Sternschnuppen am Nachthimmel, ganz Bern tanzt zur Temporärmusik. Vergessen wir die Treue nicht. Alles Gute unter der Brücke!

Schützenmatsch. (Franziska Scheidegger)
Es ist Sommer und die Sandsteinstadt mal wieder in der Manischen: Holzbühnen, Siebdruck, Volksküchen allenthalben, überall schöne kleine Projekte zur Verlustierung und politischen Wohlfühlmassage. Ein Hauch von Grossstadt eben, sagen sich die Berner*innen stolz, aber leise. Auch dem Sommer ist es nicht hunnipro geheuer: Er schickt das Städtchen zurück ins Grau und verhängt Nieselnächte bei 11° Celsius – nicht gleich «meinen» und schön demütig bleiben. Hopp YB.
Ein guter Grund für kulturpolitische Demut feierte gestern sein Vierteljahrhundert. Das «Sous Le Pont», Hausrestaurant der Reitschule. File under: stadtweit beste Frittes (ausser bei bisweilen allzu verliebter Besalzung und nebst überhaupt recht vielseitiger Karte zwischen kulinarischer Ambition und saisonaler Bodenhaftung) und im wortwörtlichen Volksmund liebevoll «Souli» geheissen. Und so zeitgeistig sich dieses Geburtstagsfest gerierte mit flockig Freiluft-Dayrave und DJ-Culture und so, als wäre auch hier nur die Lust am Flüchtigen zu zelebrieren, so ungleich grösser ist das Verdienst dieses Hauses.
In der Zwischennutzungs-Euphorie geht nämlich manchmal fast zverlieren, wer erstens im Winter die Stellung (in dem Fall: die Stallung) hält, wenn der Glasbrunnen versiegt und Schneematsch liegt auf der Schütz und die Boys mal wieder zehn oder mehr Punkte Rückstand bejammern. Wer sieht dann zu, dass es was zu festen gibt, Obdach ist für die nächtliche Herumtreiberei von uns Tagedieben und eine Flasche Grappa bereitsteht, wenn einem die Frau das Bett verwechselt hat?
Zweitens sind es gerade diese Instiutionen, die unter widrigsten Umständen und im eiskalten Klima bürgerlicher Verstocktheit gekämpft haben: Dafür, dass wir heute mal eben gemütlich bei der Stadt anklopfen können, für einzwei lustige Tage, Wochen oder Monate einen Flecken zwischennutzen können und noch gäbig ein paar Kisten Kulturgeld hinterhergeworfen bekommen, sobald wir «Interdisziplinarität» richtig schreiben können. Ist das nicht schön? Sicher doch. Ist es selbstverständlich?
Ein paar Identitätsfragen sollten wir also nicht zu faul sein, sie zu stellen. Bei all der Freude an der sommerlichen Temporär-Diversität, gegen die ich hier nicht anzuschreiben gedenke, sie mitfeiere und selbst mitgestalten will. Institutionen wie die Reitschule sind im Gegenteil sogar darauf angewiesen, dass neue Akteure die Initiative ergreifen und die Bürde verschiedenster sozialer Bedürfnisse mitschultern, die von der Reitschule als Kuckucksmutter des Berner Nachtlebens immer selber getragen werden muss. Aber eben: Nachhaltigkeit hört nicht auf mit der Wahl des richtigen Mehrweggeschirrs.
Mein fav boy Urs, wie so oft mit dem Durchblick zwischen Stil und Standpunkt – du hast diese kulturpolitischen Fragezeichen bei verschiedenen Gelegenheiten schon anklingen lassen und nichts mehr als ein Anschluss daran sind meine Worte: Don’t forget your Brasserie, your Eidgenossen, verleugnet nicht den Internationalen Strobo Club, das Ross, die Cafete nicht, das Kapitel nicht und den Dachstock nicht, landet spät in der Casa M oder verendet klinisch tot beim Henkerbrunnen, auch wenn der Sommer glauben macht, sie alle seien gar nicht nötig.
Und meinem lieben Souli Alles Gute, du alte Sau.