Archiv für die Kategorie ‘Wüsten & Oasen’

Geschenkbeutel 2013

Benedikt Sartorius am Mittwoch den 18. Dezember 2013

Das Kulturblog Ihres Vertrauens öffnet den Geschenketippsack:

Herr Sartorius schenkt:
blowoutcombZu Wiederveröffentlichungen darf man ein gespaltenes Verhältnis pflegen. Oft werden sie ohne wirklichen Mehrwert protzig aufgemotzt, oft sind sie schlicht zu teuer, doch zuweilen werden – zumal für Nachgeborene – Perlen urbar. So erging es mir mit der schön gestalteten LP-Reissue der Platte «Blowout Comb» der Digable Planets, die ich mir immer wieder und sehr gerne gebe. Das Beste an diesem Werk in der vorhandenen Form: es gibt kein Bonus-Material und keinen Download-Code. Nur das Doppel-Vinyl, Liner-Notes und diese slicke Musik, die unsterblich scheint. Und damit schenkt «Blowout Comb» auch sehr viele schöne Stunden vor der Heimstereo-Anlage.

Herr Zellweger schenkt:
seedballs
Kultur im eher weiteren Sinne: Seedballs von der Berner Wohnzimmer-Firma Gorilla Gardening. Die handgerollten Lehmkugeln sind der wohl einfachste Weg, etwas wachsen zu lassen: Kugel platzieren – und warten. Wer will darf auch noch etwas giessen. Sieht hübsch aus, kommt aus der Stadt und ja, man unterstützt damit sogar noch ein Gorilla-Schutzprojekt. Gibt’s im Kitchener, bei Klex in der Herrengasse oder im Internet.

Fischer findet:
Man hat ja eigentlich schon alles, aber das hat bestimmt noch keiner: Eine ferngesteuerte Kakerlake. Und zwar nicht die lebende, die unlängst für Kontroversen gesorgt hat, sondern Hightech mit Witz aus China. «When we receive the sample from factory, we show it to the everyone in the office, all were laughing and ask where to buy…» – hier. Nur schade, ist noch keine Kamera eingebaut, aber das kommt sicher beim nächsten Upgrade.

Miko meint:
Wirklich gute Geschenke kann man nicht kaufen, weil, eben, man ja eigentlich alles schon hat. Das ist jetzt ein sehr schlechter Tipp, aber wenn Ihnen ausser schon wieder einem Buch, Film oder einer CD nichts mehr in den Sinn kommt – schenken Sie Zeit. Egal wie: Zeit draussen, Zeit zum Kochen, gemeinsame Zeit. Zeitlos.

Aus den Gerüchteküchen

Roland Fischer am Freitag den 13. Dezember 2013

Räume, Räume, Räume. So langsam könnte man den Eindruck bekommen, dass es um nichts anderes geht in dieser Stadt. Seit 2003 hatte Myriam Prongué im Schlachthaus ihren festen Raum in der Berner Kultur, nun gibt sie ihn (ein wenig schweren Herzens, ist immerhin anzunehmen) auf, um künftig von weiter oben, bei der Pro Helvetia, die Fäden zu ziehen. Und dabei wurde doch gerade erst umgebaut in ihrem Haus – ein vielleicht ja umso besserer Moment für einen Führungswechsel. Fehlen wird Myriam Prongué dem hiesigen Kulturleben aber auf jeden Fall. Für die Nachfolge ist noch alles offen – man darf gespannt sein, was die neueste Berner Bühnenchefrochade bringen wird.

Währenddessen ist das Auawirleben, das ja ebenfalls seine kleinen Räumlichkeiten im Schlachthaus hat, fleissig an den Vorbereitungen für die nächste Ausgabe vom Mai 2014. Und da nimmt man sich buchstäblich Grosses und vor allem Grossräumiges vor. Viel darf man noch nicht verraten, aber das Festivalzentrum wird dieses Mal ein besonderer Wurf, wenn man der Gerüchteküche glaubt. Eine sehr handfest betriebene Gerüchteküche gab es übrigens vor ein paar Wochen in der Lorraine, aber dazu sollte man auch nicht viel mehr verraten, weil sie ja schon wieder vorbei ist und weil man die Lebensmittelinspektoren nicht aufscheuchen will, wo es nichts mehr zu inspizieren gibt.

