Archiv für die Kategorie ‘Strassenkunst’

Ändere deine Sicht!

Oliver Roth am Mittwoch den 30. Juli 2014

Manchmal bekommt man von guten Menschen, gute Tipps. Das Spiel Ingress gehört zu diesen Tipps. Es gehört auch zu den sogenannten «Alternate Reality»-Spielen und benutzt die Realität, um sie zu verändern. Es verändert beispielsweise Bern.

Heruntergeladen auf das Android– oder iOS-Smartphone wird schon zu Beginn klar: Das ist kein Spiel! «You have downloaded what you believe to be a game, but it is not!» 

Exotic Matter (XM) unbekannten Ursprungs sickert in unsere Welt! Entweder auf der Seite der Enlightened oder der Resistance kämpfend, sammeln die Spieler diese XM, hacken möglichst viele Portale, um diese schliesslich einzunehmen und miteinander zu flächendeckenden Feldern für die eigene Gruppe zu verlinken. Der Kampf um das Quartier, die Stadt, das Land, die Welt beginnt. «It’s happening all around you!»

Portale sind Sehenswürdigkeiten oder kleinere Gegenstände im ‘echten’, öffentlichen Raum, zu denen man sich hinbewegt. Zum Beispiel die Christoffel-Statue in der Bahnhofshalle, das Burgerspital oder die Paulskirche in der Länggasse.

Ingress verwandelt die sommerlich verregneten Gassen Berns zu einem alternativen Cyber-Schlachtfeld. Das Spiel lässt dich auf Spaziergänge mit Ab- und Umwegen geraten. Es verändert und erweitert deine Realität.

(Achtung: Für Datenlieferungen an das grosse «G» ist man selber verantwortlich.)

Zonen der öffentlichen Übertragung

Milena Krstic am Sonntag den 15. Juni 2014

Public Viewing. Ein ulkiger Begriff, wahlweise zu ergänzen mit «Zone». Jetzt, da die Fussball-Weltmeisterschaft stattfindet, ist die ganze Stadt zu einer Zone der öffentlichen Übertragung geworden; kein Beizli zu klein, Public Viewing Zone zu sein. Eine charmante Variante dieser Form der kollektiven Anteilnahme an einem «identitätsstiftenden Grossereignis» (ja, Wikipedia) gab es gestern Abend bei der Reitschule zu sehen:Public Viewing Cafete

Dort, wo die mit Mosaiksteinen besetzte Treppe in das kleine, verrauchte Lokal namens Cafete hineinführt, war es installiert, dieses Fernsehgerät aus einem gefühlten früheren Jahrhundert. Zu den Worten eines Französisch sprechenden Kommentators flitzten die Spieler über das Miniature-Feld. Diese Szenerie gab ein hübsches Bild ab; ein so ganz anderes als im Rest dieser öffentlichen Übertragungszone, zu der Bern geworden ist – und noch ein Weilchen bleiben wird.

Der König ist eine Königin. Sie ist schwarz.

Milena Krstic am Samstag den 24. Mai 2014

Der Besuch im Broadway Variété Freitagabend hat mich unweigerlich an die hippen T-Shirts des New Yorker Designers Dylan Chenfield erinnert. Das besonders in Rap-Kreisen beliebte Message-Shirt propagiert die Kunde:

Ich habe zwar gestern nicht Gott getroffen, aber dafür den König. Und ja, sie ist schwarz. Und sie hat eine Stimme wie Billie Holliday, oder Whitney Houston oder doch wie Nina Simone? Seit etwa fünf Jahren habe ich jede Broadway-Aufführung gesehen, aber so politisch konkret wie dieses Jahr war das Thema noch nie: «Le Königreich» heisst die diesjährige Show des «original Spiel- und Verzehrthaters», das jeden Sommer mit Wohnwägen durch die Landen zieht und in fünf Schweizer Städten eine temporäre Parallel-Welt kreiert. Während knapp vier Stunden wird das Publikum von Kleinkunst-Cracks unterhalten und showintegriert mit einem exquisiten Vier-Gang-Menu verköstigt. Nein, Zirkus ist das nicht, oder vielleicht ein bisschen, aber dann mit sehr viel Rock’n’Roll. Dieses Jahr sorgte eben genau dieser König, verkörpert von der tätowierten und gepiercten Kanadierin Sarah E. Reid, für eine Extraportion dieser Ingredienz, oft begleitet von einem hendrix’schen Gitarrenspiel des Gilbert Trefzger.

Sarah_E_Reid_Broadway_VariétéHofstaat-Regel Nummer 1: «Die Königin ist ein König», denn sie will als Mann gehandelt werden, damit man sie ernst nimmt. Wie viel Gesellschaftskritik diese Show auslösen will, lässt das Ensemble nicht durchscheinen. Am Ende ist doch alles auf Unterhaltung ausgerichtet. Ich weiss ehrlich gesagt nicht, was man an dieser Einstellung kritisieren sollte (sagen Sie es mir). Ich fand es schlicht cool, haben sich diese irrsinnig talentierten Freaks zusammengeschlossen, um ein zahlungskräfiges Publikum (ein Abend koststet zu recht CHF 120.-) mit ihrem Können zu unterhalten und dem Ganzen kritisches Gedankengut auf humorvolle Art und Weise beizumengen. Nebenbei verschwindet Artistin Sarah Willemin-Zürrer in einem Klavier oder windet sich um einen gigantischen Triangel. Die verschiedenen Showeinlagen passen nicht immer zusammen, aber das stört hier und an diesem Abend niemanden. Das Ambiente ist illusorisch, unwirklich und alles liebevoll gehandwerkt. Küre hatte sich besonders schick gemacht und zog seinen weissen Dandy-Hut vor dem Ensemble: «Ein Wunder, haben die nicht auch noch das WC-Papier selbst genäht.»

Die letzte Berner Vorstellung heute Abend ist ausverkauft. Ab nächster Woche gastiert das Broadway Variété in Zug. Die KSB-Autorin bereut die späte Berichterstattung.

Strassenkunst beim Fischermätteli

Milena Krstic am Sonntag den 4. Mai 2014

Er regt sich stumm auf, dieser Herr, auf den mich Küre aufmerksam gemacht hat. An einer dieser Boxen, in denen Auftausalz aufbewahrt wird, hat ihn jemand angebracht. Gleich dort, in der Nähe der Haltestelle Fischermätteli.

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