Archiv für die Kategorie ‘Tanz & Theater’

Der Narr geht um

julia am Donnerstag den 8. Juni 2006

Alle waren sie da: der Stadtpräsident, die Räte, die Sponsoren, die Freunde, die Gäste, die Helfer. Aber darum solls hier nicht gehen. Nach Ansprachen und Geleitworten, vor Laudatio und Preisübergabe, gewissermassen im Sandwich, oder: im Kern, steht Foofwa d’Imoblité vor einem Spiegel.

Foofwa dImoblité. (Bild: Keystone)Der Genfer ist Gewinner des Schweizer Tanz- und Choreografiepreises 2006 und präsentiert zur Eröffnung der Berner Tanztage sein jüngstes Stück «Benjamin de Bouillis». Es ist ein Solo mit imaginären Gästen über das Selbst und das Gegenüber oder das andere Ich. Hochphilosophisch.

Und komisch. Weil Foofwa so viele Spielmöglichkeiten mit seinem Tänzerkörper hat (er war und ist ein Ausnahmetalent sowohl im klassischen wie im modernen Tanz), sprechen kann (was auf der Bühne nicht alle Tänzer gut können), sein Gesicht gerne in allerlei Fratzen verzieht (der Jim Carrey der Schweiz, wie meine deutsche Sitznachbarin feststellt). Manchmal scheinen seine Ideen in alle Richtungen davon zu stieben.

Zum Glück hat er ein geschicktes Händchen für die Balance und unterlegt (fast) jeden Slapstick mit Substanz. Die Fäden lässt er nie aus der Hand, auch wenn die Glieder ihm buchstäblich nicht mehr gehorchen und ihm das Selbst schliesslich ganz abhanden kommt. Jedes Detail ist durchdacht und immer wieder vermag er zu überraschen (was Kunst, unter anderem, ja spannend macht).

Ganz der Entertainer dann während der Reden: Als Narr nimmt er die 30 000 Franken Preisgeld entgegen. Und wenn man schon nicht mehr glaubt, dass er auch anders kann, hält er noch ein kleines Plädoyer. Für den Tanz in der Schweiz, für angemessene Löhne und bessere Auftrittsmöglichkeiten. Irgendwie kann er einfach zuviel.

Im inneren Ausland

Grazia Pergoletti am Sonntag den 4. Juni 2006

“Wenn der böse Mann tot ist, legen wir uns ins Bett”, singt Peterlicht auf seiner sensationellen neuen CD “Lieder vom Ende des Kapitalismus”. Und es klingt, als wäre er bei den Proben zu “Im inneren Ausland” von Christoph Frick, Suzanne Zahnd und Ensemble dabei gewesen.

Im inneren Ausland“Im inneren Ausland” ist ein aussergewöhnliches, poetisches, überraschendes und momentenweise auch komödiantisches Stück Theater, das geprägt ist von starken Bildern. Ein Abend der einem Aphex-Twin-Videoclip oder einem Film von Matthew Barney näher steht, als einem konventionellen Schauspiel. Und: Ja, ich spiele selbst mit und betreibe hier schamlos Eigenwerbung, aber egal, es ist es mir wert. Unter den ganzen Perücken erkennt mich eh keiner.

Zu sehen gibt es u.a.: Einen Multi-Media-Affen, eine Fiepsbitch, Happyness Worldwide, die Daltons, ein Gruselgretel, denjenigen ohne Rückgrat und die sonderbarste Interpretaion von “Willkommen, Bienvenue, Welcome” ever. Und man hört betört Martin Schützens Songs und Ambients zu.

Um den bösen Mann geht es an diesem Abend, ums Schlafen wollen und nicht können und darum, was passiert, wenn es im Zwielicht zwischen Tag und Nacht keinen anderen Feind mehr zu bekämpfen gibt, als sich selbst.

Bis jetzt war unser Publikum zwar fein, aber klein. Kult ist ja ganz in Ordnung. Trotzdem ist es schade, wenn nicht doch noch ein paar Leute mehr diese Performance sehen. Ein Abend, wie noch selten einer zu sehen war. Am Stadttheater schon gar nicht, aber auch sonst. “Es bleibt uns der Wind, in den wir uns hängen, am Ende”, singt Peterlicht.

Letzte Vorstellungen: Dienstag 6. und Mittwoch 7. Juni um 19.30 Uhr auf der Kornhausbühne.

Who’s bad?

silvia-maria am Freitag den 28. April 2006

Auawirleben 2006 gab gestern den Startschuss: los ging’s mit dem Doppelabend “RAF unplugged” und “Jacko unplugged” von Barbara Weber und Co. im Schlachthaus.

Absolut sehenswert ist der zweite Teil “Jacko unplugged”, Beginn 21.30h. Mit rasantem Tempo begleitet man Fabienne Hadorn, Niels Bormann, Dominique Müller und Arvild Baud durch ein Kaleidoskop der Zeit- und Musikgeschichte der…, ja und jetzt geht’s schon los, ich sag mal: “Menschen mit schwarzer Hautfarbe”.

Die allesamt weißen Schauspieler verkörpern – mit oder ohne schwarze Camouflage – Schwarze und Weiße, thematisieren die Identifikationsprobleme, den Unterschied zwischen Nigger, Wigger (White Nigger) und Wanna-be-Nigger, geben Anleitung zu “how to become a nigger” und das alles wild vermengt und gewürzt mit Soul, Motown, Show-Elementen und immer wieder Michael-Jackson-Songs.

Jacko – “dein ganz persönlicher Zombie, deine Projektion. Megastar, Neverland, Moonwalk, falsche Nasen etc. Ein Theatergenuß. Witzig, sehr unterhaltsam, manchmal haarscharf an der Geschmacklosigkeit vorbeischrammend und mit Augenzwinkern und Selbstironie jegliche “political correctness” des Themas vermeidend und mit beachtlichem gesanglichen Können aller Beteiligten. Unbedingt hingehen.

Tipp: Während den manchmal zu epischen semi-dokumentarischen Passagen den Blick nach rechts zu Arvild Baud wenden. Es lohnt sich.

KünstlerInnenbörse in Thun

Daniel Gaberell am Freitag den 21. April 2006

Wer eine gewaltige Ladung an Kleinkünstlertum einverleiben möchte, der reise schleunigst nach Thun. Dort findet zur Zeit (noch bis Sonntag) die 47. KünstlerInnenbörse statt. Der Sinn: man zeigt sich und sein Programm den ungefähr 600 VeranstalterInnen aus dem In- und Ausland. Hauptsächlich Kleinkunst ist angesagt – oftmals die Kombination von Theater, Musik und Worte.

Besonders spannend, die Off-Bühne (ohne Eintritt) rund um den Schadausaal. Dort können/müssen sich all jene präsentieren, die eine von 240 Absagen der Organisatoren erhielten – denn offiziell werden nur 60 Darbietungen programmiert und gezeigt.

Die Folgen: I’m overdosed!

Kleinkunst