Mehr verraten sei dagegen von der nächsten Transform-Ausgabe, die heute in einem Monat startet. Da versucht man gewissermassen eine künstlerische Dialektik und führt in der dritten Versuchsanordnung zusammen, was die erste und zweite an guter Erfahrung brachten. Das Kleinräumige, das bei der ersten Ausgabe zur kollektiven Arbeit und zum disziplinenverschränkenden Ineinander der Werke zwang, soll auch in der weitläufigen Spielwiese an der Güterstrasse stärker forciert werden. Die schöne Bühne, die das Fabrikareal letztes Jahr für alle möglichen Auftritte und Performances bot, soll aber wieder ähnlich bespielt werden, jeweils am Freitag abend. Und man wird sich hoffentlich wieder zahlreich einfinden, möglichst neugierig und inspizientenlos.

Wird es ein Geschenk?

Roland Fischer am Montag den 9. Dezember 2013

Die Initiantinnen vom CO-Labor sind sich bei ihrer gestrigen Jux-Adventskalender-Aktion nicht so sicher: (K)ein Geschenk nennen sie die Verpackungsaktion im Wyler-Quartier.

jux, co-labor

Was da anfänglich so hübsch und harmlos nach Christo aussieht, hat allerdings einen hörbaren politischen Unterton: Das verpackte Gebäude, bis vor ein paar Monaten als Moschee genutzt, muss bis zum Abbruch leer stehen, weil die Behördenwege wieder mal zu lang und verwirrend sind, um da eine Zwischennutzung möglich zu machen. Also gilt einmal mehr: Im Zweifel für die Leere.

Auch für Monate leer stand übrigens die letzte Transform-Liegenschaft an der Güterstrasse 8, wo nach der letzten Kunst-Invasion doch eigentlich sofort der Abriss hätte kommen sollen. Nun bekommen die Macher nochmals einen Hausschlüssel und bespielen die Räumlichkeiten ein zweites Mal, vom 10. Januar bis am 28. Februar 2014. Mehr Infos dazu folgen, sobald das detaillierte Programm steht.

Unabhängig bleiben!

Roland Fischer am Montag den 25. November 2013

Heute mittag wurde auf der Bundesterrasse die Charta 2016, eine Petition für unabhängige Kunsträume, eingereicht. Fast 2500 Unterschriften sind über die Sommermonate in Sachen «Hundert Räume geben mehr Licht als ein Leuchtturm» zusammengekommen. Die Charta verlangt, der Bund solle noch einmal auf den Entscheid von 2011 zurückkommen, als auf ziemlich trockene Weise die Kunst-Offspaces finanziell trockgelegt wurden. Ein fröhliches Häufchen um Marks Blond, Stefan Wagner und Chris Frautschi feierte die Übergabe des Petitionspakets und sogar der Sicherheitsdienst kam noch vorbei, für eine schöne Ad-hoc-Performance. Sage noch jemand, Kunst werde nicht wahrgenommen in dieser Stadt.

charta 2016

Ein loser Kreis von Berner Kunstschaffenden rüstet sich derweil für die besinnlichen Tage und beschert der Stadt einen etwas anderen Adventskalender namens «JUX». Öffentliche Gelder? Drauf geschissen! Öffentliche Orte? Drauf gehockt! Öffentlicher Raum? Drin gespielt! Man darf gespannt sein, was da im Stadtraum so passieren wird den ganzen Dezember durch.

Das Schlachthaus und die Arche Noah

Miko Hucko am Freitag den 8. November 2013

Es riecht jetzt etwas anders im Schlachthaus Theater, aber nur ein bisschen, und wahrscheinlich verweht dieser Duft, wie ihn frisch umgebaute Gebäude haben, bald wieder. Viel hat sich nicht verändert, der Charme des Hauses bleibt erhalten, einzig mit dem neuen Foyer habe ich mich noch nicht ganz anfreunden können, es ist halt irgendwie so abgeschlossen. Die für regelmässige Besuchende wohl erquickendste Neuerung sind die gepolsterten Sitze, endlich ohne Rückenschmerzen das Theater verlassen!

Bilder des Inneraums gibt’s jetzt extra nicht, das müssen Sie sich schon selber anschauen. Dafür hier der rote Teppich, der zur Feier des Abends ausgerollt wurde. Ich finde, er macht sich ganz gut da, auch wenn die Gäste sich dann eher daneben gestellt haben als drauf.

