allen Ecken und Enden. Der Tänzer, dessen Ständchen, Balletteinlage und zeitgenössiches Auf-den-Boden-Werfen in seiner Ziellosigkeit spannend hätte sein können, durch Slapstick-Einlagen, aber peinlich wurde, der Typ, der einfach nur da stand und seinen Atem mit Mikro verstärken liess und der vielleicht vor 50 Jahren revolutionär gewesen wäre, die kraftlose und nicht neue Gesellschaftskritik als Gesang à la Nina Hagen und das Mädchen, das einen langweiligen Text vorlas, der nicht besser wurde, weil er in Englisch war und sie so tat, als wäre das alles furchtbar intim. Nicht mal die Schlagersängerin, deren Stimme wunderschön und deren Texte über ihren Job im Museum eigentlich ganz lustig waren, brachte den nötigen Ernst auf, der den Auftritt rund gemacht hätte, sondern verpasst absichtlich Einsätze.
Und wenn darauf noch eine Massen-Hypnose durchführt wird, in der gesagt wird, dass man mit der Kunst aufhören soll, es habe alles doch gar keinen Sinn, dann kriegt ein solcher Abend eine komische Tragik, die schwer zu ertragen ist. Zugegeben: Es ist eine schmaler Grad, der sorgsam studiert werden will, zwischen Ernsthaftigkeit und Verbissenheit, zwischen Augenzwinkern und Blödeln.

Der okayste Moment kam erst zum Schluss, als der Award für den besten Nebenjob verliehen wurde und das Publikum aus dem Nähkästchen plauderte und man erfuhr, dass wer im Desperados arbeitet, die Gäste zwangsduzen muss und es im Westside gekühlte Schliessfächer für die Einkäufe gibt.

Schade, war der Abend nicht so, wie diese Geschichten: spontan und unprätentiös.
Merke: Selbstironie ≠ nicht Ernst nehmen, was man tut ≠ sich zu wichtig nehmen

Und ja, natürlich soll so eine Bühne auch Raum sein sich auszuprobieren. Schade nur, wenn das Zuschauen keinen Spass macht.
Anfügen möchte ich aber, dass es durchaus sein kann, dass eine zweite Ausgabe dieses Formates toll wird. Denn das Risiko der offenen Bühnen ist auch ihr Potential: Sie sind so gut wie ihre Performer. Dieses Mal leider nicht so gut.

Der Grelle Keller findet das nächste Mal am 28.3.2016 im Schlachthaus Bern statt. Anmelden kann sich jede/r, die/der etwas zeigen möchte.