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Natürlich wurde dann nicht nur über Architektur gesprochen und getanzt, sondern es gab ein Stück zu sehen. Wie das im Theater so ist. Gezeigt wurde ARCHIV [2]: KRIEG, auf der Bühne drei junge Frauen, eine Puppe und ganz schön viel Gerümpel. Das Gerümpel dient nicht nur zur Deko oder dem Bespielen, sondern lässt sich gut als Metapher sehen für diese Archivtätigkeit, die da betrieben wird. Aufgeräumt wird nicht wirklich mit der Vergangenheit, sie wird zerklittert, hervorgeholt und wieder begraben unter einem der zahlreichen Militärdrills, die das Stück rhythmisieren und auch einen grossen Teil der einenhalb Stunden ausmachen. Die Kriegsgeschehnisse werden eher so nebenbei aufgetischt, wie der Kohl, der den ganzen Abend lang vor sich hin köchelt. Dazwischen gibt es immer wieder (mir) rätselhafte Spielsequenzen mit der Puppe des kleinen Jungen und seiner Schildkröte, im wilden Potpourri mit Bezügen auf die Theatersituation und die Schauspielerinnen selbst. Diesen Beitrag weiterlesen »

KSB-Heimatkunst, 3008 Bern

Roland Fischer am Donnerstag den 3. Oktober 2013

Achtung, Gaskessel unter Druck. Gestern war es im Bund zu lesen:

Weil auf dem Berner Gaswerkareal gebaut werden soll, gerät das Jugendzentrum Gaskessel unter Druck.

Vielleicht sollte sich jemand beizeiten daran machen, da mal ein wenig Druck abzulassen. Ich meine, nicht, dass uns wieder eine Jugendbewegung um die Ohren fliegt. Im Kessel drin können die sich ja sonst gern noch ein wenig bewegen.

Gaskessel_druck

Adieu, liebgewonnene Bars

Benedikt Sartorius am Mittwoch den 25. September 2013

Die Zeit der Zwischennutzungen läuft in diesen goldenen Herbsttagen langsam ab – und so gehen die beiden liebgewonnenen Bars auf dem Serini-Areal an der Lorrainestrasse in ihre letzten Runden.

Die kleine Pneu-Bar feiert ihr Ende mit einer letzten Überzeitbewilligung – und zwar bereits am Freitag. Es wird dort noch genügend Flaschen des Süssweines Kina Karo haben, den designierten Lillet-Nachfolger des Jahres 2014. Ansonsten gibts Bier, und das ist auch nötig und sehr gut.

Mit einem ausgewiesenen und grosssen Kulturprogramm feiert die Serini Bar das grosse Finale. Dieses beginnt bereits heute Abend mit Wilhelm & Thelma und dauert bis am 5. Oktober. Der widerspenstige Akkordeonist Hans Hassler wird dort sein (am Sonntag), Heidi Happy auch (morgen Donnerstag), wie auch unser Herr Fischer am erzählenden Montag. Auch hier wird man einkehren, ein letztes Apéro-Plättli bestellen, bevor man sich abseilt oder einmummelt in die Heizdecken.

Sommer in der Stadt

Kurz: Bern darf sich noch einmal über diese beiden Zwischen-Lokale freuen, die bei allen Widrigkeiten eine Lücke im Gastroangebot geschlossen haben und zu einem gefühlten Grossstadt-Leben in diesem Sommer erheblich beigetragen haben. Merci für das, liebe BetreiberInnen!

Teil der Stadt sein

Roland Fischer am Dienstag den 24. September 2013

Kunst im öffentlichen Raum hat mitunter einen – Achtung Kalauer – schweren Stand. Leicht geht sie verloren im Wimmelbild einer ganz und gar nicht musealen Ausstellungssituation, zu beiläufig wird sie oft wahrgenommen, als Deko im Stadtraum. Dabei gibt es da so einiges, das ein genaueres Hinsehen lohnt – vor allem, wenn man die Geschichte des Werks ein wenig besser kennt.

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Ein kleines und fein gemachtes Vademecum will da für den Platz Bern Abhilfe schaffen, indem es auffordert, bePArt zu sein – uns Betrachter und vielleicht auch die Werke in ihrer Passivität, mit der sie sich (könnte man meinen) etwas gar bereitwillig abgefunden haben. Herausgegeben von einer Gruppe von Künstlern, Kunsthistorikern und Architekten (Susanne Goldschmid, Stephan Rutishauser, Sefanie Schüpbach, Niklaus Wenger) und gestaltet von den Dampfzentrale-Erneuerern Maison Standard, versucht das kleine und kostenlose Heftchen nicht einfach ein Inventar, sondern will darüber hinaus mit Thementexten zur Kunst im öffentlichen Raum dazu anregen, «über die Geschichte, den Wert und die Zukunft dieser viel diskutierten und oft missverstandenen Kunstgattung nachzudenken».

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Das Heftchen gibt es bei Bern Tourismus, dem Kunstmuseum Bern, im Adrianos und in der Galerie Bernhard Bischoff. Am Donnerstag wird die Veröffentlichung mit einer Vernissage in der Milieu Galerie gefeiert.

Endlose Sommer-Sonne

Benedikt Sartorius am Sonntag den 22. September 2013

In diesen Tagen dürfte man unter viele Bilder, die mit dem Smartphone der Wahl geschossen werden, das seit einiger Zeit florierende Echtheitszertifikat «No Filter» hinschreiben. Denn endlos goldig scheint der herbstliche Sommer-Sonnenschein, und sobald dieser die kleinen Sonntags-Augen zusammenkneifen lässt, ist bei mir traditionell die Saison für die Platte «Summer Sun» der beliebten Band Yo La Tengo anbgebrochen. Das wissen Sie wahrscheinlich bereits, doch heute ist einer der Tage, in denen ein Lied wie «Tiny Birds» unschlagbar erscheint. Lied ab!

nofilter (Der Rosengarten am 15.9., no Filter!)

Die Gassenarbeit feiert Geburtstag

Gisela Feuz am Freitag den 13. September 2013

«Aber wiso amene Donschtig?!» Die Frage war gestern in der Reitschule allgegenwärtig. Die Kirchliche Gassenarbeit Bern feierte ihr 25-jähriges Bestehen im Rössli und im Dachstock und hatte dafür nicht weniger als sechs Bands eingeladen. Irgendein zynischer Scherzkecks vor Ort meinte, dass sich die Gassenarbeit wohl zukünftige Kundschaft sichern wolle und deswegen an einem Donnerstag feiere. Ruedi Löffel, der selber mit Isabel Calvo und Ursula Aellen im operativen Bereich der Gassenarbeit tätig ist, grinste ob dem derben Spruch, berichtigte und erklärte aber dann. Man habe explizit den Donnerstag ausgewählt, weil man Leute beim Fest dabeihaben wollte, welche die Institution, den Geburtstag, den Anlass und die Konzerte zu würdigen und schätzen wüssten, und nicht einfach partywütige Teenager, denen es nur darum gehe, sich die Kante zu geben.

Geschätzt wurde das Fest und vor allem die Programmation der Konzerte sehr. Den Start machte im Rössli Electric Menic, die Budget Boozers sorgten dann im Dachstock mit ihrem vergnüglichen Garagenrock für die erste ordentliche Verspätung im Zeitplan und die werten Herren Monsters, über die ja hier bereits ausgiebig berichtet wurde, legten ein wildes, hartes wenn auch etwas leises (ahahaa) Konzert auf die Dachstock-Bretter. «Die wärde immer wie dadaistischer», kommentierte Herr Zeno Tornado die repetitiven und reduzierten Song-Strukturen von Beat-Man und seinen Mannen.

monsters

Besagter Herr Tornado beschallte zu späterer Stunde mit seinen Core-Set das Rössli, zuvor wurde die Dachstockbühne aber noch den beiden Lümmeln von der Revolting Allschwil Posse zur Verfügung gestellt. Es ist immer wieder von neuem ein Vergnügen, den Herren Rufener (BOOB) und Koller (Baby Jail) alias VR Horny und MC Folio dabei zuzuschauen, wie sie zotige Sprüche vom Stapel lassen, genüsslich die pubertierenden Rap-Flegel markieren, mit vergnüglichem Kindskopf-Humor über stinkende Punkerfreundinnen herziehen (in der Reitschule!) und das Publikum als «vollweiche Mammelifigger» beschimpfen.

RAP

Fazit des Abens: Ein grosses Dankeschön gebührt allen MitarbeiterInnen der Kirchlichen Gassenarbeit. Eure Arbeit wird enorm geschätzt, was der grosse Publikumsaufmarsch gestern Abend wohl mehr als deutlich gemacht hat….. und «Kanarievogelfigger» ist ein Wort, das man viel öfters brauchen sollte.

Was Zeno Tornado mit seinen Core-Set im Rössli veranstaltete und zu noch späterer Stunde Mani Porno zusammen mit Raphael Urweider und unserem Herrn Burri, darüber kann Frau Feuz leider nicht berichten. Wer war da? Wie war’s?